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Bengtsson : Two Arabic Versions of the Book of Ruth Text Edition and Language Studies

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Per Ä. Bengtsson : Two Arabic Versions of the Book of Ruth Text Edition and Language Studies. Lund: University Press 1995 (Studia Orientalia Lundensia 6), XXXIII, 214 Seiten, 11 Tafeln. ISBN 91-7966-339-7 Lund University Press, ISBN 0-86238-409-5 Chartwell-Bratt Ltd.

Die vorliegende ArbeiL eine Dissertation der Universität Lund, gründet sich in mancher Hinsicht auf die 1974 in Leiden erschienene Doktorarbeit von B. Knuts- son'. Nach der Einleitung (Kapitel 1) stellt Bengtsson die Manuskripte vor, die seinem Werk zugrunde lagen (Kapitel 2) und verbindet die Edition der beiden von ihm erschlossenen syrisch-arabischen Fassungen des Buches Ruth (Kapitel 4) mit einer Untersuchung der Sprache der Texte (Kapitel 3).

Unter den Texten, die der Verfasser gesichtet haL entsprachen sieben - dem

13.-17. Jh. entstammend - den Voraussetzungen der Arbeit. Fünf der Manu¬

skripte (A, B, E, L, 449) in zwei Untergruppen (A, B, E und L, 449) ließen sich zu der Ar. I genannten Fassung vereinigen und zwei (Len, 0) zu der Fassung Ar III. Beide Fassungen gehen in ihren ursprünglichen Redaktionen auf die sy¬

risch-aramäische Bibel-Übersetzung, die Peschitta, zurück, wobei Ar I in freierer Übersetzung ein elegantes idiomatisches Arabisch bietet, während Ar. III eine ge¬

naue Übersetzung der syrischen Vorlage anstrebte. Zur Verdeutlichung des eben Gesagten dient eine Übersicht (S. 19-31), worin Textstellen von Ar. I und Ar. III nebeneinander gestellt und zum Vergleich die Peschitta und die Septuaginta her¬

angezogen werden.

Eine besondere Untersuchung hat der Verfasser den Manuskripten 0, 449 und L gewidmet. So ist Text 0 (1690, Ar. III) von der 1671 in Rom gedruckten latei¬

nisch/arabischen sog. Propaganda-Edition beeinflußt. Bemerkenswert ist die Ten¬

denz des Redaktors zur Straffung des Textes. Erwähnt sei noch der Umstand, daß MS 449 (1335, Ar I) hingegen eine der Quellen der Propaganda-Edition war.

Im 3. Kapitel (S. 85-166) legt Bengtsson im Rahmen einer umfangreichen Be¬

arbeitung der Sprache der Texte dar, daß sich die Schreiber zwar um ein klassi¬

sches Arabisch bemühten, doch durch das Eindringen mundartlicher Formen und durch Vereinfachungen wie z. B. die Verdrängung des Duals durch den Plural, des femininen Plurals durch den maskulinen oder die Einheitsform des Relativ¬

pronomens letztlich eine Sprachform entstand, die man „mittelarabisch" zu nen¬

nen gewohnt ist.

Das letzte Kapitel enthält die Edition der Fassungen Ar. I und Ar. III mit dem

' Studies in the Text and Language of Three Syriac-Arabic Versions of the Book of Judicum with Special Referenee to the Middle Arabic Elements.

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MS A als Haupttext fur die erstere, dem MS Len für die letztere Fassung. Den Abschluß bildet die wissenschaftliche Herausgabe der Propaganda-Edition - Die Arbeit besticht durch Präzision und die Fülle des herangezogenen Materials. Man kann sich nur wünschen, daß weitere Bücher der christlich-arabischen Bibelüber¬

setzungen in vergleichbar kompetenter Weise untersucht und ediert werden.

Heinrich Schützinger, Bonn

Ariel Bloch and Ghana Bloch : The Song of Songs. A new transladon with an in¬

troduction and commentary. Afterword by Robert Alter. New York; Random

House 1995. XI, 253 S., ISBN 0-679-40962-9.

Der bekannte und geschätzte Semitist Ariel Bloch und Ghana Bloch - Poetin, Übersetzerin, Literaturwissenschaftlerin - haben sich zu einer dichterischen Über¬

setzung eines der „most enigmatie books in the Bible" (S.37), des „Hohenliedes Salomos", zusammengetan. Beigegeben werden der hebr. Text (nach dem Kodex

Leningradensis entsprechend den heutigen Ausgaben der Biblia Hebraica, der

Übersetzung gegenübergestellt) sowie ein ausführlicher Kommentar In Kap.6

V. 12 sehen sich die VerL genötigL den Text durch Umstellung von zwei Wörtern

zu emendieren (für ammi nadib wird S. 194L nedib ammi vorgeschlagen, vgl.

S.36). Durch vier unterschiedliche Drucktypen werden die verschiedenen Spre¬

cher kenndich gemacht: der junge Mann, die junge Frau Sulamit (nach S.8 viel¬

leicht als „die Frau aus Jerusalem" zu verstehen), die Brüder sowie die Töchter von Jerusalem. Die teilweise vom Gewohnten abweichende Zuweisung an die ein¬

zelnen Personen wird ebenso wie das sprachliche Verständnis der Stellen begrün¬

det. Dabei gelangen die Verf wiederholt durchaus auch zu einem neuen lexikali¬

schen Verständnis.

Die Dichtung wird realistisch als Sammlung von weltlichen Liebesliedern ver¬

standen mit dem Thema Eros als „the most powerful of human pleasures" (S. 19, vgl. S.14). Aus der Tatsache, daß sich die Liebenden insgeheim treffen, wird ge¬

folgert, daß sie nicht verheiratet sind.

Die bewußt poetisch stilisierte Übersetzung, die sich um Wiedergabe des Sinn¬

gehalts und der stilistischen Feinheiten der Vorlage bemühL entfernt sich zwangs¬

läufig nicht selten von den Satzstrukturen des hebräischen Textes. Die englische

Version wird somit zu einem Kunstwerk eigenen Ranges. Begründungen werden

im Kommentar beigefügt. Die den auch drucktechnisch kunstvoll gestalteten Band abschließende Bibliographie enthäh überwiegend englischsprachige Arbei¬

ten.

Joachim Oelsner, Leipzig-Jena

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Douglas R. Frayne: The Early Dynastie List of Geographical Names. New Haven, Conn.: American Oriental Society 1992. xiii, 161 S. (American Oriental Series Vol. 74). ISBN 0-940490-74-9. US $ 36.00.

Basierend auf den Textvertretern der ,List of Geographical Names' (LGN) aus Abü Saläbih und Ebla hat sich der Verfasser das Ziel gesetzt, „to examine the eomposition of the list as a whole and to try to determine its inner structure"

(S. 1). Das Buch enthält jedoch keine Bearbeitung des Textes, so daß der Leser die Edition des Atlante Geographica von G. Pettinato {Testi lessicali monolingui della biblioteca L.2769, MEE 3, Napoli 1981, S. 227-241) stets zur Hand haben sollte.

Zunächst unterscheidet der Verfasser zwei Gruppen von Ortsnamen in der

LGN: Gruppe A umfaßt Orte, die an Wasserläufen von der Gegend um Sippar

bis in die Gegend südlich von Nippur liegen; Gruppe B enthält Orte in periphe¬

ren Regionen, etwa im Diyäla-GebieL im Gebel Hamrin und in Iran. Insgesamt scheint keiner der in der Liste genannten Orte südlicher als Adab zu liegen (S. 1).

Zur Entstehung der LGN nimmt VerL an, sie sei in ihrer überlieferten Form eine Kompiladon aus kleineren Listen, die jede für sich die Städte einer bestimm¬

ten Region behandelten (S.2). Somit sollten die Einträge in einzelne Abschnitte zerfallen, die diesen Vorläufern in etwa entsprechen müßten. Allerdings sind diese (vermuteten) Abschnitte in den Textvertretern nicht kenntlich gemacht und

können daher nur schwer abgegrenzt werden. Da zudem die Lage vieler Orte

nicht bekannt isL läßt sich von seiten der historischen Geographie nur wenig zur

Rekonstruktion geographisch zusammenhängender Namensgruppen beitragen.

Die Reihenfolge, in der die Abschnitte in der LGN angeordnet wurden, scheint willkürlich zu sein; auch dies ist ein Punkt, der die Rekonstruktion geographi¬

scher Zusammenhänge erschwert. Eine Übersicht der vom VerL angesetzten Ab¬

schnitte, angeordnet in der Sequenz der LGN, findet sich auf S.88. Im Anschluß an Steinkeller sieht VerL Kis als den Ursprungsort der LGN (S.88).

Die Ortsnamen der Gruppe A (Zweistromland) werden in Kapitel 2 diskutiert.

Da alle Orte an Flüssen oder Kanälen liegen müssen, rekonstruiert Verf die rela¬

tive Abfolge der Siedlungen entlang dieser Wasserläufe, wobei die Aufzählung in der LGN teils flußaufwärts, teils flußabwärts voranschreitet. Zweimalige Erwäh¬

nung eines Ortes bedeutet dem VerL zufolge, daß dieser Ort an einer Gabelung

(oder Mündung) zweier Wasserläufe lag. Das so gewonnene Siedlungsbild wird

durch zahlreiche Kartenskizzen veranschaulichL Die Rekonstruktion der Wasser¬

läufe basiert auf Adams, Heartland of Cities (Chicago, 1981), womit auch der ar¬

chäologische Befund berücksichtigt ist. In einem Exkurs (S. 48-51) behandelt Verf auch den Abgal-Kanal und den Me-Enlila-Kanal, die in der LGN nicht vor¬

kommen.

In Kapitel 3 erörtert Verf. die Ortsnamen aus den Randgebieten des Zwei¬

stromlandes, wobei er eine Anordnung in der Sequenz von Itineraren annimmt.

Daß hierbei noch größere Unsicherheiten bestehen als bei den Ortsnamen des

Zweistromlandes, ist angesichts der Quellenlage kaum verwunderlich (vgl. die Einträge Nr.210-219, 245-254, 259-262 u.a.).

Bei der Besprechung der einzelnen Ortsnamen schlägt VerL zahlreiche neue

Identifizierungen und Lokalisierungen vor, wobei er gelegentlich etwas willkür¬

lich vorgeht: den Spekulationen über Dilbat, Sarbat und ""SarpanTtum (S.26 un¬

ten) kann Rez. nicht folgen, zumal der Name der Gemahlin Marduks bekanntlich

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'^Zarpanitum lautet; S.80 oben lies at-ta-rad „ich stieg hinab", nicht at-lä-rad, was aber auch nicht mit ,1 went' zu übersetzen ist. Daß in der Diskussion diejeni¬

gen Ortsnamen der LGN, für die keine Belege aus anderen Quellen existieren, kommentarlos ausgelassen werden, ist unbefriedigend.

Einige Exkurse (Kapitel 5) schließen sich lose an die Erörterung der LGN an, u.a. über die , Sargon Geography' und zu einigen Fragen der altbabylonischen Geographie.

Obgleich die Untersuchung mit manchen Unsicherheiten behaftet ist, die sich teils aus der Quellenlage, teils aus unserer lückenhaften Kenntnis der frühdynasti¬

schen Geographie ergeben, stellt sie einen originellen und anregenden Beitrag zum Verständnis der LGN dar.

Wolfgang Schramm, Göttingen

Sara Denning-Bolle: Wisdom in Akkadian Lileralure. Expression, Instruction, Dialogue. Leiden: Ex Oriente Lux 1992. xiv, 200 S. (Mededelingen en Verhan¬

delingen van het Vooraziatisch-Egyptisch Genootschap „Ex Oriente Lux"

XXVIII.) ISBN 90-72690-04-4. Hfl. 65.00 (für Mitglieder von Ex Oriente Lux Hn. 45.00).

Dieses Buch enthält eine lose verbundene Folge von Referaten und Darstellun¬

gen zu folgenden Themen (s. S.5 und S. 177): 1. die Sekundärliteratur zum Thema , Weisheit' seit dem Erscheinen von W.G.Lambert, BWL (Kapitel 2); 2. das Kon¬

zept von , Weisheit' anhand einer Übersicht über die akkadischen Termini für .weise', .kündig' etc. sowie eine Einführung in die mesopotamische , Weisheit' (Kapitel 3); 3. Ausführungen zum Dialog im allgemeinen (Kapitel 4) und dann zum Dialog in der akkadischen Literatur (Kapitel 5 und 6).

Die überwiegend doxographischen Darlegungen in Kapitel 2 und 3 resultieren weder in einer Definition von .Weisheit' („perhaps it is the mysterious nature of wisdom that eludes our strenuous efforts at definition and classification", S.30), noch in einer brauchbaren Aussage darüber, was denn eigentlich ein , wisdom text' sei (S. 57). Immerhin erkennt die Verfasserin, daß im Alten Orient nicht zwi¬

schen , abstrakter' Weisheit und , praktischem' Wissen unterschieden wird (S.31 L und S.65L). Es bleibt aber etwas unklar, in welchem Sinne die Verfasserin den

Begriff , wisdom' im folgenden versteht, dem modernen oder dem des akkadi¬

schen Sprachgebrauches.

Die jedenfalls sehr komplexe Problematik von , Wissen' oder , Weisheit' im Al¬

ten Orient reduziert die Verfasserin dann kurzerhand auf einen einzelnen Aspekt der Wissensvermittlung: Sie versteht nämlich , Wissen' als „a matter of eommuni¬

cation, of dialogue" (S.5, s. auch S. 1 L und öfter). Sie geht infolgedessen auch gar nicht mehr der Frage nach, wie , Wissen' im Alten Orient schriftlich fixiert und organisiert werden konnte, welche Textsorten dafür zur Verfügung standen oder wer die Leser solcher Texte waren, sondern wendet sich dem für sie einzig ma߬

geblichen Prozeß der Wissensvermittlung zu, dem Dialog. Hier holt die Verfasse¬

rin zunächst weit aus, indem sie in Kap. 4 über den Dialog bei Plato, Plotinus und M. M. Bakhtin referiert. Leider versäumt sie es, dem Leser klarzumachen, worin der heuristische Wert dieser tour d'horizon liegen könnte. In den folgenden Kapi-

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teln soll dann der Dialog in der akkadischen Literatur untersucht werden. Verfas¬

serin unterscheidet zunächst .Dialogues set within a narrative framework' (Kap. 4). wozu sie die Dialoge im Gilgames-Epos ebenso rechnet wie das Zwiege¬

spräch zwischen Marduk und Ea in den Beschwörungen des Marduk-Ea-Typs,

die Streitgespräche und einiges andere. Schließlich behandelt sie in Kap. 5 .Akka¬

dian dialogue texts' (Theodicy; Dialogue between a man and his god; Dialogue of pessimism). Diese Übersicht zeigL daß keineswegs versucht wird, die Funkrion dialogischer Redeformen als Vehikel der Wissensvermitdung (und damit auch der Wissensdarstellung!) zu untersuchen, sondern der Leser findet überwiegend para¬

phrasierende Wiedergaben der einzelnen Dialoge. Es sei hier nur darauf hinge¬

wiesen, daß sich Strukturelemente des Dialogs, vor allem der Gebrauch der

2. Pers. Sg. in den Verbalformen, auch in anderen Textsorten finden, die die Ver¬

fasserin noch nicht einmal erwähm, etwa in mathematischen Problemtexten oder in medizinisch-therapeudschen Texten. Hier findet natürlich kein Dialog zwi¬

schen zwei (oder gar mehr) Personen statt, sondern der Leser ist tatsächlich der im Text scheinbar fehlende Dialogpartner. Die Frage, ob dieses Prinzip des vir¬

tuellen Dialogs mit dem Leser auch in einigen der in Kap. 5 und 6 behandelten Texte vorliegen könnte, wird erst gar nicht gestellt und daher auch nicht beant¬

wortet.

Eine gewöhnungsbedürftige Eigenheit der Arbeit ist es, daß in den Transkrip¬

tionen akkadischer Texte alle Vokallängen unterschiedslos durch ein Makron (ö)

gekennzeichnet sind, auch die Kontrakdonslängen. Auf S.50L ist von den , Ta¬

blets of Fate' die Rede; es gibt aber nur eine Schicksalstafel. Daß ina eli Hiläni (S. 169) nicht richtig isL sollte ebenfalls längst bekannt sein.

Wegen der begrifflichen Unschärfen, vor allem aber wegen des Fehlens einer durchgängigen gedanklichen Ordnung hält das Buch leider nicht, was der Titel verspricht.

Wolfgang Schramm. Göttingen

Bruno Jacobs: Die Satrapienverwaltung im Perserreich zur Zeit Darius' III. Wies¬

baden: Dr. Ludwig Reichert Verlag 1994. 328 S., 7 Faltkarten. 8° (Beihefte zum Tübinger Adas des Vorderen Orients. Reihe B Nr.87). ISBN 3-88226-818-2.

DM 138,-.

Der große Feldzug Alexanders d. Gr, in dem er ganz Vorderasien bis hin nach

Indien in seine Gewalt brachte und damit der etwa 20jährigen Herrschaft der

Achämenidenkönige ein Ende bereitete, ist von griechischen Schriftstellern oft be¬

handelt worden. Allen voran ist Arrian mit seiner Anabasis zu nennen. Er gibt in

seinen Berichten einen recht guten Eindruck von den Machtverhältnissen und

Verwaltungsbezirken, wie sie Alexander im persischen Großreich vorfand. Dieses reiche Material ist bisher nur selten oder auszugsweise von Historikern herangezo¬

gen worden, die sich mit den Satrapien des Achämenidenreiches befaßten, ganz im Gegensatz zu der so oft zitierten Satrapienliste bei Herodot. Der VerL legt mit seiner Habilitationsschrift nun erstmals eine ausführliche Aufarbeitung dieses bis¬

her vernachlässigten Materials vor. Zahlreiche Schemata und Kartenskizzen tra¬

gen zur Anschaulichkeit bei. Es wird deutlich, daß die einzelnen Verwaltungsbe-

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zirke nicht alle dieselbe Bedeutung gehabt haben können, und so nimmt der Verf.

eine Gliederung in Haupt- und Kleinsatrapien vor Von dem Bild, das er für die Zeit Darius' III. gewinnt, versucht er dann auf die frühe Achämenidenzeit zu¬

rückzuschließen. Der Verf. betrachtet zwar gründlich und ausführlich die griechi¬

schen Quellen, die einzigen zeitgenössischen Originalquellen, nämlich die elami¬

schen Verwaltungstäfelchen aus dem Archiv Darius' d. Gr, berücksichtigt er hin¬

gegen überhaupt nicht. Sie vermögen wesentlichen Aufschluß über die Verwal¬

tungsstruktur dieser Zeit zu geben und liegen zudem in einer umfangreichen Bear¬

beitung vor: H. Koch, Verwallung und Wirtschaft im persischen Kemland zur Zeit der Achämeniden, Wiesbaden 1990. Die Kenntnis der obersten Verwaltungsbeam¬

ten und ihrer Funktionen im Achämenidenreich hätte manche lange Erörterung erspart, beispielsweise bei den zahlreichen in Ägypten genannten Namen (S. 58- 62) oder der „Vielzahl der berufenen Personen" in Babylon (S.64f), deren Exi¬

stenz damit auch nicht auf eine „Teilung der Gewalten" durch Alexander zurück¬

zuführen ist. Ebensowenig wurde das Amt des „Finanzverwalters" von Alexander eingerichtet (z.B. in Lydien S.53, in Ägypten S.61 oder in der Susiana S.67), denn dieselbe Aufgabe hatte seit langem der „Schatzmeister" bei den Achämeni¬

den. Und gerade auch zu den Satrapien der Frühzeit kann man dem genannten Material eine Fülle an Informationen entnehmen, jetzt vorgelegt von H. Koch, Zu

den Satrapien im Achämenidenreich In: H.Koch, Achämeniden-Studien Wiesba¬

den 1993, S. 5-48. „Damit hätten die Ergebnisse - um nur zwei Beispiele zu nen¬

nen - zu der „Hauptsatrapie Arachosien" (S.233) oder zur Bedeutung von Ker¬

man (S. 197 fL) sehr viel konkreter und ausführlicher ausfallen können.

Sehr gewöhnungsbedürftig ist die vom VerL gewählte Umschrift, nicht nur hin¬

sichtlich der Schreibung persischer Bezeichnungen, sondern auch all der griechi¬

schen Namen, die nun in ein „lateinisches" Gewand gekleidet sind.

Heidemarie Koch, Marburg

Hermann Forkl unter Mitarbeit von Reinhard Weipert: Politik zwischen den Zei¬

len: Arabische Handschriften der Wandala in Nordkamemn. Deutsch-arabische

Texte. Kommentar und Chronologie. Berlin: Klaus Schwarz 1995. ISBN

3-87997-245-1.

Zur Geschichte des südlich des Tschadsees gelegenen Mandara-Reiches er¬

schien vor einigen Jahren die wertvolle Studie von Bawuro M. Barkindo: The Sul¬

tanate of Mandara to 1902, Stuttgart 1989. Das hier zu besprechende Werk von Forkl und Weipert hätte ein nützliches Komplement sein können, da es eine ara¬

bische Quellensammlung zur Geschichte von Mandara liefert. Es enthält die ara¬

bischen Texte und deutschen Übersetzungen von acht als „Reichschroniken" be¬

zeichneten Schriften, eine historische Erzählung und acht „Lokalchroniken aus Mime". Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, daß die „Reichschro¬

niken" nichts anderes als Königslisten sind, die mit rezent niedergeschriebenen Oraltradidonen angereichert wurden, und die „Lokalchroniken" aus der Stadt Mime Häuptlingslisten mit Namen und Regierungslängen. Die Verfasser treffen die vielversprechende Unterscheidung zwischen „aristokratisch" und „zentrali-

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stisch beeinflußten Texten". Sie meinen damit allerdings lediglich authentische und manipulierte Texte (S.81-82). Daß verschiedene Könige des 20. Jh.s die eine oder andere Variante bevorzugten, wie die Verfasser meinen, mag schon sein.

Doch nicht aus der Zuordnung einzelner Texte zu bestimmten Herrschern des

20. Jh.s, sondern aus den Dokumenten der Kolonialarchive und aus mündlichen Zeugenberichten sind detaillierte Rückschlüsse auf die traditionelle Verwaltungs¬

praxis in dieser Zeit zu ziehen (S. 308-319). Viel nützlicher als Spekulationen über die Motive der Manipulationen wäre die systematische Aufdeckung historischer Tatbestände anhand der Textaussagen gewesen, die der Leser jetzt seinerseits

„zwischen den Zeilen" herausfinden muß. Da außerdem die Texte - mit Ausnah¬

me der Listen von Mime - bereits anderweitig im arabischen Original und in fran¬

zösischer bzw. englischer Übersetzung veröffentlicht wurden (H. R. Palmer: Suda¬

nese Memoirs, II, 1928, 96-99; M. Rodinson und J.-P. Lebeuf, in: Bifan, 1956, 227-255; E. Mohammadou: Royaume du Wandala, 1975, 259-298), ist die voriie¬

gende Arbeit für den Historiker nur von geringem Nutzen. Mit ihrer Vermengung der historischen, ethnologischen und linguistischen Fragestellungen ist sie eher verwirrend als klärend.

DiERK Lange, Bayreuth

Targän Yilmäz [Tarcan Yilmaz]: al-Ka^ba al-musarrafa. Diräsa 'atarfya li-mag- mü'al 'aqfälihä wa-mafötthihä al-mahfüza ft Malhaf Tüb QäbT [Top Kapi] bi-'I- stänbül [Istanbul], ta'lif Targän Yilmäz [Tarcan Yilmaz], targamat Tahsin

''Umar Taha Oglu, muräga''at Ahmad Muhammad ''Isä, taqdim Akmal ad-din

Ihsän Oglu. (Silsilat al-funün al-'islämiya wa-l-hiraf al-yadawTya raqam 7.) Istanbul: Markaz al-abhät li-t-tärfh wa-l-funün wa-t-taqäfa al-'islämTya bi- Istänbül (Research Centre for Islamic History, Art and Culture) 1414/1993.

129 S., zahlreiche farbige Abbildungen. ISBN 92-9063-102-8. GroßformaL 40$.

Nachdem J. Sourdel-Thomine 1971 eine größere Zahl von Exemplaren aus der

im Top Kapi-Museum zu Istanbul befindlichen Sammlung von Schlössern und

Schlüsseln der Ka'ba veröffentlicht hatte', wobei sie ihr Augenmerk vor allem auf die epigraphische Seite gerichtet hatte, hat nun Tarcan Yilmaz, Professorin an der Philosophischen Fakultät der Universität Istanbul und ehemalige Kustodin der Abteilung für Metallgegenstände am Top Kapi-Museum"^, das Thema in dem zu besprechenden Buch systemadsch behandelL Ihr türkisch verfaßter Beitrag ist,

wie man, abgesehen von der Angabe auf dem TitelblatL dem Vorwort {Taqdim

S. 1-2) des Direktors des Markaz al-''abhät li-t-tärih wa-funün wa-t-taqäfa al-''islä- mTya bi-Istänbül, das den Band veranlaßt und seine Veröffentlichung besorgt haL entnehmen kann, anschließend in das Arabische übertragen und revidiert worden.

Der „Revisor" {al-murägi^ hat ein eigenes, z.T. in gereimter Sprache verfaßtes Vorwort beigetragen, in welchem er u.a. zwei bereits publizierte derartige Schlüs-

' Clefs et serrures de la Ka''ba. Notes d'epigraphie arabe. In: REI 39 (1971), S. 29-86.

^ Diese Information läßt sich dem Vorwort des Herausgebers S. 2 entnehmen.

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sei aus dem Islamischen Museum Kairo vorstelh {Kalimät al-murägi' S.3-6). An¬

schließend präsentiert Yilmaz ihrerseits in ihrem Vorwort die Istanbuler Samm¬

lung (S.7-8).

Im ersten Kapitel {Madhai tänhJ wa-diräsa tahlTtiya, S.9-21) beschreibt Yilmaz

anhand von Urkunden und anderen Quellen, wie die Sammlung der Schlösser

und Schlüssel der Ka'ba, beginnend mit Selim I im Jahre 1571, in den Besitz der Osmanen kam. Des weiteren geht sie auf den Ursprung der Schlüssel und Schlös¬

ser ein; sie zeigt, daß es sich um Geschenke der Herrscher verschiedener Dyna¬

stien handelte, wobei die Übersendung der Schlösser und Schlüssel an die Ka'ba stets auch einen politischen Anspruch symbolisierte. Abschließend behandelt sie das Material der Schlösser - dieses wurde im Laufe der Zeit immer kostbarer - und ihre Aufschriften, die vorwiegend aus Koranzitaten bestehen. Auf die techni¬

sche Seite geht sie nur am Rande ein, wobei sie sich auf die sog. „Spreizfeder¬

schlösser" beschränkt (S. 17).

Im zweiten Kapitel (al-Lawhät wa-t-ta'llqät S. 23-117) stellt Yilmaz die Schlös¬

ser vor, wobei sie chronologisch vorgehL und den Abschluß des Bandes bilden die Fußnoten, das Literaturverzeichnis, eine Liste der Objekte und ein Verzeich¬

nis der Koranzitate, dieses leider ohne Verweise auf die Objekte, auf denen sie vorkommen.

Das genannte zweite Kapitel, der Hauptteil der ArbeiL zerfällt in drei Unter¬

abschnitte, in denen Yilmaz die abbasidischen, die mamlukischen und die osma¬

nischen Objekte behandelL Jedes Objekt stellt sie mit einer Kurzbeschreibung vor und erläutert seine Aufschriften, leider, was Koranzitate betrifft, oft in recht sum¬

marischer Form. Eigentliche Editionen oder Umzeichnungen der Aufschriften bietet sie nicht, doch läßt sich vieles hiervon dem oben erwähnten Aufsatz Tho- MiNE-SouRDELs entnehmen. Jedes Objekt ist in mindestens einer sehr guten Farb¬

photographie vorgestelU, die eine gute Vorstellung von dem hohen handwerkli¬

chen Niveau der Gegenstände vermitteh. Eine Lesung der Aufschriften erlauben die Photographien aber nicht in allen Fällen, abgesehen davon, daß nicht alle Sei¬

ten der Objekte, die Aufschriften tragen, abgebildet sind.

Eindeutig zu kurz gekommen ist die technische Beschreibung und Klassifizie¬

rung der Schlösser. Die erwähnte summarische Angabe S.17 zu den Teilen der

Spreizfederschlösser ist selbst für den, der solche Schlösser kennt, ziemlich un¬

klar, und sonst geht Yilmaz auf die technische Seite praktisch nicht ein. Vor allem ist es ausgesprochen schade, daß sie von den drei vollständig erhaltenen Fallbol¬

zenschlössern (30-31, 34), die den altertümlichsten Typ des orientalischen Schlos¬

ses überhaupt darstellen, nur Abbildungen der Vorderseite bieteL während Abbil¬

dungen der Rückseite, die das Verständnis des Mechanismus erlauben würden, fehlen. Der Leser des Buches wird Mühe haben, sich von der Funktionsweise der Schlösser und Schlüssel eine Vorstellung zu machen.

Im folgenden klassifiziere ich die Objekte nach technischen Kriterien, wobei ich die Termini gebrauche, wie ich sie in meinem eigenen Beitrag (im folgenden

Untersuchungen genannt) zu den islamischen Türschlössern vor mehr als zwei

Jahrzehnten verwendet habe^; diese Arbeit war Frau Yilmaz unbekannt geblie¬

ben. Natürlich ist es im Rahmen dieser Besprechung nicht möglich, die Funkd-

' Untersuchungen zu Technik und Terminologie der arabisch-islamischen Tür¬

schlösser In: Der Islam 50 (1973), S. 98-156.

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onsweise der Schlösser zu erläutern; der interessierte Leser sei auf meine Arbeit mit den dazugehörigen Abbildungen verwiesen.

1. Fallbolzenschloß (auf die Tür mondertes Schloß mit verschiebbarem Querrie¬

gel; Holz oder Metall; Untersuchungen S. 101-115 etc.) a) vollständig: 30-31, 34.

b) unvollständig: 1 (der senkrechte Träger, in welchem der Riegel läuft)'', 40 (Riegel und Schlüssel)'.

2. Spreizfederschloß (Vorhängeschloß aus Metall; Untersuchungen S. 120-124

etc.)

a) Schlüssel seitlich eingeführt:

a) vollständig: 19, 25, 29, 35, 39.

ß) Schloß ohne Schlüssel: 16, 26-28, 32-33, 36, 38.

y) Schlüssel ohne Schloß: 2-15,17-18, 20-22, 42-54.

b) Schlüssel von oben eingeführt:

a) vollständig: 37.

ß) Schloß ohne Schlüssel: 23-24.

Y) Schlüssel ohne Schloß: nicht vertreten.

3. Schraubschloß (Vorhängeschloß aus Metall; Untersuchungen S. 117-120) Zu einem solchen Schloß gehört sehr wahrscheinlich der Schlüssel 41, der am En¬

de ein Schraubgewinde aufweisL

4. Schloß europäischer Art {Untersuchungen S. 124)

Hierzu gehört der Schlüssel 55, der einen Bart aufweist; er ist das jüngste Stück der Sammlung und stammt aus dem 20. Jahrhundert.

Was die Spreizfederschlösser betrifft, so sind die Schlösser mit seitlicher Ein¬

führung des Schlüssels und die dazugehörigen Schlüssel (2 a) wesentlich häufiger vertreten als jene Schlösser, bei denen der Schlüssel von oben eingeführt wird (2b), während ich in Untersuchungen S. 120fL genau das Gegenteil festgestellt hatte. Der Grund wird deutlich, wenn man den einzigen erhaltenen Schlüssel des Typs 2b (37) mit den zahlreichen Schlüsseln des Typs 2a vergleicht: der Schlüssel des Typs 2b ist zu filigran und zu stark durchbrochen, um eine Aufschrift zu tra¬

gen, während der Schlüssel des Typs 2 a hierfür gut geeignet ist.

Eine weitere Bemerkung sei angeschlossen. Normalerweise geht von Schloß

und Schlüssel eher der Schlüssel verloren als das Schloß, während hier beim Spreizfederschloß des Typs 2a das Gegenteil der Fall zu sein scheint: 5 Schlös¬

sern mit Schlüssel (2aa) und 8 Schlössern ohne Schlüssel (2 aß) stehen nicht we¬

niger als 32 Schlüssel ohne Schloß (2aY) gegenüber. Vergleicht man nun die

Schlüssel ohne Schloß (2ay) mit den Schlüsseln mit Schloß (2aa), dann ist un¬

verkennbar, daß die Schlüssel ohne Schloß in der Regel einen Schließdorn mit wesentlich größerem Querschnitt als die Schlüssel mit Schloß und zugleich ein

* Die Abbildung von 1 gehört um 90 Grad gedreht. Die beiden Löcher, über welche Yilmaz rätselt, hatten die Nägel zur Befestigung auf der Tür aufgenom¬

men.

' 40 ist anders, als Yilmaz angibt, nicht quß wa-miftäh, sondern der Riegel eines Fallbolzenschlosses nebst dem Schlüssel.

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einfacheres, mehr oder weniger gleichbleibendes Schließprofil haben. Dement¬

sprechend weisen die Schlüssel ohne Schloß mehr, z.T. erheblich mehr Aufschrif¬

ten auf als die Schlüssel mit Schloß. Daraus ist m. E. der Schluß zu ziehen, daß, wenn nicht alle, dann zumindest die meisten dieser vielen Schlüssel ohne Schloß (2ay) als rein symbolische Zierschlüssel ohne dazugehöriges Schloß gedacht wa¬

ren und diesem Zweck entsprechend so gestaltet wurden, daß sie für die Aufnah¬

me von Aufschriften bestmöglich geeignet waren.

So läßt also der Band manche Frage offen. Man wird in dem liebevoll gedruck¬

ten Buch gern blättern, um sich an den herrlichen Gegenständen islamischen

Kunsthandwerks zu erfreuen, und auch die begleitenden Texte sind von Inter¬

esse, aber die wissenschaftliche Bearbeitung der Objekte ist damit noch nicht ab¬

geschlossen.

Werner Diem, Köln

Christopher Toll/Jakob Skovoaard-Petersen (Hgg.): Law and the Islamic

World. Past and Present. Papers presented to the joint seminar at the Universities

of Copenhagen and Lund, March 26th-27th 1993. Kopenhagen: Munksgaard

1995. 184S. (Det Kongelige Danske Videnskabernes Selskab. Historisk-filoso¬

fiske Meddelelser 68). ISSN 01060-0481.

Im vorliegenden Band sind die Mehrzahl der auf einer 1993 abgehaltenen Kon¬

ferenz über ,Law and the Islamic World' vorgelegten Beiträge enthalten. In diesen Beiträgen werden Themen aus Geschichte und Gegenwart des islamischen Rechts behandelt.

Ian Edge gibt einen kurzen Abriß insbesondere der neueren Geschichte des is¬

lamischen Rechts, der wesentlich von der Auffassung getragen ist, daß das islami¬

sche Recht in der Zukunft von immer geringerer Relevanz für die Rechtspraxis muslimischer Staaten sein wird.

Die Rechtsgeschichte des Irak verfolgt Al-Wahab in einem rasanten Durch¬

gang, der ihn von Hammurabi bis in die Gegenwart führt.

Serjeant beschäftigt sich mit der , Konstitution von Medina' und verwandten Texten sowie modernen beduinischen Rechtsauffassungen, um die Rolle des (tri¬

balen) vorislamischen Rechtsbrauchs Curf oder 'äda) in der Geschichte des isla¬

mischen Rechts zu bestimmen. Anhand einer eingehenden Quellendiskussion ar¬

gumentiert er, daß sich das islamische Recht aus diesem tribalen Rechtssystem - mit vielen Veränderungen - abgespalten hat und nicht direkt aus dem Koran und dem Hadith, ergänzt durch den (Gelehrten-) Konsens und Analogieschluß, abge¬

leitet wurde.

Die Beziehungen zwischen islamischem und sassanidischem Recht diskutiert Bodil Hjerrild. Am Beispiel des Erbrechts und der Zeitehe {mut'a) werden eini¬

ge interessante Hypothesen über die Beziehung zwischen Regelungen des sassani¬

dischen und insbesondere denen des schi'itischen Rechts aufgestellt Die von

Hjerrild vorgeschlagene komparative Untersuchung beider Rechte bietet zwei¬

felsohne interessante Forschungsperspektiven.

Norman Calder befaßt sich am Beispiel der zakät im K. al-Mabsüt von as-Sa- rahsl mit einigen Charakteristika von /«r«''-Werken. Als ein wichtiges Kennzei-

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chen sieht er die Beschränkungen, die sich aus der Loyalität zur Tradition der je¬

weihgen - in seinem Beispiel also hanafitischen - Rechtsschule ergeben. Die zwei¬

te Einschränkung sei der ständige Druck, die eigene rechtliche Position und damit auch die Schultradition durch einen Bezug auf die autoritativen Texte von Koran

und Sunna abzusichern. Neben diese beiden einschränkenden Elemente stellt

Calder die - naturgemäß höchst unterschiedliche - literarische Virtuosität der

einzelnen Verfasser. Bei den Werken des ßqh sei eben nicht nur eine bloße

Sammlung von rechtlichen Regelungen angestrebL auch das gestalterische Ele¬

ment bzw. das intellektuelle Vergnügen an der Entwicklung rechtlicher Konzepte sei zu beachten. Aus diesen Grundgedanken heraus entwickelt Calder eine anre¬

gende Analyse der zakät, in deren Verlauf er zudem deutlich den Pluralismus der unter dem weiten Schirm der hanafitischen Schultradition vertretenen Positionen zeigt. Er demonstriert überzeugend, daß von einer Erstarrung des islamischen Rechts auch in späterer Zeit, so ja die konventionelle Auffassung, nur sehr be¬

dingt die Rede sein kann. Einem Aspekt der frühen Geschichte des islamischen Rechts geht ebenfalls Jorgen B/ek Simonsen nach. Hauptsächlich anhand ägypti¬

scher Papyri und anhand von al-Kindls Buch über die Gouverneure und Richter Ägyptens argumentiert er dafür, daß die Entwicklung der Verwaltung des musli¬

mischen Reiches und damit auch des islamischen Rechts aus der täglichen Ver¬

waltungspraxis abzuleiten sei.

Johansen beschreibt in seiner Untersuchung , klassischer' Texte der hanafiti¬

schen Rechtsschule, in welcher Weise in diesen Texten der Bereich der kommer¬

ziellen Transaktionen vom Feld der Regelung der sozialen Beziehungen in Fami¬

lie, Nachbarschaft etc. abgegrenzt wird. Er zeigt die Art und Weise, in der insbe¬

sondere durch ein Konzept wie das der Rechtsfähigkeit eine relative Trennung

des ökonomischen vom sozialen Sektor sich durchsetzt - wenn sich dies auch

nicht in einer Ausweisung gesonderter Kapitel in den Rechtswerken niederge¬

schlagen hat. Daß er diese Trennung in der Begriffiichkeit eines ausdifferenzier¬

ten Subsystems faßt, erscheint allerdings systemtheoretisch nicht haltbar, denn mit Luhmann {Die Wirtschaft der Gesellschaft) ist daran zu erinnern, daß die Aus¬

differenzierung eines besonderen Funktionssystems für wirtschaftliche Kommuni-

kadon, Voraussetzung des entsprechenden rechtlichen Subsystems, von der Do¬

minanz der Kodierung durch Geld abhängig isL Dies scheint für die vorneuzeit¬

liche muslimische Wirtschaft kaum gegeben zu sein. Nicht bestritten werden sol¬

len hier allerdings Tendenzen hin zu einer solchen Ausdifferenzierung. Nebenbei:

Wer an der Fortsetzung der Debatte zwischen Johansen und Ann E. Mayer im In¬

ternational Journal of Middle Eastern Studies interessiert ist, sei auf S.88 Fn.33 verwiesen.

In seiner Beschreibung des Konzeptes des istigräq ad-dimma in der mauri¬

schen Gesellschaft der Westsahara stellt Osswald in instruktiver Weise dar, wie sich das islamische Recht immer wieder mit den Problemen wechselnder Realitä¬

ten beschäftigt und welche unorthodoxen Wege dabei beschritten werden.

RuBYA Mehdi zeigt in ihrem zu Recht als „a pluralistic approach" betitelten Beitrag überzeugend die verschiedenen Perspektiven auf, aus denen es sich sinn¬

vollerweise dem Problem der rechtlichen Lage der muslimischen Frau nähern

läßt. Nach mehrfacher Betonung, daß es an der Zeit isL endlich den falschen Ge¬

neralisierungen über die Lage der muslimischen Frau ein Ende zu machen, unter¬

sucht Mehdi , fundamentalistische' und , modernistische' Interpretationen der Be¬

stimmungen des islamischen Rechts betreffend die Rolle der Frau. Hier zeigt sie

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sehr deutlich die divergierenden Meinungen dieser beiden Strömungen auf. Aber auch der unterschiedlichen sozialen Lage der Frauen widmet sie ebenso wie den höchst verschiedenen Verhältnissen in Stadt und Land kurze Betrachtungen. Im letzten Abschnitt ihres Beitrags demonstriert die Autorin an einigen Beispielen die wichtige Rolle der Frauen in den Familien, der „gender-power position"

(S.116). Ihre differenzierte Sicht der rechtlichen Situation muslimischer Frauen, die sich eben nicht mit einigen halbverstandenen Koranzitaten belegen läßL wird von Mehdi aber nicht als Negierung der schwierigen Lage von Frauen verstanden.

Insgesamt läßt ein solcher Beitrag hoffen, daß der abschließenden Aufforderung endlich gefolgt wird: „We should bury the traditional stereotypes of Muslim wo¬

men" (S.119).

Skovoaard-Petersen geht in seinem Beitrag detailliert auf die ///ä'-Tätigkeit des jetzigen ägyptischen , Großmuftis' Saiyid TantäwT ein. Er sieht dessen Fat¬

was, von denen er auch etliche nicht veröffentlichte einsehen konnte, methodisch durch einen Rückgriff auf allgemeine Prinzipien wie die Beachtung des , geringe¬

ren Übels' und des , öffentlichen Interesses' gekennzeichnet. Außerdem hebt er das Engagement des Muftis für den Schutz der sozial Benachteiligten in der ägyp¬

tischen Gesellschaft und seine Unterstützung staatlicher Kontrolle und Regulie¬

rung insbesondere auch wirtschaftlicher Aktivitäten hervor. Dieser Einblick in den häufig etwas abfällig als , Regierungsislam' titulierten Bereich des heutigen muslimischen Denkens zeigL welche interessanten Früchte eine Beschäftigung mit diesem Material tragen kann.

Der ägypdsche Jurist Muhammad SaTd al-'AsmäwT behandelt den Begriff sarira und die Art und Weise, in der dieser Begriff in der muslimischen Diskussion über Säkularismus und Demokratie eingesetzt wird. Er konstadert dabei die Anwen¬

dung vom ursprünglichen Sinn des Begriffes als ,Pfad', ,Weg', .Methode' für den Weg zu Gott zu der Auffassung, mit sarfa sei nur das Recht gemeint, das unter Verwaltung der Rechtsgelehrten steht, die so einen de facto (nicht de jure\) Klerus bildeten. Dies habe zur Vision eines islamischen theokratischen Staates geführt,

der ein islamischer Liberalismus mit der Rückbesinnung auf die Quellen des

Glaubens und der , historischen, kritischen und wissenschaftlichen' Analyse die¬

ser Quellen zu begegnen habe. In einem so verstandenen Islam sieht der Verfasser zudem den Weg zur Etablierung einer Regierung „from the people, by the people and for the people" (S. 138).

Die Diskussion um islamische Finanzinstitutionen und die Charakteristika, die eine islamische Finanzinstitution ausmachen, sind Themen des Beitrages von Eli¬

as G.Kazarian. Nach einem groben Überblick über die Wirtschaftsgeschichte des Vorderen Orients bis in das zwanzigste Jahrhundert geht er - hauptsächlich an¬

hand pakistanischer Autoren - den verschiedenen Positionen, die zu diesen The¬

men eingenommen wurden, nach.

Schulze diskutiert im letzten Beitrag des Bandes die Frage, inwieweit der Be¬

griff der umma bzw. des Islams im allgemeinen in der muslimischen Diskussion zur Begründung einer transnationalen Form politischer Zugehörigkeit gedient hat.

Er diskutiert dies an einem bunten Strauß von Beispielen: at-TahänawT (bei

Schulze ath-ThänawT), der Verfasser des Kassä istilähät al-funün, die osmanische Debatte um die ummat-i Muhammad, al-AfgänIs diesbezügliche Vorstellungen, an-NabahänTs Ideen für einen islamischen StaaL die Diskussion um den islami¬

schen Charakter Pakistans, die Erklärung der Muslime Bosnien-Herzegowinas zu

einer eigenständigen Nationalität im damaligen Jugoslawien, die .Nation of Is-

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lam' und auch Beiträge von Institutionen wie der (ägyptischen) Akademie für is¬

lamische Studien u.a.m. werden gestreift. Diese Impressionen führen ihn zu weit¬

reichenden Thesen über die Kommunalisierung bzw. Ethnifizierung muslimischer Gemeinschaften und der Rolle des islamischen Rechts in diesem Prozeß. Letztlich aber: „The intellectual debates on the legal character of the Islamic umma will, however, remain a subject of a very limited public" (S. 184).

Die recht unterschiedlichen Beiträge des Bandes geben einen guten Eindruck der vielfältigen Ansätze zum Studium des islamischen Rechts, die zur Zeit in der Forschung verfolgt werden.

RÜDIGER Lohlker, Göttingen

Shmuel Moreh: Live Theatre and Dramatic Literature in the Medieval Arabic

World Edinburgh: Edinburgh University Press 1992. IX, 205 S., Abb., 8°.

ISBN 0 7486 0292 5. £ 30.-.

Bisher haben m.W. nur einige nationalbewußte arabische Autoren die Ansicht vertreten, es habe im arabischen Mittelalter sehr wohl Traditionen eines Theaters gegeben. Die arabische Welt habe das Theater nicht erst mit der intensiven Kon¬

frontation mit den westeuropäischen Kolonialmächten, zunächst vor allem Frank¬

reich, um 1800 kennengelernt. VL versucht in dieser hochinteressanten Monogra¬

phie mit Textzitaten und Miniaturen, diese allerdings aus dem türkischen und persischen Bereich, nachzuweisen, daß die arabischen Länder das Erbe der Anti¬

ke auf diesem Gebiet nie ganz eliminierten.

Zum Background, S.3-18: Vom antiken Brauch öffentlicher Aufführungen und

Spiele zeugen zahlreiche, teilweise sehr gut erhaltene Ruinen von Amphitheatern von Nordafrika bis nach Syrien und Jordanien (im Iraq, wie Vf S.3 sagt, ist mir nichts derartiges erinnerlich). Rabbiner ebenso wie Vertreter des frühen Christen¬

tums verurteilten solche Spiele als typisch für das griechisch-römische Heiden¬

tum. Später bedienten sich offensichtlich Gegner wie Anhänger des Christentums gelegentlich dramadscher Aufführungen, um ihre Ansichten zu veranschaulichen, zu popularisieren. In Gauklerspielen während großer Volksfeste, die letztlich heidnischen Ursprungs sind, etwa dem Naurüz-Fest in Kairo, lebten solche Tra¬

ditionen ebenfalls weiter Der frühe Islam stand jeder Art von Unterhaltung um ihrer selbst willen feindlich gegenüber VL hat eine ganze Anzahl von Textbelegen aus unterschiedlichen Regionen und Zeitepochen zusammengestellt, die belegen, daß es schon früh öffentliche Unterhalter gab, die muhannatün, die mudhikün, de¬

ren Tätigkeit als la'b „Spiel" bezeichnet wird, die sangen, tanzten oder z. B. mit Hilfe hölzerner Pferde Reiter- oder Gauklerspiele (kurrag) in Szene setzten, zu denen auch Dialoge gehört haben könnten. Eine andere Form volkstümlicher Un¬

terhaltung waren Maskenspiele (samäga) auf Straßen und Märkten, auch an Hö¬

fen aus Anlaß von Volksfesten. Gaukler in Tiermasken' mit derben bis obszönen

' Abgebildet z. B. auch auf einer iranischen Miniatur des 16. Jahrhunderts zu Gämis Haft Aurang, in: W. Walther: Die Frau im Islam. Stuttgart, Berlin u.a.

1980, S.138, Nr. 99.

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witzelnden Dialogen sind noch aus dem 19. Jahrhundert bezeugt. Für Hofnarren und Slapstick-Komödianten und ihre oft recht rauhe Art, den Kalifen und seine Umgebung zum Lachen zu bringen, bis hin zum „Furzer" (darrät), auch zu „da¬

daistischen" Scherzen, bringt VL einige Beispiele.

Auf Teil II Actors and Entertainers, S. 19-84, folgt Teil III Medieval Theatre, S. 85-166. VL legt hier dar, daß das Verb hakä mit dem Nomen hikäya, das oft nur mit „erzählen"/„Erzählung" übersetzt wurde/wird, eigentlich eher „imitie¬

ren" bedeute, hikäya also zunächst die „Imitation", die gespielte „Parodie" sei, und bringt Textbeispiele, die sich so deuten lassen. Rifa'ä at-Tahtäwis Beschrei¬

bung des Theaters in Paris aus seinem TahlTs al-IbrTz, die hier (S.94) ebenfalls in diesem Sinn anzidert wird, macht allerdings sehr deudich, daß dem Azhar-Absol- venten at-TahtäwI diese Art von Aufführungen, deren bildende, aufklärerische Tendenzen ihm vermutlich von französischen Begleitern verdeutlicht wurden und jedenfalls bewundernswert erschienen, etwas völlig Neues war. Wenn hier - wie im übrigen durch den gesamten Tahtis - von „they" (hum) die Rede isL dann sind damit die Franzosen generell gemeim, die so viele Staunens- und meist nach¬

ahmenswerte Dinge vollbringen, nicht „the audience" \ In diesem Sinn sieht VL

aber auch in den Maqämen al-HamadänTs und al-HarTrls, in dem von A. Mez und

später neu von 'A. al-Sälg1 herausgegebenen Abü l-Qäsim, in Ibn Suhaids Risälat at-Tawäbi' wa-z-Zawäbi' und Abü l-'Alä' al-Ma'arris Risälat al-Gufrän wie in an¬

deren seiner RasäHl, „written in dramatic dialogue", dramadsche Literatur. S.116 lies vermutlich Ibn STnä, nicht Ibn SM, S. 117 l.Ibn Rusds (und anderer Autoren) Verwendung von madih für „tragedy", wie S.116, nicht „comedy", higä' für

„comedy" lassen doch nur erkennen, daß die Begriffsinhalte von Tragödie und

Komödie bei den arabischen Autoren unbekannt waren! Daß die genannten Ma¬

qämen viele Monologe und Dialoge enthalten und die Existenz von schauspie¬

lernden, witzig schalkhaften Alleinunterhaltern in wechselnden Rollenspielen, die sich zuweilen eines Kumpans bedienten, auf öffentlichen Plätzen oder jedenfalls im Freien bestätigen, ist klar.

In Kapitel 8 legt Vf dar, daß es hayäl, synonym zu hikäya, - im Gegensatz zu hayäl az-zill, dem Schattentheater, als Straßentheater im Osten wie vor allem im Westen der islamischen Welt gab. Aus den Beispielen, die VL aufführt, wird deut¬

lich, daß auch diese Spiele volkstümliche Gauklerspiele waren, meist nur von ei¬

nem oder wenigen Akteuren in Szene gesetzt. Daß viele Geschichten aus Alf Laila wa-Laila in ihrer ursprünglichen Gestalt stärker aus Dialogen und Monologen be¬

stehen als aus Erzählertext oder -kommentar und auch mit verteilten Rollen, zuge¬

schnitten auf einzelne, spezialisierte Darsteller, nahezu szenisch vorgetragen wur¬

den, ist zu ergänzen^.

Das letzte Kapitel listet, vorwiegend nach europäischen Reisebeschreibungen, Beispiele für The Last Phase of Arab Theatre auf, kleinere volkstümliche Farcen im Dialekt, die bis ins späte 19. Jahrhundert aufgeführt wurden, gelegentlich auf

der Basis von Texten jüdischer Autoren. Wenn VL abschließend betonL daß es

weder der Islam noch die arabische Mentalität gewesen sein könnten, die die Ent¬

wicklung des Straßentheaters, dramatischer Präsentationen zu high art verhindert

^ Vgl. W. Walther: Tausendundeine Nacht Eine Einführung. München, Zü¬

rich 1987, S.61L

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haben, so dürfte er Recht haben. - Zwei Appendices mit arabischen Textbelegen, Bibliographie und Index runden den Band ab.

Jedenfalls ein lesenswerter Einblick in die Geschichte der Unterhaltung im Sinn von entertainment und open air entertainment im islamischen Mittelalter!

Wiebke Walther, Tübingen, Erlangen

Abdelkebir Khatibi und Mohamed Sijelmassi: Die Kunst der islamischen Kalligra- fie. Köln: Du Mont 1995. Neuauflage der Ausgabe von 1977. 238 S., zahlreiche

farbige und schwarzweiße Abb., in Leinen geb., ISBN 3-7701 -3642-X.

89,90 DM.

Bei diesem prachtvollen Bildband handelt es sich um eine überarbeitete Neu¬

auflage des 1994 zuerst bei Gallimard in Paris erschienenen Werkes L'art calligra¬

phique de l'Islam. Bei der Überarbeitung sind laut Verlag die iranische und osma¬

nische Kalligraphie stärker miteinbezogen worden als in der alten Ausgabe. Die Einleitung ist neu geschrieben worden und zwei Kapitel „Kalligrafie und Archi¬

tektur" und „Kalligrafie und zeitgenössische Malerei" sind hinzugefügt worden.

Entsprechend ist die Bebilderung überarbeitet worden. Der Übergang vom letzten Teil der alten Ausgabe „Der Ort der Architektur" zum ersten Teil der neuen Ka¬

pitel ist dank des Titels „Kalligrafie und Architektur" ohne thematischen Bruch möglich geworden.

Die beiden neuen Kapitel (ab S. 189) sind mit genau so großartigen Farbauf¬

nahmen ausgestattet wie ihre Vorläufer Die Texte hingegen leiden unter vielen

Ungenauigkeiten und Druckfehlern, die man bei einem Fachverlag nur mit Er¬

staunen hinnehmen kann. Inwieweit die Ungenauigkeiten auf Übersetzungsfeh¬

lern beruhen oder auf Wissenslücken der Autoren, kann hier nicht untersucht werden, sondern sollte dem Verlagslektor überlassen werden. Nicht nur, daß sich von einem wohl fachunkundigen Übersetzer Fehler eingeschlichen haben werden, sondern man kann auch ablesen, daß die Verfasser zweifelsohne Liebhaber der arabischen Kalligraphie sind, aber erstaunlicherweise Schwierigkeiten mit der arabischen Sprache haben. In den neuen Kapiteln geht es auf S. 191 los mit der Übersetzung von Al-mulk Lillah als „(Allah ist groß)" anstelle von „die Macht ge¬

hört Gott".

An ein schöngeistiges Buch braucht bezüglich der Umschrift keine wissen¬

schaftliche Meßlatte angelegt werden, aber ein BegrifT sollte doch, wenn schon, dann immer gleich unkorrekt wiedergegeben werden. Das ist hier nicht der Fall, so ist auf S.201 „TaMik und Nastaaliq" in einem Atemzug zu finden. Auf das Konto des Lektorats und der Übersetzung dürften Fehler wie der häufig als „Me- dersa" angeführte Begriff der Madrasa, oder Almohad (S. 192) anstelle von Almo¬

haden gehen, während später etwas richtiger von den Omeyyaden (S. 196) und

den Abbassiden (S. 197) gesprochen wird.

In dem Satz auf S.201: „Ihre graphische Ausgestaltung, ihre Verbindungsli¬

nien ... stehen in einem Spannungsverhältnis zur achsialen Organisation der ar¬

chitektonischen Großformen" müßte es wohl statt Organisation besser Anordnung heißen. Deutschfehler sind auch zu vermerken, wie „Anreihung" anstelle von

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„Aneinanderreihung" (S. 196), und „mit einem selbständigem dekorativem Rand"

(S. 197), anstelle von „mit einem selbständigen dekorativen Rand". Es könnten noch weitere grammatikalische Fehler aufgelistet werden. Weniger ins Gewicht fallende Druckfehler finden sich beispielsweise auf S. 194, wo es „ des Materialen"

anstatt „der" heißt und „gegelmäßig" statt „regelmäßig". Die Erläuterungen zur

„Kufi- Schrift" - was schon ein ungenauer Begriff ist, der besser als eine Schreib¬

art der arabischen Schrift, also Kufi-Duktus, zu bezeichnen gewesen wäre - im Abschnitt Sdlarten auf S. 196 sind schlichtweg unverständlich. Da heißt es „Ihre strengen vertikalen Elemente verbinden sich mit horizontal ausgerichteten Schlei¬

fen und verdickten zackigen Endungen, beide wiederum durch die einzelnen

Worte markierenden starren waagerechten Linien. Ein in Kufi kalligrafierter Satz besteht somit aus einer Anreihung vertikaler Zeichen in Form von langen oder kurzen in die Höhe gezogenen Linien, aus abgerundeten, aufeinandergehäuften flachen Zeichen sowie aus Segmenten horizontaler Verbindungslinien." Eine Seite weiter behaupten die Autoren, daß der mit Blumen, Palmettenverzierungen oder anderen Mustern gefüllte Hintergrund die Schrift hervorhebt. Das ist zu bezwei¬

feln, denn jede Art von Hintergrundverzierung einer Schrift lenkt die Aufmerk¬

samkeit des Betrachters auf ihre eigene Schönheit und damit von dem eigentli¬

chen Wort ab. Etwas tiefer heißt es mit Bezug auf das Flechtkufi: „Persien war in dieser Hinsicht besonders erfinderisch, da das Schreiben in anderen Spra¬

chen, die berühmteste davon das Pahlavi, eine alte Tradition hatte." Hier dürfte das Wort Sprachen durch Schriften zu ersetzen sein.

Auf S. 200 wird über den runden Duktus der arabischen Schrift gesprochen, der durchgängig als „Neschi" umschrieben ist. Hier wäre die gängige anglizierte Form „Naskhi" der Aussprache des deutschen Lesers näher gekommen. Die Er¬

klärung zu diesem Schrifttyp auf S. 201 oben in dem Satz „Ihre Grundlinie ist nicht mehr starr und gerade wie die des Kufi - dort begrenzt sie einen oberen Be¬

reich, in dem das mannigfaltige florale Dekor fortläuft sowie einen inneren Be¬

reich, in dem sich der Blick gleichsam entspannen kann" wird auch manchem Le¬

ser schwer verständlich sein. Der Text zu den beiden Abbildungen auf S. 201L

„Die Kombination mehrerer Stilarten in einem Raum sollte den Betrachter anre¬

gen und das Lesen der Botschaft erleichtern" scheint ironisch gemeint zu sein, denn sonst kann er angesichts der gezeigten Schreibarten des Arabischen, deren Entzifferung selbst jedem Gelehrten einiges abverlangt, nur falsch sein.

Das Kapitel Kalligrafie und zeitgenössische Malerei fängt wenig vielverspre¬

chend mit einem Druckfehler im Motto an, wo es auf S.214 statt Imaginadon

„Imanigation" heißt. Es könnten noch weitere angefiihrt werden. Auf S.215 über¬

rascht eine neue Auslegung des Begriffes „ahi al-kitab" als „Männer des Buches die im Paradies weilen". Anschließend werden die vier Künstler benannL deren Bilder mit Schrift vorgestellt werden: Hossein Zenderoude, Kamal Boullata, Ra¬

chid Koraichi und AI Said Hassan (nachgestellter Vorname!). Auf S.219 muß es heißen „Zenderoudi ist der Erbe einer großen wunderbaren Kultur des Zeichens"

anstatt von „das Erbe". Alle abgebildeten modernen Werke mit Ausnahme des Bildes von Shakir Hassan al-Said - so steht sein Name auf S. 229 - stehen ganz im Geiste islamischer Kunsttradidon und bilden einen schönen Abschluß dieses op¬

tisch beeindruckenden Buches über die Kunst der Islamischen Kalligrafie. Die

anhand der beiden neu hinzugefügten Kapitel angesprochenen Mängel fallen je¬

dem mit der islamischen Kultur vertrauten Leser schnell ins Auge, und zwar

ebenfalls in den hier nicht aufgelisteten Ausrutschern der alten Ausgabe. Das

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heißt, daß der DuMont Verlag seinem kunstbeflissenen und bildungsbewußten Kundenstamm einen schlechten Dienst erwiesen hat, indem er ein 18 Jahre altes Buch mit den alten Fehlem behaftet neu aufgelegt hat und dazu - wie oben ge¬

zeigt - mit neuen Fehlern bereichert hat.

Monika Dahncke, Bamberg

Doris Behrens-Abouseif: Mamluk & Post-Mamluk Metal Lamps (Supplement Aux Annales Islamologiques, Cahier No 15) Le Caire: Institut Francais D'Ar¬

cheologie Orientale 1995, 110 S., 58 Schwarzweiß-Photos, 9 Zeichn., bro¬

schiert. ISBN 2-7247-0165-8, ISSN 0254-282 X.

In der 110 Seiten langen Abhandlung werden 44 unterschiedlich geformte, reichverzierte Hängelampen und ein stehender, als „Ramadan lantern" bezeich¬

neter Leuchtkörper, dereinem spätgotischen Ciborium ähnelt, in fünf Hauptgrup¬

pen zusammengefaßt: „The Tannur, Vase-Shaped Lamps, Polycandelons with

spherical shades (ihuraya). The Pyramidal Lamps, Post-Mamluk Lamps". Die Photos vermitteln auf 61 Seiten eine gute Vorstellung vom Formenreichtum und der vorgenommenen Einteilung, können jedoch zum Teil nur ein unzureichendes Bild von der Schönheit des dichten und feinen Dekors liefern, wenn nämlich

nicht überwundene Aufnahmeschwierigkeiten und die starke Verkleinerung die

Wiedergabe erschweren. Die Zeichnungen hingegen sind alle von vorzüglicher Qualität und verdeudichen den hohen Stand der bei der Lampenherstellung ange¬

wendeten Handwerkskunst. Ein echter Mangel sind die durchgehend unzurei¬

chenden Größenangaben.

In ihrer Einleitung gibt die Autorin unter Einbezug literarischer Quellen einen interessanten Überblick über Beleuchtungsverfahren aus der Vergangenheit der arabischen Welt, beginnend mit der frühislamischen Zeit. Für ihre Untersuchung war die Lampensammlung des Islamischen Museums in Kairo am bedeutendsten, was die Anzahl, Varianten und Qualität angeht (S.6). An dieser Stelle sagt die Autorin auch „I will present here a typology of metal lamps including unpub¬

lished ones which show the diversity of techniques and patterns and their evolu¬

tion from the early Mamluk to the late Ottoman period". Um dem Anspruch einer Typologie zu genügen, darf man jedoch eine gründlichere und methodischere Be¬

arbeitung des Themas erwarten. Die enttäuschende Beschränkung auf nur wenige oder gar keine typspezifischen Angaben bei vielen der vorgestellten Objekte zeigt sich z. B. bei den auf Tafel 3-5 abgebildeten Lampen besonders deutlich und wird von den mehr als nur an Photos interessierten Lesern bemerkt werden. Diese drei

Lampen mit ihrem reichen Dekor, von denen die beiden ersten 260 und 200 cm

hoch sind (Maße zitiert nach G. Wiet: Catalogue General du Musee Arabe du Cai¬

re, Objets en Cuivre. Cairo 1932, für die dritte werden keine Abmessungen angege¬

ben) werden in zehn Zeilen abgehandelt. Die ihnen gemeinsame Prismaform und

die gleichartige Aufhängung wird mit keinem Wort erwähnL ebensowenig ihre

unterschiedlich erscheinenden Unterteile. Hier wird eine Schwäche der Arbeit sichtbar, nämlich der fehlende Vergleich von Gemeinsamkeiten und Unterschie¬

den in einer Gruppe sowie gruppenübergreifenden Gemeinsamkeiten (wie die

kreuzförmigen Elemente im Oberteil). So unzureichend auch die Möglichkeiten

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der Entscheidungsfindung vom Photo her sind, meine ich doch erkennen zu kön¬

nen, daß die drei als Beispiel genannten Lampen einem ganz eigenen Typ von

tannur mit prismaförmigem Körper zuzuordnen sind, und zwar einem mit Tierfü¬

ßen versehenen, so wie sie bei der auf Tafel 4 abgebildeten Lampe vorhanden sind. Bei der Lampe auf Tafel 3, unter deren Fuß ein tellerfiirmiger Schirm hängt, und der Lampe auf Tafel 5 könnte eine genaue Untersuchung der unteren Enden der Prisma-Kanten vermutlich Anzeichen von Abbruch aufzeigen, die dann erlau¬

ben würden, ihnen verlorengegangene Tierfüße zuzuweisen. Zweifellos wurde die Lampe auf Tafel 4 zum Füllen herabgelassen und stand dann auf ihren erhaltenen Füßen, wie man sie sich bei den beiden anderen Lampen gut als Ergänzung vor¬

stellen kann, während der jetzt bei der Lampe auf Tafel 3 untergehängte Teller wahrscheinlich einem kegelförmigen Typ von tannur zuzuordnen ist, wie er bei

den drei Lampen auf den Tafeln 7-10 belegt isL wovon die beiden auf Tafel 7

und 10 noch mit ihren Tellern ausgestattet sind.

In dem Kapitel über die „vase-shaped lamps" wird die Lampe in der Mu"'alla- qa Kirche in Alt-Kairo hervorgehoben, die sich durch ihren „bulbous bottom in¬

stead of the usual foot" von den anderen Lampen dieser Gruppe unterscheideL Diese Lampenform ist noch in den siebziger Jahren unseres Jahrhunderts im Ba¬

sar von Isfahan in größeren Mengen angefertigt worden (eine von meinem Vater dort 1970 erworbene Lampe genau dieses Typs, allerdings ohne die außergewöhn¬

liche Deckplatte, befindet sich in meinem Besitz). Abbildungen der Lampe in der

Mu'allaqa Kirche und einer Lampe aus einer Privatsammlung in leuchtendem

Zustand (Tafel 16, 17 und 51) zeigen, wie die Muster der Durchbrucharbeit und des stehengelassenen Materials voneinander abgesetzt sind und welche filigran¬

hafte Wirkung durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten erzielt wird.

In der Gruppe III „Polycandelons with spherical shade (Thuraya)" befindet sich u.a. ein ganz eigener Lampentyp, bei dem der Schirm in beträchtlicher Ent¬

fernung über der unter ihm hängenden Platte schwebL in die die Brennstellen ein¬

gelassen sind, s. Taf 28-30. Das ist jedoch kein ausreichendes Kriterium für die von der Autorin angestrebte „Typologie", da diese Eigenart auch in ihrer ersten Gruppe „The Tannur" bereits auftritt. Die enge Verwandschaft mit der Gruppe I wird auch bei der Lampe im Islamischen Museum in Kairo deutlich, die ebenfalls über einen prismaförmigen Lampenkörper verfügt (s. Tafel 36-38).

Ein formal übereinstimmender Lampentyp wird in der Gruppe IV „The Pyra¬

midal Lamps" aufgeführt (s. Taf 39-44), nur scheint der Begriff „Pyramidal"

nicht ganz passend zu sein, weil man damit die Vorstellung einer gleichzeitigen

viereckigen Körpergrundfiäche verbindeL während alle abgebildeten Lampen

sechs- oder achteckig zu sein scheinen, dabei bleibt es auch, wenn die angeblich

viereckige, leider verschwundene Lampe mit dem Namen einer Tochter von Sul¬

tan az-Zahir Baybur aus der Rothschild-Sammlung wieder auftauchen würde.

In der letzten Gruppe V werden die „Post-Mamluk Lamps" besprochen, hier

wird die fehlende gesonderte Wiedergabe der Inschriften der mit dem Datum

1204/1789-90 versehenen Lampe (M) besonders schmerzlich vermißL Abschlie¬

ßend beschäftigt sich die Autorin mit der „Stylistic Evolution".

Sie hat mit ihrer erfreulichen Arbeit ein weiteres Kapitel zur Vergrößerung un¬

seres Wissens über Metallampen aus dem islamischen Kulturkreis aufgeschlagen, dessen reiches Material noch weiter ausgewertet werden sollte.

Monika Dahncke, Bamberg

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Gerd Becker: Das Pentagramm-Symbol in Marokko. Religion, Politik und Magie

im maghrebinischen Königreick Hamburg: Wayasbah-Verlag 1989. x, 218 S.,

53 Abb., Glossar.

In seiner Dissertation hat sich der Autor der Untersuchung eines kulturellen Details gewidmet, das die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit den Zusam¬

menhängen und Widersprüchen zwischen religiöser, magischer und politischer Symbolik bietet. In seiner Arbeit, die neben intensiven Literaturstudien auf eige¬

nen Forschungsaufenthalten in Marokko aufbaut, geht es dabei in erster Linie

darum, die Veränderbarkeit des Pentagramm-Symbols und seine Polysemie, die

vielschichtige, uneinheitliche Bedeutungsstruktur aufzuzeigen.

Zu diesem Zweck wird nach einem einleitenden Kapitel, welches sich mit der defmitorischen Abgrenzung des Themas und einer Diskussion des Symbolbegrif¬

fes auseinandersetzt, im zweiten Kapitel ein geschichtlicher Abriß der Penta¬

gramm-Symbolik vorgelegt. Darin wird die früheste nachgewiesene Verwendung im babylonischen Reich und in der griechischen Antike erläutert und diese typi¬

schen und unterschiedlichen Formen des Pentagramms in Volksglauben, Magie, Hochreligion und im säkularen Bereich der christlichen Welt gegenüberstellt. Be¬

sonders interessant ist dabei die Herleitung des Zeichens als Venus-Symbol aus der geozentrischen Umlaufbahn dieses Planeten, das pythagoräische Verständnis

des Fünfzacks als Sinnbild der kosmischen Harmonie, welches aus den unge¬

wöhnlichen geometrischen Eigenschaften des goldenen Schnittes abgeleitet wur¬

de, sowie die Pentagramm-Bezugnahmen in Goethes Faust

Nach dieser breiten und gründlichen Einführung gibt das dritte Kapitel Aus¬

kunft über die verschiedenen Bedeutungsebenen der Pentagramm-Symbolik im

Bereich des Islams. Dabei wird zunächst die Frage diskutiert, welche Bedeutung Symbole in einer Kultur spielen können, die ein religiös begründetes Bilderverbot aufrechterhält. Becker löst das diffizile Problem durch eine Unterscheidung the¬

matischer und ethischer Bedeutungsbereiche. Er unterscheidet weiter zwischen Skriptualismus, dem orthodoxen Islamverständnis fundamentalistischer Schriftge¬

lehrter und Volksglauben in Marokko und geht auf verschiedene nebeneinander bestehende Vorstellungen über das Pentagramm in der islamischen Magie ein, de¬

ren Vorkommen, Funkdon, Stellenwert und Bewertung in Marokko er im einzel¬

nen ausführt. Diesem Glaubensverständnis stellt Becker die Vorstellungen der is¬

lamischen Hochreligion gegenüber und deckt interessante Parallelerscheinungen

mit Verwendungsformen im Bereich des Christentums auL

Ausgehend von dieser umfassenden Bestandsaufnahme der magischen und re¬

ligiösen Aspekte des Pentagramm-Symbols kommt Becker auf einen letzten Be¬

reich zu sprechen, in dem das Pentagramm eine wichdge, nicht zu unterschätzen¬

de Bedeutung einnimmt. Als Symbol politischer Herrschaft und diesseidger Ideo¬

logien spielt das Pentagramm, zentraler Bestandteil der marokkanischen Flagge,

eine wichdge Rolle. Becker macht auf die weite Verbreitung des Fünfzacks in

Flaggen aufmerksam - er nennt allein über vierzig Staaten mit diesem Symbol in der Flagge - und versucht die Entstehung dieser Symbolebene naehzuvollziehen,

indem er mögliche Beweggründe für die Aufnahme des Pentagramms in die Na¬

tionalflagge nach der vergleichsweise jungen Unabhängigkeit Marokkos ausführt.

Im fünften Kapitel werden die Gedanken zur politischen Bedeutung von Sym¬

bolen weiter ausgeführt. Hier kommt Becker auf die symbolische Ordnung als

Grundlage der Legitimation von Herrschaft zu sprechen. Dazu beginnt er mit ei-

(20)

nigen grundsätzlichen Erläuterungen über die religiöse Legitimation der Macht im Islam, die er anschließend für das ältere Marokko und detaillierter noch für das Marokko des 20. Jahrhunderts belegt, wobei er die Besonderheiten einzelner Herrschaftsetappen berücksichtigt.

Ein letztes Kapitel faßt die Ergebnisse der Arbeit zusammen und formuliert Beckers Schlußfolgerungen: In seinen teilweise widersprüchlichen Bedeutungen

weist das Pentagramm immer auf die gemeinsamen Grundlagen menschlicher Ge¬

meinschaft und fördert damit soziale Einheit. Bei genauerer Analyse erweisen sich nicht die einzelnen exegetischen Bedeutungen als widersprüchlich, sondern viel¬

mehr die zugrundeliegenden Weltsichten, in deren Kontext das Symbol erklärt werden kann.

Beckers Arbeit führt den Leser in ein sehr spezielles Forschungsgebiet ein, er¬

möglicht aber anhand der veröffentlichten Materialien ein breites Verständnis weit über das thematisierte Feld hinaus. Die für das Pentagramm aufgezeigte Po¬

lysemie und die symbolische Legitimation von politischer Macht lassen sich über den bearbeiteten Bereich auf verschiedene Symbole und politische Systeme über¬

tragen. Besonders die Verdeutlichung islamischer Denkungsart und islamischer

Herrschaftslegitimation ermöglicht dem Leser mehr Verständnis für einen Be¬

reich, der noch immer vielen Mitteleuropäern verschlossen ist. Die detaillierte Be¬

schreibung der Geschichte des Pentagramms, auch unter Berücksichtigung christ¬

licher Vorstellungen, lassen den übergreifenden Charakter dieses uralten heiligen Symbols erkennen, das auch in der heutigen Zeit noch eine wichtige Rolle spielL Beckers Arbeit ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die weitreichende Übertrag¬

barkeit und Relevanz von Detailstudien. Anhand der Untersuchung dieses einen Symbols in seinem gesamtkulturellen Zusammenhang zeichnet Becker ein feines Bild von der gesamten marokkanischen Gesellschaft. Seine Ergebnisse sind über den maghrebinischen Raum in vielen Bereichen auf die gesamte islamische Welt und zum Teil auch darüber hinaus mit Gewinn zu übertragen. Die vergleichende Einbeziehung der chrisdichen Vorstellungswek, die gerade im Bereich der Magie,

wie Becker nachweist, wesentlich aus dem arabischen Raum übernommen wur¬

de, kann diesen Bereich unserer eigenen westlichen Tradition, der heute so vielen Menschen fremd geworden ist und in dem wir von unseren Wurzeln abgeschnitten wurden, näherbringen.

Dieses Buch ist empfehlenswert für alle, die sich eingehender mit der marok¬

kanischen Kultur beschäftigen möchten oder die sich vom Standpunkt der Semio¬

dk mit der symbolischen Orientierung in der Welt und ihrer Entstehung beschäfd- gen. Sie ist interessant für alle, die sich mit polidschen Strukturen im Bereich des Islams beschäftigen, und aufschlußreich für diejenigen, die sich - heute kein un¬

gewöhnliches Interesse mehr - mit westlicher wie östlicher Magie beschäftigen.

Trotz seiner wissenschaftlichen Detailfreude bleibt dieses Buch immer lesbar und

interessanL Dem von Becker beklagten Fehlen einer brauchbaren Kulturge¬

schichte des Pentagramms hat er selbst mit dieser Arbeit in wesenthchen Punkten Abhilfe geschaffen.

Andrea Blätter, Hamburg

(21)

Hu Zhen-hua, Guy Imart: Fu-Yü Girgis: a tentative description of the easternmost Turkic language. Bloomington: Indiana University. Research Institute for Inner Asian Studies 1987. 61 pages, 8° (Papers on Inner Asia No.8, ed. Yuri Bre¬

gel).

The Fu-Yü dialect of "Kirghiz" is spoken about 300 km NW of Kharbin (Man¬

churia). Its differences from Kirghiz of the Soviet Union are so considerable that the authors' designation as "the last undescribed Turkic language" is sufficiently appropriate. (Not so the term "easternmost Turkic language": the authors have overlooked Yakut.) Above all, the impact of the surrounding local languages, namely Chinese and Mongolian, and its character as a transitional link to South Siberian Turkic is remarkable. The following features may be mentioned:

(1) The consonants display an opposition p'-, t'-, k'- (only in loanwords): B-, o-, G- (mediae lenes),

(2) Final consonants are devoiced: -z > -s, -y > -x etc.

(3) Ancient Turkic -5-, 8- has become -z-, -s, as in Khakass and Yellow Uighur.

(The development of 5 is not as important as it has been presumed to be.) Cf.

azix 'foot', bos 'self, etc.

(4) y- before a nasal consonant > n- (e.g., nomurtga 'egg', näx 'cheek' < yaijaq), as in some Turkic dialects of Iran and South Siberia.

(5) The ablative suffix is -Din instead of -DAn, as in Uzbek, New Uighur and South Siberian dialects.

(6) Numerals, beginning with 'forty', are represented as 'four x ten', etc. (durdin

< tört ön), a feature also to be found in dialectal Kirghis elsewhere (Imart,

§ 1010), but above all in Yellow Uighur and South Siberian dialects.

(7) 'We went' is not bardi-q, but bardi-b'is, cf. Fundamenta 792 (Uzbek dialects, etc.).

A detailed investigation of Fu-Yü "Kirghiz" (= Khakass?, cf. Janhunen, JSFOu 82, 178) is an urgent desideratum of the future; but this first information given by the esteemed authors is highly valuable.

Gerhard Doerfer, Göttingen

David B. Honey : The Rise of the Medieval Hsiung-nu: The Biography of Liu- Yiian.

Bloomington: Indiana University Research Institute for Inner Asian Studies 1990. X, 99 S., 6 Kartenzeichnungen. Broschiert (Papers on Inner Asia No. 15;

Subseries: Ancient Inner Asia). ISSN 0893-1860.

Militärische Konfiikte, Assimilation und andere Formen der Beziehung zwi¬

sehen den Han-Chinesen und benachbarten Völkerschaften an der Peripherie der chinesischen Kerngebiete waren über Jahrhunderte hinweg historische Realität.

Zu den großen Volksgruppen, die in der Geschichte eine erhebliche Rolle spiel¬

ten, gehörten die Hsiung-nu im Nordwesten Chinas. Wesentlich seit der Zeiten¬

wende, zur Han-Zeit, waren sie in zwei große Gruppierungen geteilt, deren süd¬

liche innerhalb der chinesischen Grenzen siedelte. Die südlichen Hsiung-nu ha¬

ben sich im Lauf der Geschichte an das han-chinesische Umfeld angepaßt. Zu

den chinesischen Methoden der Kontrolle dieses ursprünglich nomadischen Vol-

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