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Stärkung des gesetzlichen Mindestlohnes

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Academic year: 2022

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Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand

Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

Michael Wagner

Referatsleiter Mindestlohn und Tarif- koordination

michael.wagner@dgb.de

Dr. Robby Riedel

Referatsleiter Marktregulierung und Verteilungspolitik

robby.riedel@dgb.de

Telefon: +49 (0) 30 240 60-510 Telefax: +49 (0) 30 240 60-218

Henriette-Herz-Platz 2 D - 10178 Berlin www.dgb.de

Einleitung

Die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes ist ein Erfolg. Mit Einführung des Mindestlohnes zum 1. Januar 2015 profitierten rund vier Millionen Beschäftigte von dieser Regelung. Dreieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) steht nicht nur fest, dass der Mindestlohn bei vielen Niedriglohnbeschäftigten zu einem erheblichen Anstieg ihres Lohnniveaus geführt hat, sondern auch, dass negative Auswir- kungen, vor allem Beschäftigungsverluste, nicht eingetreten sind. Gleichzeitig sank die Zahl der Menschen, die trotz einer Beschäftigung ALG II beziehen, seit Einführung des Mindest- lohnes um rund 138.000. Das belegen nicht zuletzt die aktuellen Beschäftigtenzahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Der Mindestlohn hat den Wettbewerb in Deutschland nicht beeinträchtigt, sondern einen funktionierenden und fairen Wettbewerb gefördert. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sank 2017 auf einen historischen Niedrigstand. Der Einzelhandel verzeichnete im letzten Jahr mit 4,9 Prozent Umsatzplus den höchsten Anstieg seit dem Jahr 1994. Ebenso gut stellt sich die Situation im Gastgewerbe und Tourismus (Umsatz +4 Prozent, +7 Prozent mehr Übernachtungen) dar. Bessere Bezahlung vermindert auch die Fluktuation bei der Beschäftigung. Anlern- und Einarbeitungskosten reduzieren sich für Unternehmen. Lang- fristig gebundenes Personal mit entsprechender Expertise und Know-how fördert einen reibungslosen Ablauf der täglichen Arbeitsprozesse, erhöht folglich die Produktivität und somit die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, was dem Gesetzeszweck entspricht.

stellungnahme

Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes

zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages zu den Drucksachen 19/96, 19/1828, 19/1829 und 19/975

Stärkung des gesetzlichen Mindestlohnes

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Mitgliedsgewerkschaften begrüßen die Debatte um die Stärkung des gesetzlichen Mindestlohnes, welche durch die Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die drei Anträge der Fraktion DIE LINKE zum Ausdruck gebracht wird. In den Anträgen werden z. T. bestehende, mitunter langjährige Forderungen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften aufgegriffen. Vor diesem Hinter- grund wird wie folgt Stellung genommen:

13.09.2018

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Seite 2 von 8 der Stellungnahme vom 13.09.2018

Der Mindestlohn führte zu steigenden Einkommen im Niedriglohnbereich und damit vermit- telt durch Erhöhung der Kaufkraft zu steigender Nachfrage. Im Zuge der Einkommenseffek- te erwies sich der Mindestlohn damit als Konjunkturstütze. Die deutsche Wirtschaft wächst seit acht Jahren infolge und aktuell so kräftig wie seit 2011 nicht mehr. 2017 legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,2 Prozent zu, nach 1,9 Prozent in 2016. Dabei trugen insbesondere die mindestlohnrelevanten Bereiche wie Handel, Verkehr und Gastgewerbe sowie Information und Kommunikation besonders zu der guten wirtschaftlichen Entwick- lung bei.

Die preisbereinigte Bruttowertschöpfung in jenen Wirtschaftsbereichen lag in den vergan- genen beiden Jahren sogar über der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung (Handel, Verkehr, Gastgewerbe: 2,4 Prozent (2016), 2,9 Prozent (2017); Information und Kommuni- kation: 2,7 Prozent (2016); 3,9 Prozent (2017).

Das Wachstum der vergangenen zwei Jahre wurde in erster Linie (zu mehr als 50 Prozent) von den Konsumausgaben der privaten Haushalte getragen (der Wachstumsbeitrag der privaten Konsumausgaben zum BIP betrug 2016 und 2017 jeweils 1,1 Prozent-Punkte).

Dadurch zeigt sich, dass die gute Entwicklung der Einkommen, zu der der gesetzliche Mindestlohn beiträgt, zu einem Anstieg der gesamten Kaufkraft führt und letztendlich der gesamtökonomischen Lage zugutekommt. Dabei bedeutet eine Erhöhung des Mindestloh- nes um 1 Cent eine jährliche Kaufkraftsteigerung von etwa 50 Millionen Euro. Auch der Staatshaushalt profitierte von dieser Entwicklung. Die starke Konjunktur begünstigt die Steuereinnahmen. Für die kommenden Jahre prognostiziert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung ein BIP-Wachstum von

2,1 Prozent (2018) und 2,1 Prozent (2019).

Die Entscheidung der Mindestlohnkommission, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ab 2019 auf 9,19 Euro zu erhöhen und ihn bereits im folgenden Jahr 2020 auf 9,35 Euro anzuheben, ist vor allem Verdienst des Engagements des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Mitgliedsgewerkschaften. Damit steigt der Mindestlohn 5 Jahre nach seiner Einführung um insgesamt 10 Prozent und sorgt damit für spürbare Reallohnerhöhungen im Niedriglohnbereich. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich darüber hin- aus für eine Debatte über die Frage einer existenzsichernden Ausgestaltung und damit für eine Weiterentwicklung des gesetzlichen Mindestlohnes ein. In diesem Zusammenhang begrüßen wir grundsätzlich das Anliegen des Antrages 19/96 nach einer Erhöhung des Mindestlohnes auf ein existenzsicherndes Niveau.

Die Entscheidungsfindung über die konkrete Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes obliegt laut Gesetzgeber der Mindestlohnkommission. Die Zusammensetzung der Mindestlohn- kommission folgt dem Grundsatz der Tarifautonomie und stärkt diese dadurch gerade im Niedriglohnsegment. Die von den Sozialpartnern bestimmten wissenschaftlichen Berater der Mindestlohnkommission, bilden einen wichtigen Bestandteil bei der Analyse der Aus- wirkungen des Mindestlohnes auf:

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Seite 3 von 8 der Stellungnahme vom 13.09.2018

a) den angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, b) faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen,

c) die Beschäftigung insgesamt und entsprechen damit dem Gesetzeszweck.

Änderungen in der Zusammensetzung oder im Stimmrecht der Mindestlohnkommission (Erweiterung der Kommission um „drei unabhängige und stimmberechtigte Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft“), wie im Antrag 19/975 gefordert, sind aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften nicht zielführend, um eine schnellere Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes zu erreichen.

Trotz der guten wirtschaftlichen Daten sehen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften nach wie vor große Herausforderungen, vor allem bei der Durchsetzung der Mindestlohn- ansprüche. Untersuchungen zeigen, dass 1,8 Millionen Beschäftigte, die 2016 anspruchs- berechtigt waren, weniger als 8,50 Euro und damit weniger als den damals geltenden Mindestlohn verdienten. Gleichzeitig haben die Gewerkschaften immer wieder auf die mangelnden Dokumentationen der Arbeitgeber etwa bei Stundenlöhnen oder Arbeitszeiten hingewiesen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FSK) als zuständige Kontrollinstanz, ver- fügt nach wie vor nicht über ausreichend Personal, um die Einhaltung des Mindestlohnes effektiv kontrollieren zu können. Von den bei Mindestlohneinführung zugesagten

1.600 Stellen, sind bis Anfang 2018 lediglich gut 500 Stellen besetzt. Auf diesen Umstand hat auch die Mindestlohnkommission im zweiten Bericht zu den Auswirkungen des gesetz- lichen Mindestlohnes im Juni dieses Jahres hingewiesen.

Zusammengefasst fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften, nicht zuletzt als Reaktion auf die bisherigen Erfahrungen mit Umgehungstatbeständen:

• Beweislastumkehr bei Mindestlohnansprüchen – nicht die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber soll künftig nachweisen müssen, wie lange ein Beschäftigter tatsächlich gearbeitet hat.

• Einführung eines Gesetzes zum Schutz von Whistleblowern, also Schutz für Be- schäftigte, die Mindestlohnverstöße anzeigen.

• Ausweitung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften und Einrichten von Gerichten mit besonderer Zuständigkeit zur Verfolgung von Verstößen gegen tarifliche Bran- chenmindestlöhne und den gesetzlichen Mindestlohn.

• Aufstockung des Prüfdienstes der Deutschen Rentenversicherung.

• Einführung eines Verbandsklagerechts; dann hätten die Gewerkschaften die Be- fugnis, die – auch im öffentlichen Interesse liegenden - Rechte von um ihre An- sprüche geprellten Beschäftigten kollektiv gerichtlich durchzusetzen – z. B. bei systematischen Mindestlohnverstößen. Damit könnte die abschreckende Wirkung des straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionsinstrumentariums wir- kungsvoll und zum unmittelbaren Vorteil der Geschädigten von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bei Mindestlohnverstößen, ergänzt werden.

• Personelle Aufstockung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf mindestens 10.000 Stellen.

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Seite 4 von 8 der Stellungnahme vom 13.09.2018

• Zusammenführung zergliederter Kompetenzen bei der Kontrolle und Sanktionie- rung von Mindestarbeitsbedingungen.

• Einführung von geeigneten Regelungen für eine tagesaktuelle Erfassung der Arbeitszeit sowie einer Aufbewahrungspflicht der Unterlagen am Tätigkeitsort.

• Aufnahme weiterer Branchen in das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz wie z. B.

das Bäckerhandwerk und den Einzelhandel.

Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Obwohl der Mindestlohn bereits bei vielen Niedriglohnbeschäftigten zu einem deutlichen Anstieg des Lohnniveaus geführt hat, muss der Mindestlohn trotz der nächsten Erhöhungen (9,19 Euro ab dem 1. Januar 2019, bzw. 9,35 Euro ab dem 1. Januar 2020) auch in Zu- kunft spürbar steigen. Das Ziel des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften ist es, den Mindestlohn so weiterzuentwickeln, dass er existenzsichernd ist (vergl. dazu Beschluss des DGB Bundeskongress Mai 2018).

Allerdings ist der gesetzliche Mindestlohn lediglich ein Bestandteil guter Politik für Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer. Gute Arbeit und ein gutes Leben garantieren für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften auch weiterhin nur Tarifverträge und eine im Sinne der Beschäftigten organisierte Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die Höhe des gesetzlichen Min- destlohnes, auf die im Antrag 19/96 Bezug genommen wird, beschreibt in diesem Zusam- menhang eine mögliche wichtige Stellschraube. Gleichzeitig bleiben, dementsprechend die gleichzeitige Gestaltung weiterer Rahmenbedingungen notwendig:

Tarifbindung stärken

Bei der vom Gesetzgeber mit dem MiLoG bezweckten Stärkung der Tarifautonomie stehen die Sozialpartner vor großen Herausforderungen. Sicherlich stützt das MiLoG das Tarifsys- tem als unterste Haltelinie gegen die schlimmsten Auswüchse von Lohndumping und unfai- rem Wettbewerb. Damit bildet der gesetzliche Mindestlohn – flankierend zu den tariflichen Branchenmindestlöhnen - einen wichtigen Baustein, um das deutsche sozialpartnerschaftli- che System zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu unterstützen. Weite- re Bausteine sind allerdings dringend nötig:

Dies betrifft Maßnahmen, die den Grad der Tarifbindung erhöhen, die Verbandsmitglied- schaft auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite stärken und die Tarifflucht erschweren.

Zudem sollte die Attraktivität einer Mitgliedschaft sowohl in den Gewerkschaften wie in den Arbeitgeberverbänden durch geeignete Regelungen gesteigert werden. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften schlagen dazu 14 konkrete Punkte vor (Position zur Stär- kung der Tarifbindung vom 28.02.2017), um die Stärkung der Tarifbindung deutlich zu verbessern. Denn gute und möglichst umfassend geltende Tarifverträge sind für Beschäftig- te das wichtigste Instrument zur Regelung der Entgelt- und Arbeitsbedingungen. Sie stehen für eine gerechtere Verteilung und Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung und tragen

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so entscheidend zu einer sozialen und fortschrittlichen Gestaltung der Arbeits- und Wett- bewerbsbedingungen bei.

Altersarmut verringern

Der aktuelle Alterssicherungsbericht der Bundesregierung bestätigt, dass fast die Hälfte der Beschäftigten mit einem Einkommen bis zu 1.500 Euro über keinerlei zusätzliche Altersvor- sorge verfügt. Ebenso haben Beschäftigte im Niedriglohnbereich oft nicht die finanziellen Mittel, um in ausreichendem Maße eine zusätzliche Alterssicherung sicherstellen zu kön- nen. Der gesetzliche Mindestlohn von aktuell 8,84 Euro reicht nicht aus, um selbst nach 45 Beitragsjahren Rentenansprüche oberhalb der Grundsicherungsschwelle zu erreichen.

Weil das Rentenniveau in den vergangenen Jahren abgesunken ist – von 52,6 Prozent im Jahr 2005 bis auf aktuell 48,2 Prozent – sind immer höhere Einkommen notwendig, um Renten jenseits der Grundsicherung zu erreichen. Deshalb braucht es aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften (vergl. DGB Konzept zur zukunftsgerichteten Renten- politik 2017) eine Stabilisierung des Rentenniveaus über das im Koalitionsvertrag genannte Jahr 2025 hinaus. Dazu sollte mit Hilfe von Bundesmitteln das gesetzliche Rentenniveau auf mindestens 48 Prozent stabilisiert und im weiteren Schritt dauerhaft etwa auf 50 Prozent angehoben werden. Zudem braucht es zur effektiven Vermeidung von Alters- armut die Aufwertung der Rentenansprüche bei geringen Löhnen und die passgenaue, an der Arbeits- und Lebenswirklichkeit orientierte Gestaltung von Altersübergängen.

Minijobs regulieren

Die statistisch gesehen positive Arbeitsmarktentwicklung darf nicht darüber hinweg täu- schen, dass immer noch viel zu viele Menschen prekär beschäftigt sind.

Ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung macht nach wie vor, mit knapp zwei Drittel, den weit überwiegenden Teil der gesamten geringfügig entlohnten Beschäftigung aus. Darunter sind rund 2,8 Millionen im klassischen Erwerbsalter von 25 bis 64 Jahren.

Oftmals haben sie nur den Minijob als Einkommen. Gerade bei dieser Gruppe gehen Minijobs zum Teil mit erheblichen negativen Folgen z. B. bei der Rente einher. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzten sich deshalb für eine Umwandlung von Minijob in Teilzeit- oder Vollzeit- und damit sozialversicherungspflichte Beschäftigung ein.

Bezahlbaren Wohnraum schaffen

In deutschen Städten und Ballungszentren haben Einwohnerinnen und Einwohner zuneh- mend mit stark ansteigenden Mieten zu kämpfen. Von 2012 bis 2016 sind die Mieten in Deutschland um durchschnittlich 15 Prozent gestiegen. In Ballungszentren sogar noch mehr. In Berlin legten die Preise um 28 Prozent zu. Die höchste Mietbelastungsquote ha- ben dabei Haushalte mit niedrigem Einkommen. Vier von zehn Haushalten in 77 deutschen Großstädten haben eine hohe Wohnkostenbelastung. Das zeigt eine aktuelle Studie. In den

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untersuchten Städten müssen 40 Prozent der Haushalte mehr als 30 Prozent ihres Ein- kommens für die Bruttokaltmiete ausgeben. 18,7 Prozent der Haushalte müssen sogar mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben. Und hier sind die Nebenkosten für Heizung etc. noch nicht einmal inbegriffen. Deshalb fordert der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften (vergl. Beschluss DGB Bundeskongress Mai 2018) u. a. eine Verschärfung und bessere Durchsetzung der Mietpreisbremse, erheblich mehr öffentliche Mittel für den Wohnungsbau, die Einführung von dauerhaften Sozialbindungen bei staat- lich geförderten Wohnräumen sowie den Bau von 100.000 belegungs- und preisgebunde- nen Wohnungen im Jahr.

Mindestlohn Ausnahmen abschaffen

Die Zahlung des Mindestlohnes ist Ausdruck des Rechts auf Menschenwürde und der Anspruch darauf muss deshalb für jede und jeden gelten. Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn sind nicht nur ungerechtfertigt, sie öffnen kreativen Arbeitgebern Tür und Tor, um den Mindestlohn zu umgehen. Deshalb setzen sich der DGB und seine Mitgliedsge- werkschaften auch weiterhin für einen gesetzlichen Mindestlohn für alle Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer ein und fordern die Abschaffung der Ausnahmen, wie etwa bei Langzeitarbeitslosen, Jugendlichen unter 18 Jahren oder Praktika. Diese Ausnahmen sind nicht nur gesellschaftspolitisch der falsche Weg, sondern laut einer Studie des IAB auch arbeitsmarktpolitisch wirkungslos.

Durchsetzung des Mindestlohnes

Verstöße sind an der Tagesordnung

Nach wie vor werden Beschäftigte um den gesetzlichen Mindestlohn gebracht. Die Tricks der Arbeitgeber, den Mindestlohn zu umgehen, sind vielfältig. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass längst nicht alle, die einen Anspruch nach dem MiLoG haben, den Min- destlohn auch erhalten. Wenn der Stundenlohn der Beschäftigten, der sich auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit ergibt, als Grundlage genommen wird, ist die Zahl derje- nigen, die im Jahr 2016 weniger als den gesetzlichen Mindestlohn erhielten, sogar noch deutlich höher als 1,8 Millionen Personen.

Deutlich wird, dass es in Deutschland eine erschreckend hohe Anzahl an Arbeitgebern gibt, die den gesetzlichen Mindestlohn umgehen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben von Anfang an vor Umgehungen des MiLoG gewarnt und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kontrollen, eine effektive Durchsetzung der Ansprüche und ab- schreckende Sanktionen gefordert.

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Dokumentationspflichten werden nicht eingehalten

Im Busverkehr, besonders im Fernbusverkehr, ist festzustellen, dass Arbeitszeiten teilweise nicht bezahlt werden. Dazu gehören im Bus- und Taxenverkehr Wartezeiten, Wegezeiten und Wendezeiten. Im Bereich Taxiverkehr wird eine andere Praxis zur Umgehung des Min- destlohnes angewandt: Die Beschäftigten bekommen neue Arbeitsverträge mit kürzeren Arbeitszeiten. Ihnen wird dann aber eröffnet, dass sie jederzeit aus ihrer Freizeit heraus Aufträge annehmen können, wenn sie es wollen. So erhält man Beschäftigte auf Abruf, muss jedoch die obligatorischen Wartezeiten im Taxengewerbe nicht bezahlen.

Dreh- und Angelpunkt sind aber auch Dokumentationspflichten, die die Prüfgrundlage für die FKS bilden. Die Dokumentationspflichten lassen zu viel Spielraum für Manipulation, so dass die Regelungen ausgebaut werden müssen. Die Mindestlohnkommission weist in diesem Zusammenhang im zweiten Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Min- destlohnes auf die Notwendigkeit der konkreten Erfassung der Arbeitszeit hin (Randnum- mer 106). Das MiLoG (§ 17) verweist auf die Pflicht der Arbeitgeber Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Beschäftigten spätestens bis zum Ablauf des siebten, auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden, Kalendertags aufzuzeichnen und diese Auf- zeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Solange keine effektive Kontrolle erfolgt, ist diese gesetzliche Vorgabe jedoch folgenlos.

Erfreulicherweise sind erste Maßnahmen erkennbar, dass der Gesetzgeber hier Abhilfe schaffen will. Im § 6 Abs. 1 GSA Fleisch (Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft) hat er eine striktere gesetzliche Regelung vorgenommen. So wurden die Pflichten zum Erstellen von Dokumenten nach § 17 Abs. 1 MiLoG, § 19 Abs. 1 AEntG und § 17c Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) dahingehend abgewandelt, dass Arbeitgeber und Verleiher in der Fleischwirtschaft verpflichtet sind, den Beginn der tägli- chen Arbeitszeit der Beschäftigten sowie der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer jeweils unmittelbar bei Arbeitsaufnahme sowie Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jeweils am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen.

Diese notwendigen Regelungen müssen auf andere Branchen ausgeweitet werden. Zudem ist zu regeln, dass die Unterlagen der Arbeitszeitdokumentation am Ort der Tätigkeit auf- bewahrt werden müssen, damit sie bei einer Kontrolle auch umgehend eingesehen werden können. Schließlich sollten die Arbeitszeitnachweise den Beschäftigten auch ausgehändigt werden, damit diese die Chance bekommen, bei Mindestlohnverstößen ihren Lohn auch tatsächlich gerichtlich durchzusetzen.

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Seite 8 von 8 der Stellungnahme vom 13.09.2018

Finanzkontrolle Schwarzarbeit stärken

Zum Stichtag 1. Januar 2018 verfügt die FKS lediglich über 7.211 Planstellen, von denen jedoch nur 6.453 besetzt sind. Die FKS hat nach wie vor viel zu wenig Personal, um eine angemessene bundesweite Abdeckung und eine kontinuierlich hohe Prüfdichte zu gewähr- leisten. Dabei zeigen die millionenfach festgestellten Mindestlohnverstöße wie wichtig eine intensive Prüfung und wie dringlich eine Aufstockung des Personals ist.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften unterstützen in diesem Zusammenhang die Forderungen in den Drucksachen 19/975 sowie 19/1828 nach einer deutlichen personellen Stärkung der FSK. Das Personal bei der FKS muss dringend auf mindestens 10.000 Stellen aufgestockt werden, um auch im Bereich der kleineren Betriebe, wie etwa Gaststätten und Handel, Kontrollen zu intensivieren und gleichzeitig eine hohe Kontrolldichte in den Bran- chen mit tariflichen Mindestlöhnen sicherzustellen.

Der festgestellte Rückgang der Kontrolldichte bei der FKS in 2015 und 2016 im Vergleich zu den Vorjahren ist nicht hinnehmbar. Im ersten halben Jahr nach Einführung des Min- destlohnes lautete die Weisung aus dem Bundesfinanzministerium „Aufklärung statt Ahn- dung“. Tatsächlich ist die Zahl der Kontrollen in 2016 nach einem schon schwachen Jahr 2015 jedoch noch weiter zurückgegangen. Im 13. Bericht zur Bekämpfung der sogenann- ten Schwarzarbeit heißt es, dass dem Grundsatz „Qualität vor Quantität“ folgend vor allem risikoorientiert geprüft werde, um die großen Betrugsfälle aufzudecken. Natürlich ist es zu begrüßen, wenn organisierte Arbeitsmarktkriminalität aufgedeckt wird. Das darf jedoch nicht zu Lasten der Prüfungen in kleineren Unternehmen wie in der Gastronomie oder dem Einzelhandel gehen. Nachlassender, ohnehin schon niedriger Kontrolldruck frustriert rechts- treue Arbeitgeber und lässt die Opfer von Mindestlohnverstößen im Stich. Auch die Prüfun- gen der Branchenmindestlöhne wie etwa auf Baustellen müssen dabei einen hohen Stel- lenwert haben.

Der Staat muss hier seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und seine Bemühungen um eine effektive Kontrolle erkennbar verstärken, vor allem durch einen deutlichen und zügigen Aufbau von personellen Ressourcen und eine Zusammenführung der zergliederten Kompetenzen bei der Kontrolle der wesentlichen Mindestarbeitsbedingungen wie Arbeits- zeit und Arbeitsschutz. Der Bund hat darauf hinzuwirken, dass die Länder durch Einrich- tung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften und besonderer Zuständigkeiten von Gerichten bei Verstößen gegen Mindestarbeitsbedingungen und Schwarzarbeit auch dafür sorgen, dass die Ermittlungen der FSK nicht ins Leere laufen und eine abschreckende Sanktionie- rung bundesweit sichergestellt wird. Darüber hinaus sind den Gewerkschaften effektive und kollektive Mechanismen zur Durchsetzung der tariflichen und gesetzlichen Mindestlöh- ne wie etwa das schon erwähnte Verbandsklagerecht einzuräumen, um diese gravierenden Missstände einzudämmen. Bei öffentlicher Auftragsvergabe muss der Staat seine Vorbild- und gesellschaftliche Ordnungsfunktion zu Gunsten tariftreuer Arbeitgeber einsetzen und mit genug qualifiziertem Personal die Kontrollen der FKS flankieren.

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