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Abstandsauflagen für Pflanzenschutzmittel zuGewässern – was steckt dahinter?

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Annette Aldrich und Simon Schweizer, Agroscope, Wädenswil

annette.aldrich@agroscope.admin.ch

Bevor ein Pflanzenschutzmittel (PSM) auf den Markt kommt, wird nicht nur seine Wirkung als Fungizid, In- sektizid oder Herbizid geprüft, sondern auch die Neben- wirkungen auf Nichtzielorganismen. Hierzu muss die Produktionsfirma Studien gemäss den detaillierten An- forderungen der Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV) einreichen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Anforderungen an die Firmenunterlagen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Seit 2010 werden des- halb in der Schweiz im Rahmen des «Programms zur Überprüfung der zugelassenen PSM» (gezielte Überprü- fung) bereits bewilligte PSM nochmals überprüft. Ziel ist, die Bewilligungen an die aktuellsten wissenschaftli- chen Erkenntnisse anzupassen. Nähere Informationen zur gezielten Überprüfung können auf der Homepage des BLW unter der Rubrik Pflanzenschutzmittel gefun- den werden. Doch was heisst das konkret und wie kommt es für bewilligte PSM zu neuen Beurteilungen, die unter Umständen grössere Abstandsauflagen erfordern?

Modelle zur Berechnung des PSM-Eintrags in Oberflächengewässer

Um das ökotoxikologische Risiko eines Wirkstoffs zu be- urteilen, wird einerseits untersucht, wie empfindlich Tie- re und Pflanzen auf den Wirkstoff reagieren und ande- rerseits, wie hoch die erwartete Konzentration in der Umwelt (Exposition) bei sachgemässer Anwendung (gu- te agronomische Praxis) ist. Während, beziehungsweise nach der Anwendung, kann ein PSM via Abdrift des Sprühnebels, oberflächliche Abschwemmung oder Drai- nage in ein benachbartes Oberflächengewässer gelan- gen. Zur Berechnung der erwarteten Exposition werden im Zulassungsverfahren Modelle angewendet. So wird zum Beispiel für Oberflächengewässer ein Modell ver- wendet, das vom Umweltbundesamt in Deutschland entwickelt wurde. Dieses Modell benützt für die Berech- nung ein stehendes oder leicht fliessendes Gewässer, das

30 cm tief und 1 m breit ist. Für den Eintrag via Abdrift werden Eckwerte gebraucht, die in Deutschland ermit- telt wurden (JKI 2006). Messungen im Schweizer Obst- bau haben vergleichbare Werte ergeben (Schweizer et al.

2013). Zu Einträgen via Abschwemmung oder Drainage kommt es gemäss Modell, wenn drei Tage nach der Ap- plikation ein Starkregenereignis eintritt. Diese Situation tritt zwar nicht immer ein, für die Zulassung kommen je- doch einheitliche Kriterien zum Zuge.

Die Art und das phänologische Stadium der Kultur ha- ben wesentlichen Einfluss auf Abdrift, Abschwemmung sowie Drainage und werden bei der Beurteilung berück- sichtigt. Sicherheitsbestimmungen werden deshalb spe- zifisch pro Kultur und Indikation verfügt. So ist zum Bei- spiel bei der Anwendung eines Fungizids in die Baum- krone im Obstbau (bzw. im Kopfbereich von Reben) die Abdrift deutlich höher als bei einer vergleichbaren An- wendung im Feldbau. Für denselben Wirkstoff muss des- halb in den Raumkulturen ein grösserer Abstand einge- halten werden als auf dem Feld.

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Abstandsauflagen für Pflanzenschutzmittel zu Gewässern – was steckt dahinter?

Viele Pflanzenschutzmittel werden schon seit Jahren oder Jahrzehnten eingesetzt. Die Wirkstoffe sind bekannt und man hat in der Regel gute Praxiserfahrungen damit gemacht. Dennoch kommt es immer wieder zu Anpassungen der Bewilligungen. So werden seit 2010 für bereits bewilligte Produkte neue Abstandsauflagen verfügt. Wie kommt es, dass ein Produkt neu eine Abstands - auflage benötigt, wenn vorher 3 m Abstand zu einem Gewässer genügten?

Annette Aldrich und Simon Schweizer.

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hungsweise Wochen hinweg wird evaluiert, ob Fort- pflanzung, Wachstum oder Entwicklung der Tiere gestört sind. In der Natur gibt es sehr viele Arten, die unter- schiedlich reagieren können und zudem eine Reihe von anderen Effekten, die nicht im Labor getestet werden können. Um diese Unsicherheiten und Variabilität abzu- decken, werden in der Risikobeurteilung Sicherheitsfak- toren verwendet.

Aufgrund der sich laufend entwickelnden Kenntnisse über die Empfindlichkeit von Arten und ihrem ökologi- schen Zusammenspiel, ändern sich die Anforderungen an die Risikobeurteilung stetig. Während früher nur Fi- sche, Wasserflöhe und Algen getestet wurden, werden heute für Herbizide auch noch Studien mit höheren Was- serpflanzen gefordert. Man hat gesehen, dass Algen bei gewissen Wirkstoffen nicht so empfindlich reagieren wie höhere Wasserpflanzen, die ein wichtiges Habitat für In- sekten darstellen und die Gewässerqualität positiv be- einflussen. So können neue Erkenntnisse dazu führen, dass für ein bereits bewilligtes PSM neu unakzeptable Ri- siken für aquatische Organismen berechnet werden und eine Abstandsauflage verfügt werden muss.

Ziel: Verminderung der PSM-Einträge

Parallel zur gezielten Überprüfung untersucht und ent- wickelt Agroscope Strategien zur Verminderung von Pflanzenschutzmitteleinträgen (und damit der Expositi- on). Wirksame technische Massnahmen oder Applikati- onsvorschriften erlauben so eine Verringerung der ver- fügten Abstände. Betreffend Massnahmen zur Reduktion der Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmit- teln hat das BLW im November 2013 eine neue Weisung veröffentlicht.

Monitoring-Daten von Oberflächengewässern be- schreiben deren chemischen Zustand und sind für die Überprüfung des Gewässerschutzes nach der Zulas- sungsverfügung wichtig. Letztes Jahr hat die eawag eine Studie über PSM in Fliessgewässern veröffentlicht (Witt- mer et al. 2014). Es wurden verschiedene PSM gefunden.

Das BLW hat dies zum Anlass genommen, einige der er- fassten PSM in die gezielte Überprüfung aufzunehmen.

Darauf haben die Experten der Forschungsgruppe Öko- toxikologie bei Agroscope anhand der neusten Daten das Risiko für aquatische Organismen beurteilt. Wo nötig wurde vom BLW eine Abstandsauflage verfügt, damit das PSM nur dort Wirkung zeigt, wo sie erwünscht ist, näm-

lich beim Schutz der Pflanzen. n

Literatur

BLW: Weisungen betreffend der Massnahmen zur Reduktion der Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (22. No- vember 2013). Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, 2013.

JKI, 2006: Abtrift-Eckwerte, 90. Perzentile. Julius-Kühn-Institut, D. Rautmann. Zugang: http://www.jki.bund.de/fileadmin/ dam _ uploads/_AT/abdrift-eckwerte/Abdrifteckwerte.xls.

Schweizer S., Kauf P., Höhn H. und Naef A.: Abdrift – reduzieren- de Massnahmen im Praxisversuch. Agrarforschung Schweiz 4, 484–491, 2013.

Wittmer I., Moschet C., Simovic J., Singer H., Stamm C., Hollen- der J. und Junghans M.: Über 100 Pestizide in Fliessgewässern.

Aqua & Gas 3, 32–43, 2014.

Agroscope-Video: Abdriftreduzierende Massnahmen

Abdrift ist die unerwünschte Verbreitung von Pflanzenschutzmittel-Tröpfchen bei der Sprüh-Applikation. Die dadurch verursachte Kontamination von Nichtzielflä- chen wird bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln berücksichtigt. Agroscope hat die Abdrift gemessen und zeigt im Fachvideo, was abdriftreduzierende Mass- nahmen bringen.

Deutsch: https://www.youtube.com/watch?v=prd_wMENIQo Französisch: https://www.youtube.com/watch?v=yDEb_0pH-20 Italienisch: https://www.youtube.com/watch?v=ySXE3mr31Ec

Auswirkungen auf Wasserorganismen

Um die Auswirkungen eines Wirkstoffs auf aquatische Organismen zu untersuchen, werden zunächst Labor- versuche mit sogenannten Stellvertreterorganismen (Re- genbogenforellen, Wasserflöhe und Grünalgen) durch- geführt. In kurzfristigen Studien (Stunden bis Tage) wird untersucht, bei welcher Konzentration 50% der Tiere sterben oder das Wachstum der Pflanzen gehemmt ist.

Bei längerfristigen Studien über mehrere Tage bezie-

Während früher bei der Applikationstechnik ausschliesslich der Schutz der Pflanzen im Fokus stand, ...

... wird heute auch der Schutz der Umwelt berücksichtigt.

Referenzen

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