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Bewertung von Rinderställen bei Bauantrag und Baugebietsausweisung

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LÄNDLICHES BAUEN

76

58 LANDTECHNIK 2/2003

Fred Koch, Hannover

Bewertung von Rinderställen

bei Bauantrag und Baugebietsausweisung

Verfahrensweise in Niedersachsen

I

n einzelnen Bundesländern hatte man be- reits vor der Neufassung des Artikelgeset- zes umfassende Beurteilungsmaßstäbe ein- geführt, die landwirtschaftliche Emissionen und daraus entstehende Immissionen, in An- lehnung an zulässige Belastungshäufigkei- ten aus der Industrie, quantifizierbar mach- ten. In der sogenannten Geruchsimmissi- onsrichtlinie (GIRL), die seit 1996 in Niedersachsen probeweise und ab 2000 ver- bindlich zur verwaltungsrechtlichen Anwen- dung eingeführt ist, wurden bereits Emissi- onsquellen mit einer zeitlichen Beschrän- kung der zulässigen Einwirkungsdauer definiert, die bislang in keiner Richtlinie aufgeführt waren. Dadurch unterlagen obli- gatorisch auch Rindviehhaltungen und die dazu gehörigen baulichen Anlagen den bau- rechtlichen und somit den grundsätzlichen Anforderungen des BImSchG, wonach schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden müssen und auf ein Mindestmaß zu beschränken sind.

Bisherige Verwaltungs- und Genehmigungspraxis

Bauliche Anlagen der Rinderhaltung galten noch bis Anfang der 90er Jahre im Hinblick auf Immissionen bei Baugenehmigungsfra- gen als unproblematisch.

Zwar gab es hin und wieder vereinzelte Beschwerden der benachbarten Wohnbevöl- kerung über

• Fliegen oder

• Geruchsbelästigungen durch Mistlager- stätten, verdorbene Silagen oder Rüben- blatt sowie über

• Lärm von Melkanlagen, dem Klappern von Fangfressgittern oder dem Brüllen von Tie- ren,

doch wurden die Rindviehställe mit den da- von ausgehenden typischen Belästigungen weitestgehend als ortsüblich und tolerierbar akzeptiert. Die Beschwerden basierten also in erster Linie auf Störfällen, veränderter Technik und Betriebweise oder den offen- sichtlich sehr geringen Abständen bei Grenzbebauungen.

In der Bauleitplanung galt bislang der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnah- me stets als erfüllt, wenn

• innerhalb von dörflichen Mischgebieten (MD) gegenüber Rinderställen ein Radial- abstand von 50 m und

• gegenüber allgemeinen Wohngebieten (WA) ein Abstand von 100 m zur Wohnbe- bauung

eingehalten wurde.

In den Baugenehmigungen wurden diese Abstände durch Bauauflagen weitergehend spezifiziert. So konnte der in Norddeutsch- land zahlreich gebaute Boxenlaufstall für 80 Kühe plus Nachzucht auch näher an die Wohnbebauung heranrücken, wenn zumin- dest der Abstand der intensiven Emissions- quellen wie Gülleentnahmeschächte oder Lagerbehälter den vorher genannten Ab- standsregelungen genügte.

Zahlreiche Planungen zur Ortsentwick- lung oder Dorferneuerung gingen, unabhän- gig von der Betriebsgröße, von diesen Orientierungswerten aus, wobei sogar unter- stellt wurde, dass diese großzügige Bemes- sung noch genügend Freiraum für die

„vorrangige Rücksichtnahme auf die Ent- wicklungsfähigkeit landwirtschaftlicher Be- triebe“ nach §5 der Baunutzungsverordnung enthielte.

1994 erschien die Veröffentlichung „Ge- ruchsemissionen aus Rinderställen“ des Bayrischen Staatsministeriums (Gelbes Heft Nr. 52), basierend auf einer Untersuchung der Universität Weihenstephan von Zei- sig/Langenegger. Die aus zahlreichen Bege- hungen unterschiedlichster Rinderställe re- sultierende vereinfachte Kernaussage be- sagt, dass Geruchsfahnen aus Rinderställen nur in seltenen Fällen über einen Abstand von 30 m hinaus wahrnehmbar sind.

Ebenfalls im Jahr 1994 wurde die VDI- Richtlinie 3473 Emissionsminderung – Tier- haltung Rinder als Entwurfsfassung breit ge- streut. Die darin enthaltenen Grundlagen der Emissionsdifferenzierung und -abschätzung waren für viele Genehmigungsbehörden nachvollziehbar und anwendungspraktika- bel. Wenngleich noch im gleichen Jahr die

Mit der Neufassung des Artikelge- setzes vom August 2001 – in dessen Folge das Bundesimmissions- schutzgesetz (BImSchG) und die TA-Luft – wurden erstmalig rechts- verbindlich Immissionen aus Rind- viehställen erfasst und bewertet, die bundesweit auf Bauvorhaben von Landwirten gleichermaßen Einfluss haben wie auf die Wohn- bauplanung ländlicher Gemein- den. Die anstehende Umsetzung dieser neuen Regelungen wirft für Genehmigungs- und Fachbehörden in der täglichen Arbeit weitgefasste Fragen auf, die unter anderem den Geltungsbereich, das reale Gefah- renpotential, die Verhältnismäßig- keit und vieles mehr betreffen.

Dipl. Ing. (arch.) Fred Koch ist Referatsleiter „Bauen und Technik“ der Landwirtschaftskammer Hanno- ver, Johannssenstr. 10, 30159 Hannover; e-mail:

koch.fred@lawikhan.de

Schlüsselwörter

Bauleitplanung, Bauantrag, Umweltschutz

Keywords

Construction development planning, application for building permit, environmental protection

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VDI-Richtlinienkommission diesen Ent- wurf mit dem Hinweis zurückzog, dass das Papier auch nicht probeweise anzuwenden sei, wurde es dennoch in Ermangelung an- derer Beurteilungsgrundlagen von Behör- den und Verwaltungsgerichten herangezo- gen. Nachvollziehbar war die in der Richtli- nie enthaltenen Aussage, dass Betriebe unterhalb der Bagatellgröße von 15 geruchs- äquivalenten GV (Äquivalenz zu Schwei- nehaltungen), also etwa 55 Kühe mit weibli- cher Nachzucht, kaum immittent und ledig- lich durch eine gesonderte Betrachtung für die Genehmigungsfähigkeit zu beurteilen seien.

Annähernde Konformität besteht zwi- schen den Geruchsäquivalenzwerten dieser VDI-Richtlinie und den Untersuchungen der Geruchskonzentrationen unterschiedlicher Stallanlagen von Gutachtern und Universitä- ten, deren Ergebnisse auch in den einschlä- gigen KTBL-Schriften (260, 333) veröffent- licht wurden, wobei sich die Äquivalenz auf die allgemein anerkannte VDI-RL 3471 (Emissionsminderung - Tierhaltung Schwei- ne ) bezieht. Mit diesen Geruchswerten ließ sich bislang eine übereinstimmende glaub- hafte Beurteilungsbasis herleiten, die zu- sammenfassend eine Vorgehensweise auf- zeigt, die sich in Niedersachsen in der Ge- nehmigungspraxis bewährt hat.

Danach wurde bislang sowohl für Rinder- stallbauvorhaben als auch für heranrückende Wohnbebauung in der Regel in den Geneh- migungsbehörden folgende Regelung heran- gezogen:

Mindestabstände zwischen Wohnbebau- ung und Rinderställen

a) bei einem Tierbestand unterhalb der Bagatellgrenze von 15 GVeq

- zu Mischgebieten (MD) 30 m in Anlehnung an die VDI-RL 3471 wird ein 100%-iger Sicherheitszuschlag gefordert also

- zu Wohngebieten (WA): 60 m

b) bei einem Tierbestand oberhalb der Baga- tellgrenze

Stufe 1: hilfsweise Anwendung der VDI- RL 3473 (Rinderrichtlinie) als Beurtei- lung für den schlechtesten Fall, wobei die darin enthaltenen Abstandswerte meist so groß sind, dass sie einerseits nur bei Außenbereichsstandorten realisier- bar sind und andererseits nicht mit der realen Wahrnehmung korrespondieren.

Stufe 2 (Regelfall): Beurteilung nach Ge- ruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) mit Anfertigung einer Ausbreitungsberech- nung und Darstellung der potenziellen Geruchshäufigkeiten im Umfeld des viehhaltenden Betriebes. Hiermit ist es auch möglich, kumulierende oder be- nachbarte Quellen einzubeziehen.

Mit einem Ausbreitungsmodell können Ge- ruchswahrnehmungen im jährlichen Mittel unter Zuhilfenahme der meteorologischen Ausbreitungsklassenstatistik berechnet wer- den. Jede Einzelquelle ist detailliert zu defi- nieren hinsichtlich Lage im Koordinatensys- tem, topographischer Höhe, Tierart, -besatz und -haltungsverfahren, Lüftungstechnik, Abluftführung, Geruchskonzentration und so weiter.

Die im Raster dargestellten prozentualen Mittelwerte dienen als Beurteilungskriteri- um der tolerierbaren Zulässigkeit je nach

Gebietscharakter. Gemäß Einführungserlass sind beispielweise für Wohnbebauungen in landwirtschaftlich geprägten Ortslagen oder im Außenbereich 20 % Geruchshäufigkeiten tolerierbar, während die Belastungshäufig- keiten in WA-Gebieten auf 10 % zu be- schränken sind.

Fortschreitende Probleme sind zu erwarten

Jeder Stall wird zum Hindernis für Wohn- bauentwicklungen und jedes Wohnhaus be- hindert die Veränderung von Stallanlagen.

Die mit dem Beginn der BSE-Krise in Deutschland zeitgleich anstehende Novellie- rung des BImSchG verursachte zusätzlichen politischen Druck und vereinfachte die Ein- führung verschärfter Genehmigungsbedin- gungen und Auflagen.

Zur Anwendung gesetzlicher Vorgaben nach dem Gleichheitsprinzip des Grundge- setzes werden jedoch nunmehr, insbesonde- re in Gebieten mit landwirtschaftlicher Vorprägung und einem hohen Anteil beste- hender Tierhaltungsanlagen, jegliche bau- planerische Entwicklungen unterbunden.

Mit den Abstandsregelungen der TA-Luft werden bei buchstabengetreuer Anwendung der Bestimmungen nur noch Standorte für Ställe weitab von Wohnbebauung und gleichzeitig weitab von schützenswerter Na- tur möglich sein, also im absoluten Außen- bereich. Nach diesen Anforderungen einen Standort zu finden, insbesondere in klein- strukturierten Landschaften, ist bereits heu- te schwierig genug.

In ersten Entwürfen zur Änderung des Bundesbaugesetzes BBauG werden zudem Überlegungen erkennbar, die weitergehende einseitig ausgerichtete Einschränkungen für landwirtschaftliche Bauvorhaben erwarten lassen. Die Aufhebung der Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe beim Bauen im Außenbereich nach §35 BBauG und die Ausweisung von Sondergebieten für die Landwirtschaft würde erhebliche Auswir- kungen nach sich ziehen und den gegebenen Strukturwandel noch stärker forcieren.

Wenn nunmehr ganze Regionen von Be- bauung freigehalten werden sollen, können sich zukünftig nur noch standort- oder flächenunabhängige Großbetriebe weiter- entwickeln. Damit wäre die Polarisation von Kleinstbetrieben in Ortslagen gegenüber Großbetrieben in Sondergebieten vorpro- grammiert. Die Zustimmung der Gemeinden zur Ausweisung von landwirtschaftlichen Sondergebieten in deren Gemarkungen scheint mehr als zweifelhaft. Vielmehr ist bei derartigen Einschränkungen zu erwar- ten, dass sich die Viehhaltung zunehmend in andere Staaten verlagern wird.

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Bild 1: Beispiel der Darstellung einer Ausbrei- tungsberech- nung nach GIRL Fig. 1: Example of presenting a dissemination calculation with GIRL (odour immission guideline)

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