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Wandlungen in der jugoslawischen Landwirtschaft — erdkunde

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die Setzlinge teils im Herbst, teils im Friihjahr in die Erde. Der Vergleich der in Louisiana und der in Andalusien iiblichen Anhaumethoden zeigt, dafi die

unterschiedliche klimatische Ausstattung dieser beiden Gebiete sich in aller Deutlichkeit in einer Verschieden

heit der Zuckerrohrkultur auswirkt.

Nach der fiinfjahrigen Rohrnutzung eines Feldes

wird in Andalusien ein Fruchtwechsel vorgenommen,

der ein oder zwei Jahre umfafit. Die klimatische Gunst der Costa del Sol bringt es mit sich, dafi man

dreimal im Jahre ernten kann. Mais, Kartoffeln, die

verschiedensten Gemiisepflanzen, auch Baumwolle und

Tabak werden angebaut. In drei Vegas mit dafiir be sonders geeigneten Boden kultiviert man im Rahmen

des ein- oder zweijahrigen Fruchtwechsels auch Zucker

riiben, so dafi man hier im Friihjahr Zuckerrohr neben Zuckerriiben auf den Feldern sieht. Die Zuckerfabriken in Malaga, Motril und Adra verarbeiten zuerst das Rohr, und sobald die Rohrkampagne beendet ist, be

ginnt die Verarbeitung der Ruben. Dieses N e -

beneinander von Rohr- und Ruben

anbau ist eine besonders bemerkens werte Erscheinung.

Im Gegensatz zu Louisiana ist der Anbau an der Costa del Sol iiberhaupt nicht mechanisiert. Die klei

nen Landbesitzer und Pachter haben dazu nicht die Mittel; aber die imMississippidelta gebrauchlichenGe

rate liefien sich an der andalusischen Kiiste sowieso nicht anwenden, weil die Parzellen viel zu klein sind und das Zuckerrohr auch vielfach auf schmalen kiinst

lichen Hangterrassen angebaut wird. Ich habe, um ein Extrem zu nennen, in Maro eine mit Rohr be

pflanzte Parzelle von 10 qm beobachtet. Wie in der Zeit vor dem amerikanischen Burgerkriege in Louisiana,

so ist an der Costa del Sol noch heute die Hacke das wichtigste Arbeitsgerat. Die Bewasserung erfolgt durch

Graben, in die Wasser aus Kanalen geleitet wird.

In den einzelnen Vegas sind Klima, Boden und soziale Verhaltnisse durchaus nicht einheitlich. Doch bildet im Hinblick auf die Bedeutung des Zuckerrohrs der Kiistenabschnitt von Malaga bis Adra eine kultur geographische Einheit. Der besondere Reiz eines Ver gleichs der Costa del Sol mit dem Mississippidelta

liegt darin begriindet, dafi in diesen beiden gleicher

mafien an der Anbaugrenze des Rohres gelegenen Ge

bieten auf Grund physisch- und anthropogeographi scher Verschiedenheiten sich vollig unterschiedliche Kulturlandschaften herausgebildet haben, denen bei

den aber der Anbau des Rohres das Geprage verleiht.

Eine Studie dariiber ist in Vorbereitung.

WANDLUNGEN IN DER

JUGOSLAWISCHEN LANDWIRTSCHAFT

Wolfgang Kuls

Agricultural changes in Yugoslavia

Summary: Since "World War II the agricultural landscape of Yugoslavia has undergone a thorough change. Never theless, it must not be overlooked that the physical condi tions as well as the past development are still clearly reflected in the present rural scene. During the first years after the war the governmental policy was first and foremost

directed toward, industrialization, but after its detachment from the Eastern Bloc more interest was again devoted to agriculture. Today the amalgamation of holdings into collectives and co-operatives is completely voluntary and accordingly has reached different degrees in different regions. In this connection it should be noted that com munal working of fields had been the rule for a long time

in the south-eastern part of the country. Judgement must however be reserved until some later date as to whether

the fragmentation of holdings which resulted from various measures of expropriation of estates will not in the long

run have detrimental effects.

Die Agrarlandschaft ist, wie jeder vom Menschen beeinflufite Teil der Erdoberflache, standig Wandlun gen, einem Entwicklungsprozefi unterworfen, der sich

teils allmahlich, teils scheinbar in Spriingen vollzieht.

Auffallende aufiere Veranderungen brauchen dabei nicht immer einem inneren Strukturwandel parallel zu verlaufen. Ein solcher Strukturwandel kann sich vielmehr zunachst vollig unter der sichtbaren Ober

flache abspielen und damit demjenigen verborgen bleiben, der sich auf eine Deutung der Landschaft allein aus dem Erschaubaren beschranken will. Die Agrargeographie sucht deshalb heute in immer fei

neren Analysen in das Wesen der Landschaft bzw. des

Landes einzudringen, sucht den ganzen, vielfach ver wobenen Wirkungszusammenhang zu erfassen, wobei

oft eben diese Vielfalt der Gestaltungsfaktoren das Erkennen der wesentlichen Triebkrafte sehr erschwert.

Wenn in einer Agrarlandschaft die Gestaltelemente

umgeformt werden oder wenn z. B. neue Anbauge

wachse ihren Einzug finden bzw. Verodungserschei

nungen auftreten, wird der Geograph den Ursachen nachgehen. Er kann aber auch von der Feststellung ent

scheidender Veranderungen wirtschaftlicher und so zialer Art ausgehen und deren Auswirkung auf die

Agrarlandschaft zu erfassen suchen.

Im Folgenden soil der Versuch gemacht werden, die gegenwartigen Verhaltnisse in der Landwirtschaft des jugoslawischen Staates in einem kurzen Abrifi zu beleuchten und den dahinterstehenden Haupttrieb

kraften nachzugehen.

Man mufi als wesentliche Gestaltungskrafte einer Agrarlandschaft die naturlichen Grundlagen, die wirtschaftlichen sowie die historisch-gesellschaftlichen

Faktoren ansehen. Ihr verschiedenartiges Zusammen

wirken formt in Verbindung mit einer Reihe oft schwer fafibarer einmaliger Gegebenheiten die Eigenart eines

Landes.

Ober die naturlichen Voraussetzun

gen fiir die jugoslawische Landwirtschaft liegt eine

recht umfangreiche Literatur vor, aus der man sich auf

jeden Fall einen grofiraumlichen Oberblick verschaf fen kann Einzeluntersuchungen sind selbstver standlich nicht in dem Mafie vorhanden wie in unse rem besser durchforschten Mitteleuropa. Solche wiir

*) Maull, O.: Landerkunde von Siidosteuropa, Leipzig Wien 1924. ? Audi das nach der Niederschrift dieses Bei

trages erschienene ?Osteuropa-Handbuch", herausgegeben von W.Markert, Band Jugoslavien, K6ln/Graz 1954, das

sich im wesentlichen auf das gleiche Material stiitzt, gibt einen allgemeinen Oberblick iiber Natur, Wirtschaft und Gesellschaft des Staates.

(2)

den bei der Vielgestaltigkeit des Landes manche Eigen art noch besser verstandlich machen, als das bisher der Fall ist.

Eine Grofigliederung des Landes seiner natiirlichen

Ausstattung nach2) trennt zunachst den adriatischen

Kiistensaum ab. Er kann unterteilt werden nach dem im Norden zuriicktretenden, im Siiden vorherrschen den Einflufi des mediterranen Klimas und der medi

terranen Vegetation. Landeinwarts folgt die dinari sche Gebirgsfeste, und zwar zunachst die Hochkarst zone, dann das zentrale, vorwiegend aus Schiefern

und Kalken aufgebaute Bergland von Bosnien und Westserbien und schliefilich als drittes Glied das im

Norden bis an die Save reichende iBerg- und Hiigel land der pannonischen Abdachung (Schiefer- und Hornsteinzone, Tertiarhiigelland). Den Nordtejl des

Landes nimmt das Voralpen- und Zwischenstromland

ein, in dem die Donau-Theifi-Ebene eine besonders klar umgrenzte Einheit darstellt. Als letzter grofier

Baustein Jugoslawiens ist die Morawa-Vardar-Becken zone im Osten und Siiden zu nennen.

Alle diese Einzellandschaften weisen so charakteri stische, voneinander abweichende Wesensziige auf, dafi es selbstverstandlich ist, dafi auch die Agrarlandschaft diese Wesensziige in irgendeiner Form widerspiegeln mufi. Man vergegenwartige sich nur die Kargheit der

adriatischen Kiistenzone, in der die anbaufahige Flache im wesentlichen auf die in den Karsthohlfor

men vorhandenen Boden und die Schwemmlandzonen

beschrankt sind, die weiten, hauptsachlich dem Ge treidebau dienenden Ebenen des pannonischen Beckens oder die vielgestaltige, von umfangreichen Waldern durchsetzte Landschaft in den niederschlagsreichen

Berglandern des Landesinneren und des Nordens. Un

ter den klimatischen Besonderheiten des Landes und der einzelnen Landesteile sind fiir die Landwirtschaft vor allem auch die erheblichen Schwankungen in der absoluten Niederschlagsmenge und in deren jahres zeitlicher Verteilung zu beriicksichtigen. So hat man z. B. in der Vojvodina in einem Zeitraum von 100 Jahren 28 ausgesprochen trockene, 25 ziemlich trok kene und nur 17 Jahre mit voll ausreichenden Nieder

schlagen zahlen konnen; 32 Jahre waren zu feucht 3).

Diese Gegebenheiten der Landesnatur, Relief,

Klima, Wasserhaushalt, Boden und natiiriiche Vege

tation ? heute langst nicht mehr unbeeinflufit durch den Menschen ? stellen den Rahmen dar, innerhalb dessen dem landwirtschaftlich Tatigen eine gewisse, doch nicht unendlich grofie Bewegungsfreiheit fiir sein wirtschaftliches Handeln gegeben ist.

Eine Analyse der gegenwartig wirksamen wirt schaftlichen Triebkrafte in Jugoslawien ist nicht leicht. Wichtig sind fiir die jiingste Entwicklung vor allem die Veranderungen in den Lagebeziehungen des Landes. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges war

^ 2) Kay ser, K.: JugosJawien. Ein Beitrag zur landerkund lichen Analyse des Staatsgebietes, Landschaft und Land, Gbstfestschrift, Remagen 1951.

3) Melik, A.: Die Naturschatze Jugoslawiens. Tatsachen iiber Jugoslawien, Beograd 1952.

? Inforrnationen der Jugoslawischen Botschaft bei der BRD. ? Aus dem jugoslawischen 10-Jahres-Plan zur For derung der Landwirtschaft, Manuskript 1953.

Jugoslawien bis 1948 in den Wirtschaftsbereich des Ostblocks eingegliedert. Das bedeutete eine Umkehr

der wirtschaftlichen Orientierung des Landes gegen iiber der Vorkriegszeit, verbunden mit entscheiden den Veranderungen in der Wirtschaftsfiihrung selbst.

Befand sich Jugoslawien vor dem Kriege als rand licher Agrarstaat weitgehend in dem Einflufibereich der hochindustrialisierten Mitte und des Westens Europas, so wurde es nach 1945 in einen ganz anders

gestalteten Wirtschaftsraum einbezogen, zu dem erst

eine neue Bezugsbasis geschaffen werden mufite. Wir sehen dabei das Land und damit auch seine Landwirt

schaft einer Reihe von Experimenten ausgesetzt, deren

Mifierfolge letztlich als eine der Hauptursachen fiir den politischen Bruch mit Moskau anzusehen sind 4).

Seit 1948 macht das Land den Versuch, seine wirt schaftlichen Vorkriegsbeziehungen mit Mittel-, West und Siideuropa wieder aufzunehmen. Es tritt dabei als Lieferant von verschiedenen industriellen Roh

stoffen, so vor allem von Holz, Erzen und Metallen

auf. Der Export von landwirtschaftlichen Produkten hat noch langst nicht wieder den gleichen Umfang wie vor dem Kriege, wie es der wirtschaftlichen Struktur des Landes entsprechen wiirde. Bei der Einfuhr spie

len immer noch, wenn auch weniger als vor dem

Kriege, die Halbfabrikate, Maschinen und Investi tionsgiiter eine besondere Rolle5). Die trotz aller,

auch schon vor dem letzten Kriege vorhandenen An

strengungen noch wenig entwickelte Industrie des Landes macht Jugoslawien bis auf weiteres zu einem gesuchten Absatzgebiet fiir industrielle Erzeugnisse.

Es mufi, bei dem Bestreben seine Handelsbilanz aus zugleichen, seiner landwirtschaftlichen Produktion be

sondere Aufmerksamkeit schenken, zumal seine Holz

vorrate nicht unerschopflich sind und auch seine Bodenschatze, unter ihnen vor allem Bauxit, Blei und Kupfer, allein nicht ausreichen, um dem Lande die wirtschaftliche Stabilitat zu sichern.

Fiir die Landwirtschaft sind in grofien Teilen des

Landes durchaus giinstige Voraussetzungen gegeben.

Auch die Absatzmoglichkeiten diirften nicht fehlen.

Man denke an die Nachfrage nach den besonders kle

berreichen Weizensorten des pannonischen Beckens, an

den Maisbedarf Mitteleuropas, an die Hanfproduktion und an die Moglichkeit des Exports von Obst und Friihgemiisesorten. Grundsatzlich hat sich nach den

statistischen Erhebungen in den Anbauverhaltnissen

des Landes gegeniiber der Vorkriegszeit noch nicht viel geandert 6). Insgesamt hat die landwirtschaftliche Nutzflache infolge verschiedenster Einflusse gegeniiber

1939 abgenommen, die Hektarertrage der wichtigsten Anbaugewachse sind dagegen leicht angestiegen, liegen

aber im Vergleich zu denen Mitteleuropas aufier ordentlich tief. Hierfiir sind die verschiedenen Ur

sachen im allgemeinen bekannt. Es sei in diesem Zu sammenhang nur erwahnt, dafi Jugoslawien Ende 1951 iiber nicht mehr als 7360 Traktoren verfiigte,

4) Dalmas, L.: Le Corrnmunisme Yougoslav^ Paris 1950.

5) Griesau, H. D.: Strukturwandlungen in der Land wirtschaft und dem agrarischen Aufienhandel Jugosilawiens,

Ber. iib. Landwirtschaft, N. F. XXXI 1953, Heft 3.

6) Statistic^ Bilten, Serija B III, Broj 11 und 21,

Ratarstvo 1951 und 52, Beograd 1952, 53.

(3)

dafi der Kunstdungeraufwand ie ha bei 2,5 kg lag 7) und dafi vor allem auch aus cfen Betriebs- und Or

ganisationsformen der Landwirtschaft manche Hemm nisse entspringen.

In dem Bestreben, die Krafte zu erfassen, die an der Gestaltung der Agrarlandschaft wirken und ge wirkt haben, wird man sich vor allem auch mit den Menschen und menschlichen Gruppen in ihren sehr

vielfaltigen Bindungen befassen miissen. Wir wissen, dafi sich die Landwirte und landlichen Gemeinschaf

ten durchaus nicht allein von okonomischen Gesichts punkten leiten lassen, sondern dafi von anderer Seite

her Belastungen vorliegen oder Eingriffe erfolgen kon nen, die einem rationellen Streben nicht gleichgerich

tet zu sein brauchen. Es handelt sich bei der Entwick lung der Landwirtschaft und damit bei der Gestaltung der Agrarlandschaft vor allem um Widerstande von

seiten der wirtschaftenden Menschen in ihrer sozialen Gebundenheit und Traditionsbefangenheit, und schliefilich ist der politische Wille der Staatsfuhrung vorhanden, welche die rein wirtschaftlichen Belange

in einer ihr zweckmafiig erscheinenden Form zu be

einflussen sucht.

Bei der Auswertung von Eindrucken, die wahrend

eines Aufenthaltes in Jugoslawien gewonnen wurden,

soil zwischen Erscheinungen, die eine weltweite, d. h.

mehr oder minder allgemeine Verbreitung und Be

deutung haben, und jenen anderen unterschieden wer - den, die nur aus der besonderen Situation des Landes heraus verstanden werden konnen. Zu ersteren ge horen z. B. bestimmte Auswirkungen von Industrie

ballungen, in deren Umkreis der Landwirt zum Ar beiterbauern werden kann und dann die Bearbeitung

seiner Wirtschaftsflache mit einem veranderten Wirt schaftsziel vornimmt. Wenn bei diesen Menschen bis

her die Selbstversorgung der Familien oder das markt wirtschaftliche Interesse im Vordergrund standen, so

dient jetzt der landwirtschaftliche Betrieb oft nur mehi*

der Erganzung der durch Arbeit in der Industrie vor

handenen Lebensgrundlage. Es treten Monokulturen

von Nahrungsmittelgewachsen fiir den Familienbedarf auf, oder nicht benotigte Flachen bleiben unbewirt schaftet liegen. Beispiele dieser Art sind u. a. in der Umgebung von Rijeka, Split und Zagreb zu beobach

ten. Erst kurzlich ist dariiber eine bemerkenswerte Studie von W. B. Johnston und /. Crkvencic iiber den

norddalmatinischen Kiistensaum veroffentlicht wor

den 8).

Andere iiber fast ganz Europa zu verfolgende Ziige bringen die durch den Krieg verursachten Zerstorun gen und Bevolkerungsverschiebungen in die Agrar landschaft hinein. Dazu gehort die Ansiedlung von Fliichtlingen, die Umsiedlung bestimmter Volksteile,

dazu gehoren auch die Wustungserscheinungen in zer storten oder entvolkerten Gebieten.

Neben diesen uns nicht fremden Erscheinungen tritt aber gegenwartig in Jugoslawien bei der Gestaltung

7) Inforrnationen der jugoslawischen Botschaft bei der BRD. a. a. O.

8) Johnston, W. B., und Crkvencic, I.: Changing peasant agriculture in northwestern Hrvatsko Primorje, Yugoslavia, Geogr. Review July 1954.

der Agrarlandschaft noch ein besonders wesentliches und hier in ganz anderer Art als bei uns richtungs bestimmendes Element in Erscheinung. Das ist der

staatliche Einflufi auf die gesell schaftliche und wirtschaftlicheEnt

wicklung. Seit dem Bestehen des neuen kommu

nistischen Jugoslawiens hat der Staat auch fiir die Landwirtschaft richtunggebende Gesetze erlassen, deren geographische Auswirkungen zu beobachten be sonders interessant sind. Es ist deshalb im Rahmen dieser Betrachtung wichtig, die Grundziige des staat

lichenWollens der vergangenen Jahre kennenzulernen.

Jugoslawien hat nach dem letzten Kriege in seinem

5-Jahres-Plan mit alien Mitteln versucht, die Indu strialisierung des Landes voranzutreiben9). Heute, d.h.

nach 1948, wendet man der urspriinglich sehr hintenan gestellten Landwirtschaft wieder sein besonderes In teresse zu. Man ist sich dariiber klar, dafi der jugo slawische Staat ohne eine gesunde Landwirtschaft ein fach nicht lebensfahig ist. Von den jetzt rund 16 Mill.

Einwohnern des Landes leben 68 ?/o von der Land wirtschaft; in den einzelnen Landern des Bundes staates differiert diese Zahl zwischen 44 ?/o in Slo

wenien und 81 ?/o in dem autonomen Territorium

Kosovo-Metohija. Die Arbeitsleistung dieses 2/3 der Bevolkerung mufi als Aktivum in die Wirtschafts politik des Landes eingeschaltet werden.

Jugoslawien ist ein Kleinbauernland. Um die noch bestehenden sozialen Unterschiede innerhalb der

Landbesitzenden auszugleichen, wurde unmittelbar

nach dem letzten Kriege eine Agrarreform durchgefiihrt, die zunachst den ?Grofigrundbesitzu beseitigen sollte. Es wurde aller Besitz iiber 45 ha Gesamtflache oder iiber 25?30 ha Anbauflache ent schadigungslos enteignet, wenn der Boden in Pacht ausgegeben war oder mit Lohnarbeitern bewirtschaftet wurde. Das Gesetz iiber die Schaffung eines land wirtschaftlichen Bodenfonds von 1953 stellt einen weiteren EingrifT dieser Art dar, denn mit ihm wurde

die Hochstgrenze des Privatbesitzes auf 10 ha im

Normalfalle herabgesetzt. Mit einer ersten Boden

reform nach 1918 haben wir so innerhalb von weni gen Jahrzehnten drei tiefreichende Eingriffe des Staa

tes, wenn wir von den verschiedenen Mafinahmen zur

Verbesserung der bauerlichen Lebensverhaltnisse im

19. Jahrhundert absehen.

Dafi die landwirtschaftlichen Reformbestrebungen kein ausschliefiliches Anliegen des neuen Staates sind, beweist die eben genannte, nach dem ersten Weltkrieg begonnene Bodenreform, deren Durchfiihrung ja letzt

lich auch nur auf das Vorhandensein einer damals als ungesund und als dringend verbesserungsbediirftig empfundenen Agrarstruktur hinweist. Die jiingsten

Agrarreformen erscheinen so als Glieder einer Ent

wicklungsreihe, wenn ihnen auch durchaus nicht in alien Punkten die gleichen Motive zugrunde lagen.

Sie werden in ihren Ursachen und Auswirkungen nur verstandlich, wenn man sich Kenntnis iiber die Agrar verfassung vor der Griindung des jugoslawischen

Staates verschafft. Nur ganz kurz mogen diese Ver

9) Krugy P.: Economische Ontwikkeling en vijtjaren plaan van Joegoslavie, Tijdschrift voor Econ. Geogr. 38.

Jg., Nr. 12, 1947.

(4)

haltnisse skizziert sein 10). Die Unterschiede zwischen den Landesteilen erweisen sich dabei als so grund

legend, dafi immer wieder Schwierigkeiten auftraten und auftreten werden, wenn man ihnen nicht in jedem Falle Rechnung tragt. Sie ergeben sich einerseits aus der schon betonten Vielfalt der Landesnatur, anderer

seits aber mindestens ebenso stark aus dem verschiede

nen geschichtiichen Werdegang der erst 1918 zu einem

Staat zusammengewachsenen Lander. Gemeinsam ist

diesen allenfalls die Entwicklung in vorislamischer Zeit nach dem Eindringen der Slawen. Aus dieser Zeit haben sich bis in die Gegenwart gewisse eigentiim liche Formen gehalten, zu denen vor allem die Zadruga

zahlt.

Nordlich der Kulpa-Save-Donau-Linie ist die spa tere agrarhistorische Entwicklung etwa ahnlich ver laufen wie bei uns. Grundherrschaft und Gutsherr schaft gewannen hier einen aufiergewdhnlich starken Einflufi. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Grundherren und Horigen verschoben sich allrnahlich

immer mehr zuungunsten der letzteren. Um 1850

erfolgte die iBauernbefreiung. Dabei wurde das Ge meindeeigentum zwischen Grundherren und Bauern

aufgeteilt, das Bauernland wurde in Grundgemein schaften zusammengeschlossen, die in ihrer Organisation

dem russischen Mir ahnlich waren. Diese Grundge

meinschaften zerfielen aber schon vor dem ersten Welt krieg, so dafi in dem heutigen Kroatien und Slowe nien damals neben zahlreichen Giitern eine ausge

sprochen kleinbauerliche Besitzstruktur herrschte, fur deren Trager kaum Chancen zur Vergrofierung ihres

Besitzes gegeben waren. In Dalmatien wurde das Ge

meinland auch nach dem ersten Weltkrieg bewufit er halten und nur dann an Berechtigte abgegeben, wenn diese sich verpflichteten, dort Kulturen anzulegen.

Im Gebiet der Militargrenze, die im 16. Jahrhun dert gegen das tiirkische Reich organisiert wurde, gab

es wesentlich gesundere Agrarverhaltnisse. Die Kolo

nisten wurden mit stattlichen Hofen und zahlreichen Sonderrechten versehen und bearbeiteten ihr Land in

einem streng militarisch ausgerichteten Organisations

system. Als fiir die Landwirtschaft wichtigste Organi sationsform ist vor allem die Arbeitsgemeinschaft (Moba) zu nennen, die allerdings auch im ubrigen siidslawischen Siedlungsbereich nicht unbekannt war.

In Bosnien und in der Herzegowina hatte sich in vortiirkischer Zeit ebenfalls eine einflufireiche Grund herrschaft entwickelt. Das Land wurde von den Hori gen, sog. Kmeten, bewirtschaftet, die anfangs ziemlich frei waren. Daneben haben sich aber auch freie Bauern erhalten. Wichtig war die Unteilbarkeit der Kmeten ansassigkeiten, die meist in der Hand von Zadrugen, bauerlichen Grofifamiliengenossenschaften, waren. Die Tiirken haben an diesen Verhaltnissen nichts Grund

legendes geandert. Zahlreiche Grundherren gingen zum Islam iiber, und erst bei Zerfall des Osmanen reiches verschlechterte sich die Lage der Kmeten in

10) Franges, v. O.: Die sozialokonomische Struktur der jugoslawischen Landwirtschaft, Schriften der intern. Kon ferenz f. Agrarwissenschaft, Berlin 1937.

? Busch-Zantner, R.: Agrarverfassung, Gesellschaft und Siedlung in SOEuropa, Leipzig 1938.

folge zahlreicher Ubergriffe von seiten der nicht mehr unter Aufsicht der Zentralgewalt stehenden Grund herren. Die Osterreicher schufen keine eigentliche Agrarreform, erst 1906 begann man hier mit einer fakultativen Kmetenablosung. Wie stark auch hier der kleinbauerliche Betrieb iiberwog, mogen einige Zahlen iiber die bauerlichen Betriebe im Kreise Sara

jewo im Jahre 1906 belegen: Von 35 000 Freibauern betrieben wirtschafteten 57 ?/o mit weniger als 2 ha und weitere 25 % mit 2?5 ha. Bei den nichtteilbaren Kmetenbetrieben (9 400) gab es immerhin 50 ?/o Be

triebe iiber 5 ha und nur 31 ?/o Betriebe von 2?5 ha sowie 18 %> Betriebe unter 2 ha11).

Alt-Serbien hatte beim Aufbau des jugoslawischen

Staates 1918 eine wesentlich andere Agrarstruktur.

Hier war im serbischen Freiheitskampf mit der Ver treibung der islamischen Grundherren ein reines Bauernland entstanden, in dem eine klein- und mittel

bauerliche Struktur vorherrschte. In dem spater an

geschlossenen Siidserbien lagen die Verhaltnisse ahn lich wie in Bosnien.

Eine Sonderstellung nahm noch Dalmatien ein, wo kurzfristige Pachtverhaltnisse bei fast ausschliefilich vorhandenen Kleinstbetrieben im bauerlichen Sektor

fiir die Agrarstruktur entscheidend waren.

Bei dieser Ausgangsbasis ist es verstandlich, dafi die entscheidenden Reformbestrebungen innerhalb des

neuen Staates Jugoslawien nicht von Serbien, sondern von Kroatien ausgingen, wo die krassen sozialen Span

nungen zwischen den Grofigrundbesitzern und einem Kleinbauerntum ohne irgendwelche wirtschaftlichen Aufstiegsmoglichkeiten zu einer Losung drangten.

Die zu Agrarreformen fuhren den Triebkrafte mo

gen letztlich auf einen gemeinsamen Nenner zuriick zufiihren sein, aber wenn man die vielleicht unver

standlich erscheinende Scharfe solcher Eingriffe in den

ost- und siidosteuropaischen Landern richtig beurtei

len will, dann darf man eine wichtige Tatsache nicht vergessen, die die dortigen Verhaltnisse von den

unsrigen unterscheidet: Bei uns nahm im vergange

nen Jahrhundert die aufstrebende Industrie gerade noch rechtzeitig die Krafte auf, die in der Landwirt

schaft keinen Uriterhalt mehr finden konnten. In den

siidosteuropaischen Staaten stehen wir praktisch erst

heute am Beginn einer fiir die Gesamtstruktur der

Staaten bedeutsamen Industrialisierung, die nun

sicherlich nicht die gleichen Chancen hat, wie sie s. Z.

in Mittel- und Westeuropa geboten waren. In diesen

Landern mufi die agrarische Gesellschaft versuchen, weitgehend aus sich selbst heraus die bestehenden

Probleme zu losen t2). Nur mehr oder minder radikale Umschichtungen konnen eine oft allerdings auch nur

voriibergehend wirksame Losung bringen.

In Jugoslawien hat die Agrarreform nach 1918 die Grofibetriebe beseitigt. Die untere Grenze der unter die Enteignung fallenden Betriebe lag je nach den Boden

und Ertragsverhaltnissen bei 50?300 ha landwirc schaftlicher Nutzflache. Mit dem so vor allem in

n) Franges, v. O.: a. a. O.

12) Niehaus, H.: Lage und Aussichten der Kleinibauera in der gegenwartigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, Ber. iib. Landwirtschaft, N. F., Sonderheft 160, 1954.

(5)

Kroatien frei werdenden Land wurden aber nicht kleinbauerliche Betriebe zu gesunden Familienbetrie

ben aufgestockt, sondern es wurden zu den vorhan

denen zusatzlich zahllose Klein- und Kleinstbetriebe geschaffen, die allenfalls eine notdiirftige Eigenver sorgung ihrer Familien erlaubten, fiir die Belieferung des Marktes aber nicht in Frage kamen. In zahlreichen Fallen wurde der landwirtschaftlichen Industrie, die bisher von den Erzeugnissen der Grofibetriebe gelebt hatte, die Grundlage entzogen. Anders im Siiden des Landes. Praktisch kam hier nur das Kmetenland in

Privateigentum. Gleichzeitig damit setzte eine beacht

liche Steigerung des Gietreideanbaus ein, die sich auch

auf den Markt auswirkte. Die Kmetenbetriebe waren

ja infolge des Verbots der Freiteilbarkeit am starksten in den mittelbauerlichen Betriebsgrofienklassen ver

treten. Die Ausdehnung des Getreideanbaus auf

Kosten der iBrache beruhte auf der Abschaffung der friiher nur auf dem Getreideland lastenden Abgaben

an den Grundherrn.

Obwohl bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges die Agrarreform noch keineswegs abgeschlossen war, kann als wesentliches Ergebnis doch festgehalten wer den, dafi bis dahin Jugoslawien noch starker als friiher ein Kleinbauernland geworden war und dafi aus die sen Verhaltnissen heraus wesentliche Merkmale der

Agrarlandschaft resultierten.

Der neue kommunistische Staat traf mit seiner Re form von 1945 vor allem die noch vorhandene grofi und mittelbauerliche Schicht. Weit starker als bei der ersten Reform standen jetzt ideologische Triebkrafte irri Vordergrund. Waren zwischen 1918 und 1938 735 000 ha aufgeteilt, so wurden jetzt mit einem Schlage 1,5 Mill, ha enteignet, die sich zu 40 ?/o aus

ehemaligem Besitz der Volksdeutschen zusammensetz ten. Weitere 15 bzw. 10 ?/o stammten aus dem noch

vorhandenen Grofigrundbesitz und dem Kirchenland.

Wieder handelt es sich bei den betroffenen Gebieten

vornehmlich um die ehemals zur Donaumonarchie ge

horigen Teile des Landes. Die Veranderungen im ubrigen Jugoslawien sind dagegen weniger bedeut

sam 13).

Das durch diese Bodenreform gewonnene Land

wurde etwa zur Halfte an Kleinbauern verteilt, Vi

wurde als Waldland oder als zur Aufforstung geeig netes Land verstaatlicht und 1/s wurde zur Anlage von

Staatsgiitern verwendet. Ohne Beriicksichtigung der nach dem ersten Weltkriege gewonnenen Erfahrungen

wurden auch diesmal die Neubauernstellen sehr klein gehalten. Es kamen an den einzelnen Siedler nicht mehr als 2?5 ha zur Verteilung, so dafi insgesamt mehr als 300 000 Bauernstellen neu geschaffen werden

konnten. Diesmal stand allerdings im Hintergrund der Gedanke an eine baldige Zusammenfassung dieser Betriebe in Kollektivwirtschaften.

Vor dem neuen, im Friihjahr 1953 erlassenen Gesetz iiber die Schaffung eines landwirtschaftlichen Boden

13) Conrad, G.: Die Wirtschaft Jugoslawiens, Berlin:

Deutsches Institut fiir Wirtschaftsforschung, Sonderhefte N. F. Reihe A, Nr. 17, o. J. ?

Paschinger, H.: Das neue Jugoslawien, Geogr. Rund schau 7, 1953.

fonds lagen die Besitzverhaltnisse in der jugoslawi schen Landwirtschaft etwa folgendermafien: Yon den rund 14 Mill, ha landwirtschaftlicher Nutzflache waren rund 2,4 Mill, ha in offentlicher Hand, d. h.

etwa 425 000 ha umfafiten die Statsgiiter, der Rest entfiel auf Weideland in Staats- oder Gemeinde

besitz. Weitere 2,5 Mill, ha gehorten zu landwirt schaftlichen Genossenschaften, der Rest war in Privat

hand. Von den 2,4 Mill, bauerlichen Eigenbetrieben hatten 56 ?/o weniger als 5 ha. Dabei waren die Ver haltnisse innerhalb der einzelnen Lander des Bun

desstaates sehr verschieden. In Montenegro und

Kroatien lebten mehr als 70 % der landwirtschaft lichen Bevolkerung in Betrieben unter 5 ha, in Bos nien-Herzegowina fast 70 ?/o, in Serbien 50 ?/o und in Slowenien nur 34 ?/o. Hier hatten Betriebe iiber 10 ha auch 1950 immerhin noch einen Anteil von rund 30 ?/o

aller Betriebe 14).

Die eben erwahnte Kollektivierung der Landwirt schaft wurde in Jugoslawien mit aufierordentlichem Tempo vorangetrieben. Schon 1949 gab es 6 625 Ar

beitsgenossenschaften neben 9060 allgemeinen land wirtschaftlichen Genossenschaften (genossenschaftliche Regelung der landwirtschaftlichen Belange ohne ge meinsame Arbeit) und 488 Produktions- und Verede

lungsgenossenschaften, die etwa unseren landlichen Genossenschaften entsprechen. Bei den Arbeitsgenos

senschaften ? mit etwa 350 000 Familien ? unter

scheidet man vier Typen15):

Entschddigung Bodeneigentum der Mitglieder I Privat, Nutzung fester Bodenzins und

durch Kollektiv Beteiligung am Gewinn II Privat, Nutzung wechselnder Bodenzins und

durch Kollektiv Beteiligung am Gewinn III Privat, Nutzung Beteiligung am Gewinn durch Kollektiv (Geld und Naturalien) IV Kollektiveigentum Beteiligung am Gewinn

(Geld und Naturalien)

Bei dem IV. als am erstrebenswertesten angesehenen

Typ verlor das Genossenschaftsmitglied alle seine

Rechte am Boden, konnte also praktisch nicht austre

ten. Fast in alien Fallen bleibt die Hofstelle sowie ein kleines Stuck Garten- und Ackerland aufierhalb der

Genossenschaft. Solche Ackerstiicke haben dann selbst verstandlich ganz andere Funktionen als die vom Kol

lektiv bewirtschafteten.

Dafi sowohl fiir die Errichtung von Staatsgiitern, als audi fiir die von Genossenschaftsbetrieben mit grofien Wirtschaftsflachen nicht uberall giinstige Voraussetzun

gen gegeben sind, ist bei den grofien Gegensatzen in der

Landesnatur selbstverstandlich. Die meisten Staats

giiter sind in der Donau-Theifi-Ebene entstanden, und dort gibt es auch aufierdem sehr viele Kollektiv betriebe. Ihre besonders hohe Zahl in Makedonien wird dadurch verstandlich, dafi hier viele der bestehen

14) Conrad, G.: a. a. O.

? Mocb, ].: Terre d'experiences, Monaco 1953.

15) Moch, J.: a. a. O.

(6)

den alten Zadrugen einfach als Kollektive weiter gefiihrt wurden 16).

Staatsland Genossenschafts- Privat

land land

(in % des Ackerlandes 1952)

Jugoslawien 4.45 23.06 72.49

Serbien 4.82 22.75 72.43

Alt-Serbien 1.80 6.63 91.57

Vojvodina 8.79 41.41 49.80

Kosovo Metohija 2.07 23.65 74.28

Kroatien 5.52 16.08 78.40

Slowenien 3.07 7.55 89.38

Bosnien /

Herzegowina 2.76 19.06 78.18

Makedonien 3.51 61.02 35.47

Staatsland Genossenschafts- Privat

land land

Montenegro 1.68 36.56 61.76

Sowohl die Staatsgiiter als auch die Kollektivwirt schaften (Arbeitsgenossenschaften) fallen dem durch das Land Reisenden naturlich besonders auf. Die Staats giiter sind vielfach aus alten Herrensitzen hervorge gangen, die Gebaude der Kollektive sind fast alle neu errichtet, und dort, wo sie fehlen, weist das Vorhan densein von grofien Strohhaufen oder Maschinenparks auf bestehende Kollektive hin. Nicht ohne weiteres er klarbar ist das Dasein von zahlreichen grofien Wirt

schaftsgebauden, die offensichtlich nicht benutzt wer den, ihrem landwirtschaftlichen Zweck entfremdet oder iiberhaupt nicht vollendet sind. Es sind Anzeichen

des sich gegenwartig erneut vollziehenden Wandlungs

prozesses in der Landwirtschaft, der symptomatisch fiir

den ganzen heutigen Staat ist. Jugoslawien sucht sei

nen eigenen Weg zwischen Ost und West, es halt sich heute nicht mehr wie bei den ersten Nachkriegsmafi nahmen auf dem Gebiet der Landwirtschaft an das

sowjetrussische Vorbild, es scheut sich aber auch vor der Riickkehr zu dem sogenannten ?kapitalistischen"

System des Westens.

Die bei jeder Agrarreform unvermeidlichen Umstel lungsschwierigkeiten wurden in Jugoslawien durch zwei besonders schlechte Erntejahre (1950, 1951) fast zu einer Katastrophe fiir das Land. Man bedenke, was es bedeutet, wenn in dem fruchtbarsten Teil des Lan des, der Vojvodina, das Gefiige der Landwirtschaft vollstandig umgewandelt wird und dann noch beson

ders ungunstige Witterungsverhaltnisse eintreten. Es

wurden ja nicht nur die friiheren Besitzer durch neue

ersetzt, sondern auch das ganze Betriebssystem umge

stellt. DieNeusiedler (Kriegsteilnehmer, Invaliden und

Familien gefallener Partisanen) stammten aus den ver

schiedensten Teilen des Landes und mufiten erst mit den hier zweckmafiigen Bodenbearbeitungsmethoden

vertraut gemacht werden. Es ist sicher nicht immer ge

lungen. In den anderen Teilen des Landes ist der Kol lektivierung vielfach passiver Widerstand entgegen gesetzt worden, nicht zuletzt deshalb, weil mit den neuen Betriebsformen gerade in den Diirrejahren zu nachst einmal recht schlechte Erfahrungen gemacht wurden. Den Interessen der immer noch in grofier Zahl

16) Conrad, G.: a. a. O.

vorhandenen Privatbetriebe, die im Karstgebiet viel fach nicht durch Grofibetriebe im ublichen Sinne er setzt werden konnen, mufite schliefilich auch Rech

nung getragen werden. Dies hat man in den ersten

Nachkriegsjahren vielleicht nicht immer mit aller Deutlichkeit gesehen und gleichzeitig die Moglichkei

ten der industriellen Entwicklung des Landes iiber

schatzt. Das neue Gesetz vom Marz 1953 beweist, dafi man nun wirtschaftlichen Gesichtspunkten mehr Be

achtung schenken und dafi man dabei starker als bis her auf die landschaftlichen Eigenarten der einzelnen Landesteile eingehen will. Man will auch der Privat

initiative wieder ihr Recht einraumen. Zunachst wird auch hierbei nochmals ein Vorstofi gegen die immer noch vorhandenen Betriebe mit fremden Hilfskraften gemacht. Von den noch bestehenden 200 000 Hofen

iiber 10 ha rechnen 90 000 zu dieser Kategorie. Noch mals sollen etwa 4 % aller Hofe insgesamt 200 000 ha

Land abgeben. Es wird aber ausdriicklich betont, dafi es sich dabei nicht um eine Bodenreform im alten Sinne

des Wortes handelt, denn alles, was sich aus den vor

gesehenen Mafinahmen ergibt, soil nicht einer Auf splitterung der Besitzungen, sondern im Gegenteil einer Zusammenfassung des Bodens und damit der

Herstellung neuer Beziehungen unter den Menschen dienen.

?Das Gesetz berucksichtigt die Patriarchal- und

Familiengenossenschaften, wie sie in Kosovo und Me

tohija, im Sandschak, Makedonien und in Bosnien be stehen und sich angesichts der grofien Riickstandigkeit in der Produktion und als Folge des unzureichenden Landbesitzes gehalten haben, in denen die Produktion

im wesentlichen Naturalproduktion ist. Dieser Boden

wird von den Familienmitgliedern auch dann be arbeitet, wenn die Oberflache den gesetzlichen Hochst betrag iiberschreitet. In diesen Fallen wird daher der Boden in der Regel nicht in den Bodenfonds iiber

nommen werden" 17).

Von besonderer Bedeutung ist weiterhin, dafi mit der Durchfiihrung dieses Gesetzes die vorhandenen

Einschrankungen des bauerlichen Besitzstandes be

seitigt werden sollen, d. h. die Bauern sollen in Zu kunft frei iiber ihren Boden verfiigen konnen, ihn ver

k auf en, in Genossenschaften einbringen und daraus auch wieder austreten konnen. Davon ist offensichtlich

in grofierem Umfang Gebrauch gemacht worden, denn daher riihren die verlassenen oder nicht vollendeten Wirtschaftsgebaude, die ?Primarruinen", die vielfach

in den nordlichen Teilen des Landes zu beobachten wa ren. Der Staat ist offensichtlich nicht bestrebt, in diese Entwicklung einzugreifen. Er glaubt, dafi der frei willige Zusammenschlufi zu Genossenschaften, der in

vielen Ortschaften auch durch eigene Befragungen fest gestellt werden konnte, in der Zukunft erhebliche Fort

schritte machen wird, weil eine solche Betriebsform bei voller Wahrung der marxistischen Grundprinzipien des Staates jedenfalls dort als die wirtschaftlich vor teilhafteste angesehen wird, wo die Bearbeitung gro fierer Flachen durch Maschinen und Traktoren moglich ist. In Gebieten, wo die Schaffung grofier Betriebs

17) Kardeljy E.: Zum Gesetz iiber den landwirtschaft lichen Bodenfonds 1953, Informationen der jugoslawischen Botschaft bei der BRD.

(7)

flachen nicht moglich ist, scheint eine andere Form der Genossenschaft angestrebt zu werden: Das Land bleibt Eigentum des Bauern, wird von diesem audi weiter be wirtschaftet. Die Genossenschaft bestimmt aber den Anbauplan und garantiert den Absatz der Erzeugnisse.

Hof und Wirtschaftsgebaude des Bauern behalten da bei also ihre landwirtschaftliche Funktion. Im ubrigen

ist auch eine Forderung des allgemeinen landwirtschaft lichen Genossenschaftswesens, das sich vor dem Krieg in Jugoslawien schon recht gut entwickelt hatte, vor

gesehen.

Den mit dem neuen Gesetz frei werdenden Boden will man wohl hauptsachlich Arbeitsgenossenschaften

zur Verfugung stellen, nicht aber einzelnen landarmen Bauern. Die Freiwilligkeit des Beitritts wird mehr

fach ausdriicklich betont. Man glaubt durch die Schaf fung soldier Betriebsformen die zahllosen Aufgaben in Angriff nehmen zu konnen, die fiir die Verbesserung

der landwirtschaftlichen Produktion in Jugoslawien dringend erforderlich sind. Dazu gehort in erster Linie

die Arrondierung, die zu den schwersten Hemmnissen

auch der westeuropaischen Landwirtschaft zahlt. Dazu gehoren weiter Meliorationsmafinahmen, der Aufbau

von Absatzorganisationen, die Schaffung von land

wirtschaftlichen Verarbeitungsbetrieben und vieles an

dere mehr. Der jetzt laufende 10-Jahres-Plan zur Ent

wicklung der Landwirtschaft in Jugoslawien sieht eine ganze Reihe derartiger Mafinahmen vor. Seine Haupt punkte sind eine Erhohung der Kunstdiingerproduk

tion, Bewasserungs- und Entwasserungsmafinahmen,

Mechanisierung und Ausbau der Verarbeitungs industrie landwirtschaftlicher Produkte.

Welche Bedeutung die noch mitten im Flufi stehende Umwandlung der jugoslawischen Agrarverfassung

auch hinsichtlich der Verteilung der Anbaugewachse fiir das Landschaftsbild hat, mag nur noch an Hand eines 'Beispiels gezeigt werden. In der letzten veroffent lichten Agrarstatistik von 1952 18) nahmen von der landwirtschaftlichen Nutzflache ein:

Getreide Handels- Ge- Futter igew. muse pfl.

(in ?/o)

Bei Staatsgikern 55 4.23 8.12 22.29

Bei Genossenschaftsibetr. 69.25 7.30 5.26 7.44

Bei Privatbetrieben 75.45 3.55 6.33 6.85 Das hier fiir ganz Jugoslawien angefuhrte Getreide

Futterpflanzen-Verhaltnis bei den verschiedenen Be

triebsformen tritt in ahnlicher Weise in alien Landes

teilen in Erscheinung.

Wir erleben heute einen tiefgreifenden Wandel in der Landwirtschaft Jugoslawiens. Wohin schliefilich die Entwicklung, die aus zahlreichen Syrnptomen in der Landschaft abzulesen ist, fiihren wird, ist noch nicht sicher abzusehen. Fiir uns ist interessant fest zustellen, welche Krafte sich gestaltend an der Agrar

landschaft betatigen. Wir sehen, dafi es nicht stets die gleichen sind, dafi einmal von dieser, ein andermal von jener Seite der entscheidende Vorstofi kommt. Wir sehen aber auch, dafi sprunghafte Veranderungen meist nur scheinbar auftreten, dafi alle Eingriffe mensch

18) Statisti&i Bilten, a. a. O.

licher Gruppen und der Einzelmenschen nicht losgelost von der vorhandenen materiellen und geistigen Sub

stanz erfolgen konnen, ebenso wie die Naturfaktoren

nicht unbeachtet bleiben konnen. Die Agrarreformen des Ostens und Sudostens von Europa sind in einem anderen Licht zu sehen als die Mitteleuropas. Die dar

aus resultierenden neuen Formen sind nur aus der geographischen Situation im weitesten Sinne verstand

lich. Dies ist vielleicht auch beim Auftreten neuer Kol lektivformen zu berucksichtigen, die im slawischen Be reich ja nicht erst Erscheinungen der jiingsten Ver gangenheit sind. Die jetzt durch ein Gesetz angeord neten Mafinahmen werden auf absehbare Zeit hinaus nur dort erfolgreich sein, wo sie bewufit auf dem Vor handenen aufbauen, sie werden ergebnislos sein, wo sie dem Wesen des Landes und seiner Bewohner fremd sind. Eine einzige, fiir das ganze Land giiltige Losung der vorhandenen Probleme gibt es sicher nicht, gibt es gerade in Jugoslawien nicht, das zwischen Mittel europa und den Balkanlandern steht und mit seiner Vergangenheit nicht einfach brechen kann.

DIE ISLANDFAHRT DES COLUMBUS VOM JAHRE 1477

Hanns Graefe

Columbus's voyage to Iceland in 1477 AD.

Summary: This paper attempts to prove that the report of Columbus*s voyage to Iceland, the verity of which has been widely disputed> is nevertheless genuine. The negative criticism is largely based on the following statements made in the report: 1. a tidal range of 25 fathoms, which for Iceland is quite impossible; 2. the latitude, which is in correct; 3. the most peculiar fact that a voyage into arctic waters should have been carried out in mid-winter. Against

these three points the following counter arguments are put forward: 1. the calculation of the tidal range should not be based on the length of the present day Spanish fathom

(braza) of 1.6718 m. but on the Arabic ell (covid) of

0.4886 m. since Spain at the time of Columbus was still partly under Arabic domination and to an even greater degree under Arabic cultural influence; 2. the alleged wrong

latitude by no means refers to Iceland. Columbus distinguished two islands, one of which is supposed to be

situated 100 leguas beyond Iceland at 73? N.; this might perhaps refer to the island of Jan May en; 3. the fact, mentioned in Columbus's report that the sea was free of ice is corroborated by the evidence of Finn Magnussen who found by means of old records that in February 1477 the south coast of Iceland was indeed ice free. It is quite im possible that this fact could have been known to an in habitant of the Iberian peninsula except as a result of personal experience. This, it is suggested, should serve as the main argument in support of the authoritative charac ter of Columbus's report.

Zu den umstrittensten Begebenheiten im Leben des Christoph Columbus gehort eine angebliche Reise, die er im Jahre 1477 nach Island unternommen haben will. Eine ganze Anzahl von Untersuchungen haben sich damit befafit und sind teils zu einem ablehnenden Ergebnis dieser Tatsache gelangt, teils haben sie die Realitat dieser Fahrt anerkannt und daran die aben

teuerlichsten und phantastischsten Hypothesen ge kniipft.

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