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Migräne

Sozialrechtliche und psychosoziale Informationen zur Erkrankung

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Vorwort

Nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) leiden in Deutschland über 8 Millionen Menschen unter Migräne. Das entspricht ca. 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung. Ver- bunden mit Migräneattacken können visuelle und neurologische Störungen sein, die zusätzlich Ängste vor einer anderen Erkrankung auslösen können.

Kopfschmerzen haben neben dem körperlichen Leiden vielfältige soziale und psychische Auswirkungen auf die Lebensqualität. Viele Betroffene ziehen sich zurück und Angehörige wissen häufig nicht, wie sie mit dem Schmerzpatienten umgehen sollen.

Der vorliegende Ratgeber informiert, neben den Formen, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der Migräne, ausführlich zum Umgang mit der Erkrankung in den Bereichen Familie, Urlaub, Sport, Verkehr und Beruf. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den sozialrechtlichen Fragestellungen zu finanziellen Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung sowie zu Rehabilitation und Behinderung.

Wir hoffen, dass Migränepatienten und ihre Angehörigen durch diesen Ratgeber wieder Orientierung und Sicherheit gewinnen und dadurch in ihrer oft schwierigen Situation Entlastung finden.

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Inhalt

Vorwort _______________________________________________________________________________________ 2 Migräne _______________________________________________________________________________________ 5 Formen der Migräne __________________________________________________________________ 5 Ursachen und Triggerfaktoren ________________________________________________________ 6 Migräne bei Frauen ___________________________________________________________________ 7 Migräne bei Kindern und Jugendlichen ________________________________________________ 8 Behandlung __________________________________________________________________________________ 10 Nicht-medikamentöse Behandlung __________________________________________________ 10 Medikamentöse Behandlung _________________________________________________________ 11 Leben mit Migräne __________________________________________________________________________ 13 Familie und Freunde _________________________________________________________________ 13 Migräne am Arbeitsplatz _____________________________________________________________ 13 Autofahren ___________________________________________________________________________ 14 Urlaub _______________________________________________________________________________ 15 Sport _________________________________________________________________________________ 15 Zuzahlungen in der Krankenversicherung _________________________________________________ 16 Zuzahlungsregelungen _______________________________________________________________ 16 Zuzahlungsbefreiung_________________________________________________________________ 17 Sonderregelung für chronisch Kranke ________________________________________________ 20 Finanzielle Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit _____________________________________________ 22 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall _________________________________________________ 22 Krankengeld _________________________________________________________________________ 24 Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit ______________________________________________ 29 Rehabilitation ________________________________________________________________________________ 31 Überblick über Reha-Leistungen _____________________________________________________ 31 Zuständigkeiten der Reha-Träger ____________________________________________________ 31 Medizinische Rehabilitation __________________________________________________________ 33 Ambulante Reha-Maßnahmen _______________________________________________________ 35 Stationäre Reha-Maßnahmen ________________________________________________________ 35 Reha-Antrag __________________________________________________________________________ 36 Finanzielle Regelungen bei Reha-Leistungen _________________________________________ 37 Stufenweise Wiedereingliederung ____________________________________________________ 39 Berufliche Reha-Maßnahmen ________________________________________________________ 40 Übergangsgeld _______________________________________________________________________ 41 Haushaltshilfe ________________________________________________________________________ 43 Behinderung _________________________________________________________________________________ 46 Definition ____________________________________________________________________________ 46 Grad der Behinderung _______________________________________________________________ 46 Schwerbehindertenausweis __________________________________________________________ 47 Nachteilsausgleiche __________________________________________________________________ 48

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Finanzielle Hilfen bei Erwerbsminderung __________________________________________________ 50 Erwerbsminderungsrente ____________________________________________________________ 50 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ________________________________ 53 Hilfe zum Lebensunterhalt ___________________________________________________________ 55 Adressen _____________________________________________________________________________________ 56 Impressum ___________________________________________________________________________________ 57

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Migräne

Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzerkrankungen, über deren genaue Ursache sich die Experten bis heute nicht einig sind. Es wird davon ausgegangen, dass bestimmte Auslösefakto- ren wie Stress oder genetische Anfälligkeit eine vorübergehende Funktionsstörung der Nerven- zellen im Gehirn verursachen.

Typisch sind wiederkehrende Migräneattacken, die einseitige pulsierend-pochende Kopfschmerzen auslösen, welche sich über 4–72 Stunden hinziehen können. Begleitet werden diese Anfälle von Appe- titlosigkeit und/oder Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheue, Lärm- sowie Geruchsempfindlichkeit. Körper- liche Aktivitäten verstärken die Schmerzen. Leidet ein Betroffener über mehrere Tage im Monat an Migräneattacken, so besteht die Gefahr, dass sich die Migräne chronifiziert. Manche Migränepatienten haben zudem vor einem Anfall eine sog. Aura, die meist visuelle oder andere sensorische Wahrneh- mungsstörungen, z.B. Seh- oder Sprachprobleme, verursacht.

Die komplexe Erkrankung betrifft zwischen 10 und 15 % der Bevölkerung. Zwischen dem 35. und dem 45. Lebensjahr ist die Möglichkeit an einer Migräne zu erkranken am höchsten; Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Formen der Migräne

Die genaue Bestimmung der Kopfschmerzform kann je nach Person unterschiedlich ausfallen.

Grundsätzlich werden 3 Gruppen von Kopfschmerzen unterschieden. Migräne gehört zur ersten Gruppe.

Primäre Kopfschmerzerkrankungen – Migräne (ohne/mit Aura)

– Chronische Migräne

– Spannungs- und Clusterkopfschmerzen – Andere primäre Kopfschmerzen

Die Schmerzen treten als Hauptsymptom auf, ohne dass eine andere Erkrankung vorliegt.

Sekundäre Kopfschmerzerkrankungen

Das sind Kopfschmerzen, die als Symptom (z.B. durch eine Erkrankung) auftreten.

Kraniale Neuralgien, zentraler und primärer Gesichtsschmerz und andere Kopfschmerzen

Dies betrifft Schmerzen, die aufgrund geschädigter Nerven (z.B. durch eine Entzündung) im Bereich von Kopf, Hals und Gesicht auftreten.

Migräne ohne Aura

Am häufigsten treten Migräneanfälle ohne vorherige Aura auf. Bei den meisten Migränepatienten ist nur eine Kopfseite betroffen. Die Seite kann jedoch während einer Attacke oder von Anfall zu Anfall wechseln.

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Typische Symptome sind:

• Pulsierend-pochende Schmerzen

• Mittel bis hoch intensiver Schmerz, der bei körperlichen Routinebewegungen stärker wird

• Begleiterscheinungen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit und Geruchsabneigungen

• Allgemeines Krankheitsgefühl

Migräne mit Aura

Vor einer Schmerzattacke kommt es bei ca. 15 % der Betroffenen zu einer Aura, die bis zu 60 Minuten anhalten kann. Häufig verbunden mit visuellen und neurologischen Störungen ist diese Migräneform besonders belastend, da sie zusätzlich Ängste vor einer anderen Erkrankung auslösen kann.

Typische Symptome sind:

• Sehstörungen, z.B. eingeschränktes Gesichtsfeld, Flimmern, Blitze, verschwommenes oder verzerrtes Sehen, Sehen von Doppelbildern

• Sprachstörungen

• Sensibilitätsstörungen, z.B. Kribbeln im Gesicht, in den Armen, den Händen

• Lähmungserscheinungen

• Drehschwindel

• Gleichgewichts- und Orientierungsprobleme

Chronische Migräne

Treten die Migräneattacken mindestens 3 Monate lang und an 15 und mehr Tagen im Monat auf, so besteht die Gefahr einer chronischen Migräne, vorausgesetzt es liegt kein Übergebrauch an Medika- menten vor. Bis zu 14 % der Migräne-Betroffenen entwickelt im Laufe eines Jahres eine chronische Migräne.

Wer hilft weiter?

Die genaue Bestimmung der Kopfschmerzform sollte ein spezialisierter Arzt vornehmen. Adressen zertifizierter Ärzte bietet die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft unter www.dmkg.de >

Experten > DMKG Kopfschmerzexperten.

Ursachen und Triggerfaktoren

Die Ursachen für die Funktionsstörungen im Gehirn, welche Migräne auslösen, sind immer noch nicht erforscht. Vermutet wird ein Zusammenwirken von genetischen und Umweltfaktoren. Da die Ursachen nicht bekannt sind, sind diese Kopfschmerzen auch nur selten heilbar.

Bekannter sind dagegen manche Auslöser für die Schmerzattacken, die sog. Trigger. Sie sind indivi- duell sehr verschieden und ihnen gilt in der Behandlung das Hauptaugenmerk.

Mögliche Triggerfaktoren bei Migräne sind:

• Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus

• Stress, emotionale Anspannung, plötzliche Entspannung

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• Hormonelle Schwankungen, bei Frauen z.B. Schwankungen im Zusammenhang mit Periode und Eisprung

• Bestimmte Substanzen (v.a. Alkohol, Drogen und Nikotin), selten auch Nahrungsmittel

• Schwankungen des Koffein-Spiegels

• Überempfindlichkeit gegenüber Reizen

• Erhöhte Anfälligkeit für psychische und körperliche Erkrankungen

Die Betroffenen können bei einem Anfall oft nicht arbeiten und auch das Privatleben ist erheblich ein- geschränkt. Es empfiehlt sich daher, die eigenen Kopfschmerzen und individuellen Triggerfaktoren zu beobachten, um Migräneattacken vorzubeugen. Hier kann ein Kopfschmerz-Kalender, in dem Stärke, Dauer und eingenommene Medikamente dokumentiert werden, hilfreich sein.

Praxistipp!

Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft bietet unter www.dmkg.de > Patienten > DMKG Kopfschmerzkalender Kalender in verschiedenen Sprachen zum Download an.

Migräne bei Frauen

Migräne gilt als „typisches Frauenleiden“, aber nur weil Frauen drei Mal so oft betroffen sind wie Männer. Auslöser für Schmerzattacken können Schwankungen von Geschlechtshormonen, z.B. ein Anstieg und Abfall des Östrogenspiegels beim Eisprung, sein. Entsprechend haben Menstruation, Verhütung, Schwangerschaft, Stillzeit und Wechseljahre Einfluss auf die Krankheit.

Menstruelle Migräne

Etwa 7 % der betroffenen Frauen leiden unter einer sog. menstruellen Migräne. Während der Menst- ruation sind die Migräneattacken meist recht lang und intensiv und setzen etwa 2 Tage vor bis 2 Tage nach den Regelblutungen ein.

Verhütung

Ob die Pille als Hormonpräparat als Migräneauslöser eine Rolle spielt, ist umstritten. Es gibt Hinweise in beide Richtungen: Dass die Pille Anfälle auslöst ebenso wie dass die Pille Anfälle reduziert oder abmildert. Klärung kann nur eine individuelle Beobachtung unter fachärztlicher Anleitung bringen.

Beim Verdacht der Pille als Anfallsauslöser sollte zu anderen, nicht-hormonellen Verhütungsmethoden gewechselt werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Während der Schwangerschaft haben ca. 50–80 % der Patientinnen weniger, leichtere oder keine Migräneattacken. Zudem kann sich die Migräneform ändern, z.B. dass sich eine Migräne mit Aura zu einer Migräne ohne Aura entwickelt. Allerdings kommen die Anfälle nach der Geburt meist wieder und verschwinden bei einer späteren Schwangerschaft oft nicht mehr.

In der Schwangerschaft sollten alle Möglichkeiten zur Vorbeugung ohne Medikamente ausgenutzt werden, da die Einnahme praktisch aller Migränemittel das Ungeborene beeinträchtigen kann.

In der Stillzeit bestehen etwas weniger Gefahren und damit Einschränkungen, aber auch hier sollte eine

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Medikamenteneinnahme immer mit dem Arzt abgesprochen werden.

Wechseljahre

Sind Hormone die Migräneauslöser, können die Anfälle nach den Wechseljahren verschwinden, selte- ner werden oder schneller abklingen – allerdings nur bei gut der Hälfte der Frauen. Bei einigen wird die Migräne auch schlimmer.

Migräne bei Kindern und Jugendlichen

Nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft sind etwa 4–5 % der Kinder und Jugendlichen von Migräne betroffen. Dabei zeigen sie häufig auch andere Krankheitszeichen als Erwachsene. Eine Diagnose ist meist schwierig und sollte von Kopfschmerzexperten gestellt werden.

Typische Symptome

Kinder und Jugendliche zeigen ähnliche Symptome wie Erwachsene, zusätzlich treten aber auch andere Krankheitszeichen auf:

• Die Betroffenen unterbrechen ihre Tätigkeit, sind blass und wollen sich hinlegen und schlafen. Oft wachen sie nach einiger Zeit beschwerdefrei auf.

• Die Migräneattacken sind in der Regel kürzer als bei Erwachsenen, oft nur wenige Stunden. Sie kön- nen sogar gänzlich schmerzfrei verlaufen, jedoch kommt es zu Schwindel, Übelkeit und Erbrechen.

• Übelkeit und Erbrechen sind oft stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen.

• Der Migränekopfschmerz kann bei Kindern und Jugendlichen beidseitig auftreten.

• Es kann, wie bei Erwachsenen, eine Aura entstehen, die z.B. Sprach- und Wahrnehmungsstörungen zur Folge hat. Speziell kann hier das sog. Alice-im-Wunderland-Syndrom auftreten, bei dem die Be- troffenen ungewöhnliche Bilder sehen.

Umgang mit Symptomen

Oft ist es schwierig Migränesymptome bei Kindern und Jugendlichen zu bemerken. Geachtet werden sollte auf Verhaltensveränderungen wie Müdigkeitserscheinungen, Reizbarkeit, Konzentrationspro- bleme in der Schule oder wenn ein Kleinkind über Bauchschmerzen klagt. In der Regel sind der Rückzug in ein abgedunkeltes Zimmer und Ruhe hilfreich. Das Erlernen von Entspannungstechniken sowie die Entschleunigung des Alltags können den jungen Migränepatienten helfen, die Zahl der Migräneanfälle zu reduzieren. Eine medikamentöse Therapie sollte nur unter ärztlicher Aufsicht stattfinden.

Für Kinder und Jugendliche hat die MigräneLiga e.V. ein spezielles Migränetagebuch entwickelt (siehe Praxistipp S. 9). Das Tagebuch kann helfen, künftigen Anfällen vorzubeugen und Informationen für eine Diagnose und spätere Behandlung zu sammeln.

Ursachen und Triggerfaktoren

Wie bei der Erwachsenen-Migräne sind die Ursachen der Kopfschmerzen von Kindern und Jugendlichen noch nicht vollständig erforscht. Man geht neben genetischen Faktoren von verschiedenen „Triggern“

aus, die einen Migräneanfall bei übermäßiger Belastung auslösen können:

• Unregelmäßige Schlafgewohnheiten

• Ungesunde Ernährung sowie ein schwankender Blutzuckerspiegel

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• Unzureichende Flüssigkeitsaufnahme

• Hormonschwankungen zu Beginn der Pubertät

• Seelische Belastungssituationen, z.B. familiäre Konflikte

• Stresssituationen, z.B. Lärm in der Kita oder Leistungsdruck in der Schule

• Seh-, Lese- oder Lernstörungen, die nicht erkannt werden

• Bewegungsmangel und Reizüberflutung durch übermäßigen Medienkonsum

• Wetterwechsel und veränderte Lichtverhältnisse

Praxistipps!

• Das „Kopfschmerz- und Migränetagebuch für Kinder“ kann bei der MigräneLiga e.V. - Geschäftsstelle Logistik, Jürgen Thüringen, Marktplatz 13, 35216 Biedenkopf gegen eine Schutzgebühr von 6,50 € + 1 € Porto in Briefmarken auf einem adressierten DIN A4 Rückumschlag bestellt werden.

• Die Neuauflage des Kinderbuchs „Ein Tag ohne Mama“ hilft Kindern, die Erkrankung besser zu ver- stehen. Die Zusendung erfolgt kostenlos gegen Einsenden eines mit 1,45 € frankierten adressierten DIN A5 Rückumschlags an die oben genannte Adresse.

• Erzieher und Lehrer sollten über die Migräne-Erkrankung des Kindes informiert werden, denn auch hier gilt, dass eine Überforderung Migräneanfälle auslösen kann.

• Psychologen der Universität Göttingen haben für Kinder und Jugendliche mit Kopfschmerzen zur Vor- beugung und besseren Bewältigung ein kostenpflichtiges Online-Training entwickelt. Informationen unter www.stopp-den-kopfschmerz.de.

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Behandlung

Da die Ursachen von Migräne und anderen primären Kopfschmerzen bis heute nicht geklärt sind, können sie auch nicht von Grund auf geheilt werden. Die Behandlung zielt deshalb auf die Durchbrechung von Schmerzattacken (Akutbehandlung) sowie auf die Verhinderung von Atta- cken (Vorbeugung/Prophylaxe) ab. Dafür gibt es mehrere Ansätze. Bei den meisten Betroffenen ist eine Kombination verschiedener Behandlungs- und Vorbeugemaßnahmen am erfolgreichs- ten.

Nicht-medikamentöse Behandlung

Es gibt kaum nicht-medikamentöse Maßnahmen, die einen akuten Migräneanfall verkürzen können und wissenschaftlich belegt sind. Lediglich für die Biofeedbacktherapie finden sich positive Effekte.

Beim Biofeedback wird die bewusste Kontrolle über die körpereigenen Funktionen trainiert, um geziel- ter gegen Schmerzattacken vorgehen zu können. Durch Sensoren am Körper werden dem Betroffenen z.B. bildlich oder akustisch ausgewählte Körpersignale rückgemeldet. Durch dieses Feedback ist es möglich, Kontrolle über auftretende Symptome zu erlangen und der Betroffene wird befähigt, Entspan- nungsprozesse einzuleiten.

Zur Vorbeugung eines Migräneanfalls finden folgende verhaltenstherapeutische Interventionen Anwendung:

Beratung des Patienten

Es konnte nachgewiesen werden, dass bereits eine Migräneberatung das Auftreten von Kopfschmer- zen reduzieren kann. Dieser Effekt konnte auch für Kinder wissenschaftlich bestätigt werden. Zudem kann durch eine Beratung die Besserung von kopfschmerzbegleitenden Symptomen und eine Erhöhung der Lebensqualität erreicht werden. Die Informationsvermittlung einer solchen (Online-) Beratung besteht aus dem Erkennen potenzieller Anfallsauslöser (Trigger), Regeln des gesunden Schlafs (Schlafhygiene), körperlichen Übungen sowie der Benutzung eines Migränekalenders.

Entspannungstherapie

Ein bewährtes Mittel, um Schmerzen zu mindern, aber auch um die Häufigkeit und Intensität der Anfälle zu reduzieren, sind Entspannungsübungen. Besonders effektiv ist die Progressive Muskel- relaxation (PMR). Die Vorteile dieses Verfahrens sind das schnelle Erlernen der Techniken sowie die unkomplizierte Anwendung im Alltag. Um Schmerzen nachhaltig zu lindern, ist es notwendig, dass die Übungen jeden Tag 15–20 Minuten durchgeführt werden. Um Entspannungsverfahren zu erler- nen, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

– Im Rahmen einer Reha-Maßnahme von Physio- und Ergotherapeuten.

– Im Rahmen der sog. Psychosomatischen Grundversorgung bei speziell qualifizierten Hausärzten.

– Im Rahmen von Präventionskursen, die von den Krankenkassen bezuschusst werden. Anbieter sind z.B. Volkshochschulen, Vereine und Fitnessstudios.

Ausdauertraining

Regelmäßiges Ausdauertraining wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen kann die Häufigkeit und Intensität von Schmerzattacken positiv beeinflussen (siehe S. 15).

Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)

Da auch psychische Faktoren Intensität, Dauer und Häufigkeit der Schmerzattacken beeinflussen,

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kann es bei einigen Migränepatienten sinnvoll sein, sich mittels einer KVT behandeln zu lassen. Bei der KVT geht es darum, überhöhte Erwartungen an sich selbst, Versagensängste oder ungünstige Stressbewältigungsstrategien abzubauen sowie zu lernen, mit einem Anfall umzugehen.

Alternative Behandlungsmethoden wie Homöopathie, Massagen, Kompressen und Akupunktur sind umstritten, wobei Studien für Letzteres zumindest kleine positive Effekte zeigen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass alternative Ansätze im Einzelfall schmerzlindernd wirken können.

Empfohlen werden kann außerdem, sich bei einer Migräneattacke in einen dunklen, ruhigen Raum zurückzuziehen um äußere Einflüsse zu minimieren.

Medikamentöse Behandlung

Für die Akutbehandlung von Migräneanfällen erhalten die meisten Betroffenen Medikamente. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) hat wissenschaftlich fundierte Empfeh- lungen herausgegeben, nach denen sich Patienten bei weniger schweren Schmerzattacken selbst therapieren können (sog. Selbstmedikation). Für die Selbstbehandlung von Kopfschmerzen werden Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure (ASS) empfohlen sowie eine Kombination aus Koffein, ASS und Paracetamol.

Die Empfehlungen der DMKG zur Selbstmedikation von Migräne können unter www.dmkg.de > Patienten

> Selbstmedikation heruntergeladen werden.

Ein Arztbesuch ist dennoch dringend notwendig wenn

• Kopfschmerzen bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren auftreten,

• bisherige Medikamente nicht mehr wirken,

• pro Monat an mehr als 10 Tagen Kopfschmerzen auftreten,

• Migräneattacken erstmals ab dem 40. Lebensjahr erscheinen,

• Schmerzen trotz Behandlung an Dauer, Intensität und Häufigkeit zunehmen oder der Schmerzort sich verändert,

• Kopfschmerzen mit Lähmungen, Schwindel, Wahrnehmungsstörungen, psychischen Problemen oder körperlicher Anstrengung einhergehen,

• neben den Migräne Symptomen andere Krankheiten wie Epilepsie oder Fieber auftreten oder

• Zweifel an der Einnahme und Dosierung der Medikamente oder Krankheitssymptome bestehen.

Viele Migränepatienten haben neben den Schmerzattacken auch mit Übelkeit und Erbrechen zu kämp- fen. Hier kann die Einnahme eines sog. Antiemetikums helfen. Bei mittelschweren bis schweren Anfäl- len empfiehlt die DMKG die Einnahme eines Triptans. Triptane sind spezielle Migränemedikamente und wirken am besten gegen akute Anfälle und Begleitsymptome. Beide Medikamente müssen vom Arzt verschrieben werden.

Betroffene sollten eine regelmäßige Einnahme von Schmerzmedikamenten vermeiden, da bei zu häufiger Einnahme oder zu hoher Dosierung ein medikamentenbedingter Kopfschmerz entstehen kann. Grundsätzlich sollten Schmerzmittel nicht länger als 3 Tage hintereinander und nicht häufiger als 10 Tage pro Monat eingenommen werden.

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Bei mehr als 3 Attacken im Monat oder wenn die Akutbehandlung nur ungenügenden Erfolg zeigt, ist eine medikamentöse Vorbeugung sinnvoll. Ziel ist, dass Anfälle seltener werden, weniger schmerzen und schneller abklingen. Zur Prophylaxe werden keine Schmerzmittel, sondern andere Medikamente eingesetzt. Es erfordert in der Regel einige Monate Geduld bis Arzt und Patient erkennen, ob das Mittel hilft oder ob ein anderes ausprobiert werden muss. In der Regel wird eine Kombinationstherapie aus verhaltenstherapeutischen Verfahren und Medikamenten empfohlen, um eine bessere Wirksamkeit zu erreichen.

Praxistipps!

• Möglicherweise gibt es eine Selbsthilfegruppe für Migränepatienten in Wohnortnähe. Der Austausch von Erfahrungen, Informationen und Behandlungsmöglichkeiten mit anderen Betroffenen kann bei der Krankheitsbewältigung helfen. Adressen unter www.dmkg.de > Patienten > Selbsthilfegruppen.

• Die MigräneLiga e.V. bietet ausführliche Beschreibungen zur Behandlung von Migräne im Buch

„Migräne ist gut behandelbar“. Es kann gegen einen mit 1,45 € frankierten Rückumschlag unter folgender Adresse bestellt werden: MigräneLiga e.V. – Geschäftsstelle Logistik, Jürgen Thüringer, Marktplatz 13, 35216 Biedenkopf.

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Leben mit Migräne

Wiederkehrende Kopfschmerzen können vielfältige Auswirkungen auf das Leben der Migräne- patienten und ihrer Angehörigen haben. Sie gehen häufig mit einer starken Belastung für die Betroffenen einher und können die Lebensqualität in vielen Bereichen einschränken.

Familie und Freunde

Oft leidet die ganze Familie mit, wenn ein Mitglied eine Migräneattacke hat. Besonders wenn ein Elternteil betroffen ist, der sich bei einem schweren Migräneanfall weder um den Haushalt noch um die Kinder kümmern kann. Der Rückzug in einen verdunkelten Raum und eine totale Abgrenzung können dann notwendig sein – stoßen aber oft auf Unverständnis.

Auswirkungen auf Angehörige

Von allen Familienangehörigen wird Rücksicht und die Übernahme anstehender Arbeiten verlangt, da der Betroffene bei einem Anfall meist komplett ausfällt. Dies kann die gesamte Familie stark belasten.

Helfen kann der offene Umgang mit der Erkrankung: Wie sieht der Notfallplan aus, wenn der nächste Anfall kommt? Was kann liegen bleiben? Was muss man verschieben? Kann – oder will – der Betroffene während der Attacke allein sein und ist froh, wenn die Familie aus dem Haus ist? Oder braucht er die Sicherheit und das Gefühl, dass jemand da ist?

Freizeit und Kontakte

Freizeitaktivitäten und Besuche bei Verwandten und Freunden fallen bei einer Migräneattacke aus oder müssen abgebrochen werden. Dennoch sollten Betroffene Aktivitäten nicht von vornherein vermei- den – aus Angst, sie könnten einen Anfall auslösen. Mitmenschen sollten vielmehr in das Leben eines Betroffenen integriert werden, um einen möglichst routinierten Tagesablauf zu ermöglichen. Denn Regelmäßigkeit zählt zu den wichtigsten Bedingungen für die Vorbeugung eines Migräneanfalls.

Migräne am Arbeitsplatz

Eine Migräne schränkt die Leistungsfähigkeit ein. Kollegen und Arbeitgeber sollten offen über die Krankheit informiert werden, damit ein angemessener Umgang mit Anfällen möglich ist. Eine Ruhepause und die richtige Behandlung können Ausfallzeiten minimieren.

Migräne muss nicht zwangsläufig zu einem längeren Arbeitsausfall führen, da ein geregelter Tagesab- lauf sowie eine gut eingestellte, individuelle Behandlung einen akuten Anfall lindern oder vorbeugen können.

Anfall während der Arbeit

Tritt während der Arbeitszeit eine Schmerzattacke auf, ist es meist nicht möglich mit voller Leistung weiter zu arbeiten. Hinzu kommt, dass es im Vorfeld zu neurologischen Ausfällen wie Wahrnehmungs- störungen kommen kann. Dies birgt je nach Tätigkeit erhebliche Risiken. Problematisch ist, dass Betrof- fene Medikamente oft häufiger und in höheren Dosen einnehmen als sie eigentlich sollten, damit sie weiter arbeiten können. Arbeiten unter Schmerzmitteleinnahme kann zu zusätzlichen Nebenwirkungen

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führen und es besteht die Gefahr, dass die Abstände zukünftiger Anfälle dadurch kürzer werden oder sogar Kopfschmerzen infolge der überhöhten Medikamenteneinnahme entstehen.

Arbeitgeber informieren

Migränepatienten sollten offen mit ihrem Vorgesetzten und Kollegen über ihre Krankheit und die damit verbundenen Auswirkungen sprechen, da die Erkrankung von Nichtbetroffenen meist nicht ernst genommen wird. In den Gesprächen können Lösungen gefunden werden, wie mit Migräneanfällen während der Arbeitszeit umgegangen werden kann.

Autofahren

Migränepatienten können unter Schwindelattacken leiden und sind bei einem Anfall nicht fahrtüch- tig. Autofahren ist nur möglich, wenn sich ein Migräneschwindel rechtzeitig ankündigt und die Fahrt sicher beendet werden kann.

Migräneschwindel

Während einer Migräneattacke ist die Fahreignung grundsätzlich nicht gegeben. Darüber hinaus ist Migräne eine häufige Ursache für spontan wiederkehrende Schwindelanfälle. Sie können vor, während oder nach einem Anfall auftreten. Sie dauern in der Regel mehrere Stunden, können aber auch wenige Minuten oder mehrere Tage anhalten.

In Anbetracht einer kurzzeitigen, sehr selten vorkommenden Migräne liegt es in der Verantwortung des Betroffenen, ob er in der Lage ist, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen.

Die „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung“ der Bundesanstalt für Straßenwesen enthalten Angaben zur Fahrtauglichkeit bei verschiedenen Erkrankungen. Sie kann kostenlos unter www.bast.de

> Verhalten und Sicherheit > Fachthemen > Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung heruntergeladen werden. Migräneschwindel ist auf S. 57 der Leitlinie aufgeführt.

Bei der Beurteilung der Fahreignung wird die Fahrerlaubnis in 2 Gruppen unterteilt:

Kraftfahreignung Gruppe 1

Wenn sich eine Schwindelattacke ankündigt, ist der Betroffene in der Regel rechtzeitig in der Lage Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Damit ist er grundsätzlich geeignet, Fahrzeuge der Gruppe 1 (z.B.

Motorräder und PKWs) zu führen.

Sofern die Anfälle jedoch nicht durch Vorzeichen gekennzeichnet sind (akuter Beginn), ist die Fahreig- nung erst nach einer mindestens 3-jährigen schwindelanfallsfreien Beobachtungszeit gegeben.

Kraftfahreignung Gruppe 2

Hinsichtlich akuter Schwindelattacken ohne Vorzeichen ist die Voraussetzung zum Führen von Kraft- fahrzeugen der Gruppe 2 (z.B. LKWs und Busse) nicht gegeben.

Bei Anfällen, die sich ankündigen, kann nach einer mindestens 2-jährigen Beobachtungszeit die Fahr- eignung gegeben sein, sofern das Fahren rechtzeitig vor der Schwindelattacke sicher beendet werden kann. Während der Beobachtungszeit ist die Fahreignung nicht gegeben.

Schmerzmitteleinnahme

Gemäß der Straßenverkehrsordnung ist das Autofahren bei Schmerzmitteleinnahme grundsätzlich

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verboten, außer die Medikamente sind zur Behandlung einer Krankheit notwendig und vom Arzt verordnet.

Sowohl eine Migräne als auch die Behandlung mit Triptanen können Schläfrigkeit verursachen und die Fähigkeit zur Bewältigung komplexer Aufgaben einschränken. Autofahren ist eine komplexe Tätigkeit, die die ganze Wachsamkeit erfordert. Ob ein Betroffener während einer Schmerzattacke und danach Autofahren kann, ist daher sorgfältig abzuwägen.

Urlaub

Bewusste Erholungsphasen sind für viele Betroffene wichtig und auch im Urlaub gilt es, die indi- viduellen Auslöser einer Attacke zu vermeiden. Typische Migräneauslöser im Urlaub sind neben einem unregelmäßigen Tagesablauf, z.B. Jetlag, Alkohol oder Lärm.

Betroffene, die bei plötzlicher Entspannung Anfälle bekommen können, sollten ihren Urlaubsbeginn nicht zu abrupt gestalten bzw. versuchen im Alltag schon ein bis zwei Tage vor dem Urlaubsbeginn die Belastung zu reduzieren. Helfen kann ein Puffertag, der schon als „Urlaub“ deklariert wird.

Bei allen Reisen sollten immer ausreichend Medikamente für den Fall eines Migräneanfalls mitgenom- men werden. Mit dem Arzt sollte rechtzeitig geklärt werden, ob die verschriebenen Medikamente am Zoll Probleme machen können und deshalb eine Bescheinigung mitgeführt werden muss.

Sport

Ausdauersport kann die Häufigkeit und Intensität von Migräne vermindern. Ratsam sind Sportarten wie Radfahren, Joggen, Walken, Wandern, Langlaufen oder Schwimmen und entspannende Betä- tigungen wie Tai-Chi oder Yoga. Für einen Migränepatienten gilt: Mindestens dreimal wöchentlich eine halbe Stunde bewegen.

Ungünstig sind Sportarten mit ruckartigen Bewegungen, Erschütterungen und ständigem Wechsel von Be- und Entlastung, z.B. Squash, Fußball, Handball, Kampfsportarten, Reiten. Unterschiedliche Empfeh- lungen gibt es zu Sportarten in großer Höhe (Fliegen, Klettern) und Tiefe (Tauchen). Bei Menschen mit ausgeprägten Seh-, Konzentrations- und Bewegungsstörungen im Zusammenhang mit einer Attacke ist von diesen Sportarten abzuraten.

Aber: Die Selbstbeobachtung wird zeigen, ob der Sport im individuellen Fall tatsächlich Anfälle aus- löst. Den Einstieg sollte man vorsichtig und mit reduzierter Belastung gestalten. Grundsätzlich sollten Freizeitpartner über die Möglichkeit eines Anfalls informiert werden.

Sonne und Hitze können Anfälle zusätzlich begünstigen. Bei Outdoor-Aktivitäten sollten diesbezüglich sensible Personen große Hitze meiden bzw. hochwertige Sonnenbrillen tragen. Während einer Migrä- neattacke darf kein Sport betrieben werden. Wenn sich während des Sports ein Anfall ankündigt, sollte die Aktivität abgebrochen werden.

Praxistipps!

Die MigräneLiga e.V. hat im Rahmen ihres Migräne-Magazins zwei Hefte zum Thema herausgegeben:

– Heft 47: Migräne und Urlaub – Heft 51: Migräen und Sport

Sie können unter www.migraeneliga.de > migraene magazin > Jetzt bestellen angefordert werden.

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Zuzahlungen in der Krankenversicherung

Zur Behandlung von Migräne sind häufig verschiedene medizinische Leistungen erforderlich, z.B.

regelmäßige Arztbesuche oder Medikamente. Patienten ab 18 Jahren müssen bei vielen ärztli- chen Verordnungen Zuzahlungen leisten. Da dies gerade für chronisch kranke Menschen eine finanzielle Belastung darstellen kann, gibt es in diesem Fall besondere Regelungen. Bei Über- schreiten einer sog. Belastungsgrenze ist eine Befreiung von der Zuzahlung möglich.

Zuzahlungsregelungen

Für die Verordnung von Gesundheitsleistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gelten unterschiedliche Zuzahlungsregelungen.

Arzneimittel

Zuzahlung (umgangssprachlich „Rezeptgebühr“ genannt): 10 % der Kosten, mindestens 5 €, maximal 10 €, in keinem Fall mehr als die Kosten des Arzneimittels.

Preis/Kosten Zuzahlung

bis 5 € Preis = Zuzahlung

5 € bis 50 € 5 €

50 € bis 100 € 10 % des Preises

Ab 100 € 10 €

Diese Tabelle gilt entsprechend auch für Verbandmittel, die meisten Hilfsmittel, Haushaltshilfe, Sozio- therapie und Fahrtkosten.

Zuzahlungsfreie Arzneimittel

Bestimmte Arzneimittelwirkstoffe können von der Zuzahlung befreit werden.

Unter www.gkv-spitzenverband.de > Krankenversicherung > Arzneimittel > Zuzahlungsbefreiung ist eine Übersicht der zuzahlungsbefreiten Arzneimittel zu finden, die 14-tägig aktualisiert wird.

Festbeträge

Der Festbetrag ist der erstattungsfähige Höchstbetrag eines Arzneimittels. Liegt der Preis eines verord- neten Arzneimittels darüber, muss der Versicherte selbst den Differenzbetrag (Mehrkosten) zahlen. In der Summe bezahlt der Betroffene also die Mehrkosten plus Zuzahlung. Den Differenzbetrag müssen auch Versicherte zahlen, die von der Zuzahlung befreit sind.

Verbandmittel

Zuzahlung: 10 % der Kosten, mindestens 5 €, maximal 10 €, in keinem Fall mehr als die Kosten des Verbandmittels.

Heilmittel

Heilmittel im sozialrechtlichen Sinn sind äußerliche Behandlungsmethoden, wie z.B. Ergo- oder Physio- therapie und Logopädie.

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Zuzahlung: 10 % der Kosten zuzüglich 10 € je Verordnung.

Hilfsmittel

Hilfsmittel sind Gegenstände oder Geräte, die den Erfolg einer Kranken behandlung sichern oder eine Behinderung ausgleichen sollen (z.B. Hörgeräte, Prothesen, Brillen, Krücken oder Rollstühle).

Zuzahlung: 10 % der Kosten, mindestens 5 €, maximal 10 €.

Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln, z.B. Einmalhandschuhen oder saugenden Bettschutzeinla- gen, beträgt die Zuzahlung 10 % je Packung, maximal jedoch 10 € monatlich.

Haushaltshilfe

Eine Haushaltshilfe ist eine fremde oder verwandte Person, die die tägliche Arbeit im Haushalt und die Kinderbetreuung übernimmt (siehe S. 43).

Zuzahlung: 10  % der Kosten pro Tag, mindestens 5 €, maximal 10 €.

Krankenhausbehandlung, Anschlussheilbehandlung

Zuzahlung: 10 € pro Kalendertag, für längstens 28 Tage pro Kalenderjahr. Bereits im selben Jahr geleis- tete Zuzahlungen zu Krankenhaus- und Anschlussheilbehandlungen werden angerechnet.

Ambulante und stationäre Leistungen zur Rehabilitation

Zuzahlung: 10 € pro Kalendertag an die Einrichtung, in der Regel ohne zeitliche Begrenzung.

Fahrtkosten

Zuzahlung: 10 % der Fahrtkosten (für medizinisch angeordnete Fahrten), mindestens 5 €, maximal 10 €, in keinem Fall mehr als die Kosten der Fahrt.

Zuzahlungsbefreiung

Wenn ein Patient mit Migräne im Laufe eines Jahres mehr als 2 % des Bruttoeinkommens an Zuzah- lungen leistet (sog. Belastungsgrenze), kann er sich und seine Angehörigen, die mit ihm im gemein- samen Haushalt leben, für den Rest des Kalenderjahres von den Zuzahlungen befreien lassen bzw.

erhält den Mehrbetrag von der Krankenkasse zurückerstattet.

Die Belastungsgrenze soll verhindern, dass chronisch Kranke, Menschen mit Behinderungen, Versi- cherte mit einem geringen Einkommen und Sozialhilfeempfänger durch die Zuzahlungen zu medizi- nischen Leistungen unzumutbar belastet werden. Die Belastungsgrenze liegt bei 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens.

Berechnung des Bruttoeinkommens

Das Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt ist als Familienbruttoeinkommen zu verstehen. Es errech- net sich aus dem Bruttoeinkommen des Versicherten und den Bruttoeinkommen aller Angehörigen des Versicherten, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben.

Angehörige des Versicherten sind:

• Ehepartner

• Kinder bis zum Kalenderjahr, in dem sie das 18. Lebensjahr vollenden

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• Kinder ab dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollenden, wenn sie familienversichert sind

• Eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner (nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz)

• Sonstige Angehörige nach § 7 Abs. 2 KVLG (Krankenversicherung der Landwirte)

Nicht zu den Angehörigen zählen Partner einer eheähnlichen verschiedengeschlechtlichen oder nicht eingetragenen gleichgeschlecht lichen Lebenspartnerschaft.

Freibetrag

Von diesem Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt werden ein oder mehrere Freibeträge abgezogen:

• Für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten (z.B. Ehegatte):

5.607 € (= 15 % der jährlichen Bezugsgröße).

• Für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des ein- getragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartners: 3.738 € (= 10 % der jährlichen Bezugsgröße).

• Für jedes Kind des verheirateten Versicherten sowie für jedes Kind eines eingetragenen gleichge- schlechtlichen Lebenspartners: 7.620 € als Kinderfreibetrag, wenn es sich um ein Kind beider Ehegat- ten handelt, ansonsten 3.810 €.

• Für jedes Kind eines alleinerziehenden Versicherten: 7.620 €.

Einnahmen zum Lebensunterhalt

Was zu den „Einnahmen zum Lebensunterhalt“ zählt haben die Spitzenverbände der Krankenkassen in einem gemeinsamen Rundschreiben festgelegt. Dieses Rundschreiben kann beim Verband der Ersatz- kassen unter www.vdek.com > Themen > Leistungen > Zuzahlungen heruntergeladen werden.

Einnahmen zum Lebensunterhalt sind z.B.:

• Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen bei selbstständiger Tätigkeit

• Krankengeld

• Arbeitslosengeld

• Elterngeld, aber nur der Betrag, der beim Basiselterngeld über 300 € liegt, beim ElterngeldPlus über 150 €

• Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung

• Hilfe zum Lebensunterhalt

• Einnahmen von Angehörigen im gemeinsamen Haushalt (Ehepartner, familienversicherte Kinder, eingetragene gleichgeschlechtliche Lebens partner).

• Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, sofern diese die Grundrente nach dem Bun- desversorgungsgesetz (BVG) übersteigt

• Grundrente für Hinterbliebene nach dem BVG

Nicht zu den Einnahmen zählen zweckgebundene Zuwendungen, z.B.:

• Pflegegeld

• Blindenhilfe und Landesblindengeld

• Taschengeld vom Sozialamt für Heimbewohner

• Beschädigten-Grundrente nach dem BVG

• Rente oder Beihilfe nach dem Bundesentschädigungsgesetz bis zur Höhe der vergleichbaren Grund-

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rente nach dem BVG

• Kindergeld

• Elterngeld bis 300 € bzw. beim ElterngeldPlus bis 150 €

• Landeserziehungsgeld

• Leistungen aus Bundes- und Landesstiftungen „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“

• Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zur Höhe der Grundrente nach dem BVG

• Ausbildungsförderung (BAföG)

Belastungsgrenze bei Empfängern von Sozialleistungen

Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt, von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und von Grundsiche- rung im Alter und bei Erwerbsminderung wird jeweils nur der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 als Bruttoeinkommen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft gezählt, d.h. der jährliche Zuzahlungsgesamt- betrag beträgt 101,76 €, bei chronisch Kranken 50,88 €.

Zuzahlungsbefreiung und Rückerstattung

Auch die Zuzahlungen werden als „Familienzuzahlungen“ betrachtet, d.h. es werden die Zuzahlungen des Versicherten mit den Zuzahlungen seiner Angehörigen, die mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben, zusammengerechnet. Dasselbe gilt auch bei eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspart- nerschaften.

Ausnahme: Ist ein Ehepartner beihilfeberechtigt und/oder privat krankenversichert, werden die Zuzah- lungen, die auch dieser eventuell leisten muss, nicht als Familienzuzahlung berechnet. Das bedeutet, dass die gesetzliche Krankenkasse diese nicht als Zuzahlungen in ihrem Sinne anerkennt. Beim Fami- lieneinkommen werden allerdings beide Einkommen herangezogen und somit als Grundlage für die Zuzahlungsbefreiung genommen.

Überschreiten die Zuzahlungen 2 % der o.g. Bruttoeinnahmen im Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhält der Versicherte sowie sein Ehegatte und die familienversicherten Kinder, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, für den Rest des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den Mehrbetrag von der Krankenkasse zurückerstattet. Ist ein Ehepaar bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen, dann errechnet eine Krankenkasse, ab wann die Voraussetzungen für die Zuzahlungs- befreiung erreicht sind, und stellt gegebenenfalls eine Zuzahlungsbefreiung aus. Dies wird der anderen Krankenkasse mitgeteilt, sodass die Versicherten für den Rest des Jahres keine Zuzahlungen mehr leisten müssen.

Berechnungsbeispiel Ehepaar mit 2 Kindern:

Jährliche Bruttoeinnahmen aller Haushaltsangehörigen: 30.000 € minus Freibetrag für Ehegatte (= erster Haushaltsangehöriger): 5.607 € minus Freibetrag für 2 Kinder: 15.240 € (2 x 7.620 €)

davon 2 % = Belastungsgrenze: 183,06 €

Wenn im konkreten Beispiel die Zuzahlungen die Belastungsgrenze von 183,06 € im Jahr überstei- gen, übernimmt die Krankenkasse die darüber hinaus gehenden Zuzahlungen.

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Praxistipps!

• Die Belastungsgrenze wird im Nachhinein wirksam, weshalb der Patient und seine Angehörigen im gleichen Haushalt immer alle Zuzahlungsbelege aufbewahren sollten, da nicht absehbar ist, welche Kosten im Laufe eines Kalenderjahres anfallen. Einige Krankenkassen bieten ein Quittungsheft an, in dem über das Jahr alle Quittungen von geleisteten Zuzahlungen gesammelt werden können.

• Hat ein Versicherter im Laufe des Jahres die Belastungsgrenze erreicht, sollte er sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzen. Die Kranken kasse wird die Zuzahlungen zurückerstatten, die die 2-%ige Belastungsgrenze übersteigen. Bei Erreichen der Belastungsgrenze wird für den Rest des Jahres eine Bescheinigung für die Zuzahlungsbefreiung ausgestellt.

• Wenn bereits absehbar ist, dass die Belastungsgrenze überschritten wird, kann der Versicherte den jährlichen Zuzahlungsbetrag auch auf einmal an die Krankenkasse zahlen und dadurch direkt eine Zuzahlungsbefreiung erhalten. Das erspart das Sammeln der Zuzahlungsbelege. Sollten die Zuzah- lungen in dem Jahr dann doch geringer ausfallen, kann der gezahlte Betrag jedoch nicht zurücker- stattet werden.

Sonderregelung für chronisch Kranke

Migräne-Patienten sind auf regelmäßige Besuche beim Arzt sowie die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Um chronisch kranke Patienten in Dauerbehandlung zu entlasten, gilt für sie eine reduzierte Belastungsgrenze: Sie gelten bereits dann als „belastet“, wenn sie mehr als 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für Zuzahlungen ausgeben müssen.

Voraussetzungen

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

Schwerwiegend chronisch krank

Als „schwerwiegend chronisch krank“ gilt, wer sich wenigstens ein Jahr lang wegen derselben Krankheit mindestens einmal pro Quartal in ärztlicher Behandlung befindet und mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt:

• Eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psycho therapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Versorgung mit Heil- oder Hilfsmitteln) ist erforderlich, ohne die aufgrund der chronischen Krankheit nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Er- krankung, eine Verminderung der Lebens erwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Le- bensqualität zu erwarten ist.

• Grad der Behinderung (GdB) oder Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 60. Der GdB oder GdS muss durch die schwerwiegende Krankheit begründet sein.

• Pflegebedürftig mit Pflegegrad 3 oder höher.

Vorsorge und therapiegerechtes Verhalten

Die reduzierte Belastungsgrenze gilt nur dann, wenn sich der Patient an regelmäßiger Gesundheits- vorsorge beteiligt hat oder therapie gerechtes Verhalten nachweisen kann. Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten jährlich auf die entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen hinzuweisen.

Es gelten abhängig vom Alter folgende Regelungen:

• Wer nach dem 1.4.1972 geboren ist und das 35. Lebensjahr vollendet hat, muss jedes 3. Jahr am

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allgemeinen Gesundheitscheck zur Früherkennung von Krankheiten, insbesondere von Dia betes, Herz-, Atemwegs- und Nieren erkrankungen teilnehmen. Versicherte zwischen 18 und 34 Jahren müs- sen den Gesundheits-Check-Up bis zum Erreichen der Altersgrenze von 35 Jahren einmalig durchfüh- ren.

• Frauen, die nach dem 1.4.1987 geboren sind und das 20. Lebensjahr vollendet haben, sowie Männer, die nach dem 1.4.1962 geboren sind und das 45. Lebensjahr vollendet haben, und die an Gebärmut- terhals-, Brust- und Darmkrebs erkranken, können die 1-%-Belastungsgrenze nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie sich über die Chancen und Risiken der entsprechenden Früherkennungsuntersu- chung von einem hierfür zuständigen Arzt zumindest haben beraten lassen.

Ausgenommen von der Pflicht zur Beratung bzw. zu Gesundheitsuntersuchungen sind Versicherte

• mit schweren psychischen Erkrankungen.

• mit schweren geistigen Behinderungen.

• die bereits an der zu untersuchenden Erkrankung leiden.

Von therapiegerechtem Verhalten wird im Regelfall ausgegangen. Nur wenn der Patient erklärt, dass er sich nicht an die gemeinsam mit dem Arzt getroffenen Vereinbarungen hält und dies auch in Zukunft nicht tun wird, kann der Arzt eine Bescheinigung über therapiegerechtes Verhalten verweigern.

Richtlinie

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Umsetzung der Regelungen für schwerwiegend chronisch Kranke eine sog. Chroniker-Richtlinie erstellt. Diese Richtlinie kann unter www.g-ba.de > Richtlinien >

Chroniker-Richtlinie (§ 62 SGB V) heruntergeladen werden.

Wer hilft weiter?

Die zuständige Krankenkasse.

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Finanzielle Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit

Migräne kann dazu führen, dass der Betroffene vorübergehend nicht mehr arbeiten kann. Um soziale Härten durch den Arbeitsausfall zu vermeiden, gibt es bei Arbeitsunfähigkeit einige finanzielle Leistungen, z.B. Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber sowie unter bestimmten Voraussetzungen Krankengeld von der Krankenkasse oder Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall in der Regel einen gesetzlichen Anspruch auf 6 Wochen Entgeltfort zahlung durch den Arbeitgeber. Die Entgeltfortzahlung entspricht in der Höhe dem bisher üblichen Brutto arbeitsentgelt.

Voraussetzungen

• Entgeltfortzahlung erhalten alle Arbeitnehmer, auch geringfügig Beschäftigte und Auszubildende, un- abhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit, die ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis von 4 Wo- chen vorweisen können.

• Als arbeitsunfähig gilt, wer die vertraglich vereinbarten Leistungen in Folge einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr erbringen kann oder wer Gefahr läuft, dass sich die Krankheit durch Arbeit verschlimmert bzw. ein Rückfall eintritt.

• Die Arbeitsunfähigkeit muss ohne Verschulden (z.B. grob fahrlässiges Verhalten) des Arbeitnehmers eingetreten sein.

Pflichten des Arbeitnehmers

• Die Arbeitsunfähigkeit muss dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden.

• Besteht die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, ist der Arbeitnehmer verpflichtet am fol- genden Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vom Arzt vorzulegen, aus der auch die vo- raussichtliche Dauer der Erkrankung hervorgeht. Der Arbeitgeber ist berechtigt, schon früher eine ärztliche Bescheinigung zu fordern.

• Falls die Arbeitsunfähigkeit andauert, müssen dem Arbeitgeber weitere ärztliche Bescheinigungen vorgelegt werden.

• Wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt, ist der Arbeitgeber berechtigt die Entgelt- fortzahlung zu verweigern, muss sie jedoch bei Vorlage rückwirkend ab dem ersten Arbeitsunfähig- keitstag nachzahlen. Wird dem Arbeitgeber die AU trotz Aufforderung nicht vorgelegt, kann nach ent- sprechender Weisung und Abmahnung auch eine Kündigung ausgesprochen werden.

• Erkrankt der Arbeitnehmer im Ausland, ist er ebenfalls zur Mitteilung verpflichtet. Zusätzlich muss er seine genaue Auslandsadresse mitteilen und seine Krankenkasse benachrichtigen.

• Die Diagnose muss dem Arbeitgeber nur mitgeteilt werden, wenn dieser Maßnahmen zum Schutz von anderen Arbeitnehmern ergreifen muss.

• Übt der Arbeitnehmer während der Krankschreibung eine Nebentätigkeit aus, ist der Arbeitgeber be- rechtigt, eine Entgeltfortzahlung zu verweigern. Falls die Genesung durch die Nebentätigkeit verzö- gert wurde, kann auch eine Kündigung gerechtfertigt sein.

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Zweifel am Krankenstand

Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, kann er ein Gutachten des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) verlangen. Die Krankenkassen sind grundsätzlich verpflichtet, Zweifel durch solche Maßnahmen zu beseitigen.

Dauer

• Die gesetzliche Anspruchsdauer auf Entgeltfortzahlung beträgt 6 Wochen. Manche Tarif- oder Ar- beitsverträge sehen eine längere Leistungsdauer vor. Sie beginnt in der Regel mit dem ersten Tag der Erkrankung.

• Jede Arbeitsunfähigkeit, die auf einer neuen Krankheit beruht, führt in der Regel zu einem neuen An- spruch auf Entgeltfortzahlung. Kommt es nach Ende der ersten Arbeitsunfähigkeit zu einer anderen Krankheit samt Arbeitsunfähigkeit, so beginnt ein neuer Zeitraum der Entgeltfortzahlung von 6 Wo- chen. Falls jedoch während einer Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, verlängern sich die 6 Wochen Entgeltfortzahlung nicht.

• Wegen derselben Erkrankung besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur für insgesamt 6 Wochen.

Ein erneuter Anspruch besteht erst, wenn der Arbeitnehmer mindestens 6 Monate nicht wegen der- selben Erkrankung arbeitsunfähig war oder wenn, unabhängig von jener Frist von 6 Monaten, seit Beginn der ersten Erkrankung 12 Monate verstrichen sind. Dieselbe Erkrankung bedeutet, dass sie auf derselben Ursache und demselben Grundleiden beruht.

• Nach einem Arbeitgeberwechsel müssen die 6 Monate Zwischenzeit nicht erfüllt werden, nur die 4 Wochen ununterbrochene Beschäftigung.

Höhe

Die Entgeltfortzahlung beträgt 100 % des bisher üblichen Arbeitsentgelts. Berechnungsgrundlage ist das gesamte Arbeitsentgelt mit Zulagen, wie z.B.:

• Zulagen für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit, Schichtarbeit, Gefahren, Erschwernisse usw.

• Vermögenswirksame Leistungen.

• Aufwendungsersatz, wenn die Aufwendungen auch während der Krankheit anfallen.

• Mutmaßliche Provisionen für Empfänger von festgelegten Provisionsfixa, Umsatz- und Abschlusspro- visionen.

• Allgemeine Lohnerhöhungen oder Lohnminderungen.

In Tarifverträgen können die Berechnungsgrundlagen abweichend von den gesetzlichen Regeln festge- legt werden.

Praxistipps!

• Falls der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung leistet, die Krankenkasse noch kein Krankengeld zahlt und weder Einkünfte noch verwendbares Vermögen zur Verfügung stehen, ist es sinnvoll, sich bezüg- lich finanzieller Hilfen an das Sozialamt zu wenden, das dann mit der Hilfe zum Lebensunterhalt (siehe S. 55) die Zeit überbrückt.

• Die Broschüre „Entgeltfortzahlung“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gibt weitere Informationen und kann kostenlos heruntergeladen werden unter www.bmas.de > Suchbegriff: „A164“.

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Wer hilft weiter?

Weitere Informationen erteilt der Arbeitgeber oder das kostenlose Bürgertelefon des Bundesministeri- ums für Arbeit und Soziales mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht unter: 030 221911004, Mo–Do von 8–20 Uhr.

Krankengeld

Das Krankengeld ist eine sog. Lohnersatzleistung. Es wird gezahlt, wenn der Anspruch auf Lohnfort- zahlung durch den Arbeitgeber nicht (mehr) besteht, d.h. wenn der Patient nach 6 Wochen weiter- hin wegen der Migräne-Erkrankung arbeitsunfähig ist.

Voraussetzungen

• Versicherteneigenschaft zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit.

• Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit oder

stationäre Behandlung in Krankenhaus, Vorsorge- oder Reha-Einrichtung auf Kosten der Krankenkas- se.

Definition „stationär“: Teil-, vor- und nachstationäre Behandlung genügt, wenn sie den Versicherten daran hindert, seinen Lebensunterhalt durch die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit zu bestreiten.

• Es handelt sich immer um dieselbe Krankheit bzw. um eindeutige Folge erkrankungen derselben Grunderkrankung. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit auf, verlängert sich die Leistungsdauer nicht.

Bezieher von Arbeitslosengeld I erhalten ebenfalls unter diesen Voraussetzungen Krankengeld.

Kein Anspruch auf Krankengeld

Keinen Anspruch auf Krankengeld haben u.a.:

• Familienversicherte.

• Teilnehmer an Leistungen der Beruflichen Reha (Teilhabe am Arbeitsleben) sowie zur Berufs findung und Arbeits erprobung, die nicht nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erbracht werden; Aus- nahme bei Anspruch auf Übergangsgeld (siehe S. 41).

• Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente (siehe S. 50), Erwerbsunfähigkeitsrente, einer Voll- rente wegen Alters, eines Ruhegehalts oder eines versicherungs pflichtigen Vorruhestandsgehalts.

• Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und Sozialgeld.

Selbstständige

Hauptberuflich Selbstständige, die in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, können wählen, ob sie sich mit oder ohne Krankengeldanspruch versichern lassen möchten. Bei Krankengeldanspruch sind Dauer und Höhe des Krankengelds dann gleich wie bei angestellten Versicherten.

Beginn des Anspruchs

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht an dem Tag, an dem die Arbeits unfähigkeit ärztlich festgestellt wird bzw. eine Krankenhausbehandlung oder eine Behandlung in einer Vorsorge- oder Reha-Einrich- tung beginnt. “Anspruch“ heißt aber nicht, dass immer sofort Krankengeld bezahlt wird: Die meisten Arbeitnehmer erhalten erst einmal Entgeltfortzahlung (siehe S. 22).

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Praxistipp!

Seit dem 11.5.2019 verfällt der Anspruch auf Krankengeld nicht, wenn die Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit innerhalb eines Monats vom Arzt ausgestellt und bei der Krankenkasse eingereicht wird. Allerdings ruht der Krankengeldanspruch dann bis zur Vorlage der Bescheinigung, weshalb auf eine lückenlose Attestierung geachtet werden sollte.

Höhe

Das Krankengeld beträgt

• 70 % des Bruttoarbeitsentgelts,

• maximal aber 90 % des Nettoarbeitsentgelts sowie

• maximal 105,88 € täglich.

Bei der Berechnung werden auch die Einmalzahlungen in den letzten 12 Monaten vor der Arbeits- unfähigkeit berücksichtigt.

Krankengeld ist steuerfrei. Allerdings ist es bei der Steuererklärung anzugeben, da es bei der Berech- nung des Steuersatzes berücksichtigt wird. Es unterliegt dem sog. Progressionsvorbehalt.

Bemessungszeitraum

Das Krankengeld errechnet sich aus dem Arbeitsentgelt des letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Lohnabrechnungszeitraums von mindestens 4 Wochen.

Wurde nicht monatlich abgerechnet, werden so viele Abrechnungszeiträume herangezogen, bis min- destens das Arbeitsentgelt aus 4 Wochen berücksichtigt werden kann.

Wie sich der Bemessungszeitraum in anderen Fällen, z.B. bei Arbeitsaufnahme in einem noch nicht abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, bei Elternzeit oder Heimarbeit, zusammensetzt, haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und Unfallversicherungsträger im Gemeinsamen Rundschrei- ben zum Krankengeld und Verletztengeld festgelegt. Download des Rundschreibens unter

www.vdek.com > Themen > Leistungen > Krankengeld.

Höchstbetrag

Bei freiwillig Versicherten über der Beitragsbemessungsgrenze wird nur das Arbeitsentgelt bis zur Höhe der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Das ist 2019 ein Betrag von 151,25 € (= Beitragsbemessungsgrenze 54.450 € : 360). Da das Krankengeld 70 % dieses Arbeitsentgelts beträgt, kann es maximal 105,88 € täglich betragen.

Tarifverträge können vorsehen, dass der Arbeitnehmer für eine gewisse Dauer, in der Regel abhängig von Betriebszugehörigkeit und Lebensalter, einen Zuschuss zum Krankengeld vom Arbeitgeber erhält.

Sonderregelung bei Arbeitslosigkeit

Bei Bezug von Arbeitslosengeld I wird Krankengeld in derselben Höhe wie das Arbeitslosengeld I gezahlt. Das gleiche gilt beim Bezug von Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung.

Abzüge

Abgezogen vom Krankengeld werden Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitslosen-, Pflege- und

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Rentenversicherung. Die Krankenkasse übernimmt die Beiträge der Krankenversicherung und jeweils die Hälfte der drei genannten Versicherungen. Damit ergibt sich in der Regel ein Abzug von

12,075 % bei Krankengeldempfängern mit Kindern oder unter 23 Jahren bzw. von 12,325 % bei kinder- losen Empfängern ab dem 24. Lebensjahr.

Berechnungsbeispiel

Das Krankengeld wird kalendertäglich für 30 Tage je Monat gezahlt. Das folgende Berechnungsbei- spiel enthält keine regelmäßigen Zusatz leistungen:

Monatlich brutto 3.000 €

3.000 € : 30 für Kalendertag = 100 € davon 70 % = 70 €

Monatlich netto 1.800 €

1.800 € : 30 für Kalendertag = 60 €

davon 90 % = 54 € abzüglich Sozialversicherungsbeiträge 12,075 % (Krankengeldempfänger mit Kind) = 47,48 €.

Der Patient erhält also 47,48 € Krankengeld täglich.

Dauer

Krankengeld gibt es wegen derselben Krankheit für eine maximale Leistungsdauer von 78 Wochen (546 Kalen der tage) innerhalb von je 3 Jahren ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit.

Bei den 3 Jahren handelt es sich um die sog. Blockfrist.

Eine Blockfrist beginnt mit dem erstmaligen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit für die ihr zugrunde liegende Krankheit. Bei jeder Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung beginnt eine neue Blockfrist.

Es ist möglich, dass mehrere Blockfristen nebeneinander laufen.

„Dieselbe Krankheit“ heißt: identische Krankheitsursache. Es genügt, dass ein nicht ausgeheiltes Grund- leiden Krankheitsschübe bewirkt.

Die Leistungsdauer verlängert sich nicht, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine andere Krankheit hinzutritt. Es bleibt bei maximal 78 Wochen.

Erneuter Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit

Nach Ablauf der Blockfrist (= 3 Jahre), in der der Versicherte wegen derselben Krankheit Krankengeld für 78 Wochen bezogen hat, entsteht ein erneuter Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Erkran- kung unter folgenden Voraussetzungen:

Erneute Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit,

• mindestens 6 Monate lang keine Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit und

• mindestens 6 Monate Erwerbstätigkeit oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehend.

Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld zwar theoretisch besteht, aber tatsächlich ruht oder versagt wird, werden wie Bezugszeiten von Krankengeld angesehen.

Beispiel: Der Arbeitgeber zahlt bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dessen Arbeitsentgelt bis zu 6 Wochen weiter, d.h.: Der Anspruch auf Krankengeld besteht zwar, aber er ruht. Erst danach gibt es

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Krankengeld. Die 6 Wochen Entgeltfortzahlung werden aber wie Krankengeld-Bezugszeiten behandelt, sodass noch maximal 72 Wochen (78 Wochen abzüglich 6 Wochen = 72 Wochen) Krankengeld gezahlt wird.

Praxistipp!

Zahlt der Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers das Entgelt nicht weiter, obwohl hier- auf ein Anspruch besteht, gewährt die Krankenkasse bei Vorliegen der Voraussetzungen das Kranken- geld, da dieses nur bei tatsächlichem Bezug des Arbeitsentgelts ruht. Der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung geht dabei auf die Krankenkasse über.

Ruhen des Anspruchs

Der Anspruch auf Krankengeld ruht:

• Bei Erhalt von Arbeitsentgelt (gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, z.B. Urlaubs- oder Weih- nachtsgeld). Das gilt auch für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für bis zu 6 Wochen.

• Bei Inanspruchnahme von Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bis zum 3.

Geburtstag eines Kindes. Dies gilt nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Elternzeit einge- treten ist oder wenn das Krankengeld aus einer versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung wäh- rend der Elternzeit errechnet wird.

• Bei Bezug von Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld I, auch bei Ruhen dieser Ansprüche wegen einer Sperrzeit.

• Solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet ist. Meldefrist bis zu einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit.

Ruhen des Anspruchs bei fehlender Mitwirkung

Wenn der behandelnde Arzt oder der Arzt des MDK die Erwerbsfähigkeit des Versicherten als erheb- lich gefährdet oder gemindert einschätzt und dies der Krankenkasse mitteilt (häufig kontaktieren die Krankenkassen Ärzte gezielt mit dieser Fragestellung, um den weiteren Reha-Bedarf abzuklären), kann die Krankenkasse dem Versicherten eine Frist von 10 Wochen setzen, um einen Antrag auf Reha- Maßnahmen zu stellen.

Kommt der Versicherte dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach, ruht mit Ablauf der Frist der Anspruch auf Krankengeld. Wird der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der Antragstellung wieder auf.

Zu beachten ist hierbei, dass der Rentenversicherungsträger nach Prüfung des Antrags auch zu der Erkenntnis kommen kann, dass Reha-Maßnahmen keine Aussicht auf Erfolg (Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit) mehr haben und den Antrag auf Reha-Maßnahmen dann direkt in einen Antrag auf Erwerbs minderungsrente (siehe S. 50) umwandelt.

Praxistipps!

• Einige Krankenkassen fordern den Versicherten auf, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. Dies darf aber nicht stattfinden, ohne dass vorher geprüft wird, ob Reha-Maßnahmen durchgeführt werden könnten. Wenn die Krankenkasse dies dennoch tut, kann der Versicherte darauf bestehen, dass die gesetzliche Reihenfolge eingehalten wird. Das ist dann sinnvoll, wenn die zu erwartende Erwerbsminderungsrente deutlich geringer als das Krankengeld ausfällt. Wichtig ist, dass der-Patient alle Mitwirkungspflichten wahrnimmt sowie Fristen einhält.

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• Solange der Rentenversicherungsträger nicht festgestellt hat, ob eine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, kann unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfä- higkeit bestehen; das ist eine Sonderform des Arbeitslosengelds im Sinne der Nahtlosigkeit (siehe S. 29).

Ausschluss des Krankengelds

Krankengeld ist ausgeschlossen bei Bezug von:

• Regelaltersrente

• Altersrente für langjährig Versicherte und Altersrente für besonders langjährig Versicherte

• Altersrente für schwerbehinderte Menschen

• Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit

Voller Erwerbsminderungsrente

• Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Grundsätzen

• Vorruhestandsgeld

Mit Beginn dieser Leistungen bzw. mit dem Tag der Bewilligung einer Rente endet der Anspruch auf Krankengeld. Wenn eine Rente rückwirkend bewilligt wird, können sich Anspruchszeiträume für Kran- kengeld und Rente theoretisch überschneiden. Die Krankenkasse und der Rentenversicherungsträger rechnen dann direkt miteinander ab. War das Krankengeld niedriger als der Rentenanspruch für den Zeitraum, erhält der Versicherte den Differenzbetrag als Ausgleichszahlung vom Rentenversiche- rungsträger. War das bezogene Krankengeld höher als der Rentenanspruch, muss der Versicherte den Differenzbetrag jedoch nicht zurückzahlen.

Kürzung des Krankengelds

Krankengeld wird gekürzt um den Zahlbetrag der

• Altersrente, Rente wegen Erwerbsminderung oder Landabgabenrente aus der Alterssicherung der Landwirte,

• Teilrente wegen Alters oder Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit aus der Rentenversicherung,

• Knappschaftsausgleichsleistung, Rente für Bergleute,

wenn die Leistung nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung zuerkannt wird.

Praxistipp!

Wenn eine der genannten Zahlungen eintrifft, ist dies der Krankenkasse schnellstmöglich mitzuteilen.

Das erspart spätere Rückzahlungen.

Aussteuerung: Ende des Krankengelds durch Höchstbezugsdauer

Wird der Anspruch auf Krankengeld (78 Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb von 3 Jahren wegen derselben Erkrankung) ausgeschöpft und ist der Migränepatient noch immer arbeitsunfähig, dann endet seine Mitgliedschaft als Pflicht versicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung (sog. Aus- steuerung).

Die Krankenkasse informiert das Mitglied rund 2 Monate vor der Aussteuerung über die Möglichkeit, seinen Austritt aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu erklären. Liegt innerhalb von 2 Wochen keine Austrittserklärung vor, wird der Versicherte automatisch am Tag nach der Aussteuerung als freiwilliges Mitglied weiterversichert (obligatorische Anschlussversicherung). Besteht Anspruch auf

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Familienversicherung, hat diese Vorrang vor der freiwilligen Versicherung.

Praxistipps!

• Wer nicht als freiwilliges Mitglied weiterversichert werden möchte, muss innerhalb der 2-Wochen- Frist seinen Austritt aus der gesetzlichen Krankenversicherung erklären und einen anderweitigen Anspruch auf nahtlose Absicherung im Krankheitsfall nachweisen, z.B. eine private Kranken- versicherung.

• Wer nach der Aussteuerung Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit bezieht, kann seinen ursprüng- lichen Krankenversicherungsschutz erhalten. Die Beiträge zur Krankenversicherung zahlt dann die Agentur für Arbeit.

Leistungsbeschränkungen

Unter bestimmten Voraussetzungen liegt es im Ermessen der Krankenkasse, Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer der Krankheit zu versagen oder zurückzufordern, z.B. wenn die Arbeitsunfähig- keit durch ein vorsätzliches Vergehen verursacht wurde. Dies ist auch bei ästhetischen Operationen, einer Tätowierung oder einem Piercing der Fall (hier kein Ermessen, sondern Verpflichtung der Kran- kenkasse, das Krankengeld zu beschränken).

Wer hilft weiter?

Ansprechpartner sind die Krankenkassen.

Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit

Wenn bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit der Anspruch auf Krankengeld endet, der Patient aber weiterhin so stark durch die Migräne eingeschränkt ist, dass er weiterhin arbeitsunfähig ist, kann das sog. Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld beantragt werden. Es ist eine Sonderform des Arbeits- losengelds und überbrückt die Lücke zwischen Krankengeld und anderen Leistungen, z.B. der Erwerbsminderungsrente. Dieses Arbeitslosengeld kann es auch geben, wenn das Arbeitsverhältnis formal noch fortbesteht.

Das Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit kann eine wichtige finanzielle Unterstützung für Patienten sein, die an Migräne erkrankt sind und aus diesem Grund nicht arbeiten können.

Voraussetzungen

Um Arbeitslosengeld auch bei Arbeitsunfähigkeit zu erhalten, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

• Arbeitsunfähigkeit (weniger als 3 Stunden/Tag arbeitsfähig).

• Arbeitslosigkeit oder

Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, das jedoch aufgrund einer Krankheit/Behinderung schon min- destens 6 Monate nicht mehr ausgeübt werden konnte.

• Erfüllung der Anwartschaftszeit: Die Anwartschaftszeit ist erfüllt, wenn der Antragsteller in den letz- ten 2 Jahren vor der Arbeitslosmeldung und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate (= 360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis stand. Über andere berücksichtigungs- fähige Zeiten informieren die Agenturen für Arbeit.

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• Der Arbeitslose steht wegen einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit länger als 6 Monate der Ar- beitsvermittlung nicht zur Verfügung, weshalb kein Anspruch auf das übliche Arbeitslosengeld be- steht.

• Es wurden entweder Erwerbsminderungsrente (siehe S. 50), Maßnahmen zur Beruflichen Reha (siehe S. 40) oder zur Medizinischen Reha (siehe S. 33) beantragt. Der Antrag muss innerhalb eines Monats nach Zugang eines entsprechenden Aufforderungsschreibens der Agentur für Arbeit gestellt worden sein. Wurde ein solcher Antrag unterlassen, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Ablauf der Monatsfrist bis zu dem Tag, an dem der Arbeitslose den Antrag stellt. Hat der Rentenversicherungs- träger die verminderte Erwerbsfähigkeit bereits festgestellt, besteht kein Anspruch auf Nahtlosig- keits-Arbeitslosengeld.

Dauer

Das Arbeitslosengeld im Wege der sog. Nahtlosigkeit wird gezahlt, bis über die Frage der verminderten Erwerbsfähigkeit bzw. der Rehabilitation entschieden wird, längstens bis der Arbeitslosengeldanspruch endet. Damit überbrückt es z.B. die Übergangszeit, in der der Rentenversicherungsträger über die Erwerbsminderungsrente entscheidet.

Höhe

Relevant ist, was der Arbeitslose zuletzt im Bemessungszeitraum (in der Regel die letzten 52 Wochen vor Arbeitslosigkeit) als Voll-Erwerbstätiger tatsächlich verdient hat. Es kommt nicht darauf an, was der Arbeitslose aufgrund der Minderung seiner Leistungsfähigkeit hätte verdienen können.

Wird für die Zeit des Nahtlosigkeits-Arbeitslosengelds rückwirkend Übergangsgeld (siehe S. 41) gezahlt oder Rente gewährt, erhält der Arbeitslose nur den eventuell überschießenden Betrag. War das Nahtlo- sigkeits-Arbeitslosengeld höher, muss er den überschießenden Betrag jedoch nicht zurückzahlen.

Wer hilft weiter?

Die örtliche Agentur für Arbeit.

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