Von H. Jttngeaithmäyb, Marburg I
Unter „Westtschadohamitisch" soll hier der Teil der tschadohamiti¬
schen Sprachen verstanden sein, der innerhalb der Grenzen Nordnige riens
anzutreffen ist. Gegen Osten schließen sich eine zentrale Gruppe —
Zentraltschadohamitisch" —, hauptsächlich auf Kameruner Boden,
und eine östliche Gruppe — ,,Osttschadohamitisch" — in der Republik
Tschad an. — Dies ist eine äußerlich-regionale Einteilung, die nur zum
Teil den linguistisch-strukturellen Verwandtschaftsverhältnissen zwischen
den einzelnen tschadohamitischen Sprachen Rechnung trägt. Solange
aber immer noch bedeutende Lücken in unserer Kenntnis dieser Sprachen¬
welt bestehen, kann und muß diese Art der Einteilung als relativ beste
Arbeitsbasis betrachtet werden.
Die westtschadohamitischen Sprachen lassen sich aufgrund bestimmter
lexikalischer und morphologischer Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede
in 7 Untergruppen einteilen :
1. Hausa^
2. Bade 3. Warja, Pa'a
4. Bolanci, Ngamo, Karekare
5. Tangale, Kanakuru (Dera), Wurkun, Pero
6. Angas, Sura, Ankwe, Chip, Tal, Gerka, Burrum, Montol
7. Ron: Bokkos, Daffo, Fyer, Scha, Kulere.
Über die ,,Diryawa, Miyawa, Sirawa; Gezawa, Seiyawa, Barawa of
Dass", die Greenberg* außer den genannten Sprachen noch in seiner
Gruppe Ic zitiert, liegen uns keine grammatischen Beobachtungen vor,
so daß wir sie vorläufig nicht klassifizieren können. — Auch vom Warja
und Pa'a (s. oben, Gruppe 3) stehen mir nur wenige Notizen zur Ver¬
fügung*. Diese Gruppe ist daher nicht in unsere Betrachtungen ein¬
bezogen worden. Ebenso muß das Bade (Gr. 2) vorläufig unberück¬
sichtigt bleiben, da die Aufzeichnungen von Prof. Lukas über diese
1 "Vortrag gehalten auf dem XVI. Deutschen Orientalistentag, der vom
1.—5. 8. 1965 in Heidelberg stattfand.
2 Die gesperrt gesetzten Namen bezeichnen Sprachen, die für diese
Untersuchung herangezogen werden konnten.
' Joseph H. Gbeenbebg, Languages of Africa, The Hague 1963, S. 46.
* 1964 in der Provincial Secondary School in Bauchi, Nordnigerien, auf¬
genommen.
228 H. JUNGBAITHMAYB
Sprache noch nicht veröffenthcht sind. Auch das reiche Bolanci- Sprach¬
material ist noch nicht zugänglich; hier stehen mir aber einige eigene
Aufzeichnungen über alle drei Sprachen (der Gr. 4) zur Verfügung.
Aus diesen Vorbemerkungen ergibt sich notgedrungen, daß das Haupt¬
gewicht dieser Untersuchung auf den Gruppen 1, 5, 6 und 7 liegen muß*.
Zur Methode zwei weitere Bemerkungen. Wir betrachten im folgenden
nur diejenigen Verbalformen, die sich nach eingehender Untersuchung
und Vergleichung als die grundlegenden Aspekte bzw. Aktionsarten in
den betreffenden Sprachen herausgestellt haben. Das bedeutet, daß z.B.
intentionale oder ingressive Aktionsarten, die in den meisten Sprachen
den gleichen charakteristischen Verbalstamm haben wie der Progressiv,
als abgeleitete Formen hier nicht mitberücksichtigt werden. Des weiteren
sei darauf hingewiesen, daß es zeitweise erforderlich sein wird, die beiden
Betrachtungsweisen bzw. Untersuchungsebenen, nämlich die morpho¬
logische und die semantisch-funktionale, scharf auseinander¬
zuhalten. Es kommt in den hier zu betrachtenden Sprachen nicht selten
vor, daß einer bestimmten Verbalform mehrere Funktionen mit z.T. recht
unterschiedlichem Bedeutungsgrad zugeschrieben werden können bzw.
müssen. Die einzelnen Sprachen haben ja im Laufe ihrer Entwicklung
nicht alle das gleiche Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenfunktionen
ihrer Formengruppen entwickelt bzw. bewahrt. So kommt es, daß z.B.
der (morphologische) Grundaspekt, der in den meisten Sprachen heute
als die Form der Erzählung und/oder der allgemeinsten, meist zeitlosen
Aussage und FeststeUung gebraucht wird, im Hausa in erster Linie sub-
junktivisch-jussivische, im Tangale futurisch-intentionale Funktion hat*.
Als ein weiteres Beispiel kann die Situation im Kanakuru gelten. Diese
Sprache am mittleren Gongola, einem nördhchen Zufluß des Benue,
kennt (heute?) zwei Aspektstämme: einen verbalen {twi) und einen
nominalen (tüümdi). Ersterer dient zmn Aufbau aUer verbalen Formen¬
gruppen, wobei auffallenderweise kein Unterschied gemacht zu werden
scheint zwischen perfektiver und imperfektiver Bildung. M. E. handelt
es sich hier um eine Vereinfachung eines älteren differenzierteren Systems,
dessen Grundlage die «-Perfektiv : a-Imperfektiv Opposition war. Ein
solches (altes) a-Imperfektiv gibt es auch heute noch, es ist nur in einen
anderen Funktionsbereich geraten: und zwar ist es heute — ganz im
* Sämtliche Zitate für die Sprachen der Gruppen 4—7 entstammen Auf¬
zeichmmgen, die der Verf. 1962 in Nordnigerien gemacht hat. Für Angas
und Sura vgl. H. Jungraithmayr, Texte und Sprichwörter im Angas von
Kabwir, Afrika und Übersee, Bd. 48, 1964, S. 17—35, 114—127, und ders.
Die Sprache der Sura (Magliavul) in Nordnigerien, AuÜ, Bd. 47, 1963/64,
S. 8—89, 204—220.
° Dieser Funktionswechsel im Tangale ist mit dem entsprechenden im
Hebräischen zu vergleichen.
Sinne des hausanischen Relative Past, mit Ausnahme seiner narrativen
Funktion — die Relativform des Kanakuru.
II
Die beiden Aspekte' Perfektiv und Imperfektiv (aspect accompli
und aspect inaccompli) finden sich in den einzelnen westtschadohamiti¬
schen Sprachen z.T. in recht verschiedenartiger Weise angelegt und ver¬
wirklicht. Da im allgemeinen die perfektiven Verbalformen in den west¬
tschadohamitischen Sprachen eine nur beschränkte Funktion und Ver¬
wendungsbreite haben — im Dafifo-Ron z.B. kommt das Perfektivmn
auf -dn in den verfügbaren erzählenden Texten fast überhaupt nicht vor
hat dieser Bereich auch keine wesentliche Ausgestaltung und Diffe¬
renzierung erfahren. Ganz anders im imperfektiven Raum. Hier müssen
wir schon für eine frühe Entwicklungsstufe dieser Sprachen bestimmte
Ausbildungstendenzen annehmen, die zunächst zur Unterscheidung
einer punktualen einerseits und einer kursiv-durativen Aktions¬
art andererseits geführt haben. — Im Gegensatz zum Perfektivum, das
ein in der Vergangenheit erreichtes Ergebnis oder Ziel einer Handlung
bezeichnet, greift innerhalb des Imperfektivum der Punktualis irgend¬
einen Punkt (sie!) einer aus der Vergangenheit durch die Gegenwart in
die Zukunft verlaufenden Handlung heraus und stellt ihn fest (Konstativ;
Momentativ) : morphologisch wird zum Ausdruck dieser Situation meist
die einfachste Verbalform, die nur aus Pronomen und Grundstamm
besteht, verwendet, in semantischer Hinsicht ist diese Form meist Träger
einer ganzen Reihe von Funktionen, deren jeweiliges Gewicht bestim¬
mend wurde für die so verschiedenen Konzeptionen und Bezeichnungen
wie Narrativ, Historicus (also die Erzählform), Aorist, Präsens, Präte¬
ritum, Imperfekt usw. Der Einfachheit halber habe ich nun diese Form
Grundaspekt genannt. — Der Jussiv oder Subjunktiv unterscheidet
sich in seiner Gestalt entweder gar nicht — wie z.B. im Scha und Kulere
und auch im Kanakuru — oder nur durch geringe Modifikationen meist
tonaler Art (Angas, Bokkos, Daffo, Fyer, etc.) von diesem Grundaspekt.
Die kursiv-durative Aktionsart stellt nicht einen bestimmten
Punkt fest, sondern beschreibt die Tatsache des Handlungsverlaufs an
sich oder einen bestimmten Abschnitt desselben. Je nachdem nun mehr
' 'Aspekt' wird hier nioht im Sinne der Slawistik auf das Verbalthema bezogen vorstanden, sondern dieser Terminus soll in diesem Zusanunenhang
— wie ja auch zumeist in der Semitistik — die subjektive Anschauungsweise
eines Sprechers in Bezug auf den Ablauf einer Handlimg bezeiehnen, die
mit einer bestimmten Verbalform zum Ausdruck gebracht wird. Dio Be¬
zeichnung des Tempus ist eine meist nur sekundäre Funktion und Aufgabe
dieser Formgnippen.
230 H. JUNOBATTHMAYB
die habitativ-iterative oder mehr die progressiv-andauernde Seite in
einer Handlung vorherrscht (Aktionsart) oder als vorherrschend gesehen
wird (Aspekt), stehen in den westtschadohamitischen Sprachen zwei
Verbalformen zur Verfügung, die hier Habitativ bzw. Progressiv
genannt werden. Aufgrund der engen semantischen Verwandtschaft
fallen diese beiden Formengruppen manchmal in eine zusammen.
Die genannten Aspekte und Aktionsarten haben als Nebenfunktion
auch die Aufgabe, die Zeit im Sinne der Tempora, sofern eine Not¬
wendigkeit für ihre Signalisierung besteht, zum Ausdruck zu bringen.
So wird die Vergangenheit entweder durch das Perfektivum oder durch
den Grundaspekt wiedergegeben die Gegenwart entweder durch den
Grundaspekt, den Progressiv oder auch den Habitativ und die Zukunft
meist mit Hilfe einer abgeleiteten Progressivform (wie z.B. im Karekare, Ron usw.).
III
Bevor wir in eine Besprechung der Aspekte und Aktionsarten des
Westtschadohamitischen im einzelnen eintreten, seien einige allgemeine
Bemerkungen über ihre Bildungsweise gemacht. Diese Gruppe der
tschadohamitischen Sprachen, soweit sie uns bisher bekannt geworden
sind, kennt im wesentlichen nur das Prinzip der präfigierenden Kon¬
jugation, d.h. daß die personalen und aspektualen Konjugationselemente vor den Verbalstamm treten. Diese Regel gilt aber nur für die transitiven
Verben; die intransitiven, z.B. im Tangale, Kanakuru und in einigen
Ron-Sprachen, werden bilateral konjugiert (vgl. Tabelle). Weiter:
innerhalb ein und derselben Konjugationsform verändert sich der Verbal-
(oder verbalnominale) Stamm eines Aspekts oder einer Aktionsart nicht,
d.h. die Konjugation geht ausschließlich am Pronominalelement vor
sich*.
Was die Aspektstammbildung* betrifft, so sind uns bisher für
diese Sprachen zwei grundlegend verschiedene Typen bekannt geworden :
Typ A: Der Verbalstamm hat eine einzige, unveränderliche Gestalt
in allen verbal aufgebauten Aspekten bzw. Aktionsarten. Hierher ge¬
hören Sprachen wie das Hausa und das Angas.
Typ B: Die einzelnen Aspekte und Aktionsarten werden mit Hilfe
abgeleiteter Verbalstämme gebildet. Dabei erhält entweder jeder
Aspekt etc. einen besonderen Stamm — wie z.B. im Bolanci und wohl
' Eine bedingte Ausnahme davon bilden Sprachen, wie z.B. das Bolanci,
wo pluralische Verbstämme vorkommen.
" Vgl. die eingehendere Behandlung dieser Frage in meinem Beitrag zur
in Vorbereitung befindlichen Festschrift A. Klingenheben, Zur Bildung der
Aspektstämme in den Ron-Sprachen, Hamburg 1966.
auch im Ngamo und Karekare sowie im DafFo, Scha und Kulere — oder
es stehen nur zwei Stämme für die 3 bzw. 4 verbalen Konjugations¬
formen zur Verfügung (Tangale, Bokkos, Fyer).
In einem schematischen Überblick lassen sich die in den westtschado¬
hamitischen Sprachen vorkommenden Möglichkeiten der Bildung ver¬
baler Aspekte folgendermaßen darsteUen :
1. SP — 0 — VS z.B. CM ich aß, esse (Bokkos)
2. SP — AZ — VS nd-d ci ich habe gegessen (Hausa)
3. SP — 0 — vs — AZ 'i cu-dn ich habe gegessen (Daffo)
4. SP — AZi — vs — AZa 7iä-d tik-i ich habe geteilt (Kana.)
yin-a cih-e ich habe gegessen (Kul.) IV
Typen der Aspekte und Aktionsarten in den westtschadohamitischen
Sprachen (vgl. die TabeUe).
1. Den einfachsten Bau zeigt der punktuale Aspekt des Imperfekti-
vums: Grundaspekt sowie Jussiv bestehen aus Subjektspronomen
(SP) plus Verbalstamm (VS). Nur im Bolanci und Kanakuru weist der
Aspektstamm ein ihn von anderen Aspekten oder Aktionsarten diffe¬
renzierendes Suffix auf. Der Jussiv ist entweder identisch mit dem
Grundaspekt (Sura, Scha, Bolanci, Kanakuru) oder er unterscheidet
sich — etwa wie im Arabischen (yaqtulu : yaqtul) — durch Verkürzung
der Form (wie im Tangale) oder durch Tiefton des pronominalen Ele¬
ments vom hoch- oder mitteltonigen Grundaspekt (Hausa, Angas,
Bokkos, Daffo, Fyer).
2. Beim Auf bau des Perfektivums sind in den behandelten Sprachen
folgende Morpheme festzusteUen :
a) Suffix -a, das an das Subjektspronomen tritt; der Verbalstamm
bleibt dabei entweder unverändert, wie im Hausa, Angas, Scha und
Kulere, oder erhält seinerseits (zusätzlich) ein Suffix, wie z.B. -i im Scha.
b) Element ka, das als Aspektzeichen zwischen SP und VS tritt. Außer
im Sura kenne ich dieses Morphem in einer solchen Funktion nur noch
vom Cibak (vgl. C. Hoffmann, Die Sprache der Cihak, Afrikanistisehe
Studien, Berlin 1955). Z.B. Cibak yi kd si, Sura 'än ka ji „ich. bin ge¬
kommen".
c) Suffix -goj-go (Tangale), -ko (Ngamo), käu (Karekare), -wö (Bolanci)i*.
Im Wurkun und Pero erscheint dieses Morphem meist frikativ {-yo).
Dieses Suffix tritt in der Tangale-Gruppe direkt an die Verbalwurzel an,
im Bolanci etc. hingegen an einen Perfektstamm, dessen Vokalsuffix
"> -wö wird im Bolanci unter bestimmten morphologischen Voraus¬
setzungen zu -go oder -ko.
232 H. Jtjngeaithmayb
(-M, -aa) von der Klasse abhängig ist, der ein Verb angehört. Die vor-
angesteUten Subjektspronomina treten hier in ihrer nichterweiterten
,, Grundform" auf.
d) Suffix -an, kommt nur im Daffo-Ron vor; z.B. 'i cu-dn ,,ich hab©
gegessen". Das Subjektspronomen ist nicht erweitert.
e) Suffix -il-e: die perfektive Form des Kanakuru wird mit diesem
Morphem gebildet. Das Kanakm-u ist der östlichste Vertreter der west¬
tschadohamitischen Sprachen. Die weiter oben geäußerte Annahme, daß
wir hier möglicherweise das im hamitosemitischen Raum weit ver¬
breitete Oppositionspaar i (Perfektiv) : a (Imperfektiv) vor uns haben,
gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn wir uns daran erinnern, daß gerade
im Osttschadohamitischen sowie darüber hinaus im Kuschitischen diese
beiden Morpheme von entscheidender Bedeutxmg sind für die Aspekt-
stammbildungii ; vgl.
Mubiii) Kanakuru
Icd-tüwä du ißt, wirst essen ka twaa und du ißt, aßest
kd-til du aßest ka twi du aßest, hast gegessen.
3. Besondere Aufmerksamkeit verlangt die Bildung des Habitativs
im Ron. In den vier Idiomen von Bokkos, Daffo, Scha und Kulere wird
zu diesem Zweck die Verbalwurzel bzw. der verbale Grundstanun ge¬
sprengt und ein -a{a)- infigiert; vgl.
Grundstamm Habitativstamm
Bokkos cu cu- au -i^^
Daffo cu cu- au -i^^
Scha ci c-a-i-a-i^^
Kulere ci c - aa -i
Die entsprechende Opposition lautet für das Verbum für ,, sterben" —
z.B. im Daffo- mot : mwadt. Ich habe a.a.O. die Frage aufgeworfen, ob
man in diesem Sachverhalt nicht eine Entsprechung zu dem akkadischen
Oppositionspaar muut : maat (< muuat) sehen dürfe ? Es ist mir be¬
wußt, daß ich hier an ein in der Hamitosemitistik sehr umstrittenes
Problem rühre ; es läßt sich für uns hier in zwei Fragen zusarmnenfassen :
a) Ist es von der Morphologie und dem Gesamtsystem der beiden ver¬
ghchenen Sprachen her vertretbar, Gemination des mittleren Radikals
11 Vgl. für das Mubi J. Lukas, Zentralsudanische Studien, Hamburg 1937,
S. 168, für das Jegu, H. Jungraithmayr, Beobachtungen zur tschadohamiti¬
schen Sprache der Jegu (und Jonkor), Afrika und Übersee, Bd. 45, 1961, S. 95ff.
Für das Kuschitische siehe u.a. H. Platzikowsky-Bbauneb, Die Hilfs¬
elemente der Konjugation in den kuschitischen Sprachen, ZDMG, Bd. 107,
1957, S. 9f.
i'' Diese beiden Beispiele sprechen dafür, daß als Wurzel für „essen"
*t-w-y anzusetzen ist.
1* Im Scha wird der Habitativstamm zusätzlich noch teilweise redupliziert.
plus Aspektstammvokal a-a im Akkadischen mit z.B. dem Vorgang der
Infigierung eines a{a) plus — im Scha — partieller Reduplikation des
neu entstandenen Stammes (cai-ai) in Zusammenhang zu hringen ?
b) Wie weit sind die beiden Verbalformen, die wir im Akkadischen
Präsens" und im DafFo ,, Habitativ" nennen, in ihrer Funktion und
Bedeutung miteinander verwandt und somit vergleichbar ?
Ich kann mich an dieser Stelle zu a) noch nicht äußern. Zu b) ist für
das DafTo wie überhaupt für das Ron zu bemerken, daß die habitative
Verbalform sehr häufig dort steht, wo wir im Arabischen ein Imperfektum
oder im Deutschen ein generelles extratemporales Präsens verwenden
würden ; und das triflFt vor allem für Sprichwörter zu. Beispiele aus dem
Bokkos-Ron:
mürüm tday 16 kyel kwä ,,die Hyäne wählt das Fleisch nicht aus", d.h.
ist beim Fressen nicht wählerisch,
kyära gwdär sbk kwä ,,der Hund beißt nicht ohne Grund",
shüm ti fwddr duf dl kwä ,,Leid tötet die Menschen nicht".
Die Grundstämme zu den Habitativstämmen täär), gwdär und fwddr
lauten tay, göör und for.
Daß habitative Verbalformen besonders häufige Verwendung in den
allgemeinen und zeitlosen Aussagen der Sprichwörter finden, ist von
verschiedenen Sprachen her bekannt. Einen diesbezüglichen Hinweis
auf den berberischen Habitual verdanke ich Herrn Prof Rössler (Mar-
biu-g). In diesem Zusammenhang sei auch auf eine verwandte Unter¬
suchung von W. Vycichl verwiesen: ,,Die durative Form zweüadikaliger
Verben im Ägyptischen und in den Berbersprachen", Zeitschrift f Ägypt.
Sprache, Bd. 88, 2, Berlin 1963, S. 148—50.
4. Der Progressiv wird in allen Sprachen, so weit wir sehen können,
nach einem Schema : SP — Aspektzeichen — NS aufgebaut ; als Aspekt¬
zeichen wird in vielen Fällen eine seinsverbale Partikel (z.B. Hausa,
Bolanci) oder ein präpositionaler Ausdruck (Angas, Sura) gebraucht.
V
j
1. Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß diejenigen Sprachen j
Nordnigoriens, die wir seit 1936i* tschadohamitisch nennen, ein mit denj
übrigen hamitosemitischen Sprachen gemeinsames Erbe besitzen. i
2. Dieses Erbgut tritt mit fortschreitender Erkenntnis und Erforschung
der heutigen Einzelspraehen immer klarer zutage.
3. Abgesehen vom zur Verkehrssprache entwickelten Hausa ist die
Geschichte dieser Sprachen dadurch charakterisiert, daß sie im Laufe
1* Prof. J. Lukas hat auf dem Deutschen Orientalistentag in Bonn diesen
Terminus geprägt und zum ersten Mal gebrauoht.
234 H. JuNGBAiTHMAYB, Zum Bau im Westtschadohamitischen
der vergangenen Jahrhunderte in verschiedene Rückzugsgebiete abge¬
drängt worden sind und so der Zusammenhang schon sehr früh unter¬
brochen wurde, was einer Sonderentwicklung der einzelnen Glieder
förderlich war.
4. Diese Tatsache erklärt, daß wir u. a. auch auf dem Gebiete der Verbal¬
stammbildung so divergente Situationen wie die z.B. im Hausa und
Angas einerseits und im Ron andererseits antreffen.
5. Das System des Ron mit seiner den Verbalstamm z.T. innerlich
verändernden Aspektbildung ist m.E. tj^ologisch älter als das des Hausa
und Angas, in welchen Sprachen ein unveränderlicher Verbalstamm
für alle Aspekte, Aktionsarten und Modi auftritt. Prof Klingenheben
hat in seinem grundlegenden Aufsatz ,,Die Tempora Westafrikas und
die semitischen Tempora", ZfE 19, H. 4, 1929, S. 241—268, auf die
struktureUe Verwandschaft des Hausa mit Sudansprachen wie z.B. dem
Vai hingewiesen.
6. Tj^ologisch älter bedeutet im Sinne des tschadohamitischen
Charakters dieser Sprachen die Bewahrung einer sprachhistorisch
früheren und damit dem gemeinsamen hamitosemitischen Erbgut näher¬
stehenden Entwicklungsstufe.
7. Daraus geht u. a. hervor, daß bei hamitosemitischen Sprach¬
vergleichungen das Hausa keineswegs immer für alle Sprachen der west¬
tschadohamitischen Gruppe repräsentativ sein kann.
Tabelle
Aspekte (und Aktionsarten) im Westtschadohamitischen.
Aspekte und Aktionsarten
Perfektiv Imperfektiv
Punktual Kursiv-Durativ
Grundaspekt Habitativ Progressiv
Modi Jussiv
Hausa a) essen nd- d ci nd ci 'h
ci nd kän ci 'n nää eil
b) leihen nd- d 'dr-ää nd 'dr-ää 'h
vä
'dr-ää nd kän 'dr-ää 'n naA 'dr-ää-wdd
Angas essen ya- ä SE ya SB se yd yadl ße SB yd-n fb sd
Sura essen 'dn kd se 'dn se 'dn se 'dn ndd n Sd-se ) e
an p«i si
Ron
Bokkos a) essen ü-i cu H cu 'i
!\ cu '{ cwddy 'i md cwayl
b) gehen ti-i wäh '{ wäh l
t\ wäh '{ wddyi 'i ma wdh
Daifo a) essen '{ cu-dn H cu %
>J cu 'i cwaay y- da cwayi
b) sterben '{ mot-dn '{ mot l
mot '{ mwadt y- dd mot
Seha a) essen n- a ci-i nd cl nb
ci nd cdyäy yin md ci-i
h)tanzen n- a wün-i n3 wun Jl3
113
wün nb wdnän yin md wün-i
Kulere a) essen yin- a cih-B nä ci ci nd cddy nd caay-i
b) kommen yin- a böh-s nd boh tid
boh nh boyoh nä boyoh-d
Pyer a) essen y-d- ä 'it yi 'et yi 'et y-a-ä 'it y-a- d 'it
b) sterben y-d- ä möt yt mot yi mot y-a-d möt y-a- d mot
Bolanci a) essen 'n tii-wö 'h tä-i 'h
tä-i 'ti tii-shH 'ri ß tii-na
b) leihen 'h 'dr-ü-wd 'n 'är-i 'h
'är-i 'h 'dr-ö 'il fi 'dr-d
c) sterben 'h möt-ü-wö 'h möt-i 'h
möt-i 'h möt-6 'n P mbt-d
d) öffnen 'h 'äw-dd-wö 'n 'ew-6 'h
'ew-i 'h 'iw-k 'il ß 'ew-e.
Ngamo a) essen ne tü-kö nk. tii-she ne zük tii-she
Karekare a) essen na ti-käu na tee-kdu na- a te-nä
b) folgen na daaf-ü-käu 'k na daaj-ee-kdu na- a dddf-a
Tangale a) essen 'n sdd-gb na saa n
saa nä gdn SOM na- V saa-ni
(Kalt.)
'n
b) stehen 'h ser-gb na ser-i ser-i nä gdn sh-i na- V ser-ü-nö
Kanakuru a) essen na tw4 na tw-i Tia
fki
tw-i nd- d tw-i na- a tuü-mdi
b) teilen na tik-i na tik-i tik-i nd- d tik-i na- a tik-i-mdi
c) stehen na yir-e-nö na yir-e-nö
na
yir-e-nö nd d yir-e-nö na- a yir-md
Silben ohne ausdrückliches Tonzeichen haben Mittelton; ä = Hoohton, ^ '^'iefton, ä = Mitteltieffallend etc.
Bemerkungen zu 1965 edierten ugaritischen Texten
Von G. Sauee, Uttenreuth über Erlangen
Seit einigen Monaten liegen die meisten der in alphabetischer Keil¬
schrift geschriebenen ugaritischen Texte aus der 18. und 19. Grabungs¬
kampagne von 1954/55 vor^. Es handelt sich um 172 Texte von zum Teil
stark bruchstückhaftem Charakter : 58 aus dem großen Palast und dazu
34 Fragmente ; 55 aus einem Brennofen im Palast und dazu 13 Fragmente ;
schließlich 10 aus dem kleinen Palast und dazu 2 Fragmente. Neben
km^en mythologischen Texten stehen Briefe. Beide Gattungen werden
aber bei weitem übertreffen durch zahkeiche Listen. Einzehien von
ihnen soll sich unser Augenmerk im folgenden zuwenden.
Als erstes seien die Texte herangezogen, in denen die „maryanüma"
Erwähnung finden, nämlich die Nummern 19, 69, 70 und 113 nach der
Ausgabe Vieolleaud's^. A. Alt hatte in seiner Untersuchung „Men¬
schen ohne Namen" aus dem Jahre 1950* besonders den Text 400 nach
der Zählung Goedon's im Ugaritic Manual (= 144 nach der Zählung
Eissfeldt's) zu seiner Erklärung herangezogen, wonach die Bezeichnung
,,Sohn des X" nicht familiemechtlichen*, sondern staatsrechtlichen
Charakter haben müsse und besonders da gebraucht werde, wo Ange¬
hörige einzelner Berufe aufgezählt werden. Zu ihnen gehören in erster
Linie die maryanüma, ferner die mr'um, mSrglm und die khnm. Die
Bedeutung der einzelnen Bezeichnungen sind so gut wie sicher gedeutet :
mryn = maryannu, die führende Kriegerschicht der Mitanni, auch in
Ugarit syllabisch geschrieben: MAR-IA-NI^ bezeichnet Streitwagen¬
kämpfer. Das Wort selbst stammt aus dem Indogermanischen (aind.
marya = junger Mann), was zuletzt Segeet und Zgusta ausgesprochen
1 Mission de Ras Shamra XI: Palais royal d'Ugarit V, Textes en cunSi-
formes alphabetiques des archives sud, sud-ouest et du petit palais, hrsg. v.
Ch. Vibolleaud, Paris 1965.
2 Für das Vorkommen in früher veröffentlichten Texten vgl. J. AiST-
I.EITNEB, Wörterbuch der ugaritischen Sprache, hrsg. von O. Eissfeldt,
Berichte über die Verhandlung der Säohs. Akad. d. Wiss. zu Leipzig, Phil.-
hist. K^. Band 106 Heft 3, Berlin 1963 Nr. 1676f.
In den neuen Texten begegnet das Nomen im Singular in 11, 2 und als
bn mryn in 38, 5; 113, 5 und 117, I, 5.
3 in: Arohiv Orientälni 18 (1950) 9—24 = Kl. Sehr. III 198—213.
* so M. Noth, Die syrisch-palästinische Bevölkerung des zweiten Jahr-
tatisends v.Chr. im Lichte neuer Quellen. ZDPV 65 (1942) 9—67, auf S. 18,
Anm. 6.
5 400:1:28 (Gordon) = 144:1:28 (Eissfeldt).
6 ZDMG 116/2