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Archiv "Vertreterversammlung: Schorre sieht Chancen für eine bessere Zukunft" (06.06.1997)

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Nach vier äußerst schwierigen Jahren für die rund 110 000 Kas- senärzte sieht Dr. Winfried Schorre nunmehr eine reelle Chance, die am- bulante Versorgung in eine bessere Zukunft zu führen. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesver- einigung (KBV) setzt seine Hoff- nung dabei auf das 2. GKV- Neuordnungsgesetz (2. NOG), das

nach seiner Einschätzung die recht- lichen Grundlagen für die kas- senärztliche Tätigkeit grundlegend verändern wird. Die Phase der um- fassenden gesetzlichen Reglemen- tierungen und der strikten Ausga- benbudgetierung neigt sich dem En- de zu, künftig kann die kassenärztli- che Selbstverwaltung wieder etwas bewegen – wenn sie dies denn aus ei- gener Kraft heraus schafft.

Schorre ging deshalb in seinem Bericht zur Lage zunächst auf die

„innerärztlichen Verteilungskämp- fe“ ein, deren Ursache im krassen Mißverhältnis zwischen der zur Ver- fügung stehenden Honorarmenge und der erbrachten Leistungsmenge

zu suchen sei. Unter den Bedingun- gen der starren Ausgabenbudgetie- rung sei der KBV nichts anderes übriggeblieben, als über die Ge- bührenordnung eine Mengenbe- grenzung anzustreben. Der neue EBM, räumte der KBV-Vorsitzende allerdings ein, habe dieses Ziel nicht nur verfehlt, sondern sich sogar als Bumerang erwiesen: „Die Reduzie-

rung auf das medizinisch Notwendi- ge scheint schwer akzeptabel, da im Kern eher dem Bestandsschutz ge- huldigt und eine Systemreform nicht in dem notwendigen Ausmaß ge- wollt wird.“

Schorre spielte damit auf die kontroverse Diskussion um die Pra- xisbudgets an, mit deren Hilfe stabi- le Punktwerte erreicht werden sol- len (dazu unser Bericht „Praxisbud- gets – Nur noch ein Modell für den Übergang“ in diesem Heft). Wenn aber der neue Gestaltungsspielraum durch das 2. NOG genutzt werden solle, „müssen wir den innerärztli- chen Honorarverteilungskampf endlich hinter uns lassen“, appellier- Dr. Winfried Schorre: Kritischer Rückblick auf die Deckelung und deren honorarpolitische Folgen

Die Politik der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) für die kommenden vier Jahre nimmt Konturen an. Die Ver- treterversammlung der KBV billigte auf ihrer Sitzung im Vorfeld des 100. Deut- schen Ärztetages in Eisenach das Arbeits- programm des Vorstandes. Zugleich fie- len wichtige Entscheidungen in der Ho- norardiskussion. Die Praxisbudgets wer- den – wie mit den Krankenkassen ver- traglich vereinbart – zum 1. Juli dieses Jahres eingeführt; sie sollen aber nach dem Willen der Vertreterversammlung bereits zum 1. Januar 1998 durch ande- re, regional zu vereinbarende, mengen- begrenzende Vergütungsmodelle ab- gelöst werden. Der KBV-Vorstand plant überdies die Erarbeitung einer völlig neuen Gebührenordnung, die fachgrup- penbezogen und nach Indikationen aus- gerichtet sein soll. Auch in Eisenach teil- ten sich die Befürworter und Gegner der Praxisbudgets in nahezu gleich starke Lager auf. Neben der honorarpolitischen Neuausrichtung strebt der Vorstand unter anderem die Weiterentwicklung der am- bulanten Versorgungsstrukturen und die Überarbeitung des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung an. Mehr Einfluß auf die Gestaltung der vertragsärztlichen Rahmenbedingungen soll künftig der Länderausschuß der KBV gewinnen. Die Delegierten beschlossen in diesem Sinne eine Satzungsänderung, wonach der Länderausschuß in wichtigen Fragen Entscheidungen treffen kann, von denen der Vorstand nur unter be- stimmten Bedingungen abweichen kann.

Vertreterversammlung

Schorre sieht Chancen für eine bessere Zukunft

Alle Fotos aus Eisenach: Bernhard Eifrig, Bonn

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te der KBV-Vorsitzende an die Dele- gierten.

Der Vorstand selbst sei fest ent- schlossen, die sich nun bietenden Chancen zu nutzen. Auf der Basis der bereits 1994 beschlossenen „Eck- punkte zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens“ hat die KBV- Spitze ein Arbeitsprogramm für die kommenden vier Jahre zusammenge- stellt, das Dr. Schorre den Delegier- ten im einzelnen vorstellte.

Viele Strukturprobleme der ver- tragsärztlichen Versorgung, erläuter- te Schorre, könnten durch kooperati- ve Praxisstrukturen gelöst werden.

Beispielhaft nannte er die Gewährlei- stung der ärztlichen Präsenz, die Ver- meidung von Doppeluntersuchungen und Doppelinvestitionen sowie die Integration von haus- und fachärztli- cher Versorgung. Die Möglichkeit, solche vernetzten Praxisstrukturen ohne vorhergehende Modellversuche einzuführen, sei in das 2. NOG auf- genommen worden. Zudem biete das Gesetz die Möglichkeit, kombinierte Budgets zu vereinbaren und einen er- weiterten Verordnungsspielraum für die Richtgrößen für Arznei- und Heil- mittel festzulegen.

Engagement der Ärzte entscheidend Nach Ansicht des KBV-Vorsit- zenden können die neuen Organisati- onsstrukturen „nur durch Motivation der Vertragsärzte vor Ort und nicht durch ein stringentes bundeseinheitli- ches Vertragskonzept von oben“ ge- fördert werden. Ziel des Vorstands sei es daher lediglich, auf Bundesebene Rahmenverträge mit allen Kassenar- ten über die Kernelemente vernetzter Praxisstrukturen zu schließen, um eine bedarfsgerechte Versorgungs- struktur zu gewährleisten.

Die Gliederung in eine haus- und fachärztliche Versorgung sei nach wie vor nicht befriedigend gelöst, sagte Schorre. Die zunehmende Konkur- renzsituation zwischen Allgemeinärz- ten und Internisten mache dies deut- lich. Eine Arbeitsgruppe aus Mitglie- dern des Länderausschusses sei beauf- tragt worden, einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Dieser müsse „das Selbstverständnis der Allgemeinärzte

und der Internisten tolerieren, beiden eine Existenzmöglichkeit belassen und die Möglichkeit eröffnen, bei der Versorgung der Bevölkerung arbeits- teilig zusammenzuwirken“.

Das Arbeitskonzept des KBV- Vorstands sieht darüber hinaus vor, die Kooperation zwischen niederge- lassenen Kassenärzten und Kranken-

hausärzten zu verstärken. Dazu zähl- ten, so Schorre, ein verbessertes In- formationsmanagement, die Optimie- rung des vertragsärztlichen Notfall- dienstes, verbesserte Rahmenbedin- gungen für das ambulante Operieren sowie die Förderung der belegärztli- chen Versorgung. Zudem sollten Nut- zungsverträge zwischen Krankenhäu- sern und Vertragsärzten abgeschlos- sen werden, die die Mitbenutzung von Praxis- oder Krankenhauseinrichtun-

gen regeln; die ermächtigten Kran- kenhausärzte sollten in die vernetzten Praxisstrukturen einbezogen werden.

Schorre hob hervor, daß die Ablö- sung der budgetierten Gesamtvergü- tung durch ein System mit Regellei- stungsvolumina und festen Punktwer- ten der KBV die Möglichkeit gebe, mit den Krankenkassen die notwendigen Finanzierungsgrundlagen für derartige Kooperationen zu vereinbaren. Eine institutionalisierte Öffnung der Kran- kenhäuser für die ambulante fachärzt- liche Versorgung lehnte der KBV-Vor- sitzende nach wie vor kategorisch ab.

Beim Thema Bedarfszulassung ging Dr. Schorre auf die „große Sorge insbesondere älterer Kassenärzte“ ein, die eigene Praxis vielleicht nicht mehr veräußern zu können. Dies sei eine mögliche Auswirkung der zum 1. Janu- ar 1999 geplanten verschärften Be- darfszulassung. Unter Beifall versi- cherte Schorre den Delegierten je- doch: „Die KBV wird keine gesetzli- che Regelung akzeptieren, die die Ver- äußerungsfähigkeit der eigenen Praxis als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum nicht garantiert.“ Als sinn- volle Modifikationen zur Zulassungs- steuerung bewertete er das Job-sha- ring, die erleichterte Beschäftigung von Dauerassistenten und die Neufest- setzung von Verhältniszahlen. Dazu werde der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die notwendigen Ausführungsregelungen treffen.

Der erweiterten Kompetenz des Bundesausschusses zur Überprüfung des Leistungskatalogs der GKV

A-1532 (16) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 23, 6. Juni 1997

KBV-Vize Dr. Weisner: Das Arbeitsprogramm steht

Die Delegierten bei der Arbeit: Abstimmen kann auch Spaß machen

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sprach Schorre eine entscheidende Bedeutung auch für die künftigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Vertragsärzte zu. Er forderte dazu auf, die bisherige Zurückhaltung ge- genüber einer Mitverantwortung auf- zugeben und sich aktiv in die inhaltli- che Ausgestaltung der gesetzlich nur grob definierbaren Leistungsbereiche einzubringen: „Wenn wir den Kran- kenkassen nicht mit unserem ärztli- chen Sachverstand behilflich sind, das großzügig gewährte Leistungsspek- trum auf das medizinisch notwendige Maß zu reduzieren, wird ein nicht unerheblicher Teil der begrenzten Fi- nanzmittel für medizinisch äußerst fragwürdige oder zumindest kraß un- wirtschaftliche Leistungen verschwen- det.“ Geradezu kontraproduktiv sei es daher, die besonderen Therapierich- tungen von einer wissenschaftlichen Beurteilung auszunehmen.

Ein besonderes Problem sieht der KBV-Vorsitzende in der „unzulängli- chen Vergütung unserer Kollegen in den neuen Bundesländern“. Die KBV sehe derzeit nur die Möglichkeit, den

niedrigen ärztlichen Honoraranteil an den Gesamtausgaben durch Einspa- rungen bei den Arzneimittelausgaben anzuheben. Es gebe Anzeichen dafür, daß die Krankenkassen zu entspre- chenden Vertragsabschlüssen bereit seien, signalisierte Schorre.

Richtgrößen statt Arzneimittelbudgets Im Zusammenhang mit der Arz- neimittelversorgung hob der KBV- Vorsitzende hervor, daß gegen den er- bitterten Widerstand der Krankenkas- sen im 2. NOG eine Regelung getrof- fen worden sei, auf die Kassenärzte schon seit Jahren warteten: die ver- bindliche Ablösung der Arznei- und Heilmittelbudgets durch Richtgrößen.

Nach Schorres Einschätzung können die Richtgrößen in Verhandlungen mit den Kassen jedoch frühestens zum 1. Januar 1998 vereinbart werden.

Besonderen Wert legt der KBV- Vorstand auf den Nachweis von Ein- sparungen im Krankenhaus durch

Leistungsverlagerungen in die ambu- lante Versorgung. Hier fordert er die Krankenkassen auf, die notwendige Transparenz zu schaffen. Nur so kön- ne das Prinzip „Das Geld muß der Leistung folgen“ verwirklicht werden.

Zur Transparenz „in den eigenen Reihen“ meinte Schorre: „Wir haben nichts gegen eine Information der Pa- tienten. Es wäre aber unter Kosten- Nutzen-Gesichtspunkten ein Aber- witz, allen Versicherten unaufgefor- dert solche Informationen ins Haus zu schicken.“ Statt dessen, so der KBV- Vorsitzende, solle in Abstimmung mit den Krankenkassen ein sehr viel prag- matischeres Verfahren etabliert wer- den, das auf die Aushändigung von Computerausdrucken oder durch- schriftlichen Kurzinformationen in der Arztpraxis begrenzt sein soll.

Auch an der Umsetzung einer weiteren, von den Kassenärzten hef- tig kritisierten gesetzlichen Auflage komme die KBV nicht vorbei: Die Einführung der ICD-10 als Diagnose- verschlüsselung für die kassenärztli- chen Abrechnungen. In Niedersach- Parlament in der Sportstätte: die Vertreterversammlung tagte in der Werner-Aßmann-Halle, benannt nach einem verdienten Handballer.

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sen und Sachsen-Anhalt liefen zur Zeit Modellversuche, mit denen eine

„erheblich abgespeckte Version der ICD-10“ erprobt werde.

Mit Blick auf das Psychothera- peutengesetz beruhigte Schorre die Delegierten: Weil die Regelleistungs- volumina mit festen Punktwerten für jeden neu hinzukommenden Arzt oder Psychotherapeuten einen Vergü- tungsanspruch zu Lasten der Kran- kenkassen begründen, müsse keine Minderung des ärztlichen Honorars durch das Hinzukommen von psy- chologischen Psychotherapeuten be- fürchtet werden. Sehr viel kontrover- ser werde gegenwärtig die vergleich- bare Qualifikation der beiden Berufs- gruppen diskutiert.

Dr. Winfried Schorre schloß sei- nen Bericht zur Lage mit dem An- gebot an die Delegierten, das Arbeits- konzept „gemeinsam mit dem Vor- stand anzupacken“. Der KBV-Vorsit- zende wörtlich: „Geben Sie sich einen Ruck nach vorne, um die Strukturen für die Zukunft eines freiberuflichen Arztes in Deutschland jetzt zu gestal- ten.“ Daß die Vertreterversammlung dazu bereit ist, zeigte die anschließen- de Diskussion: Die Delegierten stimm- ten dem Arbeitsprogramm der KBV weitgehend zu. Dr. Sabine Glöser

A-1534 (19) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 23, 6. Juni 1997

Es gehe um eindeutige Signale, mahnte Dr. Helmut Klemm, der Vorsitzende der KBV-Vertreterver- sammlung, zu Beginn der Eisenacher Sitzung. Die Basis mit mehr als 100 000 Kassenärzten erwarte, „aus dem Tal der Tränen“ herausgeführt zu werden. Klemm appellierte an die Delegierten: „Gehen Sie aufeinander zu und streiten Sie mit-

einander – sachbezogen, allein um der Sache wil- len.“

Über die Sachent- scheidungen hinaus sei es die Aufgabe der Ver- treterversammlung, po- litische Glaubwürdigkeit und die Fähigkeit zum konstruktiven Handeln zu vermitteln. Klemm sagte dies in Gegenwart zahlreicher Gäste – un- ter anderem aus dem Bundesgesundheitsmini- sterium, von den Spit-

zenverbänden der Krankenkassen und von verschiedenen Verbänden und Organisationen aus dem Gesund- heitswesen.

Sein besonderer Gruß galt indes- sen Dr. Karsten Vilmar, dem Präsiden- ten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetetages. Vilmar rich- tete ein Grußwort an die 110 Delegier- ten. Die Ärtzeschaft habe es derzeit mit den Folgen einer verfehlten Poli- tik zu tun. Vilmar nannte beispielhaft die Bildungspolitik der 60er und 70er

Jahre, den immer wieder in Gang ge- setzten „Verschiebebahnhof“ inner- halb der sozialen Sicherungssysteme und die Vielzahl der „verschobenen Reformen“ man- gels politischen Mutes oder man- gels parteienüber- greifender Eini- gungsfähigkeit.

Der Präsident der Bundesärztekam- mer forderte un- ter dem Applaus der Kassenarztde- legierten den Ab- schied von der

„Vollkasko-Men- talität“ und die Rückbesinnung auf das Zweck- mäßige und Not- wendige.

Auf Anregung des KBV-Vorstan- Dr. Helmut Klemm: Aufgaben der Vertreterversammlung

Ehrenzeichen für Günther Schroeder-Printzen (rechts; links: Dr. Vilmar)

Eröffnung, Grußworte und Auszeichnung

Fähigkeit zu

konstruktivem Handeln

Zum Bericht zur Lage des KBV-Vorsitzenden sowie zum Arbeitsprogramm des Vorstandes faßte die Ver- treterversammlung folgende drei Beschlüsse : GGKKVV--VVeerrssiicchheerrtteennkkrreeiiss –– „In das Vorstandskonzept sind Überlegungen einzuarbeiten, wie auf lange Sicht der Tendenz entgegengewirkt werden kann, einem immer größeren Anteil der Bevölkerung (in- zwischen 92 Prozent) die ärztliche Versorgung zum Sozialtarif zu ermöglichen.“ (eingebracht von Dr.

Gerda Enderer-Steinfort, KV Nordrhein)

NNeeuuee BBuunnddeesslläännddeerr –– „Der Vorstand der KBV er- stellt ein Konzept zur Überwindung der sozialen Tei- lung zwischen den Vertragsärzten in Ost und West und setzt sich für dessen politische Umsetzung nach- drücklich ein.“ (eingebracht von den Delegierten Dres. Penndorf, Hommel, Rudat, Eckert und Noack aus den fünf KVen der neuen Bundesländer) PPssyycchhootthheerraappeeuutteennggeesseettzz –– „Ohne die verbindliche Gewährleistung einer der ärztlichen Psychotherapie und der im Delegationsverfahren tätigen Psychothe- rapeuten gleichwertigen Qualifikation, die im Einzel- fall nachzuweisen ist, wird die Einbeziehung weite- rer nicht-ärztlicher Psychotherapeuten in die ver- tragsärztliche Versorgung im Rahmen des Integrati- onsmodells abgelehnt.“ (eingebracht von Dres. Rita- Marie Kielhorn, Manfred Richter-Reichhelm, beide KV Berlin, und Rüdiger Pötsch, KV Bayerns)

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des und Beschluß des Vorstandes der Bundesärztekammer zeichnete Dr.

Vilmar den früheren Vorsitzenden des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Günther Schroeder- Printzen, mit dem Ehrenzeichen der deutschen Ärzteschaft aus.

Vilmar würdigte das langjährige Engagement des hochrangigen Juri- sten für die soziale Gerechtigkeit.

Schroeder-Printzens berufliche Lauf- bahn hatte als Richter am Sozialge- richt Bremen begonnen, führte über das Landessozialgericht bis hin zum Bundessozialgericht in Kassel. Dort war er zunächst Mitglied des 3. und 6.

Senats, zuständig für die Gesetzliche Krankenversicherung und das Kassen- arztrecht.

1976 wurde Günther Schroeder- Printzen zum Vorsitzenden Richter des 3. Senats ernannt; eine Funktion, in der er zahlreiche bedeutsame Ent- scheidungen für die kassenärztliche Versorgung maßgeblich mitbestimmt hatte. Nach seiner Pensionierung wurde der renommierte Bundesrich- ter zum ehrenamtlichen Vorsitzenden des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen berufen. Diese Auf- gabe nahm er bis zum Frühjahr 1997 wahr.

„Mann des Dialoges und Ausgleichs“

Schroeder-Printzen, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, sei ein Mann des Dialoges und Aus- gleichs. Davon habe die Arbeit des Bundesausschusses in seiner insge- samt sechsjährigen Amtzeit profitiert.

Günther Schroeder-Printzen nahm die hohe Auszeichnung sicht- lich bewegt entgegen. Auch er statte- te Dank ab – an die Mitglieder des Bundesausschusses, an seine Frau, die seine Arbeit stets mit viel Verständnis begleitet habe, nicht zuletzt an seinen Hausarzt, der ihm die Gesundheit er- halten habe. Die Aufgabe, sagte der inzwischen 72jährige ehemalige Bun- desrichter, habe ihm in all den Jahren auch Freude bereitet. Die Delegier- ten der KBV-Vertreterversammlung dankten dem Träger des Ehrenzei- chens der deutschen Ärzteschaft mit langanhaltendem herzlichen Ap-

plaus. JM

A

uf der Vertreterversammlung in Eisenach wurde erneut deutlich, daß sich die Befür- worter und Gegner der Praxisbudgets in zwei nahezu gleich starke Lager teilen. Eine hauchdünne Mehrheit sprach sich schließlich dafür aus, den vor Jahresfrist eingeschla-

genen honorarpolitischen Kurs beizu- behalten und die Praxisbudgets nicht zu beerdigen, bevor sie überhaupt das Licht der Welt erblickt haben.

Pro und contra in der Waage

In seinem Bericht zur Lage be- schrieb Dr.Winfried Schorre die ge- gensätzlichen Positionen so: „Die ei- nen lehnen Praxisbudgets absolut ab.

Sie fordern, sie sofort auszusetzen und

statt dessen den EBM ’96 mit oder oh- ne Teilbudgets weiterlaufen zu lassen, bis Regelleistungsvolumina gebildet worden sind. Die anderen fordern die Einführung von Praxisbudgets, weil es ohne sie 1997 zu einem Punktwertver- fall käme mit all den deletären Konse- quenzen, die wir kennen, und sie hal- ten deren Auf- rechterhaltung auch in 1998 noch für geboten, weil die Umstellung auf Regellei- stungsvolumen ei- ne längere Zeit benötigen würde und auf den Er- fahrungen mit den Praxisbud- gets aufsetzen müsse.“

Regelleistungs- volumina sind ei- ne neue Vergü- tungsform, die das 2. GKV-Neu- ordnungsgesetz vorsieht. Sie bedeu- ten ein Punktzahlvolumen pro Pra- xis, das mit einem vorher zu verein- barenden festen Punktwert vergütet wird. Wird das Punktzahlvolumen überschritten, gibt es für das Mehr an Leistungen im Gegensatz zu den Pra- xisbudgets dennoch Honorar, aller- dings nicht mehr in voller Höhe des vereinbarten Punktwertes, sondern abgestaffelt. Der enge Honorar- deckel, der in den vergangenen Jah- ren zu drastisch fallenden Punktwer- ten und erheblichen Honorarein-

Praxisbudgets

Nur noch ein Modell für den Übergang

Den Praxisbudgets ist aller Voraussicht nach keine lange Lebensdau- er beschieden. Das neue Honorarsystem für die vertragsärztli- che Versorgung wird zwar – wie in den Verträgen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbart – zum 1. Juli dieses Jahres einge- führt, doch bereits zum 1. Januar 1998 sollen andere Vergütungs- formen an die Stelle der heftig umstrittenen Praxisbudgets treten.

Dr. Manfred Richter-Reichhelm: Mehrheitsbeschlüsse müssen getragen werden

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brüchen bei den niedergelassenen Ärzten geführt hat, wird damit erst- mals wieder gelockert.

Die Bereitschaft der Politik, den Kassenärzten wieder mehr Verhand- lungs- und Gestaltungsspielraum in der Honorarpolitik einzuräumen, führt Schorre nicht zuletzt auf die Vereinbarung der Praxisbudgets zurück. Der KBV-Vorsitzende trat zu- gleich der Be-

hauptung entge- gen, „wir hätten unseren Gremien wider besseres Wissen vorgegau- kelt, der Bundes- gesundheitsmini- ster habe als Vor- aussetzung für die Regelleistungs- volumen den Ärzten die Schaf- fung der Praxis- budgets abver- langt“. Diesen Vorwurf hatte das KBV-Vorstands- mitglied Dr. Rü-

diger Pötsch (KV Bayerns) im Vor- feld der Vertreterversammlung in ei- nem offenen Brief an den KBV-Vor- sitzenden erhoben. Das, so Schorre, habe er nie behauptet. Richtig sei vielmehr, daß die Politik wegen den zuvor vereinbarten Praxisbudgets Vertrauen in die Fähigkeit der kas- senärztlichen Selbstverwaltung zur Mengenbegrenzung aus eigener Kraft gefaßt habe und deshalb auch zur Auflockerung der strikten Honorar- budgetierung bereit gewesen sei.

Dennoch forderten die Gegner der Praxisbudgets, „diesen Unsinn“

(Dr. Bodo Strahl, KV-Vorsitzender in Niedersachsen) erst gar nicht einzu- führen – auch nicht für nur zwei Quartale. Strahl vertrat in der Dis- kussion die Auffassung, daß die Vertreterversammlung den KBV- Vorstand sehr wohl beauftragen kön- ne, die bereits geschlossenenen Ver-

träge in Verhandlungen mit den Krankenkassen wieder aussetzen zu lassen.

Seehofer und das

„blaue Wunder“

Ähnlich argumentierte Dr. Wer- ner Baumgärtner, Vorsitzender der KV Nord-Württemberg. „Wir brau- chen die Praxisbudgets nicht, auch nicht zum 1. Juli. Sie dürfen auf kei-

nen Fall zur Grundlage für die Ver- einbarung der Regelleistungsvolumi- na werden.“ Bundesgesundheitsmi- nister Seehofer selbst, sagte Baum- gärtner (wie auch verschiedene andere Diskussionsredner), halte nichts von den Praxisbudgets. Der Minister habe auf einer Veranstal- tung in Berlin die Bemerkung fallen lassen: „Kassen und Kassenärztliche Vereinigungen werden mit den Pra- xisbudgets noch ihr blaues Wunder erleben.“

Südbaden: Erste Erfahrung positiv Diese Einschätzung konnte Dr.

Gerhard Dieter, KV-Vorsitzender in Südbaden, nicht teilen. In Südbaden haben die Kassenärzte bereits seit Anfang des Jahres Praxisbudgets, weil die KV diese in ihren Hono- rarverteilungsmaßstab übernommen hat. Nach Dieters Darstellung lassen die ersten Abrechnungsergebnisse er- kennen, daß die Praxisbudgets funk- tionieren. Probleme hätten kleine Praxen, die mit einem hohen Auf- wand arbeiten. Wirtschaftliche Pra- xen seien hingegen eindeutig die Ge- winner. Ein überraschendes Ergebnis in Südbaden: Die Fallzahlen seien ge- sunken. Dr. Dieter appellierte vor dem Hintergrund der südbadischen Erfahrungen an die Delegierten: „Die Argumente gegen die Praxisbudgets sind angstbesetzt und helfen nicht weiter. Schauen Sie doch nach vorn!“

Unterstützung fand Dr. Dieter beim thüringischen KV-Vorsitzenden, Dr.

A-1538 (22) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 23, 6. Juni 1997

Dr. Gerhard Dieter: Gute Erfahrungen in Südbaden Dr. Wolf-Dieter Kirsten: Kritik, unterstützt durch Statistiken

Dr. Werner Baumgärtner: hält nichts von Praxisbudgets

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Wolf-Rüdiger Rudat: „Wer die aktu- ellen Punktwerte kennt, der muß die Praxisbudgets fordern, gerade in den neuen Bundesländern, wo das Ho- norarniveau bei nur 80 Prozent im Vergleich zu den alten Ländern liegt.“

Als schließlich Dr. Manfred Richter-Reichhelm, KV-Vorsitzender in Berlin und seit März dieses Jahres Mitglied im KBV-Vorstand, ans Red- nerpult trat, hörten Gegner und

Befürworter der Praxisbudgets be- sonders aufmerksam hin. Richter- Reichhelm zählt zu den härtesten Kri- tikern dieser Honorierungsform. Er sagte: „Ich habe meine Überzeugung nicht an der Gaderobe abgegeben, doch Mehrheitsbeschlüsse müssen getragen werden. Ich stehe dazu.“

Eine völlig neue Gebührenordnung Der Berliner Urologe erläuterte betont sachlich die Haltung des KBV- Vorstandes, der schon ab Januar 1998 den Weg für andere mengenbegren- zende Maßnahmen auf regionaler Ebene frei machen möchte und anschließend eine völlig neue Gebüh- renordnung erarbeiten wolle. Dies werde „überlegt, abgestimmt, über-

prüft und ohne Hektik“ geschehen.

Es werde keine neuen Experimente zu Lasten der Kassenärzte geben.

Das bekräftigte auch Dr. Schor- re, der die derzeitige Situation folgen- dermaßen zusammenfaßte:

l Die Praxisbudgets werden, wie das die gültigen Vereinbarungen mit den Krankenkassen vorsehen, zum 1. Juli 1997 in Kraft treten. Sie werden zur Stabilisierung des Punkt-

wertes im zweiten Halbjahr ge- braucht, vor allem um einen aus- reichend hohen Punktwert für die Verhandlungen über die Regellei- stungsvolumina zu erreichen. Die Praxisbudgets schaffen die Berech- nungsgrundlage für die Regellei- stungsvolumen.

l Zum 1. Januar 1998 können sie regional durch andere Mengenbe- grenzungsmaßnahmen abgelöst wer- den. Es besteht aber auch die Mög- lichkeit, die Praxisbudgets regional fortzusetzen, wenn dies gewünscht wird.

l Es soll eine fachgruppenspezi- fische, indikationsbezogene Gebüh- renordnung erarbeitet werden.

Nach gut einstündiger kontrover- ser Diskussion, die zwischenzeitlich von verschiedenen Delegierten als

„Phantomdebatte“ (Sanitätsrat Peter

Sauermann, KV Trier) und „erneu- te spektakuläre Geisterdiskussion“

(Dr.Wolfgang Aubke, KV Westfalen- Lippe) bezeichnet worden war, kam es zur Abstimmung der Anträge. Kei- ne Mehrheit fand der Antrag von De- legierten der KV Sachsen, die Ein- führung der Praxisbudgets zum 1. Juli dieses Jahres auszusetzen. Das Er- gebnis war denkbar knapp: 54 Nein- Stimmen gegenüber 53 Ja-Stimmen

bei 2 Enthaltungen. Noch knapper (nämlich mit Stimmengleichheit) war zuvor der Antrag von Dr. Albrecht Kühn, KV-Südwürttemberg, geschei- tert, die Vertreterversammlung möge die Einführung der Praxisbudgets gänzlich ablehnen.

Praxisbudgets nur bis Ende 1997

Angenommen wurde schließlich der Antrag von Dr. Werner Baum- gärtner mit folgendem Wortlaut:

„Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wird aufgefor- dert, die sogenannten Praxisbudgets zum 1. Januar 1998 definitiv auszuset- zen.“ Hierfür votierten 56 Delegierte bei 50 Nein-Stimmen und 3 Enthal-

tungen. Josef Maus

Stimmabgabe: Wegen der zum Teil äußerst knappen Mehr- heitsverhältnisse und ange- sichts des heiklen Themas be- stand die Vertreterversamm- lung in Sachen Praxisbudgets auf Einzelstimmabgabe. Jeder Delegierte wurde namentlich aufgerufen und steckte seinen Stimmzettel in die Box. Die Folgen waren stets ein zeitrau- bendes Abstimmungsprocede- re, vor allem aber eindeutige Stimmergebnisse.

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