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urzeit wird heftig über die Neugestaltung des Uni- versitätsareals der Stadt Leipzig diskutiert. In Leipzig befindet sich der Univer- sitätskomplex mit den Haupt- verwaltungs- und Hörsaalge- bäuden in der Innenstadt – am größten und ehemals schönsten Platz der Stadt, der das Eingangstor zum Zen- trum darstellt.Bis vor drei Jahrzehnten prägten die gotische Univer- sitätskirche und das Neore- naissance-Augusteum die Sil- houette der innerstädtischen Platzwand. Mit zahlreichen namhaften Gelehrten und
Künstlern ist die Univer- sitätsgeschichte über Jahr- hunderte verwoben. Johann Sebastian Bach wirkte in der auch Paulinerkirche genann- ten Universitätskirche. Eben- so hinterließen zahlreiche Baumeister ihre Spuren, so Karl Friedrich Schinkel.
Den Zweiten Weltkrieg überstand das Hauptgebäude – Augusteum – teilzerstört.
Die Universitätskirche blieb unversehrt. Im Jahr 1968 wur- den das wiederaufbaufähige Augusteum und die intakte Paulinerkirche dem Erdbo- den gleichgemacht. Im Vor- feld kam es zu massiven Bür-
gerprotesten, der zwischen dem 17. Juni 1953 und dem Herbst 1989 größten Protest- bewegung in der DDR. Seit- dem steht dort anstelle der historischen Bauten ein neu- er, recht nüchterner Univer- sitätskomplex. In wenigen Jahren feiert die Universität Leipzig ihr 600-jähriges Be- stehen. Wunsch von Univer- sität, Land Sachsen und Stadt Leipzig ist ein Um- und Neu- bau der Universitätsgebäude bis zu diesem Zeitpunkt. Ir- gendwie soll die Erinnerung
an die gesprengte Univer- sitätskirche in den Neubau eingebunden werden. Doch sowohl der Ideenwettbewerb 1994 als auch der erneute städtebauliche Wettbewerb, der erst vor wenigen Wochen der Öffentlichkeit präsen- tiert wurde, stießen auf weit- gehende Ablehnung in der Bevölkerung. Zu enge Vor- gaben an die Architekten und vor allem Einfallslo- sigkeit sind die Hauptkri- tikpunkte. Dagegen favori- sieren zahlreiche Leipziger den Wiederaufbau der Uni- versitätskirche. Ein seit rund zehn Jahren dafür eintreten- der Bürgerverein unter Vor- sitz des Medizin-Nobelpreis- trägers Günter Blobel ver- eint die Wiederaufbaubefür- worter.
Was wir im Jahr 2009 in Leipzig sehen werden – noch ist alles offen. Im Wettbewerb wurde kein erster Preis verge- ben. Die Forderungen nach ei- ner Neuauflage werden deutli- cher vernehmbar. Die Chan- cen stehen nicht schlecht, dass sich das in Polen schon lange Zeit erfolgreich angewandte Prinzip der originalgetreuen Rekonstruktion städtebaulich wichtiger Leitbauten, am Dresdener Neumarkt bereits praktiziert,auch in Leipzig nie- derschlägt.Dr. med. Birk Engmann V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4325. Oktober 2002 AA2873
Universität Leipzig
Beton oder Geschichte ?
Zurzeit wird in Leipzig heftig über die
Neugestaltung des Universitätsareals diskutiert.
„In einer seelenlosen Betonlandschaft . . . gedeiht Verantwortungsgefühl für den Nächsten und ein Bewusstsein um den Wert der menschlichen Existenz weitaus schwerer. Steine, in denen die Geschichte atmet, Bauwerke, die von Generationen vor uns zu erzählen vermögen, lassen uns dagegen die Wurzeln unseres eigenen Lebens spüren. An solchen Orten tanken wir auf, hier finden wir Kraft für unser eigenes Leben.“ Richard von Weizsäcker
Links: Augusteum und Univer- sitätskirche um 1964
Foto: Kny, Paulinerverein e.V.
Unten: Hauptgebäude der Uni- versität Leipzig mit „Installation Paulinerkirche“ 2002
Foto: Birk Engmann Feuilleton