BIFIE-Journal https://www.bifie.at/bildungsforschung/bifie-journal Ausgabe 1/2017, DOI: 10.7888/bifiejournal-1.2017-1-4 Bundesinstitut BIFIE, Alpenstraße 121, 5020 Salzburg, www.bifie.at
14 Christian Wiesner, Claudia Schreiner, Simone Breit & Michael Bruneforth
Komplementäres Zusammen wirken von Standard
überprüfung und Informeller Kompetenz messung
In Österreich wurden durch das BIFIE und das zuständige Ministerium unter der Annahme einer selbstregulierten, datenorientierten Steuerung der Schul- und Unterrichtsentwicklung seit 2008 unterschiedliche Instrumente im Zusammenhang mit den Bildungsstandards und den Prinzipien der Kompetenzorientierung etabliert.
Bereits im Schuljahr 2011/12 wurde als „umfassende Begleitmaßnahme“ und Unterstützungsstruktur die Initiative Schulqualität Allgemeinbildung (SQA) eingeführt, um evidenzorientierte Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Lernerfahrung (Kompetenzorientierung), Lernergebnisse (Bildungsstandardüberprüfung) und eine gelingende Nutzung datenbasierter Rückmeldungen als Qualitätsfeedback zu unterstützen.
Durch SQA sollen insbesondere Entwicklungsvorhaben (wie Kompetenzorientierung oder Bildungs- standards) und neue Qualitätsmanagementprozesse in einem koordinierten Zusammenspiel aller Ebenen des österreichischen Schulsystems gefördert werden. SQA unterstreicht die Perspektive der Kompetenzorientierung und der Bildungsstandards in besonderem Maße.
Das Rahmenmodell (Landkarte „Unterrichts- und Schulqualität“ von SQA) setzt im Qualitätsbereich Lern- erfahrungen und Lernergebnisse zentral auf die tatsächlich erworbenen Kompetenzen der Schüler/innen, die gegenseitige Wertschätzung, das soziale Klima (Lebensraum Klasse und Schule) und die physische und psychische Gesundheit von Lehrenden, Lernenden und anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Grundstein der Unterrichts- und Arbeitsgestaltung.
Das BIFIE verbindet mit der Bildungsstandardüberprüfung und der Informellen Kompetenzmessung sechs ana- lytisch trennbare Ansätze von Monitoringmaßnahmen und Konzepten der Qualitätsentwicklung und -sicherung in Bezug auf die SQA-Landkarte „Unterrichts- und Schulqualität“, wobei operativ und funktional ein besonderer Fokus auf „Lernerfahrungen“ und „Lernergebnisse“ gelegt werden soll (vgl. Abbildung auf S. 3).
Es können demzufolge in drei Hauptbereichen (Systembeobachtung, Schulentwicklung, Unterrichtsentwicklung) sechs analytisch trennbare Teilbereiche (System-Monitoring, Schulentwicklung, Kooperative Unterrichtsentwick- lung, Eigene Unterrichtsentwicklung, Klassenbezogene Unterrichtsentwicklung, Pädagogische Diagnostik) festge- halten werden.
Systembeobachtung
System-Monitoring: Die Standardüberprüfung dient der Erhebung von Informationen darüber, inwieweit Schüler/
innen im österreichischen Schulwesen die nationalen Bildungsstandards erreichen. Diese in der Verordnung BGBl.
II 1/2009 formulierten Standards werden auf Basis des Schulunterrichtsgesetzes auf der 4. und 8. Schulstufe er- hoben und auf Landes- und Bundesebene im Querschnitt und im Trend berichtet. Im Mittelpunkt stehen der Grad der Zielerreichung in Bezug auf die Kompetenzen und verschiedene Aspekte von Chancengerechtigkeit. Ab dem zweiten Zyklus stehen Trendinformationen auf Schulebene sowie auf Bundes- und Landesebene zur Verfügung (Berichte: Bundesergebnisbericht und Landesergebnisberichte zu den Bundesländern).
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Schulentwicklung
Schulentwicklung: Die Standardüberprüfung dient der strategischen und konzeptionellen Schulentwicklung mit Blick auf die nationalen Bildungsstandards und die erhobenen Kontextdaten in Verbindung mit Selbstevaluationen der Schule und weiteren Evidenzen. Die Qualitätsinitiative SQA bietet dazu einen verbindlichen Rahmen. Ab dem zweiten Zyklus können Schulen standortbezogene Entwicklungen von Kompetenzen und Kontextmerkmalen be- obachten (Berichte: Schulbericht für alle Schulen auf der 4. und 8. Schulstufe und in identer Form für die jeweils zuständige Schulaufsicht).
Kooperative Unterrichtsentwicklung: Die Standardüberprüfung dient – initiiert und begleitet durch die Schul- leitung – der kooperativen Unterrichtsentwicklung an einem Standort in Form von professionellen Lerngemein- schaften in einem Fach bzw. im Bereich von jahrgangs- bzw. fachübergreifenden Kontextdaten. Der Fokus liegt dabei auf einer übergreifenden Unterrichtsentwicklung und auf Aspekten der Unterrichtsqualität an einem Stand- ort (Berichte: Schulbericht – insbesondere Teil 2 – und Lehrerrückmeldungen/Klassenberichte an einer Schule auf der 4. und 8. Schulstufe).
Unterrichtsentwicklung
Eigene Unterrichtsentwicklung: Lehrende setzen die Ergebnisse aus der Standardüberprüfung oder der Informellen Kompetenzmessung eigenverantwortlich und freiwillig ein – mit dem Ziel der persönlichen Weiterentwicklung des eigenen Unterrichtens (z. B. Entwicklung der Unterrichtsgestaltung und -struktur) und der Professionalisierung der eigenen pädagogischen Diagnostik. Durch die Informelle Kompetenzmessung wird die Weiterentwicklung des eigenen Unterrichtens insbesondere auf die nationalen Bildungsstandards und die Kompetenzorientierung gerichtet (Feedback für die Lehrperson: Ergebnisse der Klasse, Lösungshäufigkeiten zu den Aufgaben zur Weiter- entwicklung des eigenen Unterrichts).
Klassenbezogene Unterrichtsentwicklung: Lehrende setzen die Informelle Kompetenzmessung eigenverantwortlich und freiwillig ein – mit dem Ziel der Unterrichtsentwicklung in einer Klasse (Justierung des Unterrichts und der Unterrichtsqualität auf eine bestimmte Klasse, z. B. die 5B mit 19 Schülerinnen und Schülern). Durch die Informelle Kompetenzmessung wird der Blick des klassenbezogenen Unterrichts verstärkt auf die nationalen Bil- dungsstandards und die Kompetenzorientierung gerichtet (Feedback für die Lehrperson: Ergebnisse der Klasse, Lösungshäufigkeiten zu den Aufgaben zur klassenbezogenen Unterrichtsentwicklung).
Pädagogische Diagnostik: Die Informelle Kompetenzmessung als eigenverantwortlich einsetzbares und frei williges Messinstrument dient der pädagogischen Diagnostik. Es können Kompetenzstände analysiert werden, um indivi- duelles Lernen zu optimieren und die Bildung temporärer Lerngruppen zu unterstützen (Förderorientierung auf bestimmte Schüler/innen; Feedback für die Lehrperson: Ergebnisse der einzelnen Schüler/innen).
Den drei Aspekten und sechs Ansätzen von Monitoringmaßnahmen und Konzepten der Qualitätsentwicklung und -sicherung vorgelagert sind Bildungsstandards und Kompetenzorientierung.
BIFIE-Journal, Ausgabe 1/2017
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16 IKM
Bildungsstandards
Kompetenzorientierung
BIST-Ü
SQA
Lernerfahrungen und -ergebnisse Lernen
und Lehren
Lebens- raum Klasse Schuleund Führung und Schulmanagement
Professio- nalität und Personal- entwicklung
Schul- partner- schaft und Außen- beziehungen Externe
Unterstützung (Fortbildung, Materialien)
Personelle Ressourcen
Lehrer/innen- ausbildung
Kompetenzen der Lehrpersonen
Schüler/innen und familiäres Umfeld
Schulumfeld (Gemeinde, Interessensgruppen)
Rechtliche und organisatorische Vorgaben
Sach- ressourcen
Bildungs- politik
Gesellschaftliche und wirtschaftliche
Entwicklung
Schule
Förderung
Professionalisierung Unterricht
Kompetenzstruktur Kompetenzmessung Entwicklungsaspekte
System-Monitoring
Schulentwicklung
Kooperative Unterrichtsentwicklung
Eigene Unterrichtsentwicklung
Klassenbezogene Unterrichtsentwicklung
Pädagogische Diagnostik
Orientierung Funktion
BGBl. II 1/2009
Inwieweit erreichen Schüler/
innen im österreichischen Schulwesen die nationalen Bildungsstandards?
Evaluationsfunktion: Kompetenzen objektiv feststellen und mit den angestrebten Lern- ergebnissen für Zwecke der Qualitätsentwicklung an den Schulen vergleichen Inwieweit erreichen Schüler/
innen an einem Schulstandort Kompetenzbereiche und einzelne Kompetenfelder?
Was kann wie durch Kontextdaten (Lebensraum, Schulklima, Klassenklima, Selbstkonzept, Freude am Fach usw.) erklärt werden?
Was kann wie fachdidaktisch durch die Struktur und Gestaltung von Unterricht wie auch durch eine Aufgaben- analyse erklärt werden?
Inwieweit erreichen Schüler/
innen einer Klasse einzelne ausgewählte Kompetenz- bereiche (Teilkompetenzen)?
Inwieweit müssen Schüler/
innen gefördert bzw.
Lerngruppen gebildet werden?
Orientierungsfunktion: eine nachhaltige Ziel- und Ergebnisorientierung in der Planung und Durchführung von Unterricht bewirken
Förderfunktion: durch konkrete Vergleichsmaßstäbe die bestmögliche Diagnostik als Grundlage für individuelle Förderung sicherstellen
Verortung der Zielsetzungen: Komplementäre Aspekte der Standardüberprüfung und der Informellen Kompetenzmessung