Die Stellung Kaiser
Hadrians in der
römischen
Rechtsgeschi...
Hermann
Ferdinand Hitzig
^2.ß9^» ^.
Stellung Kaiser Hadrians
in der römischen Rechtsgeschichte.
Antrittsrede
gehalten am
23. Juli 1892von
Dr. H. F. Hitzte
Privatdozcut desrütnisclicuRecht*au der UniversitätZürich.
Druck und Verlag-vou Friedrich Schulthess 1892
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Die
Stellung Kaiser Hadrians
in der römischen Rechtsgescliichte.
Antrittsrede
gehalten am
23. Juli 1892von
Dr. H. F. Hitzig
Privatdozent desrömischenRecbtVander UniversitätZürich.
Zürich
Druck und Verlagvon Friedrich Schulthess 1892
WAV 12
1921DigitizedbyGoogle
Hochansehnliche Versammlung!
Gegenhundert KaiserhabeninderZeitzwischenAugustus undJustinian die Geschicke des römischen Reiches gelenkt.
Was
ein jeder einzelne von ihnen alsMensch undalsKaiser erstrebt und erreicht hat, zu untersuchen, istSache derall-gemeinenGeschichte.
Den
Rechtshistoriker interessiren nur wenigedieser stolzenNamen.Wohl
verbindetsich hierunddort mitdem Namen
eines bestimmten Kaisers ein Rechtsinstitut und seine Geschichte derart, dass noch heute diese Ver- bindung in der bleibenden Bezeichnung des Rechtsinstitutszum
Ausdruck gelangt; so sprechen wir von einer q uartaAnton
ina, einerretentio Gordiana,
einer emanci- patio Anastasia
na, aber in all diesen Fallen ist diese Verbindung allein nicht geeignet, uns ein Interesse für die Persönlichkeit des Kaisers abzulocken.Anders verhalt es sich nun mit denjenigen Kaisern, die in ihrer ganzen Erscheinung, ihrem Leben und Wirken von weitgehenderBedeutung für dieEntwicklung des römischen RechtesunddesrömischenStaatesgewordensind.
Da
stehen auf der einen Seite die Kaiser, denen wir eine erhebliche Zahl weiserReformenaufallenGebieten des Rechts, nament- lich auch des Privatrechts verdanken: ich erinnere nur an die Severe; auf der andern Seite dagegen die Manner, mit4
deren Erscheinen gewaltige
Umwälzungen
aufdem
Gebiete des Staatslebens, derVerfassung verbunden sind: ich nenne Augustus, an dessenNamen
sich der Sturz derrömischen Republik knüpft; icherinnereanDiocletian, vondessenAuf- treten wir eine neue Zeit datiren, die wir als die Periode der absoluten Monarchie der früheren desPrincipats gegen- über zu stellen pflegen; und dankbar nennenwirschliesslich denNamen
KaiserJustinians, der,wenn
er auch oftgenug
ungeschicktgearbeitethat,dochinzielbewussterAusführung jener einmal gefassten grossartigen Idee uns eineSumme
vonjuristischem Material erhalten hat, dasunssonst, soweit wir wenigstens absehen und rechnen können, verloren ge- gangen wäre.
Auch
derName
desjenigen Kaisers, vondem
ich heute zu Ihnen zu sprechen die Ehre habe, hat in der Rechtsge- schichte von jeher keinen schlechten Klang gehabt.Von
jeher verband
man
mitdem Namen
Kaiser Hadrians eine Reihe von wichtigen Reformen aufdem
Gebiete des Staats- undVerwaltungs-, desPrivat- undProzessrechtes, und es ist der Wissenschaft unserer Tage gelungen, zu den altenVer- diensten neue in erheblicher Zahl hinzuzufügen.Und
dennoch will niemand recht an eine höhere Be- deutung dieses Mannes glauben. Eine merkwürdige Er- scheinung nennt ihn Kariowa1, als den merkwürdigsten unter allen römischen Kaisern bezeichnet ihn Hirschfeld4.Woher kommt
es nun, dass, obgleich zugestandenermassen sovieleReformenaufHadrianalsSchöpfer zurückgehen,doch diesemMann
nur Verwundern, aber keineBewunderung
entgegengebracht wird. Ich glaube, derGrund
istfolgender Esgelingtder herrschenden Ansichtnicht, inalldiesen vielen und vielartigenNeuerungenHadrians, sobedeutendsiealleinund für sich betrachtet sein mögen, einen einheitlichen Ge- danken herauszufinden, der sie alle durchdringen und ver- binden würde.
Wohl
hat derKaiser eineReihevernünftiger, einleuchtender Ideen erfasst und andem
Willen, hier undDigitizedbyGoogle
dortOrdnung zu schaffen, hat es ihm nicht gefehlt; aber es gebricht ihm an der nötigen Energieund Consequenz: rasch wird der einmal erfasste Gedanke in Angriff genommen, aber auf halbem
Wege
bleibt der Kaiser stehen,um
auf einen andern Gedanken überzuspringen,dem
er dann die- selbeBehandlung wiedem
ersten angedeihenlässt. Weildie EinheitlichkeitdesGedankens, dieConsequenzfehlt, reduzirt sichwiederumdieBedeutungeiner jeder einzelnenReformund so—
sagendieVertreter derherrschenden Ansicht weiter—
deckt sich das Bild, das wir uns als Rechtshistoriker von Hadrian machen, mit
dem
Bild, das unsdie allgemeine Ge- schichte von dfesem Kaiser entwirft, mit jenem Bild, das niedergelegt ist in der bekannten Reihenfolge von Anti- thesen bei Aelius Spartianus3.So die herrschende Ansicht; freilich sind nun auch ab- weichende Ansichten aufgestellt worden. So hat Bremer in den Göttinger gelehrten Anzeigen des Jahres 18894 Bd. 1,
(in einer Besprechung von Krügers «Geschichte der Quellen undLitteraturdesrömischenRechts»), dieAnsichtvertreten,
man
sollte mitHadrian einenneuenAbschnitt derrömischen Rechtsgeschichte beginnen lassen und der bereits genannte Hirschfeld5 hat denWunsch
geäussert, es möchte einmal von rechtshistorischer Seite zusammengestellt werden, was nachdem
heutigen Stande der Forschung alles aufHadrian zurückzuführen sei, und es möchte dann, angesichts des so gesammelten und geordneten Materials, nochmals dieFrage geprüft werden, ob nicht doch allen diesen Reformen ein einheitlicher, grosserGedanke zu Grunde liege.Wenn
ich nun an dieser Stelle, soweit dies in einem mündlichen Vortrag möglich und für eineAntrittsvorlesung schicklich ist, es unternehmen will, die von Hirschfeld ge- stellte Aufgabe zu lösen, oder wenigstens ihrer Lösung näher zu bringen, und die von Bremer vertretene Ansicht auf ihre Richtigkeit zu prüfen, so muss meine Aufgabe folgendesein.Ichmussinerster LiniedieFragebeantworten;DigitizedbyGoogle
6
Was
verdanken wir Hadrian? Sodann habe ich den oder die Grundgedanken all dieser Reformen aufzusuchen;und
schliesslich muss ich Hadrian die Stellung in der Rechts- geschichte anweisen, die ihm nach
dem
Resultat unserer Untersuchungen gebührt.Fragen wir uns alsoinerster Linie, welcheNeuerungen auf Hadrian alsSchöpfer zurückgehen, so erinnert sich jeder, derin den Quellen des römischen Rechts nur irgendwie zu Hause ist, daran, dass nicht nur die Juristen aus der Zeit Hadrians, sondern auch die späterenJuristen und dass die Kaiser bis hinab aufJustinianHadrian häufig erwähnen
und
seine Entscheidungen mit besonderer Vorliebe citiren. Er- kundigen wir uns ferner nach
dem
Grundgedanken dieser Entscheidungen", so wirdman
wenigstens so viel sagen dürfen, dass ihnen eigen sei ein hoherGrad von Humanität, der namentlich aufdem
Gebiete des Sklaven- undFamilien- rechts und aufdem
Gebiete desStrafrechtszum Durchbruch
gelangt. Ich will nur erinnern an die Bestimmungen
über
Folterung und Misshandlung von Sklaven und darauf hin- weisen, dass von Hadrian zu wiederholten Malen mit aller Entschiedenheit der Satz aufgestellt worden ist, dass bei Prüfung der Schuld- undStraffrage nicht nur aufden ein- getretenenErfolg,sondern immer auchaufWissenund Willen des Täfers gesehenwerden müsse.Soweit sindwirauchalleeinig; dieHumanität Hadrians, die sich auch in seiner toleranten Stellung gegenüber
dem
Christentum offenbart, hat die ihr gebührende
Anerkennung
stets gefunden7. DieZweifelundBedenken, dieControversen beginnen da,
wo
die Staats- und verwaltungsrechtlichenRe-
formen einsetzen und bis überWesen
und Bedeutung dieser Klarheit geschafft sein wird, muss das Bild Hadrians in der Geschichte schwanken.Sehen wir uns nun diese Reformen genauer an
und
machen wir uns vorerst klar, wie die alten Schriftsteller Über Hadrian und seinWerk
geurtheilt haben.1
7
In erster Linie wird von allen übereinstimmend gelobt dieSorge des Kaisers fürdieProvinzen. Nur die vier letzten Regierungsjahrehabeerin
Rom
verlebt;dieübrigeZeithabe er auf Reisen verbracht; alle Provinzen habe er besucht, mehrere zu wiederholten Malen, überall Ordnungschaffend undControlle übend8. Das Eigenartige diesesganzenUnter- nehmens, die damit verbundene ständige Abwesenheit vonRom,
die Bedeutung der Reisen für die Entwicklung der bereisten Provinzen, die Beaufsichtigung derStatthalter und ihrer Amtsthätigkeit, «der Drang, alles Wissenswerthe zu erfassen und allesGeheimnissvolle zu ergründen9»—
alldas wird schonvon denalten Schriftstellernan Hadrian gerühmt.Aber nicht nur in diesenReisen offenbart sich dieSorge des Kaisers für die Provinzen: Monumentale Bauten ent- standen hier und dort im Römerreich aus seinen Mitteln oder wenigstens aufseine Veranlassung10; Städte erhalten seinen
Namen;
häufig ertheilt er das Latinerrechtn und zur Erleichterung des Verkehrs erhebt er das Postwesen zu einemStaatsinstitut,$.Besondersmuss hervorgehobenwerden, dass er dieVerwaltungItaliens—
inwelchemUmfang
wissen wir nichtgenau—
den stadtrömischen Magistraten entzogen und vier von ihm ernannten Consulares übertragenhat,3.An
zweiter Stelle wird erwähnt die Sorge des Kaisers für das Finanzwesen. Dio Cassius14 und AeliusSpartianus15 rühmen ihmnach, dassermit derselben Liebeund demselben Ordnungssinn wieeinsorgsamer Hausvaterfürseineeigenen und des Staates Finanzen gesorgt habe und Dio Cassius fügt bei, die Finanzverwaltung sei unterHadrian so bestelltgewesen, dass die Erinnerung an ihn nie vergehen werde.
An
der Trennung der öffentlichen Kassen scheint er nicht gerüttelt zu haben, wohl aber geht aufihn zurück die Ein- setzung desadvocatus
fisci18, eines Staatsanwaltes, der dieInteressen desStaates, des Fiscus vor Gericht zuwahren hatte; die neu geschaffeneStellewurdemit Rittern undzwar mit juristisch gebildeten Rittern besetzt,DigitizedbyGoogle
8
Sodann
mag
hingewiesen werden auf die Sorgedes
Kaisers für das Heerwesen, namentlich auch für die
Dis-
ciplin im Heere K. Er richtete
—
sagt Dio Cassius—
seine Sorge nicht nur auf das Heerwesen im allgemeinen, auf Waffen, Maschinen. Gräben. Mauern und
Schanzen,
sondern auf die Verhältnisse auch im Kleinen und aufden
Charakter jedes Soldaten und Offiziers. Er verbesserte die verweichlichten Sitten, er übte das Kriegsvolk in allerhand Kampfart. hier lobend, dort tadelnd, und alle lehrte er ihre
Pflicht.
In vierterLinie, und ganz besondersmussbetont
werden
dieSorgedes KaisersfürdieRechtspflege.Die
Rechtsprechung
der Beamten hat er einer strengen Controlleunterworfen
und unnachsichtlich die Fehlbaren bestraft aberauch
inRom nahm
er theil an Gerichtssitzungen vonBeamten
:er
sass in ihren Consilia**und
wenn
Bethmann-Hollwejr ein- mal in diesen kaiserlichen Besuchen ein Aflectiren republi- kanischer Einrichtungen gesehen hat. somag
das richtig sein für Tiberius. für Claudius, aber nicht oderwenigstens
nicht in demselben Masse für Hadrian, bei
dem
dererste Zweck
war. Controlle zu üben. Aber auchwo
er selbstals
Richter rüngirte. hat er sich mit seinen Entscheidungenund
dem
Pflichteifer, den er auf diese verwandte, denRuhm
grosster Gewissenhaftigkeit undGerechtigkeit erworben.
Er
hat eine Reihe von Juristen an seinen Hot gefesselt
und zu
standigen Mitarbeitern gemacht*\
Besondersmussnoch hervorgehobenwerdendie
Schaffung
desedictum Perpetuum.
Bis aufHadrian hatten inRom
die Prsetoren und die curulischen Aedüen. in den
Provinzen
die <tittha'ter das Recht gehabt, bei Antritt ihres
Amtes in
einem ''>rrent!irrtenEriass. einem s-co narrten Edict.kundzn-
jjeben. r.ichwelchenMaximens:eRecht sprechenwürden,
spe-
ciell in welchemFall sie ci"e-nAnspruch, den einerzu
tutb^n
staubte, gerichtlich, durch Verweisung des Falles ar
einen
Richtur. s<hu:zen weiter. In dieses Hd:ct k:r.nte nun. rotier
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neu antretende Magistrat seine Ideen hineinlegen; ein be- stimmter Kern desEdicts ging allerdings jeweilen von
dem
Edict des einen Magistrats in das des Nachfolgers über (edictum
tralaticium); das Edict bestehend aus diesem festen Kern unddem
jedesJahr wechselnden, der Initiative des jedesmaligen Magistrats entspringenden beweglichen Theil (edictum novum)
bildete so ein «jährliches Gesetz»für das Amtsjahr des proponirenden Magistrats; so
war
durch diese Edicirungsgewalt den genannten Magistraten dieMöglichkeit gegeben, dasCivilrecht weiter zu bilden, zu ergänzen und zu corrigiren. Diese Privatrechtserzeugungs- maschine wurde nun von Hadrian ausser Function gesetzt;er wies seinen Vertrauten, den Juristen Salvius Julianus, an, das Edict «zusammenzustellen»
(componere).
Der so be- sorgten EdictsredaktionwurdeaufkaiserlichenAntragdurch Senatsbeschluss gesetzliche Kraft verliehen; dieses Edict galt nun, ohneRücksicht aufdieAmtsgewalt desjeweiligen Prätors, als ein ewiges undwenn
dieses ewige Edict noch jedesJahr verkündigt wurde, so galt es doch nicht kraft dieserimmer
wiederkehrendenVerkündigung, sondern kraft des unterHadrian erlassenen Gesetzesundder verkündigende Magistrat hatte keinerlei Befugniss, irgend etwas andem
Edict zu ändern.Auch wenn
sich Lücken zeigen sollten, stand die Ergänzung nichtdem
proponirenden Magistrat, sonderndem
Kaiser zu.—
Das sind dieNeuerungen, die von altersherauf Hadrian alsSchöpfer zurückgeführt werden. Die Resultate der neueren Forschungen stellen sich in der Hauptsache dar als nähere AusführungenundErklärungen der allgemeinenBemerkungen, die wir soeben gegeben haben.
Die Werke, an die ich denke, sind folgende:
In erster Linie erwähne ich das
Werk
von E.Cuq"
Über das
consilium
prineipis; das Resultat, zudem
dieser Schriftsteller gelangt, haben vor ihmodergleichzeitig mit ihm auch andere Forscher gefunden, wie Haubold",
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«t^-:..
10
Mommsen
54,Hirschfeld*
5,Kariowa
3*;Cuq
hatdas
Verdienst, Quellenmaterial undLitteratur zu einer
hübschen
Monographie vereinigt zu haben.Es istaltrömischeSitte, dassderrömische Bürger,
wenn
er vor eine Entscheidung gestellt wird, die er allein treffen sollundfür dieeralleindieVerantwortlichkeitträgt,Drittper- sonen
um
Rath angeht und erst nachAnhörung
diesesGut-
achtens seinen Spruch fällt. Diesen von Fall zu Fall zuge- zogenen Beirath finden wir im Hause und im Staate,wir
finden ihn beiHausvater, Magistrat,Richter; wir finden ihn auch beimKaiser.Maecenassoll
dem
Augustusgerathenhaben, er solle,wenn
er zu Gericht sitze, bald mit diesen, baldmit jenen entscheiden*7.Wir
wissen nun, dass mit derZeit sich dies von Fall zu Fall wechselnde kaiserliche Consilium—
so heisstder Beirath
—
verwandelt hatineinständigesCon-
silium. Es ist das Verdienst Cuqs undder anderngenannten Forscher, den Nachweis erbracht zu haben, dass diese Änderungzurückgeht auf Hadrian. Er hat Juristen
dauernd
sich zugesellt und besoldet; diese
vom
Kaiser grossentheils ausdem
Ritterstand gewählten Juristen bilden nun sein ständiges, hierarchisch geordnetes Consilium; allerdings konnten dann neben diesen ständigen Berathern nochvon
Fall zu Fall nach alterManier weitereBerather, namentlich aus denKreisen derhohenWürdenträger, zugezogenwerden.
Im Anschluss will ich bemerken, dass,
wenn
ich in meiner Habilitationsschrift das Richtige getroffen habe, auf Hadrian auch zurückgehtdieEinführung der Assessur;dann
hatseitHadrian auch der römische Magistrat einen ständigen, des römischen Rechtes kundigen Berather an seiner Seite.
Ferner habe ich bei den Resultaten neuerer Forsch- ungen gedacht an das Buch von P. F.
Bremer über
«Rechtslehrer undRechtsschulen im römischen Kaiserreich»
in Verbindung mit den Inschriften. Bremer hat aus
den
Digesten und anderen Quellen zusammengestellt,was wir
vondem
Leben und der Thätigkeit der römischen JuristenDigitizedby
als Professoren und Assessoren wissen. Es ergibt sich aus dieser Zusammenstellung leicht, dass seit Hadrian Rechts- wissenschaft und Rechtsunterricht einen bedeutenden Auf-
schwung
nehmen; nicht nur erscheinen überhauptmehr
Juristen, nicht nur wird
mehr
produzirt an juristischer Litteratur, sondern die Juristen erhalten auch eine ange- sehenere socialeStellung, siewerdenhoffähig; deutlich zeigt sich das indem Aufkommen
des Wortes «jurisperitus» auf Inschriften und in der Promotion vonJuristen zu den von Hadrian neu geschaffenen Stellen.An
dritter Stelle und ganz vorzüglich ist hinzuweisen auf das Buch von O.Hirschfeld,
Untersuchungen aufdem
Gebiet der römischen VerwaltungsgeschichteI. Band:Die Verwaltungsbeamten.DasResultat dieserUntersuchungen
—
soweit es hier in Fragekommt —
ist folgendes:Nach
derAuffassung der erstenKaiser istder KaisereinBeamter, und weil er selbst Beamter ist, kann es keine kaiserlichen Beamten geben indem
Sinne, dass jemand durch kaiser- liche Ernennung ordentlicherMagistrat werde.Da
nunaber der Kaiser die Fülle derAufgaben, die ihm gestellt sind, nicht allein besorgen kann, unterstützen ihn namentlich in derVerwaltungPersonen, die in ein bestimmtes Verhältniss zu ihm treten, ohne dadurch öffentliche Beamte zu werden;das sind die Procuratoren, die Stellvertreter des Kaisers auf
dem
Gebiete der Verwaltung und die kaiserlichen Hausbeamten für die kaiserlicheCentraikasse unddiekaiser- liche Kanzlei. Es lag fürdenKaiser nahe, dieseVertrauens- posten mitMännern zu besetzen, dieohnehin schonineinem besondern Vertrauensverhältnisse zu ihm standen; dieses Vertrauensverhältniss ist das Patronatsverhältniss: es er- scheinen daher in diesen Stellen in erster Linie kaiserliche Freigelassene, so Pallas unter Claudius.Je
mehr
sich die Stellung des Kaisers änderte, jemehr
er aufhörte, reiner Beamter zu sein, musste die Stellung dieserGehilfen desKaisers sich ändern. Dieses rein private
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12
Verhältniss ohne öffentlichenCharakter konnte nicht weiter bestehen, es musste hinzukommen eine öffentliche
Aner-
kennung, das privatrechtlicheAnstellungsverhältnissmusste
sich verwandeln in ein öffentliches
Amt
, in einReichsamt
:
«An
Stelle der Freigelassenen musste ein kaiserlicherBe-
amtenstand mit magistratischem Charakter treten». Hirsch-feld hat, gestützt namentlich auf die Inschriften, ausgeführt, dass dieser
Umschwung
sich vollzogen hat unter Hadrian, der als der eigentliche Schöpfer des Reichsbeamtenstandes erscheint. Für all diese neuen Beamten gilt nun dreierlei:
1) sie werden alle
—
wie früher— vom
Kaiser ernannt;
2) sie werden
genommen —
nicht mehr aus denkaiser- lichenFreigelassenen, sondern—
ausdem
Stand der Ritter;3) es gibt nun für diese Beamten eine genau geordnete, sogenannte procuratorische Carriere, die ihre Spitze in
dem
höchsten Ritteramt, der Präfectur des Prätoriums, hat.
In vierter Linie will ich noch nennen das
Buch von
A.
S.Schultz
e—
Privatrecht undProzess in ihrerWechsel-
beziehung 1.Band; nach den AusführungenSchultzes"
liegtdie Bedeutung der Schöpfung desEdictum perpetuum darin, dass die Privatrechtszeugung den einzelnen Magistraten
ge- nommen
und ausschliesslich in dieHand
der Centralstaats- gewalt gelegt wird; Privatrecht soll nur noch durchGesetz
entstehen. Nach derAnsichtdiesesSchriftstellershätte
schon
unter Hadrian die Umgestaltung des Civilprozesses
und die
Aufhebung derTrennung zwischenjus undJudicium
er- folgen sollen*".Damit haben wir die Reformen, die nach
dem heutigen
Stande der rechtshistorischen Forschung auf Hadrian zu- rückgehen,kennengelernt. Sollteesnunwirklich soschwierig
sein, den Gedanken, die Idee zu finden, die alle diese
Neue-
rungen durchdringt und verbindet? Ich glaube nicht.
Wenn
das römische Kaiserthum zudem
Zielgelangen
sollte, zu
dem
es schliesslichgekommen
ist,wenn
sichder
Kaiser aus
dem
Beamten verwandeln sollte in einenunum-
Qigitizedby
Go^
schränkten Herrscher,
wenn
an die Stelle des Principats die absolute Monarchie treten sollte, so hatte der Kaiser einen doppeltenKampf
zu bestehen; die Grundpfeiler, auf denen das Staatsrecht der Republik ruhte, mussten gestürzt werden: Volk und Senat. Die Geschichte lehrt Uns, dass derKampf
mitdem
Volk bald ausgekämpft war, mühelos für den Sieger, schmerzlos für den Besiegten; dasVolkHess sich factisch dasGesetzgebungsrecht entreissen; diesesgeht über aufden Senat, dersich von nun an als Repräsentanz des römischen Volkes fühlt und betrachtet.Der so neu gekräftigte Senat
war
der zweiteFeind des Kaisers.Wohl
hatten frühere Kaiser imZusammenwirken
mit ihm das Heil des Staates erkannt; sollte aber die abso- lute Monarchiekommen,
so lautete die Parole auch hier:Kampf.
Kampf
in erster Linie mitdem
Senat als Behörde:die Mitwirkung und Mitregierung des Senats musste fallen oder wenigstens aufein
Minimum
beschränktwerden;Kampf
aber namentlich auch mitdem
Senat alsStand: noch immerwaren —
mit wenigenAusnahmen —
die höchsten Stellen im Staat Senatoren vorbehalten; der Kaiser musste bei derAuswahl
seiner Beamten freieHand
erhalten.War
dann einmal dieserKampf
begonnen und krönte ihn Sieg, so öffnete sichdem
Sieger ein weites Feld: Gedanken, die bis- her in ungesehener Ferne lagen, rückten auf einmal in er- reichbareNähe:die GleichstellungItaliensundder Provinzen, das Schwinden der VorrechteRoms,
die Erniedrigung des römischenSenatszum
GemeinderathderReichshauptstadt.—
Sollte nun der
Kampf
mitdem
Senat aulgenommen werden, so bot sich ein doppelter Weg. Der eineWeg
war der offensichtlich illegale: der Kaiser konnte durch einen geschickten Handstreich, vielleicht gestützt auf das Heer, sich den Vollbesitz der Macht verschaffen und den Senat einfach seiner Rechte verlustig erklären. Der andereWeg
war
derruhige, Aufsehenvermeidende, derForm
nachnicht illegale: derKaiser Hessdem
Senat alle seineRechte, setzte14
aber neben ihnElemente, die ihrem
Namen
unddem
Scheine nachdem
Senat durchaus nichtConcurrenz machten, in die aber von Anfang an die Bestimmung und die Kraft gelegt war,dem
Senat siegreich gegenüberzutreten.Den Kampf
mitdem
Senat aufgenommen und in dieser zuletzt genannten Weise geführt zu haben, darin erkenne ich den leitendenGedanken, derall denReformen Hadrians zuGrunde liegt. Lassen Siemichdasetwas naher ausführen.Wir
sehen Hadrian imKampf
mitdem
Senat als Be- hörde.Wohl
hat erdem
Senat formell keines seinerRechtegenommen
, aber er hat neben den Senat das kaiserliche Consilium gestellt, neben den gegebenen, vor ihm dage- wesenen,von ihm unabhängigen Rathden vonihmgewählten, von ihm abhängigen. Darin lag nun scheinbar nichts auf- fälliges; das Consilium ist eine gutrömische Einrichtungund dass speciellHadrian es zu einem ständigen machte, konnte deswegen wenigerauffallen, weil dieserewigreisendeKaiser bei der Auswahl seiner Berather immer aufseine Reisebe- gleiter, also immer aufdieselben Personen angewiesen war.Weiter konnte
man
sagen: DerKaiserhat Jurisdiction;wenn
er nun bei
Ausübung
dieser zugestandenenJurisdiction ein ständigesConsiliumsich haltenwill,soistdasseineSache.Aber
esliegtauf der Hand, dassdieKaiser,seitdemsieeinständiges Consilium haben,nochviel
mehr
alsfrüher,wo
derSenat irgend- wieumgangen
werdenkonnte,namentlichwo
dieCompetenz- frage nicht ganz, klarlag,dieEntscheidungmitdem
Consilium der Entscheidung mitdem
Senat vorzogen. Eswirdallerdings vonSpartian erzählt, dieRäthe Hadriansseienvom
Senat be- stätigtworden;man
geht aberwohlnichtirre,wenn man
an- nimmt, dass dieseBestätigungentwedersichüberhaupt nicht erhaltenhat oder doch rasch zueiner blossenFormalität her- untergesunken ist. Wichtiger ist aber, dass dasvon Hadrian geschaffeneConsilium durch dieReformen desselbenKaisers nunArbeitbekommt.Hieher gehört vor allemdieBestimmung»dass dieLücken, die in derjulianischenEdictsredactionsich
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15
fänden, durch denKaiser ausgefülltwerdensollten. Hierbot sich nun den kaiserlichen Rathen reiche Gelegenheit, ihre juristischen Kenntnisse zu verwerthen. SeitHadrian mehren sich dieAnfragen vonMagistraten andenKaiser,
zum
ersten Male werden zugelassen die Anfragen von Parteien, gegen deren Beantwortung noch Trajan sich gesträubt hatte30.Erst mit Hadrian beginnt eigentlich die grosse Rescripts- praxis, von der Codex und Digesten so beredtes Zeugniss ablegen. Seit Hadrian legen die Juristen den kaiserlichen Entscheidungen oder Constitutionen, die wir nach altherge- brachter Weise in Edicte, Decrete, Rescripte und Mandate eintheilen,Gesetzeskraftbei;sieerscheinen unterdenRechts- quellen bei Pomponius und Gajus.
War
die eigentlicheGesetzgebungschoninderfrühesten Kaiserzeit aufden Senat übergegangen, so zeigt sich auch hier die Verschiebung des Verhältnisses von Princeps und Senat.Auf
der einen Seite sind seit Hadrian «andere alsvom
Kaiser selbst im Senat gestellte Gesetzesanträge»(Krüger)11 nicht
mehr
vorgekommen; auf der andern Seite fangen seit Hadrian dieJuristen an, als das wesentliche bei diesen Senatsbeschlüssen nicht rnehr dieBerathung und Ab- stimmung des Senats, sondern den dieser vorausgehenden und im Consilium vorberathenen Vortrag und Antrag des Kaisers, diesogenannteoratioprincipis.zu
betrachten3*.Auf
der andern Seite sehen wir Hadrian imKampf
mit
dem
Senat alsStand. Vollkommen richtig hat derKaiser erkannt, dass ein Sieg, den er imKampf
mitdem
Senat alsBehörde erringen würde, nureinhalber Sieg wäre,
wenn
das Vorrecht des senatorischen Standes unangetastet bliebe.Zwar
hat Hadrian auch hier nicht offensichtlichdem
Senat entgegengearbeitet und keineswegs senatorische Stellen mit Nicht-Senatoren besetzt; er hat aber den Ritterstanddem
Senat dadurch gegenübergestellt, dass er eine grosse Zahl von neuenBeamtenstellen creirte und diese nun mitRittern besetzte. Theils hatten diese Stellen vorihmüberhauptnichtDigitizedbyGoogle
* TT
16
bestanden(praefectus
vehiculorum.advocatus
fisci), theils waren sie früher keine Staatsstellen gewesen.Durch
die Regulirung einer procuratorischen Carriere
wurde der
Ehrgeiz der Ritter angespornt; der Kaiser aber hat sich
in diesen ritterlichen Reichsbeamten einen von
ihm ab-
hängigen, ihm ergebenen Stand geschaffen.—
Aber auch die weiteren Ziele, die nach der
Aufnahme
des Kampfes mit
dem
Senat in erreichbareNähe
ruckten, erscheinen in den Reformen Hadrians. Dahingehören
in allererster Linie die Reisen in und durch dieProvinzen
;
man
hat in diesen rastlosen Wanderzügen schon allesmög-
liche sehen wollen; die einen erkennen darin einen tief
im
Geistesleben Hadrians begründeten romantischen
Zug
,die
andern einen Ausfluss seiner Freudeam
Lebenund am
Schönen; für den Rechtshistoriker bedeuten diese
Reisen
mehr; sie zeigen uns, dass der Kaiser mit dergleichen
Liebe und Aufopferung tiir alle Theile des Reichessorgen
will und dass er,
wenn
auch noch so weit von derewigen
Stadt und
dem
Senat entfernt, dochdem
Reichevorstehen
kann und will. Hieher gehört die Sorge des Kaisers fürdie
Provinzen, deren verschiedene Äusserungen wirkennen
gelernt haben; die Provinzen werden gegenüber
Rom
und Italien gehoben, Italien selbst den Provinzen
durch die
Einsetzung der Consulares ähnlicher gemacht.Auch
aufdem
Gebiete des Privatrechts zeigt sich das Bestreben,
Römer
und Peregrinen einander näher zu bringen; freiere
Auf-
fassungen zeigen sich in der Behandlung der
Standesehen.
Und
mit derIdee deseinen
römischen Reiches mitder
Gleichberechtigung aller seiner Theile verband sich
bei
HadriandieIdeedeseinen,
voneiner
(demKaiser)Rechts-
quelle ausgehenden römischen Rechts. Es ist bestritten, ob die julianische Redaction des Edictum
perpetuum das
städtische und das Provincialedict zu einem
Ganzen ver-
bunden habe; ist dies wirklich geschehen, soerkennen wir
auch hierin wieder die von Hadrian bezweckte
Annäherung
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der Provinzen an Rom.
Um
die Ausbildung des einen römischenRechtes hat der Kaisersichbedeutende Verdienste erworben: er hat die Weiterentwicklung desselben durch die Lahmlegung der magistratischen Edicirungsgewalt in seineHand genommen
; er hat dieJuristen in die Ämter- carriere eingeführt und sie an seinen Hof gezogen; er hat den Magistraten Assessoren gegeben, mit deren Hilfe sie das römische Recht hinaustragen sollten in alle Provinzen, damit es dort denKampf
aufnehmen könne mitdem
ein- heimischen Recht; so hat er den Magistrat vorbereitet und ausgerüstet, damit er später die Rolle des Richters über-nehmen
könne, dieihmallerdings erst Diocletianangewiesen hat.-
So zeigen uns alleReformenHadrians den
Kampf
gegen die Tradition, dass das Heil des Reiches untrennbar ver- bunden sei mit den Vorrechten des Senates und der StadtRom.
Sie fragen sich vielleicht:Wenn
das wirklich so ein- fach ist, wie es zu sein scheint,warum
glaubtman
esdenn nicht? IstdasObjectwirklich klarundreinlich,wieesmirer- scheint,undwilldennochdieherrschende Ansicht Hadriandie Einheitlichkeit und die Grösse des Gedankens absprechen, so muss sich zwischen den Blick der Sehenden und das Object etwas verwirrend, trübendgestellt haben und es istmeine Aufgabe, dieses Hinderniss zu suchen. Ich glaube, es sind drei solche Hindernisse vorhanden.
In erster Linie wirkt störend das Bild, das uns die all-
gemeine Geschichte von Hadrian entwirft.
Nun
ist es jawohl richtig, dass der Rechtshistoriker den
Zusammenhang
mit der allgemeinen Geschichte nie ausdem Auge
verlieren darf, sondern stets sich daran erinnernsoll, dassdieRechts- geschichte ein Theil der allgemeinen Geschichte ist. Aber der Rechtshistoriker soll bei seinen Betrachtungen zuerst mit seinem eigenen freienAuge
Personen und Verhältnisse ansehen und sich nicht zu dieser Betrachtung immer erst bei der allgemeinen Geschichte eine von dieser präparirteIlitzijr,Antrittsrede. 2
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19
täuschen; sie erinnern uns an das Verhalten des Augustus, der nie genugbetheuern konnte, dasser jaimGrundenichts anderes sei, als ein republikanischer Magistrat, und der mit diesen
immer
wiederholten Betheuerungen Volk und Senatan
der Nase herumgeführt hat.Und
zeigt uns nicht der BiographHadrians, AeliusSpartianus, selbst, dassderSenat,wenn
nicht von Anfang an, sodoch im Laufe der Zeit er-kannt hat, dass gegen ihn sich die Spitze der Reformen des Kaisers wendete? Nach
dem
Tode Hadrians—
so er- zählt dergenannteHistoriker—
wurde imSenat derAntraggestellt,
man
solledieRegierungshandlungenHadrianskassirenund
nurdem
Dazwischentreten des Antoninus Pius gelang es, dasAndenken
seines Vorgängers vor dieserSchmach
zu bewahren39.Man
kann in dritterLinie gegen unsere Darstellungein-wenden,
dass,wenn
Hadrian wirklich die von uns für ihn vindizirteBedeutung zukäme, dannhiervonauchindenalten Quellen etwas gesagt wäre. Das Bild, das von ihm die Historiker,vorab Dio CassiusundAeliusSpartianus,entwerfen, ist nicht das Bild eines grossen Mannes; eine geheime Ab- neigung gegen ihn lässt sich deutlich verspüren. Möglichist, dass in diesenKritikengerade der Widerwille
zum
Aus- druckkommt, mitdem
insenatorischenKreisendieReformen Hadrians aufgenommen wurden. Wichtig ist, dass schon Aelius Spartianus seiner Biographie beifügt: Inmortuum eum
amultis multa sunt
dicta, unter diesen vielenStimmen
werden auch günstige gewesensein; wichtigerist,dass in der zweitenHälfte desviertenJahrhunderts Aurelius Victor40
—
allerdings übertreibend—
schreibt, Hadrian habe denÄmtern
desStaates undHofesundauchdem
Heerwesen diejenigeForm
gegeben, diejetzt noch fortbestehe, weniges abgerechnet,wasConstantin abgeänderthabe;am
wichtigsten aber ist wohl dieWürdigung, die Hadrian vonJustinian er- halten hat; ihm erscheint er als der Vater des kaiserlichen Gesetzgebungsrechts41; darum hat er wohl auch die Re-20
dactoren des Codex angewiesen, als die ältesten der aul- zunehmenden Constitutionen diejenigen Hadrians zu be- trachten.
Ergibt sich so, dass unsere Quellen, namentlich
wenn
auch zwischen denZeilengelesenwird, nichtgegen, sondernfür eine hohe BedeutungHadrians sprechen, soerübrigt uns, diese Bedeutung Hadrians näher zu präzisiren und ihm die Stellung in der römischen Rechtsgeschichte anzuweisen, die er nach unserer Auffassung verdient.
Zweifellos liegt in der
Aufnahme
des Kampfes mitdem
Senat ein grosserFortschrittin derEntwicklungdes Kaiser- thums, in der Herbeiführung der absoluten Monarchie.
Die Aufnahme
des Kampfes bezeichnet den Bruch mit der alten Auffassung, die den Principat des Augustus beherrscht,den
Bruch mit der Idee der Dyarchie von Kaiser und Senat.Wohl
hat schon vor Hadrian dieIndividualität deseinzelnen Herrschers auf die Gestaltung dieser Coexistenz eingewirkt und das Gleichgewicht wurde bald zu Gunsten des Kaisers, bald zu Gunsten des Senats erschüttert. DieEinwirkung
Hadrians ist bedeutender und nachhaltiger; er hat es ge- wagt,durchReformen den Gegneranzugreifen und weilder
Angriffin einer scheinbar nicht illegalenWeiseerfolgte, er- hielten sich auch nach seinemTode die Reformen, dieden
Sieg herbeiführen sollten.
Aber Hadrian hat nicht nur die absoluteMonarchie Dio- cletians gedacht, sondern auch dasdiocletianischeReich
mit
derGleichberechtigung der Provinzen und er hatdiesenGe-
danken bereits hier und dort in That umgesetzt.Aber ist nun der
Weg,
den Hadrian eingeschlagen hat, der richtige gewesen? Im Grossen und Ganzen ist einge- treten,was
Hadrian erwartet hat; das kaiserlicheConsilium
hat den Senat verdrängt, der Kaiser ernennt dieBeamten
nach seinem freienWillen, es gibt einen fest geordnetenBe-
amtenstand, Italien ist eine Provinz geworden.Aber wir
würden sehr irre gehen,wenn
wir annehmen wollten,der
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21
unter Diocletian und Constantin eingetretene Erfolg lasse sich so aufdieReformenHadrians alsUrsachezurückführen, dass diese allein in ruhiger Entwicklung
zum
Ziel geführt hätten. Im dritten Jahrhundert, unter der Regierung des KaisersTacitus,träumteman
denTraum vom
Kaiser-Senat45;wäre
dasVorgehen Hadrians gegen den Senat mächtig und einschneidend genug gewesen, so hätte diese phantastische Idee gar nichtmehr aufkommen
können.Noch
vieles musste zu den Reformen Hadrians hinzu-kommen,
bevor die absoluteMonarchie erstehenkonnte; ein Element musste herbeigezogen werden, das Hadrian zwar neu gekräftigt, aber sonst nicht berücksichtigt hatte, das Element,dem
Septimius Severus die Ämtercarriere er- öffnet hat, es ist das Heer, das den dalmatischen Sclaven- sohn Diocletian auf den Schild erhoben undzum
Kaiser ausgerufen hat.Aber lassen wir dieBetrachtung aposterioriundfragen wir uns: Dürfen wirnicht,
wenn
wirdieReformen Hadriansim
Lichte ihrer Zeit betrachten, ihremSchöpfer eine solche Bedeutungbeimessen, dass wir von ihm eine neue Periode datirenkönnen.HatnichtinsofernwenigstensBremer Recht?Ist Hadrian nicht als der geistige Schöpfer der absoluten Monarchie zu betrachten?
Ich glaube auch dies nicht; noch eine Reihe wichtiger Fragen harren ihrer Lösung; noch fehlt die Erblichkeit der Kaiserwtirde, nochfehltdasGesetzgebungsrecht des Kaisers freilichhierunddort zeigt sich einAnfang: seitHadrianwird der Csesartitel aufden Thronfolger beschränkt und das Ge- setzgebungsrecht des Kaisers kündigt sich in der Behand- lung der
constitutio
und deroratio prineipis
an.Im allgemeinen muss gesagt werden, dass sich Hadrian den Kampf, den er unternehmen wollte, zu leichtvorgestellt hat; die römische Anschauung, dass für das Gedeihen des Staates derSenatunddieVorrechte
Roms
undItaliensnöthig seien, erwies sich als mächtiger, als er gedacht hatte; weil22
er dieStärkedesGegnersunterschätzte, haterzu schwache,
man
möchte sagen, zulegale Mittel gewählt.Also, wir wollenHadrian nicht
mehr
geben, alsihmge- bührt; er ist nicht der Schöpfer der absoluten Monarchie und weil er dies nicht ist, ist auch kein Bedürfniss vor- handen, von ihm eine neue Periode der römischen Rechts- geschichte zu datiren43. Aber er ist der grosse Vorbereiter der absoluten Monarchie; er hat den Gegneram
richtigen Ort erkannt, er hat mit der von AugustusautgestelltenIdee derDyarchie vonKaiser undSenat gebrochen und hatdem
kosmopolitischen Gedanken der Gleichstellung Italiens und der Provinzen Ausdruck verliehen.F.
Gregorovius
44hatinseinemBucheüberHadrian—
in welchem die rechtshistorischen Fragen so gut wie gar nicht berührt sind
—
einmal gesagt, wer dieBüsteHadrians sehe, der sage sich sofort: Das muss einbedeutenderMann
gewesen sein, er muss in irgend einer Sphäre des Lebens souverän gewesen sein und hoch über den Geistern seiner Zeit gestanden haben. Mit diesenWorten hatGregorovius
die Bedeutung Hadrians für die Rechtsgeschichte, die er sonst so ganz unberücksichtigt gelassen hat,gezeichnet.
—
Und wenn
nun Hadrian in der Rechtsgeschichte eine andere, eine bessere Stelle verdient, als die, die ihm ge- wöhnlich zugewiesen wird, so muss auch die allgemeine Geschichte ihr Urtheil über diesenMann
ändern im Sinne unserer Ausführungen; sie darf ihn uns dann nichtimmer
wieder schildern alsden mürrischen, unentschlossenen, un- consequentcn,wetterwendischen Phantasten,alsdenSemper
in
omnibus varius, —
wie ihn Spartian43 nennt—
sie darfihn uns nichtmehr
vorführen als den Hadrian, wie er uns heute in denRomanen
des HeidelbergerTheologen und des Leipziger Philologen erscheint; Hadrian gebührt eine bessere Stelle in der römischen Kaisergeschichte, undwenn
nicht die erste, so doch der allerersten eine.
So bestätigt uns die Geschichte der ReformenHadrians
23
und
ihrerWürdigung
in der Wissensehaft zwei alte Er- fahrungen: Die Geschichte derReformenHadrianszeigtuns, dass grosse Eroberungen auch aufdem
Gebiete des Rechts nicht ohneKampf
undAnstrengungenerrungenunddassalte TraditionennichtüberNachtgestürztwerden.Die Geschichte derWürdigung
dieser Reformen lehrt uns, dass auch aufdem
Gebiete unsererWissenschaft dieWahrheit nicht immer aufeinmal zuTagetritt, sondern dass sich häufiggenugerst ForschunganForschung, Erkenntniss anErkenntnissreihen muss, bevor eine einigermassen richtige Beurtheilung von PersonenundVerhältnissenmöglichist.Und
damit verbindet sich dieWahrnehmung,
dass aufdem
Gebiete derrömischen Rechtsgeschichte,dem
Jahrhunderte ihr fleissiges Studium zugewandthaben, heute für uns noch etwas zu lernen und zu arbeiten, zu suchen und wohl auch noch zu finden ist.Anmerkungen.
'O.Kariowa,römische RechtsgeschichteI546.
20. Hirschfeld, Untersuchungen auf dem Gebiet der römischen Verwaltungsgeschichte Ip.291.
»VitaHadriani 14n.
*L.c.p.429ff.
5S.Anm.2.
6S.diese beiHaenel, corpuslegump.85—101.
7So sagtF.Gregorovius. DerKaiserHadrianp.306:Imganzen darf das Urtheilgefälltwerden, dassdie hadrianischeGesetzgebungeinen sittlichenFortschrittim Bewusstsein der menschlichenGesellschaft bezeichnet.
«Dürr,dieReisen des Kaisers Hadrian.
9F.Gregorovius, 1.c.p.62.
10F.Gregorovius, 1.c.p.468ff.
11Vita Hadriani 217.
11Vita Hadriani7g;dazuHirsehfelda. a.0.(S.Anm.2.)p.98Anm.5.
13VitaHadriani 2213. Siewerdenalsjudicesbezeichnet;bestritten istnamentlich, ob dabei auch anCriminaljurisdictionzudenken sei; diese Frage istwohl eherzu verneinen, s. Kariowaa. a.0.(Anm. 1)p.565.
—
»«Dio Cassius69,144.
24
13Vita Hadriani 20 n.
—
««Vita Hadriani206.
-
Hirschfelda.a.0.(s.Anro.2)p.49 ff.»Vita Hadriani10. -Dio Cassius 69,92.3; dieimText stehende freieÜbersetzungistdievon Gregoroviusp.63 gegebene.
18Vita Hadriani 1310.
19Dio Cassius69, 71.
«°Civilprozess IIp. 137.
«•Vita Hadriani 181.
"E.
Cuq
in denMemoires presentespar divers savants ä l'aca- demie desinscriptions et belles-lettres I"aerie toraeIXsect.I3U—
504."Haubold,dissert. deconsist.princip (opusc. acad.I187-314)§V.
"Mommsen,
StaatsrechtII 989."Hirschfelda.a. 0.(s. Anm.2)p.215ff.
,6Kariowaa.a. 0.(s. Anm. 1)p.546.
27Dio Cassius52,383.
"»A.S.Schul tzea.a.0. p.533ff., bsd.543ff.
"A.S.Schnitzea. a.0.p.546ff.
30Vita Macrini13.Vgl.Krüger,Geschichte der Quellenund Litteratur des römischenRechtsp.94.
31Krügera a.0. (s.Anm.30)p.84.
"Kariowaa. a.0.(s. Anm.1) p.643.
83Z.b.Gregoroviusa.a. 0. (s.Anm.7) p.242.
34E.Herzog, Geschichteund.Systemderrömischen Staatsverfassung II1p.362ff.
35VitaHadriani 8a;1. 13C.Th. de accus IX1.
38VitaHadriani 184.
«VitaHadriani 222.
VitaHadriani2210.
3 »Vita Hadriani 271.
40Epitom. 14.
41L.2§18C.devet. jur.enucl.I.17.
4 »VitaTaciti 12.
43Man müsste dann folgerichtig mit Septimiua Severus wieder eine neue Periode beginnenlassen.
—
Eine Specialgeschichte des römischen Ver- waltungsrechts würde allerdings mit Recht von Hadrian eine neue Zeit datiren.44 a. a.0.p.244.
45Vita Hadriani 1411.
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Keller, (iuat., Dr. jur. Der Nuchlassvertrag ausser Concurs nach dt schweizer, lluiideagcsetzüberSchuldbetreibung und Concurs nebsteiiu historischen Anleitung. Ür. 8° br. Fr.2.40.
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