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Die Reformpolitik braucht neuen Schwung

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Institut der deutschen Wirtschaft Köln Nr. 21/24. April 2013

Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln · Verantwortlich für den Inhalt: Karl Schawinsky · Telefon 0221 4981-531 · schawinsky@iwkoeln.de www.iwkoeln.de · Grafik: Michael Kaspers, Ralf Sassen · Verlag und Druck: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH,

Postfach 1018 63, 50458 Köln, Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln

Die Reformpolitik

braucht neuen Schwung

Ära Merkel

Die wirtschaftspolitische Bilanz von Bundeskanzlerin Angela Merkel fällt durchwachsen aus – allerdings mit etwas mehr Licht als Schatten. Insbe- sondere beim Management der Euro-Krise und bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen konnte die Kanzlerin durch einen klaren, verlässlichen Kurs punkten. Die Weiterentwicklung der Reformagenda blieb indes auf der Strecke. Als bedenklich stuft eine jetzt vorgelegte Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) die Rücknahme einzelner Sozialreformen ein. „Besonders schwer wiegt die Energiewende, die auch zwei Jahre nach Ausrufung keine realistische Umsetzungsperspektive hat. Sie bedroht den Industriestandort“, sagte IW-Direktor Prof. Michael Hüther.

Als positiv wertet die Studie, dass die Arbeitslosenquote zwischen 2005 und 2012 auf 5,5 Prozent halbiert wurde. Im gleichen Zeitraum schaffte es die Regierung, das Haushaltsdefizit von minus 3,3 Prozent abzubauen.

Die Senkung des Rentenbeitrags wiederum hat die Lohnnebenkosten wei- ter gedrückt und somit die Wettbewerbssituation der Unternehmen ge- stärkt. Gute Ansätze sehen die IW-Forscher auch bei der Bildungs-, Zuwan- derungs- und Familienpolitik.

Gleichwohl weist die Bilanz einige blinde Flecken auf. So hat die Anhebung der Mehrwertsteuer die Konsumfreude der Verbraucher gedämpft. Die Er- höhung der maximalen Zahldauer für das Arbeitslosengeld I war ein Rück- schlag für die Integration Älterer in den Arbeitsmarkt. Insgesamt hat sich der Analyse zufolge das Reformtempo der Regierung Merkel in den letzten Jahren zudem deutlich verlangsamt. Für die kommende Legislaturperiode gehöre „eine tiefgreifende Steuerreform für mehr Fairness, mehr Leistungs- gerechtigkeit und mehr Transparenz auf die Tagesordnung“, so Hüther.

Ansprechpartner im IW: Dr. Rolf Kroker, Telefon: 0221 4981-750 Dr. Hans-Peter Klös, Telefon: 0221 4981-710

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Anlage zu Pressemitteilung Nr. 21/2013 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln

Aus iwd Nr. 17 vom 25. April 2013; die abgebildeten Grafiken können zur Verfügung gestellt werden, Anfragen bitte per E-Mail: lizenzen@iwkoeln.de

dierungspfad verlassen wurde – aber nur vorübergehend. Im vergangenen Jahr erzielte der Staat als Ganzes erneut einen Überschuss.

Einen Wermutstropfen gibt es al- lerdings: Weil die Wirtschaft zuletzt rundlief, sprudelten die Steuerein- nahmen kräftig. Trotzdem wies zum Beispiel der Bund für 2012 ein Haus- haltsdefizit von 12 Milliarden Euro aus. Gerettet haben den Staat letzt- lich die Überschüsse der Sozialver- sicherungen in Höhe von 15,8 Mil- liarden Euro. Es ist also das Geld der Beitragszahler, das für einen ausge- glichenen Etat sorgte – und weniger die Berliner Finanzpolitik.

Wenn man sich die beiden Legis- laturperioden der Regierungen Mer- kel anschaut, fällt auf, dass der Re- formelan zuletzt deutlich abgenom- men hat. Darauf lässt jedenfalls die Entwicklung des IW-Reformbaro- meters schließen (Grafik und Kasten Seite 5):

Große Koalition. Gegen den erbit- terten Widerstand der Gewerkschaf- ten setzte Schwarz-Rot schon zu Beginn der Legislaturperiode die Rente mit 67 durch. Auf diese Weise sollte die Rentenversicherung demo- grafiefest gemacht werden. Die Un- ternehmenssteuerreform sorgte da- für, dass Kapitalgesellschaften ihre Gewinne nur noch mit 30 statt mit 39 Prozent versteuern müssen. Das hat die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gestärkt.

Es gab aber auch bittere Pillen zu schlucken, wie etwa die Mehrwert- steuererhöhung von 16 auf 19 Pro- zent, was die Konsumfreude der Verbraucher und damit die Kon- junktur beeinträchtigte.

umgekehrt – die Arbeitslosenquote ist hierzulande nur noch halb so hoch wie in der Eurozone (Grafik).

Die Arbeitsmarkterfolge dürften indes noch zu einem guten Teil auf die Hartz-IV-Reformen der Regierung Schröder zurückzuführen sein.

Staatsfinanzen. Im Jahr 2005 gab der Staat – Bund, Länder, Gemein- den und Sozialversicherungen – deutlich mehr aus, als er einnahm.

Das Minus lag bei 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Schon 2007 erwirtschafteten die Gebietskörper- schaften und die Sozialversiche- rungen eine schwarze Null.

Die Wirtschaftskrise sorgte an- schließend dafür, dass der Konsoli- Bundesregierung.

Seit nunmehr zwei Legislaturperioden bestimmt Angela Merkel (CDU) die Richtlinien der Politik. Auf der Zielgeraden in Richtung Bun- destagswahl ist es an der Zeit für eine reformpolitische Bilanz: Was ist in Deutschland von 2005 bis heute vorangegangen, und was ist schiefgelaufen?

Am 22. November 2005 wurde Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt. Seitdem hat sie mit wech- selnden Partnern koaliert – erst mit der SPD, zuletzt mit der FDP. Ihre Reformbilanz kann sich durchaus sehen lassen – wenn man sich die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen und der Staatsfinanzen vor Augen hält. Dennoch ist fraglich, ob Mer- kels Amtszeit ausschließlich Lob- kärtchen verdient:

Arbeitsmarkt. Während 2005 die Arbeitslosenquote noch deutlich hö- her als im übrigen Euroraum lag und man schon von Deutschland als dem kranken Mann Europas sprach, ha- ben sich die Verhältnisse inzwischen

© 2013 IW Medien · iwd 17

Finanzierungssaldo des Staates in Prozent des Bruttoinlandsprodukts Harmonisierte Arbeitslosenquote in Prozent

2012: teilweise Schätzungen; harmonisierte Arbeitslosenquote: nach dem Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation; Quellen: Eurostat, OECD

Bilanz der Merkel-Jahre:

Mehr Beschäftigung – weniger Schulden

Deutschland Eurozone

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

11,3

9,2 10,3

8,5 8,7

7,6 7,5 7,7 7,8 9,6

7,1 10,1

5,9 10,1

5,5 11,4

-3,3-2,5 -1,7 -1,3

0,2

-0,7 -0,1-2,1 -3,1

-6,3 -4,1

-6,2 -0,8

-4,2 0,2

-3,7

Mehr Licht als Schaden

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Anlage zu Pressemitteilung Nr. 21/2013 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln

Denn im Jahr 2009 waren die Brut- tolöhne gesunken.

Trippelschritte in die richtige Richtung gab es vor allem in der Arbeitsmarktpolitik. Zu nennen wä- ren die Aussetzung der Wehrpflicht – was dem Fachkräftemangel entge- genwirkt – oder die weitere Öffnung für ausländische Arbeitskräfte (Stichwort: Blaue Karte).

Ein großer Schritt nach vorn wäre das Gesetz zum Abbau der kalten Progression gewesen – dieses ist aber jüngst am Bundesrat gescheitert.

Ende 2010 gab es erneut eine Ge- sundheitsreform – die Regierung griff in die Preisbildung bei Arznei- mitteln ein (mit einem Zwangsrabatt auf patentgeschützte Arzneimittel), die Kassen konnten einen Zusatzbei- trag in Form einer festen Prämie erheben und der Beitragssatz wurde erhöht.

Schon die Große Koalition hatte die Rentenformel, wonach die Ren- ten sinken, wenn zuvor die Löhne gesunken sind, ausgehebelt. Diese Rentengarantie griff 2010 erstmalig.

Im Jahr 2008 wurde ohne Not die maximale Zahldauer für das Ar- beitslosengeld I angehoben – Ältere konnten fortan 24 statt 18 Monate ALG I beziehen. Dies war ein Rück- schlag in den Bestrebungen, Ältere in den Arbeitsmarkt einzugliedern.

Und es torpedierte die Rente mit 67.

Die Neuregelung der Erbschafts- steuer hat vor allem bei mittelstän- dischen Firmen für Unmut gesorgt.

Zum einen ist damit ein großer bü- rokratischer Aufwand verbunden.

Zum anderen sind die Bedingungen, unter denen Betriebsvermögen von der Steuer verschont bleiben, sehr restriktiv. Umstrukturierungen zum Beispiel werden erschwert, was die Existenz von Unternehmen und da- mit Jobs gefährden kann.

Im November 2008 passierte der Gesundheitsfonds den Bundesrat, er sah u. a. einen einheitlichen Beitrags- satz für alle gesetzlichen Kassen vor.

Mit dem Fonds reduzierte der Staat den Wettbewerb zwischen den Kas- sen auf ein Minimum.

Hätte die Finanz- und Wirt- schaftskrise die Große Koalition nicht gefordert, wäre die Reformbi- lanz der ersten Regierung Merkel unter dem Strich wohl negativ aus- gefallen. Mit den Konjunkturpa- keten (Stichworte sind hier u. a. die Umweltprämie sowie Investitions- programme) und den Regelungen zur Kurzarbeit wurde der Nachfra- geeinbruch abgefedert, was Deutsch- land durch die Krise half.

Schwarz-gelbe Koalition. Diese startete 2009 gleich mit einem Faux- pas in die neue Legislaturperiode. Sie setzte für Hotelübernachtungen die Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf 7 Prozent herab – damit wurde die willkürliche Auswahl von Produkten und Dienstleistungen mit ermäßig- ten Sätzen nochmals erweitert.

© 2013 IW Medien · iwd 17

Schwarz-Rot

Schwarz-Gelb

103,7

Zeitpunkt für die Bewertung ist der Monat, in dem das Gesetz beschlossen wurde Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Zwei Legislaturperioden im Vergleich

Das Reformbarometer des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln beurteilt, inwieweit politische Reformvorhaben in der Arbeitsmarktpolitik, der Sozialpolitik sowie der Steuer- und Finanzpolitik die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert haben.

Monat der Regierungsübernahme = 100

11/2005

10/2009

2006 2007 2008 2009

1

Monat 2 345 6 7 8910 15 20 25 27 39 44 47

2010 2011 12/2012

1

Monat 23 4 5 6 7 8 910 12 16 18 24 28 33 36 39 95

90 100 105

95 90 100 105

96,7

Februar 2006 Mehrwertsteuer- erhöhung und Rente mit 67

Juli 2006 Gesundheits- fonds und Unter- nehmenssteuer- reform

Juni 2007 Arbeitnehmer- entsende- gesetz

Juni 2009 Schulden- bremse

März 2011

Aussetzung der Wehrpflicht

Januar 2009 Konjunkturpaket II, u. a. Milderung der kalten Progression, kommunales Investi- tionsprogramm November 2007

Verlängerte Bezugsdauer ALG I und Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz

September 2012 Betreuungsgeld November 2009

Wachstumsbeschleu- nigungsgesetz, u.a.

Mehrwertsteuer- senkung für Hotels

Septenber 2010 Eckpunkte Gesund- heitsreform, u.a.

Beitragserhöhung um 0,6 Punkte

Juni 2012 Pflegeneuaus- richtungsgesetz September 2011

Berufsqualifikations- feststellungsgesetz

Das IW-Reformbarometer

Mit dem Reformbarometer bewertet das Institut der deutschen Wirtschaft Köln seit 2002, inwieweit Reformen in den Bereichen Arbeitsmarkt-, Sozial- sowie Steuer- und Finanzpo- litik die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland verändern. Die Punktever- gabe richtet sich danach, ob sich die Reformvorhaben günstig auf das Wirtschaftswachs- tum oder die Beschäftigung auswirken. Zeitpunkt für die Bewertung ist der Monat, in dem die Gesetze beschlossen wurden.

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