Sowohl bei der KV als auch bei der Landesärztekammer Niedersachsen gilt Bach als „unbeschriebenes Blatt“. Die Fachärztin für Innere Medizin war seit 1982 in der Paracelsus-Klinik tätig.
Dort betreute sie als Belegärztin etwa 25 Patienten – häufig auch schwer kran- ke und sterbende Patienten, die sie schon über Jahre als Hausärztin behan- delt hatte. Eine Kontaktaufnahme mit ihr lehnen die AOK sowie der MDK ab.
„Bei schweren Straftaten ist es der ein- zige Weg, den Fall der Staatsanwalt- schaft zu übergeben“, erklärt Scherler.
Bach klagt gegen Approbationsentzug
Dieses Vorgehen hat bei der Klinik Ver- wunderung hervorgerufen. „Selten ha- be ich eine so massive Vorverurteilung erlebt wie im Fall von Frau Dr. Bach“, sagt Dr. Utz Wewel, Leitender Verwal- tungsdirektor der Paracelsus-Kliniken Norddeutschland. Doch obwohl die Paracelsus-Kliniken aufgrund des Rad- bruch-Gutachtens von der Unschuld Bachs ausgehen, trennten sie sich ver- gangene Woche offiziell von der Ärztin.
Die Trennung sei in beiderseitigem Ein- vernehmen erfolgt, sagt Wewel. Ge- meinsam seien sie der Auffassung, dass die öffentliche Auseinandersetzung um das laufende Verfahren der Staats- anwaltschaft den Krankenhausbetrieb nicht weiter belasten dürfe.
Bach geht davon aus, dass sie noch in diesem Jahr wieder ärztlich tätig sein darf. Das Verwaltungsgericht Hannover ist da weniger optimistisch. Nach Kenntnis der Gutachten bestätigte es am 25. September den vorläufigen Ein- zug der Approbation durch die Bezirks- regierung. Es sei zu befürchten, heißt es in seinem Beschluss, dass Bach „auch in Zukunft bei Ausübung ihres ärztlichen Berufs Patienten und die Allgemeinheit schädigen werde, da sie ihr ärztliches Vorgehen für richtig hält“. Bach hat ge- gen diesen Beschluss geklagt. „Die Ga- be von Morphin bedeutet nicht gleich sterben“, sagt sie. Häufig werde seine anxiolytische Wirkung vergessen, bei Lungenmetastasen nehme es beispiels- weise sehr gut die Angst vor dem Er- sticken. Die Dosierung sei dabei immer individuell.
Anfang Dezember wird das Gut- achten von Zenz erwartet. Dann wird der Fall auch vor Gericht verhandelt werden. „Die schnelle Vorverurteilung von Dr. Bach hat mir zu denken ge- geben“, sagt ihr Anwalt Prof. Dr. Dr.
Klaus Ulsenheimer, München, der seit 30 Jahren auf dem Gebiet des Arzthaf- tungsrechts tätig ist. Der Sprengkraft eines möglichen Urteils seien sich die Ärzte noch gar nicht bewusst.
Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K
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A2918 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003
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s war mir schon immer bewusst,daher habe ich es strikt vermieden:Urlaub, insbesondere wenn mit Reisen verknüpft, macht die Menschen krank. Als Bestätigung meines Vorurteils streckt mir Frau Müller ihren nach zwölf- stündiger Einklemmung in der Touristenklasse livide geschwollenen Unter- schenkel entgegen. Die Diagnose ist mittels Ultraschall schnell zu klären: eine knackfrische Poplitealvenenthrombose. Sofort blitzt die entsprechende Litera- turstelle in meinem Gehirn auf: N Engl J Med 1996; 334: 682–687: Unkompli- zierte tiefe Venenthrombosen können ambulant ohne höheres Risiko versorgt werden! Kurz überschlage ich die immensen Kosten, die ich der Krankenkasse einspare, wenn ich die Behandlung übernehme, und ein wohliges Schauern durchflutet meinen Körper.Vielleicht bin ich für einen Moment die Speerspit- ze dieser unzähligen vor sich hin rackernden Ärzte, die nicht nur die optimale Behandlung, nein, auch die Kostenexplosion fest im Blick haben und mit allerMacht die knappen Mittel der Krankenkassen bis auf den letzten Cent vertei- digen . . . aber halt! Bevor ich in meinem therapeutischen Übermut zum Re- zeptblock statt zur Einweisung greife, meldet sich eine andere Literaturstelle:
Cardiovasc 2001; 1 (5): 8–10: Die Studien sind nicht auf die deutsche ambulan- te Versorgung übertragbar, es besteht ein erhebliches Gefahrenpotenzial!
Nun, dies kann ich sicher in einem ausführlichen Gespräch mit der Patientin klären, die Versorgung selbst im kleinsten Detail sicherstellen . . . das Warte- zimmer ist zwar rappelvoll, viel Ärger somit programmiert, aber wenn man Speerspitze sein will . . . und die Verwandten muss ich auch aufklären, der Sohn studiert Jura . . . das wird heute sicher wieder ein langer Abend. Ich greife zum Rezeptblock und will niedermolekulares Heparin aufschrei- ben . . . halt! Tagestherapiekosten über 25 Euro lassen mich frösteln . . . o je, das wird sicher wieder auf einen Regress hinauslaufen . . . und das Labor- budget ist auch schon ausgeschöpft . . . macht nichts, dann zahl ich das Hepa- rin, die Blutbild- und Kreatininkontrollen halt selbst, ein einziger stationärer Tag ist schließlich viel teurer als meine gesamte Behandlung . . . ich bin be- stimmt eine der billigsten Speerspitzen . . ., aber nun blinkt die Dtsch Med Wochenschr 2003; 128: 999–1002: Das behandelnde Zentrum muss 24 Stunden Bereitschaft haben! So ein Ärger aber auch, ich wollte doch am Wochenende auf den Thrombosekongress!
„Frau Müller, ich kann die Verantwortung für eine ambulante Behandlung einfach nicht übernehmen, ich muss Sie stationär einweisen!“ „Wie, Sie können die Behandlung nicht übernehmen? Das sagen Sie nur, weil Sie in den Urlaub wollen!“ Dr. med. Thomas Böhmeke