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KBV Altlasten und Neuanfang
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chon bevor der neue Vor- stand der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung im März dieses Jahres gewählt worden war, sagten ihm Kenner der Gesundheitspolitik eine au- ßerordentlich schwierige Legisla- turperiode voraus. Derartige Pro- gnosen zu stellen, ist freilich nicht sonderlich schwer. Die Lektüre des Seehoferschen Gesundheits- strukturgesetzes reicht allemal, um sich keinerlei Illusionen über den Handlungsspielraum der neu- gewählten Vorständler hinzuge- ben. Dennoch: Das Führungsgre- mium um den Kölner Nervenarzt Dr. med. Winfried Schorre und den Freiburger Allgemeinarzt Dr.med. Peter Schwoerer versprach einen Neuanfang.
Seit dem Blümschen Gesund- heits-Reformgesetz kommt jedoch kein KBV-Vorstand mehr daran vorbei, zunächst aus einer Unzahl neuer Paragraphen und Bestim- mungen halbwegs erträgliche Pra- xis zu machen. So auch der jetzige
„Doppelblindstudie"
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ie im internationalen Ver- gleich erstaunliche Fülle deutscher medizinischer Zeitschriften — und damit die Vielfalt der redaktionell geäußer- ten Meinungen — wäre nicht denk- bar ohne die Einnahmen der Ver- lage aus den Werbeanzeigen der pharmazeutischen Industrie.Jetzt hat man erstmals genau getestet, wie Pharma-Anzeigen beim Arzt wirken. Die LA-MED, die Arbeitsgemeinschaft Leser- analyse medizinischer Zeitschrif- ten (in der Pharmafirmen, Verla- ge und Agenturen zusammenar- beiten), hat eine bisher einzigarti- ge Studie durchgeführt. Einige Leser erhielten „präparierte"
Ausgaben ihrer Zeitschriften, mit Anzeigen, die nirgendwo anders erschienen, für Präparate, die neun Monate lang nirgendwo sonst „beworben" worden waren.
Vorstand mit dem Gesetzesbrok- ken GSG. Kein Wunder also, daß eine Zeitlang nichts Spektakulä- res aus der KBV-Zentrale zu hö- ren war. Untätig war der neue Vorstand unterdessen keineswegs.
Im Gegenteil: Zahlreiche Dauer- probleme der kassenärztlichen Berufspolitik stehen jetzt — ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt
— vor einer Lösung. Die jüngsten Verhandlungsergebnisse der KBV mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen deuten darauf hin, daß nunmehr gleich ein ganzes Bündel offener Punkte vom Tisch kommt.
Entscheidungsreif ist das Hausarztkonzept, eine inzwischen mehrheitsfähige Definition der hausärztlichen Versorgung. Ent- scheidungsreif ist das Laborkon- zept mit Behandlungsfallpau- schalen für die Zeit der Honorar- budgetierung (dazu Leitartikel und Kurzberichte in diesem Heft).
Weit gediehen ist schließlich die überfällige Änderung der Hono-
Hinterher hat man Empfänger der
„präparierten" Ausgaben und
„normale" Leser danach befragt, ob sie sich an die Anzeigen oder die Präparate erinnern konnten.
Man legte ihnen die Anzeigenmo- tive vor, aus denen aber die Na- men der Präparate getilgt worden waren. Die Interviewer wußten nicht, ob sie Empfänger einer
„präparierten" oder einer „nor- malen" Zeitschriftenausgabe vor sich hatten; also eine „Doppel- blindstudie". (Es gab sogar einen
„Placebo-Effekt": Es „erinnerten"
sich Leser an die Anzeigen, die sie nie gesehen haben konnten, und nannten sogar die Präparate!)
Es ließ sich nachweisen, daß ein erstaunlich hoher Prozentsatz von Ärzten die in den Anzeigen enthaltenen Informationen zur Kenntnis nimmt; darunter auch solche Ärzte, die bei Befragung
rarstruktur, die Vereinfachung des EBM.
Auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Gesund- heitswesens — für die Zeit nach der Seehoferschen Kostenbremse
— hat der neue KBV-Vorstand bereits ein gutes Stück Vorarbeit geleistet. Was alles anders werden muß, um den niedergelassenen Ärzten wieder die Freude am Be- ruf zurückzugeben und eine quali- tativ hochstehende ambulante Versorgung für die Zukunft zu si- chern und auszuweiten, das will der KBV-Vorstand auf der außer- ordentlichen Vertreterversamm- lung im September dieses Jahres in Bonn vorstellen.
Wenn Bundesgesundheitsmi- nister Horst Seehofer seine näch- ste Reformstufe einläutet, will und muß die Vertragsärzteschaft vorbereitet sein. Bis dahin gilt es, aus den leidigen Umständen das Beste zu machen. Der KBV-Vor- stand ist da, wie es scheint, auf dem richtigen Weg. JM
von sich behaupten, daß sie sich in ihrem Verordnungsverhalten
„nie" von Anzeigen anregen las- sen.
Pharma-Anzeigen sind also besser als ihr Ruf. Es ist nunmehr bewiesen, wie wichtig sie für die Information des Arztes sind; und zwar eine schnelle und auch ko- stengünstige Information. Eine Anzeigenkampagne läßt sich viel schneller starten, als etwa Dutzen- de oder Hunderte von Pharmare- ferenten mit Material zu versor- gen und sie ihre Besuche absolvie- ren zu lassen. Natürlich haben auch solche Methoden ihren Platz, ebenso wie Veranstaltun- gen von Pharmafirmen für Ärzte.
Die schnellste Information für den Arzt ist aber weiterhin die Anzeige; daß sie effektiver ist, als man bisher wußte, hat diese Stu- die jetzt bewiesen. gb
Thema Pharma-Anzeigen
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 34/35, 30. August 1993 (1) A1-2213