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Gottesdienst am Ronsdorf Predigt zu Josua 3-4

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Gottesdienst am 10.01.2021 Ronsdorf Predigt zu Josua 3-4

von Pfr. Dr. Jochen Denker

Ein kleines Mädchen fragt ihren Vater:

„Papa, warum liegen da drüben 12 große Steine? Sie sehen aus, als wären sie vom Himmel gefallen.“

Der Vater schaut sein Kind an und beginnt zu erzählen.

Ihr Lieben,

so stelle ich mir eine Szene vor, die vielleicht vor 2500 Jahren in Gilgal spielt, einem Ort in der Nähe von Jericho, nicht weit entfernt vom Jordan, nahe seiner Mündung ins Tote Meer.

Es gibt ja diese Orte, an denen etwas zu sehen ist. Etwas, das Fragen aufwirft, besonders bei Kindern, die sie dann auch stellen, weil sie noch wissen, dass fragen kein Zeichen von Dummheit ist.

Manchmal wird es vielleicht keine sinnvollere Antwort geben als die, dass die Steine „zufällig“ da liegen. Die bessere wäre sicher: „Ich weiß es nicht“.

Manchmal steht man aber unversehens an einem Erinnerungsort. Und wer die Geschichte dazu noch kennt, der hat etwas erzählen.

Es gibt eine Unzahl von Erinnerungsorte auf unserer Erde.

Private Erinnerungsorte, an denen zwei Menschen sich ihre Liebe geschworen haben, zum Beispiel. Eingeritzt in einen Baum findet man ein Herz mit zwei Buchstaben. Wer keinen Baum schädigen will oder weniger naturverbunden ist, der mag ein Schloss mit den Buchstaben an die Deutzer Brücke über den Rhein hängen – neben vermutlich hunderttausend anderen.

Manchmal hinterlassen wir bewusst Spuren auf unseren Wegen und freuen uns, wenn wir sie nach Jahren noch auffinden und „lesen“ können.

Aber es gibt auch Erinnerungsorte, die sich eine mehr oder weniger große Gruppe von Menschen gegeben haben.

Dort steht vielleicht ein „Denkmal“. Es soll die Erinnerung an ein Ereignis in der Geschichte wachhalten. Das Denkmal selbst – wenn es ein gutes ist – verweist schon auf das, was erinnert werden soll. Aber vor allem wird es Menschen brau- chen, die die dazugehörige Geschichte zu erzählen wissen.

Solche Haftpunkte für Erinnerungen brauchen wir, denn es sind Geschichten, die Menschen miteinander verbinden. Es können „Wundergeschichten“ sein, „Hel- dinnengeschichten“, auch erschütternde Geschichten von erlebter Unterdrückung oder begangener Schuld. In solchen Geschichten sammelt sich kollektive Erinne- rung, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Oft war kein

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Lebender, der sie erzählt, dabei und doch gehört diese Geschichte zu seiner Ge- schichte, ist Teil seines Lebens oder zumindest lebt er von und mit ihren guten und schlechten Folgen und weiß darum und nimmt diese Geschichte an.

Jede Kultur, jede Gemeinschaft braucht Erzählungen, die sie zusammenhält.

Eine Gemeinschaft verliert ihre Zukunft und zerfällt, wenn jeder einzelne Mensch meint, mit ihm habe die Welt erst angefangen und er sei ihr Mittelpunkt. Wir brauchen eine große Erzählung, deren Teil wir sind. Ohne sie verlieren wir nicht nur unsere Identität sondern – was ebenso schlimm ist – ohne sie verabschieden wir uns aus der Solidarität.

Was am Ende der „historische Kern“ der überlieferten Erinnerung ist, vermag man manchmal kaum mehr herauszufinden und das, was man findet, mag „wis- senschaftlich“ betrachtet sehr „dünn“ sein. Aber darauf kommt es am Ende nur vordergründig an. Denn „objektiv“, oder „neutral“ ist die Erzählung von erlebter Geschichte, von gemachten Erfahrungen nie.

Warum dieser lange Vorspann, der Euch hoffentlich nicht nur gelangweilt hat?

Weil die Bibel die Sammlung einer großen Erzählgemeinschaft ist.

Die Bibel ist ein Geschichtenbuch. Und sie macht keinen Hehl daraus, dass sie weniger „Historie“ erzählen will als „Geschichten“, die in ihrer Summe Teil einer großen Hoffnung und Vision sind. Sie ist der Überzeugung: Alle unsere Geschich- ten, unsere eigenen und die Summe aller, ist Teil der Geschichte von Gottes Liebe und Treue zu uns!

Deshalb sorgt sie sich weniger darum, „was ‚wirklich‘ passiert ist“ als um die Frage: „Was ist wahr?“ „Was gilt und bleibt und hält dem Strom der Zeit und den Wirren der Zeiten stand?“ Selbst „erfundene“ oder sagen wir besser „gefun- dene“(?) Geschichten können tiefe Wahrheiten in und durch die Zeiten tragen.

Springen wir nochmal zurück zum Anfang: nach Gilgal vor 2500 Jahren, zu den 12 Steinen.

Israel hat eine seiner einschneidendsten kollektiven Erfahrungen hinter sich. Der Tempel ist zerstört, die Oberschicht nach Babylon deportiert, die nationale Selb- ständigkeit dahin und mit alledem alles, was einem einmal den Eindruck von Si- cherheit vermittelt hatte, was einen darauf vertrauen ließ, dass man nicht im freien Fall ins Nirgendwo unterwegs ist.

Ein Volk am „Nullpunkt“. Oder eben nicht am „Nullpunkt“, sondern genau da, wo sich bewähren muss, was wirklich trägt. Man ist auf der Suche nach der Quelle einer Kraft, die einen Zusammenbruch nicht resigniert das Ende sein lässt oder tollwütig zur „letzten Schlacht“ ruft, sondern die, bei allem ehrlichen Schmerz, einen Neuanfang erwartet, der voller Hoffnung ist.

Diese Zeit war für die Entstehung der Bibel die produktivste Zeit.

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Man erinnerte sich neu an die alten Geschichten, die seit Generationen erzählt wurden und für die (vielleicht) sichtbare Haftpunkt, Erinnerungsorte hinterlassen worden waren.

Die Geschichte von den 12 Steinen ist eine davon. Sie ist im dritten und vierten Kapitel des Josuabuchs festgehalten. Ich möchte sie Euch etwas nacherzählen:

Mose ist gestorben. Der große Anführer, der Israel aus der Sklaverei und durch die Wüste geführt hatte, ist tot. Das Ziel seiner Träume hat er nicht erreicht. Das

„gelobte Land“ hat er nur von einem Berg aus sehen dürfen. Betreten hat er es nicht mehr. Er hat den Anfang gemacht, die Hoffnung geweckt und erhalten. Doch kurz vor dem Ziel ist sein Weg dann zu Ende.

Aber die Geschichte geht weiter. Sie ist größer als er.

Jetzt muss sein Nachfolger Gottes Volk führen.

Josua ist sein Name, Jehoshua, sagen die Hebräer. Die Griechen werden den Na- men später „Jesus“ aussprechen, „Gott rettet“.

Mose ist nicht mehr, aber Gott rettet weiter.

Nun steht Josua mit seinem Volk am Jordan.

Es ist Erntezeit und der Fluss führt Hochwasser. Auf der anderen Seite des Flusses liegt das Land der Verheißungen. Kundschafter hatten aber auch berichtet, dass es ein gefährliches Land sei, in dem Riesen wohnen. Dorthin, in das Land der Hoffnungen und der Befürchtungen soll das Volk ziehen.

Aber noch versperrt der Jordan ihm den Weg. Der „Herunterströmende“ heißt sein Name übersetzt. Endlos strömt er, wie die Zeit, die niemals stillsteht und alles mit sich reißt. Israel muss „über den Jordan gehen“. Bis heute sprichwörtlich nichts Verheißungsvolles, weil man eben nicht „drüber kommt“, denn wenn man drin- steht, geht man „den Jordan runter“!

Oder?

Die Geschichte geht so weiter:

Josua ruft die Priester, die die Bundeslade mit sich führen, in der die Gebotstafeln aufbewahrt wurden, die Mose vom Berg mitgebracht hatte und sagt zu ihnen:

„Steigt ihr als erste mit der Lade in den Fluss. Wenn ihr ihn betretet, dann werden die Wasser, die von oben kommen wie ein Wall stillstehen und die Wasser unter Euch werden abfließen und wir können alle trockenen Fußes durch den Fluss schreiten.“

Die Priester tun, was Josua sagt. Und als sie ihre Füße in den Fluss setzen, bleibt das Wasser oberhalb stehen und unterhalb fließt es ab. Sie gehen bis zur Mitte des Jordan und es bildet sich eine Schneise, durch die das ganze Volk hindurchschrei- tet.

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Wie sich beim Auszug aus der Sklaverei die Wasser des Meeres teilten, um den Weg in die Freiheit frei zu geben, so teilen sich nun die Wasser des Jordan beim Einzug ins „gelobte Land“.

Wo Gottes Wille ist, da ist auch ein Weg.

Mitten im Strom der Zeit, dem reißenden Strom der Geschichte steht ein Fels.

Gottes Wort, sein Gebot hält dem Strom stand und schützt die Menschen davor mitgerissen zu werden vom Jordan, dem „Hinabströmenden“, der bekanntlich ins

„Tote Meer“ fließt.

Da sagt Gott zu Josua: „Wähle 12 Männer aus dem Volk, aus jedem Stamm einen.

Jeder soll einen Stein aus dem Jordan holen, von der Stelle, wo die Füße der Pries- ter gestanden haben. Diese Steine bringt in euer Nachtlager nach Gilgal“.

Die Männer tun, was ihnen befohlen wurde. Und als sie wieder am Ufer sind und auch die Priester den Fluss verlassen haben, strömte das Wasser wieder talwärts.

Josua nimmt die 12 Steine und baut sie in Gilgal zu einem Denkmal auf und sagt zum Volk:

„Wenn eure Kinder später einmal fragen: ‘Vater, Mutter, was sind das hier für Steine?‘, dann sollt ihr erzählen, wie der HERR, unser Gott den Jordan ausgetrock- net hat, wie zuvor das Schilfmeer, damit wir trockenen Fußes durch den Jordan gehen konnten. Alle Welt soll davon erfahren, damit sie erkennt, wie mächtig der HERR, der Gott Israels ist.“

Ihr Lieben,

lange, lange standen diese zwölf Steine in Gilgal. Wer sie sah, fragte unweiger- lich. „Was ist das denn?“ Sie waren der Haftpunkt für die wunderbare Geschichte, dass Gott Wege weiß, um seine Kinder zu retten.

Von Generation zu Generation wurde diese Geschichte erzählt. Sie machte Mut, wenn es von einer Zeit in die andere ging, wenn große Veränderungen sich an- kündigten und man in ein unbekanntes Land musste: Wo Gottes Wille ist, da ist auch ein Weg. Wo Menschen auf das Wort des lebendigen Gottes, auf seine Ver- heißungen und sein Gebot vertrauen, haben sie eine Zukunft.

Es sind diese Geschichten, in denen sich die Menschen der Bibel in Zeiten großer Unsicherheit und Ungewissheit bergen.

Es ist der Blick in die Vergangenheit, die Suche nach Gottes Spuren in der Ge- schichte des eigenen Volkes, in der Geschichte der Welt, die ihnen Mut schenken, die Hoffnung nicht zu verlieren, weil ihre Hoffnung an Gott hängt, der doch un- erwartet, unverhofft Erhofftes tun kann, so dass man sich wundert – der eben

„Wunder“ tut.

Josua setzt Gott ein Denkmal. Dieser Ort, die Erinnerung an diese Erfahrung, soll immer gegenwärtig sein, wenn jemand diese 12 Steine sieht.

Und mit der Erinnerung soll die Hoffnung verbunden sein: Wer sein Leben und das der Welt nicht einem stummen Schicksal, nicht dem Machtspiel der

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Mächtigen, auch nicht resigniert dem Gott „Chronos“ überlässt, der seine Kinder frisst, nicht dem Jordan, der ins Tote Meer fließt, sondern wer es dem lebendigen Gott anbefiehlt, der wunderbar „über den Jordan gehen“ lässt und auf der anderen Seite Leben bereithält, der kann, der darf und der wird die Angst verlieren vor dem, was kommt.

Seht, die Bibel fügt ihre vielen kleinen Geschichten zu einer großen Erzählung zusammen, damit die heute Lebenden Vertrauen zu Gott fassen, der die Welt durch alle gigantischen Umwälzungen, Kriege, Revolutionen, Auf- und Abbrüche hindurch bis zu diesem Tage erhalten hat und ein gutes Ziel für sie weiß. Alle kleinen Geschichten sind aufgehoben in dieser großen. Auch die abgebrochenen Geschichten, die nicht gut ausgehen, sie werden eingewoben und mitgetragen in der Hoffnung, dass Gott selbst für sie noch eine Zukunft weiß.

Die Hoffnung, von der die Bibel so erzählt, ist deshalb nicht zu verwechseln mit bloßem Optimismus, der damit rechnen will, dass alles irgendwie gut geht oder nicht so schlimm kommt oder man selbst oder irgendein Mensch noch eine Lö- sung finden wird oder eine Technik erfindet, die die Lösung bringt.

Biblische Hoffnung sagt: All das geht den Jordan runter ins Tote Meer. Auch aller Optimismus. Die radikale Hoffnung der Bibel hält Gott die Treue, der auch noch aus dem Nichts etwas schaffen, der aus dem Tod Leben erwecken kann. Radikale Hoffnung fängt erst da an, wo der Optimismus „den Jordan runtergeht“ und man trotzdem nicht aufgibt. Wenn man nicht weiß, was kommt, wenn man nichts als das Ende sieht und nicht einmal mehr eine Vorstellung hat, wie eine Hilfe den aussehen könnte, sich in Gottes Arme wirft, weil man ihm, der Quelle des Lebens vertraut: Er will mein Leben, dann wird er auch einen Weg haben, mich ins Leben zu führen. Nein: nicht nur mich – alle und alles.

In den alten Geschichten steckt diese radikale Hoffnung.

Darum wirbt Gott um uns und bittet: Lehrt Eure Kinder und Enkelkinder meine Gegenwart in der Welt. Lehrt sie, ihr eigenes Leben hineinzuerzählen in die große Geschichte meiner Treue. Lehrt sie die Hoffnung, wo nichts mehr zu hoffen ist.

Wir brauchen keine Optimisten – obwohl die die Welt wohl allemal heller machen als ihre pessimistischen Zwillinge. Nein, wir brauchen radikal hoffende Men- schen, die dem lebendigen Gott vertrauen und deshalb mutig – und das ist wahrer Mut – noch Apfelbäume pflanzen, wenn der Menschenverstand sagt, dass die Welt morgen untergeht; und Gott schenke es, gerade weil sie das tun, immer wie- der eine neue wunderbare Rettungsgeschichte erleben, die von dem lebendigen Gott erzählt.

Mit einer Liedstrophe, die von dem anderen „Jehoschua “, von Jesus, dem, „Gott rettet“ erzählt und deine und meine Geschichte mit der seinen verbindet, möchte ich schließen:

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„Muss ich von hier nach dort - er hat den Weg erlitten.

Der Fluss reißt mich nicht fort, seit Jesus ihn durchschritten.

Wär er geblieben, wo des Todes Wellen branden, so hofften wir umsonst.

Doch nun ist er erstanden, erstanden,“ (eg 117,3) auferstanden.

Das ist der Grund für radikale Hoffnung.

Amen

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