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(infirmen) Verben des Akkadischen wer¬ den in der traditionellen Akkadistik weitestgehend auf zweiradikalige Wurzeln zurückgeführt

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(1)

Die inßrmen Verben des Akkadischen*

Josef Tropper, Berlin

1. Einleitung

Die sogenannten „schwachen" (infirmen) Verben des Akkadischen wer¬

den in der traditionellen Akkadistik weitestgehend auf zweiradikalige

Wurzeln zurückgeführt. Die Biradikalismus-These in der Akkadistik

ist im wesentlichen zurückzuführen auf Theorien der vergleichenden

(hamito-)semitischen Sprachwissenschaft, die in der ersten Hälfte und

Mitte dieses Jahrhunderts Konjunktur hatten und für die infirmen Ver¬

balklassen der gesamten hamitosemitischen Sprachgruppe eine ursprüng¬

lich zweiradikalige Wurzelstruktur postulierten.' Auf diesem Hinter¬

grund erwartete man vom Akkadischen als der frühesten überlieferten

semitischen Sprache eine besonders ausgeprägte Biradikalität. Gleich¬

wohl bietet der synchrone Formenbefund der infirmen Verben des Akka¬

dischen nicht mehr Anlaß für eine zweiradikalige Erklärung als etwa der

entsprechende Formenbefund des Klassischen Arabisch oder des Alt¬

hebräischen.

Als die wohl wichtigsten Vertreter der Biradikalismus-These in der jün¬

geren Akkadistik sind von Soden (GAG) - wesentlich beeinflußt durch

seinen Lehrer B. Landsberger - und Kienast (1962) zu nennen. Dabei

ist zu betonen, daß von Soden eine zwar uneinheitliche, aber doch insge¬

samt vorsichtige Haltung in dieser Frage einnahm. So betrachtete er in

GAG Formen der Wurzelklassen I/II/IIl-w/j nur teilweise als zweiradika-

lig, ohne diesen Begriff explizit zu verwenden.^ Demgegenüber vertrat

* Ich danke Frau Dr. E. Cancik-Kirschbaum (Berlin), Herrn K. Metzler (Mün¬

ster), Herrn Dr. M. P. Streck (München) und Herrn Prof Dr. R. Voigt (Berlin) für

viele wertvolle Hilfestellungen bei der Abfassung dieses Artikels.

' Siehe insbesondere Botterweck (1952).

2 Im Falle der fientischen Verben der Klasse l-w spricht er von einem „Wurzel¬

augment w" (GAG § 103f U.Ö.). Die Wurzelklasse U-w/j, die er als „hohle Wurzeln"

bezeichnet, sind seiner Ansicht nach „zweikons. Wurzeln mit einem langen Vokal

zwischen den Konsonanten" (GAG § 104a). Die Wurzelklasse Ill-w/j schließlieh

hätte „zwei Konsonanten und als 3. Radikal einen langen Vokal" (GAG § 105a).

(2)

Kienast (1962) mit Nachdruck die Auffassung, daß im Akkadischen -

deutlicher als in allen anderen semitischen Sprachen - eine klar abgrenz¬

bare Gruppe von zweiradikaligen Verben auszumachen sei, deren Formen

einem spezifischen Flexionsschema folgen, daß somit im Akkadischen von

einem festen „System der zweiradikaligen Verben" gesprochen werden

könne.

Die heute in der Akkadistik weitverbreitete Biradikalismus-These hat

jedoch nicht zu besseren oder einheitlicheren Erklärungsmodellen für die

Paradigmen der infirmen Verben geführt. Da viele darin enthaltene For¬

men mehr als zwei Konsonanten oder sonstige Affinitäten zum Paradigma

der starken Verben aufweisen, muß je nach Wurzelklasse mit „Wurzel¬

augmenten", „Vorschlagvokalen" oder „Angleichungen und Analogien

verschiedener Art" mit der Tendenz, die betreffenden Formen „in das

System der Triliterae zu zwängen"^, operiert werden. Als besonders ver¬

wirrend für das synchrone Verständnis der Paradigmen der infirmen Ver¬

ben erweisen sich a) die Unterscheidung von (dreiradikaliger) „Wurzel"

und (zweiradikaliger) „Basis"* und b) die - auf (sehr zweifelhaften) sprach¬

vergleichenden Thesen gründende - Unterscheidung zwischen „eigent¬

lich" dreiradikaligen Wurzeln mit schwachen bzw. zweikonsonantischen

Bildungen einerseits und „eigentlich" zweiradikaligen Wurzeln/Basen mit

dreikonsonantischen Bildungen andererseits.^

Es ist das Verdienst von Voigt (1988, bes. S. 47-97), die Schwach¬

punkte und logischen Widersprüche eines universalen Biradikalismus im

Hamitosemitischen herausgestellt zu haben. Die zwei wichtigsten Ergeb¬

nisse seiner Studie lauten: 1. Der Befund der sogenannten hamitischen

Sprachen spricht nicht gegen, sondern im wesentlichen für die Dominanz

dreiradikaliger Wurzeln im Semitischen. 2. Die infirmen Wurzelklassen

des Typs l/ll/lll-w/j sind - sowohl im Semitischen als auch in den soge¬

nannten hamitischen Sprachen - als dreiradikalig zu betrachten. Es gibt

somit keine diachronen Einwände gegen eine dreiradikalige Behandlung

akk. Verbalformen I/Il/lH-w/j.

3 Kienast (1962), S. 148.

* Siehe etwa Hecker (GKT § 93c): „Die Wurzel der Verba I w ist durch Aug¬

mentation einer zweikonsonantischen Basis entstanden. Die Flexion des G-Stam-

mes geht teils von der Wurzel und teils von der ursprünglichen Basis aus."

5 Zur ersteren Gruppe werden die Verben und die Verben I-j gezählt

(siehe GKT § 93a: „Die Verba lj gehören eigentlich noch zu den starken Verben.

Das Jod ist aber überall geschwunden."). Zur letzteren Gruppe zählen etwa die

Verben l-n (siehe GKT § 92a: „Die Verba l-n gehören bereits zu den schwachen

Verben, ihre Wurzel ist zumeist durch Augmentierung einer ursprünglich zwei¬

konsonantischen Basis entstanden.").

(3)

Daß eine dreiradikalige Betrachtungsweise der genannten Wurzelklas¬

sen des Akk. möglich ist, hat neuerdings Buccellati (1996) exemplifi¬

ziert. Buccellati, der im wesentlichen synchron argumentiert, bringt

damit zum Ausdruck, daß ein dreiradikaliges Erklärungsmodell besser als

ein zweiradikaliges geeignet ist, den synchronen Formenbefund der infir¬

men Wurzelklassen des Akk. zu verstehen.

In den nachfolgenden Ausführungen werden alle infirmen Wurzelklas¬

sen als dreiradikalig betrachtet. Es werden ausgewählte, schwierige For¬

men der Wurzelklassen I/II/lII-w/j unter Einbeziehung von l-n und

I/II/I11-' behandelt und auf der Basis von „Grundformen" der starken

Wurzelklasse erklärt. Herleitung und Bewertung der Formen fallen im

einzelnen anders aus als in GAG oder bei Buccellati (1996). Die dabei

zugrundegelegte Methodik richtet sich nach Voigt (1988). Sie hat sich bei

der Erklärung infirmer Verbalformen des Klassischen Arabisch bewährt

und kann ohne sachliche Modifikationen auch auf das Akkadische ange¬

wandt werden.

Der Artikel baut wesentlich auf den relevanten Ausführungen von GAG

auf und setzt sich mit diesen kritisch auseinander. Diese Vorgehensweise

erscheint uns didaktisch zweckmäßig und wissenschaftlich legitim, weil

GAG jüngst in einer neuen (dritten) Aufiage publiziert wurde und nach

wie vor die einzige umfassende und zugleich am meisten benutzte Gram¬

matik der akkadischen Sprache darstellt. Neue, inhaltlich von GAG

abweichende Darstellungen - etwa die Ausführungen Buccellatis

(1996) - werden aber in der Diskussion berücksichtigt.

2. Wurzelklasse l-w/j unter Einbeziehung von l-n und I-'

2.1 Präteritum und Präsens G

Die fientischen Veben der Wurzelklasse l-w (besser: I-m)^ zeichnen sich

dadurch aus, daß Prät. und Präs. G mit /ü/ anlauten. Hier wird folgende

Ableitung dieser Formen vorgeschlagen (Verb wabälum 'tragen, brin¬

gen'):

^ Das Symbol „u" ist besser als „w" geeignet, den halbvokalischen Charakter des

betreffenden Phonems zum Ausdruck zu bringen, das je nach Silbenposition ent¬

weder als (bilabial artikulierter) Konsonant (= /u/) oder als Vokal (= /u/)

erscheinen kann. In Entsprechung dazu wird hier für analytische Umschreibun¬

gen anstelle von „j" das Symbol „i" verwendet. Es wäre an sich zweckdienlich, von Wurzelklassen „I/II/III-m/|" zu sprechen. Lediglich aus konventionellen Gründen wird hier die Terminologie „I/II/III-w/j" beibehalten.

(4)

Prät.: *(i)aubil > öbiP bzw. übil (PI. ölüblü, ölübilü)

Präs.: *{i)auabbal > *aubbal > *ölübbal ( > obbal bzw. ubbal)^

Hervorzuheben ist die Tatsache, daß sich die genannten Formen nur

unter Ansetzung von Präfixen mit Grundvokal /a/, d. h. *ia- (3. sg./pl.),

*ta- (z. B. Prät. 2. m. sg. töbil < *taubil), *'a (Prät. I. sg. öbil < 'aubil) und

*na- (Prät. 1. pl. nöbil < *naubü), erklären lassen. Ginge man im Einklang

mit dem Paradigma der starken Verben und anderer Wurzelklassen -

außer bei den 2. Personen und der 1. Person sg. - von Präfixen mit Grund¬

vokal /i/ aus, würde man zu Endformen wie ibil < *{i)iubil (Prät. 3. m.

sg.) gelangen."

Hier wird der erste Vokal des Prät. im Einklang mit GAG als lang ange¬

setzt und diachron auf einen Diphthong /au/ zurückgeführt: ölübil <

*(i)aubil. Gegen diese Annahme scheint zu sprechen, daß in Formen mit

vokalisch anlautender Endung der Vokal der zweiten Silbe nach Ausweis

der Orthographie meist synkopiert wird (posttonische Vokalsynkope):

ölüblü < *ölübilü. Da im Akk. in der Regel'^ ein unbetonter Vokal in

einer kurzen offenen Silbe nur dann synkopiert wird, wenn der betreffen¬

den Silbe eine ebensolche vorausgeht, haben Huehnergard (1987),

' Laut GAG gibt es im Akk. kein Phonem /o/. Anstelle von o wird immer u

umschrieben. Demgegenüber hat Westbnholz (1991) neuerdings überzeugende

Argumente für die Existenz eines Phonems /o/ bzw. Allophons [o] im Akk. vorge¬

bracht, wobei er sich vor allem auf aB-Texte aus Nippur einerseits und griechi¬

sche Umschreibungen von spB-Wortformen andererseits stützt. Das Ergebnis sei¬

ner Studie lautet: "It seems more than likely, then that u and were both used

to denote [o], while ü is [u], that ü became ö next to r and h, that 6 was the out¬

come of heterosyllabic a + u, or e < a + u, that therefore we have to reconstruct the infinitive of verba III inf as qaboni, petom, etc., and that therefore this 6 was

phonemically distinct from m since we would have a minimal pair in nadom 'to

throw' < nadäum vs. nadüm 'thrown' < nadium" (S. 17 f). Da sich die genannte

These in der Akkadistik noch nicht allgemein durchgesetzt hat und da signifi¬

kante Schreibungen für /o/ auch nicht in allen Dialekten des Akk. nachweisbar

sind, werden hier Umschriften mit /o/ und /u/ nebeneinander präsentiert.

8 Man beachte jedoch, daß in aB-Zeit Schreibungen wie ü-ub-ba-al bzw. ü-ub-

ha-lam bezeugt sind. Sie können als Hinweis darauf gewertet werden, daß der

Vokal der ersten Silbe aB noch lang ist (siehe Knudsen [1986], S. 730).

8 Typologische Parallelen zu diesem Befund liefert das hebr. Verbalparadigma:

So lautet etwa das Perfekt Hif'il (3. m. sg.) beim starken Verb hiqtil, bei Verben

l-w dagegen höilb < *hausib {^wsb 'sitzen'). Das Imperfekt Qal (3. m. sg.) beim

starken Verb lautet jiqtöl < *jiqtulu, die analoge Form bei Verben II-w dagegen

jäqüm < *jaqümu (vergleichbarer Befund in der Wurzelklasse ll-gem. [jasöb <

*jasubbu]; vgl. auch jösep < *jausipu [Vwsp Imperfekt Qal; dazu GBH § 75f]).

Zu (möglichen) Ausnahmen vgl. aber GAG § 12f

(5)

S. 191-193, und Teste (1994), bes. S.429, mit unterschiedlichen Argu¬

menten die Auffassung vertreten, daß der erste Vokal in der betreffenden

Form, tatsächlich kurz sei. Diese Einwände sind jedoch nicht zwingend,

zumal aAK/aB-Schreibungen wie u-ub-lu und u-ub-lam von einer Länge

des ersten Vokals und (dennoch) von einer Synkope des folgenden Vokals

zeugen dürften''. Im übrigen ist es auch denkbar, daß der zweite Vokal

gar nicht ganz elidiert, sondern zu einem Murmelvokal reduziert wird,

was das Nebeneinander von Orthographien mit zweitem und ohne zweiten

Vokal erklären könnte. Mit anderen Worten: u-ub-lam könnte für

/öbglam/ bzw. /übalam/ stehen.'^

Im Präs./Prät. G der Wurzelklasse I-j (besser: ist - im Gegensatz zur

Wurzelklasse \-w - bei den 3. Personen und der I. Person pl. von Präfixen

mit Grundvokal /i/ auszugehen (Paradigmenverb enequm, 3. m. sg.): iniq

< *(i)iiniq (Prät.); innig < *lnniq < *ii{e)nniq < *{i)iianniq (Präs.).'^

" Zu dieser Auffassung siehe auch Knudsen (1986), S. 730. Für eine Länge der

ersten Silbe spricht auch die Tatsache, daß diese offensichtlich den Wortakzent

trägt.

'2 Kienast (1962), S. 145, unterscheidet aufgrund des Nebeneinanders von For¬

men mit und ohne Synkope des zweiten Vokals beim Prät. G fientischer Verben

l-w zwei Präfixklassen, eine „Kurzpräfixklasse" ubil und eine „Langpräfixklasse"

übil. Daran schließt Kienast folgende weitere Überlegungen an: „Da die Formen

der Kurzpräfixklasse sich lautgesetzlich nicht aus denen der Langpräfixklasse

ableiten lassen, sind in ihnen alte biliterale Bildungen zu sehen; ubil ist also aus

*jabil entstanden und jsem. [= jungsemitisch] etwa mit arab. jalid zu verglei¬

chen." Diese Darstellung ist nicht überzeugend. Zum einen deutet bei ülubil

nichts auf eine zweiradikalige Basis hin, da der Anlautvokal /u/ ganz offensicht¬

lich ein Reflex des ersten Radikals der Wurzel ist (Kienast [1962], S. 145 f , ver¬

sucht die Herkunft des /u/ durch Angleichung an den Kausativstamm zu erklä¬

ren; zu Argumenten gegen diese Annahme siehe aber Voigt [1988], S. 117, Anm.

11, und S. 167). Zum anderen erlauben die erwähnten Synkopeerscheinungen

gewiß nicht den Rückschluß auf zwei morphologisch getrennte Präfixklassen beim

Prät. G, die in keiner anderen Wurzelklasse des Akk. und ebensowenig in anderen

semitischen Sprachen nachweisbar sind. - Ähnlich wie Kienast (1962), S. 145,

argumentiert Buccellati (1996), S. 252-254. Er führt das Prät. ubil/ublü (Vari¬

ante mit Vokalsynkope) ebenso wie das Präs. ubbal und den Imp. bil auf ein bi-

radikaliges Subsystem innerhalb des Paradigmas l-w zurück, wohingegen er das

Prät. ubil/uhilü (Variante ohne Vokalsynkope), den Prekativ llbil/libilü (ohne

Vokalsynkope) und das Perf ittabal als dreiradikalige Bildungen betrachtet. Man

beachte, daß Buccellati nur hier zweiradikalige Bildungen postuliert. Alle son¬

stigen Formen schwacher Wurzelklassen werden durchgehend als dreiradikalig

erklärt.

'3 Gegenüber 1. c. sg.: eniq < *'ainiq (Prät.); enniq < *enniq < *'ai(e)nniq <

*'aianniq (Präs.). Die Zustandsverben l-w folgen formal dem Paradigma der Ver¬

ben I-j (zu diachronen Erörterungen dazu siehe Testen [1992]).

(6)

Auch bei den entsprechenden Formen der Wurzelklasse 1-' ist von Prä¬

fixen mit Grundvokal /i/ auszugehen (Paradigmenverb 'akälum [I-',], 3.

m. sg.): ikul < *{i)i'kul (Prät.); ikkal bzw. ikkal^* < *(i)i'akkal (Präs.).'^

2.2 Imperativ G l-w und l-j

Der Imp. G (m. sg.) der Wurzelklasse I-w (Handlungsverben) ist einsilbig,

z. B. bil {wabälum). Da bil und analoge Formen keinen Reflex des ersten

(schwachen) Radikals aufweisen, wurden sie wiederholt als Beweis für

eine angebliche zweiradikalige Basis dieser Verben angeführt.Diese

Argumentation ist jedoch angesichts der Tatsache, daß bei der Wurzel¬

klasse l-j (z. B. eniq) sehr wohl ein Reflex des ersten Radikals vorhanden

ist, von vornherein wenig überzeugend. Es gilt jedoch zu klären, warum

die Wurzelklassen l-w und I-j bei der Bildung des Imp. G verschiedene

Wege gehen.

Die Form eniq {enequm) ist gewiß auf *i{d)niq zurückzuführen und

stimmt damit typologisch mit der für die starke Wurzelklasse anzusetzen¬

den Grundform des Imp. G *prVs überein. In Analogie zu eniq wäre in der

Wurzelklasse l-w an sich eine Form *ubil < *u{9)bil zu erwarten. Eine sol¬

che Form hatte aber offenbar keinen Bestand, weil hier der Vokal der

ersten Silbe mit dem der zweiten Silbe, der bei allen Verben l-w /i/ lau¬

tet, qualitativ nicht übereinstimmte. Aufgrund dieser Diskrepanz konnte

eine Aphärese der Anlautsilbe eintreten: *u{d)bil > bil.^''

In aB-Zeit wird der Anlaut in der Regel plene geschrieben, d. h. i-ik-ka-al.

Diese Orthographie kann als Hinweis auf einen (aB noch vorhandenen) Langvokal

verstanden werden (siehe Knudsen [1986], S. 730).

'5 Gegenüber 1. c. sg.: äkul < *'a'kul (Prät.); akkal < *äläkkal < *'a'{a)kkal

(Präs.). Die entsprechenden ass. Formen haben in den 3. Personen und der 1. c.

pl. /e/; z. B. Prät. 3. m. sg. ekul. Mit GAG § 97c ist ekul ebenso wie das bab. Pen¬

dant von *i'kul abzuleiten; es liegt ein spezifisch ass. Lautwandel *i' > e vor (GAG

§ 24e; GKT § 16c).

16 So auch Buccellati (1996), S. 252 f

" Bei den Imperativen aller Wurzelklassen des Akk. stimmt der Vokal der

ersten Stammsilbe mit dem der zweiten in der Regel überein, da ersterer ein ana¬

ptyktischer, zur Aufspaltung einer wortanlautenden Doppelkonsonanz dienender

Murmelvokal ist. Er paßt sich in seiner Qualität dem folgenden Vokal an (Vokal¬

harmonie). Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: 1. Bei Stammvokal /a/ lautet der Prä¬

fixvokal (erwartungsgemäß) meist /i/ (= /a/) (z.B. limad < *hmad < *lmad

'wisse!'), selten /&/ (z. B. sabat < *sdbat < *sbat 'packe!'; siehe Knudsen [1986], S.

725: "the type limad should be accorded the status ofa basic type, whereas the

type sabat should be relegated to an exception"; Imperative mit Präfixvokal /a/

fmden sich außer bei sabätum [emphatischer erster Radikal!] nur noch bei

mal}äsum, sa'älun, sa'ämum. [Wurzeln ll-laryngalis] sowie bei tabälum, takälum

(7)

2.3 Imperativ G l-n

Auch die Wurzelklasse l-n besitzt eine zweisilbige Bildung des Imp. G,

z. B. uqur (naqärum) bzw. ikis {nakäsum). Von Soden (GAG § 102 f) und

andere Autoren vertraten die Ansicht, daß hier „durch Vorschlag des

Wurzelvokals i bzw. u {a ist nicht bezeugt) eine teilweise Angleichung an

das starke Schema erfolgt", uqur bzw. ikis wären also sekundär aus *qur

bzw. *kis entstanden. Diese Erklärung ist aber sprachhistorisch nicht

plausibel. Wahrscheinlich sind uqur bzw. ikis vielmehr aufdie Grundfor¬

men *nqur und *nkis zurückzuführen, wobei der Sonant /n/ = [n]'** hier

silbenbildend („silbisch") fungiert: *nqur > dqur = uqur und *nkis > dkis

= ikisf^

Als Hauptargument für eine ursprünglich einsilbige Imperativbildung

der Wurzelklasse l-n wird in GAG § I02fj die ass. Form din 'gib!' an¬

geführt, die neben bab. idin bezeugt ist.20 Diese Form din ist jedoch

(Imp. takal und tikal) und tamä'um [Wurzeln \-t]). 2. Bei Imperativen der Wurzel¬

klasse I-' ist der Vokal der ersten Stammsilbe kein Murmelvokal, sondern ein

Vollvokal (bei I-',_2 /a/, sonst /e/), der als solcher weder von Vokalharmonie noch

von Aphärese (wie *ulobil > bil) betroffen ist, z. B. akul < *'dkul < *'kul 'iß!'

(nicht: akul < *ukul [damit gegen GAG § 97d]). Man beachte hier jedoch die Aus¬

nahme ubui 'vernichte!' (Atr. III i 22 [siehe GAG § 97d'*]). Diese Form ist gewiß

nicht „fehlerhaft". Die /u/-Qualität des Anlauts ist auf den folgenden labialen Verschlußlaut /b/ zurückzuführen: *'but > *'dbut > ubui.

„n" wird hier als Symbol für silbenbildendes /n/ gebraucht.

'8 Weitere Belege für dieses Phänomen eines „silbischen" /n/ sind: a)

Imp. /Inf/Stat. Ntn itaprVs beruhen auf einer Grundform *nlanprVs = *ntanprVs

(> *dtanprVs > *itanprVs > HtapprVs > ilaprVs). Eine Herleitung von

*nila(n)pralis (so GAG § 33b) ist abzulehnen, da ein Lautwandel *nit > il (im

Anlauti phonetisch nicht plausibel ist. b) Imp. /Inf/Stat. Gt und Gtn der Wurzel¬

klasse I-M (Verben naqärum bzw. nakäpum): Gtn *nlanqVr > *dtanqVr > *ilanqVr

> ilaqqVr ; Gt *nlakup > *dtakup > *itakup > itkup bzw. (bei Vorhandensein einer

vokalischen Endung) auch *ntakupum > *dtakupum > *ilakupum > ilakpum (aA,

archaisch-aB).

2" In GAG § 102f werden in diesem Zusammenhang ferner die Formen dl 'leg

hin!' und Sl'ä 'bringt!' genannt. Beide beruhen jedoch auf falscher Interpretation

(Korrektur in GAG § 102f'*). Erwähnenswert ist aber die außergewöhnliche aA-

Form hi-da-ma 'gebt acht!' (nahl'ädum), an deren Korrektheit in GKT, 154, Anm.

1, gezweifelt wird. Ein Fehler für <i>-hi-da-ma ist zwar nicht auszuschließen,

doch dürfte die Form eher von einer Aphärese der Anlautsilbe zeugen: *ihlhidä-

ma > hihidä-mä. Man beachte, daß eine mit Aleph bzw. vokalisch eingeleitete

offene unbetonte Anlautsilbe gerade vor /h/ bzw. /h/ im Semitischen häufig

schwindet: z. B. aram. had < *'ahad 'eins', aram. hräjä < *'ahVrajä 'der letzt(er)e'

(und andere Derivate derselben Wurzel), hebr. hidä < *'ahldä 'Rätsel' und PN

hlröm < *'aliiräm.

(8)

nicht - wie GAG vorschlägt - von dem Verb nadänum, sondern von

*wadänum abzuleiten und stellt auf dieser Basis eine vollkommen regel¬

mäßige Bildung dar (vgl. Imp. G bü zu wabälum). Die Ansetzung eines

(hypothetischen) Verbs *wadänum für das Ass. wird gestützt a) durch den

sprachvergleichenden Befund (vgl. ugaritisch/phönizisch/punisch Vj<n <

*wtn 'geben') und b) durch das vorwiegend ass. - aber bisweilen auch

bab.21 - bezeugte Sekundärverb tadänum (GAG § 102m), das nur aufder

Grundlage eines Primärverbs *wadänum verständlich ist. 22 Der bab.

bezeugte Imp. idin 'gib!' ist demgegenüber aufder Basis des (typologisch

sekundären^s) Verbs nadänum (regelmäßig) gebildet (vgl. Imp. ikis zu

nakäsum).

2.4 Perfekt G und Präteritum Gt

Das Perf G = Prät. Gt der Wurzelklasse l-w (Handlungsverben, 3. m. sg.)

lautet aAK itbal, ab aB in der Regel aber ittabal.^*

Die ältere Form itbal läßt sich wie folgt erklären: *(i)iutabal^^ > *illta-

6a/26 > *ilitbal (Vokalsynkope^'') > itbal^^. Die (schon aAK) bezeugte Ober¬

flächenform itbal ist formal identisch mit einem Prät. G der Wurzelklasse

1-t (Vokalklasse a/a). Möglicherweise liegt hier die eigentliche Ursache

für die ab aB Zeit bezeugte Herausbildung von Sekundärverben mit /t/

2' Siehe AHw. 1300a, sub tadänu{m), Nr. 4 (aB ta-ad-na-at [YOS 2, 104, 26] ist

laut Kopie gesichert).

22 Vgl. andere Sekundärwurzeln zu Wurzeln l-w wie tabälum, tamüm, tarüm,

takälum und ta,4äbum (vgl. § 2.4).

23 Akk. nadänum erweist sich - ebenso wie hebr./aram. ntn - schon allein

durch seine an sich inkompatible Wurzelstruktur (Radikal 1=3) als sekundär.

2* Siehe GAG § 103g; (nur) bei wabälum gibt es in aB-Zeit beide Bildungstypen nebeneinander.

25 Der zugrundeliegende Präfixvokal muß hier und im gesamten Gt-/Gtn-

Stamm - anders als im Präs. und Prät. (vgl. § 2.1) - /i/ lauten.

26 Es ist ungewiß, ob der Diphthong *iu im Akk. regulär zu /i/ kontrahiert (ver¬

gleichbar mit *ii > i). Eine Entwicklung zu /!/ - möglicherweise unter dissimila-

torischer Ausstoßung des /u/ - ist ebenso zu erwägen. Die Ausführungen von GAG

§ 21 f führen in dieser Frage nicht weiter.

2' Eine Entwicklung *itabal > itbal wäre lautgesetzlich unmittelbar plausibel,

eine Entwicklung *Uabal > itbal wäre dagegen unregelmäßig (vgl. hierzu auch

§ 2.1). Zu anderen unregelmäßigen Vokalsynkopen vgl. GAG §§ 12f 102k, 106n

und 107c (z. B. tatnaddan < *tattanaddan und itnazzaz < *ittanazzaz).

2* Die hier verwendeten Normalisierungen spiegeln die Auffassung wider, daß

Langvokale in einer geschlossenen, nicht-wortauslautenden Silbe im Akk. gekürzt

werden. Die Problematik ist allerdings komplex und bisher nicht endgültig gelöst;

zur Diskussion siehe Knudsen (1986), S. 728-730.

(9)

als erstem Radikal zu einer Reihe von Verben l-w (z. B. tabälum, tamüm,

tarüm, takälum, tasäbum [GAG § 103d]; auch ass. tadänum 'geben'^"

gehört hierher).*o Die genannte Entwicklung war wohl deshalb so produk¬

tiv, weil die betreffenden Verben l-w (wie etwa wabälum) von Hause aus

sehr häufig im Gt- Stamm gebraucht worden waren.

Die jüngere Form ittabal - vgl. auch Präs., Perf, Prät. und Ptz. Gtn.

[ittanabbal, ittatabal, ittabbal und muttabhil) - dürfte wie folgt entstan¬

den sein: *(i)iutabal > *ittabal (regressive Assimilation von /u/). Zur

ungewöhnlichen Bildung mit /tt/ ist auf den vergleichbaren Befund im

Arab, zu verweisen. 3'

2.5 Stark gebildete D-Formen l-w

Verben l-w werden im D-Stamm aB sowie auch m/spB überwiegend

stark, d. h. mit konsonantischem /w/, flektiert. Hervorzuheben sind For¬

men mit intervokalischem /w/, nämlich Präs. uwassar, Prät. uwaSser und

Ptz. muwassirum {wasärum D 'losschicken'). Die Bewahrung des /w/ ist

hier eindeutig durch den jeweils vorausgehenden, für D charakteristi¬

schen Präfixvokal /u/ bedingt. Da /u/ nur auf /w/ konservierend wirken

kann, werden die entsprechenden Formen l-j überwiegend schwach gebil¬

det, sofern /j/ nicht zu /w/ umlautet (siehe GAG § lOSr): Präs. ussak (<

*uiassak)\ Prät. ussik (< *uiassik); Ptz. mussikum (< *muiassikum)

{esekum D 'zuteilen').

2.6 Präsens §, &t, Stn und Ntn

Die Präsensformen §, §t, Stn und Ntn der Wurzelklassen l-w/j und 1-'

können nur auf der Basis von Grundformen des Typs *usaparras, *uSta-

parras, *ustanaparras und *ittanaparras erklärt werden. Auch die ent¬

sprechenden Formen der starken Wurzelklasse sind sehr wahrscheinlich

auf ebendiese Grundformen zurückzuführen (z. B. Präs. § usapras < *usa-

parras; vgl. Präs. Ötg uStaparras), ist doch die Gemination des mittleren

28 Grundwurzel *wadänum (siehe §§ 2.3 und § 2.8).

3u Das Phänomen von Sekundärwurzeln \-t neben Primärwurzeln I-w ist im übri¬

gen nicht auf das Akk. beschränkt. Auch im Arab, gibt es vergleichbare Fälle:

z. B. ~itqj '(Gott) fürchten' neben ^wqj I. 'behüten, bewahren', VIII. 'sich hüten, (Gott) furchten'; -^Ik' IV. 'stützen (lassen)' neben '•iwk' V./VIII. 'sich stützen/leh¬

nen'; "^thm I./VIII. 'Magenverstimmung haben' neben gleichbedeutendem ^whm

l./VIII. Der Grund für dieses Phänomen liegt in der Bildung des VIII. Stamms der

Wurzelklasse l-w mit /tt/, z. B. {'i)ttaqä {^wqj VIIL, formal identisch ^tqj VIII.).

3' Auch im arab. VIII. Stamm der Wurzelklasse l-w tritt - wie in akk. ittabal -

„tt- an Stelle von *wt-" (GKA § 242b), z. B. (')ttaqä '(Gott) fürchten' (^iwqy).

(10)

Radikals - typologisch betrachtet - das Charakteristikum des akk. Präs.

schlechthin. Die bab. Formen l-w (wabälum) sind demnach wie folgt ent¬

standen: Ö *(i)usauabbal > *usäbbal > usahbaP^; §t *(i)ustauabbal >

*ustäbbal > ustabbal; Stn *(i)ustanauabbal > *ustanäbbal > ustanabbaP^;

Ntn *(i)ittanauabbal > *ittanäbbal > ittanabbal.

Die Formen der Wurzelklassen I-j und 1-' sind analog zu erklären, z. B.

*usaiannaq > *usännaq > usenneq (enequm [e-Klasse]) bzw. *usa'akkal >

*usäkkal > usakkal (akälum).^*

Die Annahme, daß die betreffenden Formen sekundär und „solchen von

primae nün analog nachgebildet sind"^''' (vgl. usaqqar < *usanqar etc.), ist

somit unnötig. Sie ist von vornherein schon deshalb wenig wahrschein¬

lich, weil alle übrigen S/Öt/Stn/Ntn-Formen l-w/j/' eindeutig nicht nach

Analogie der Wurzelklasse l-n gebildet werden. Warum sollte etwa das

Präs. Ö von akälum (usakkal) der Wurzelklasse l-n folgen, wo doch das

Prät. S usäkil lautet und - geht man von einer Grundform usapras für das

&-Präs. aus - in Opposition dazu problemlos eine Form *usäkal hätte

gebildet werden können?

2.7 Präteritum S

Für das Prät. § der Wurzelklasse l-w sind bab. nebeneinander zwei Bil¬

dungen bezeugt, nämlich usübil und usäbiP'^. Die erste Bildung ist nur

aAK und archaisch-aB bezeugt und somit eindeutig älter. Ihre Entstehung

ist transparent: (i)usaubil > uäöbil = usübil. Die jüngere Form uMbil

dürfte sekundär und in Analogie zum Präs. usabbal bzw. zur Form usa-

pris/usäkil in anderen Wurzelklassen entstanden sein (siehe GAG §

I03u). Daneben läßt sich - vornehmlich im Ass., teilweise aber auch im

Bab. - eine Flexion der Verben l-w nach dem Paradigma l-j nachweisen :

*(i)us'aibil > usebil (siehe GKT § 93g).

32 Vokalkürzung in geschlossener Silbe.

33 Siehe CAD A/1, 10b; die Normalisierung uStänabhal (so GAG, Parad. 25) ist

nicht korrekt.

3* Die ass. Formen l-w/j lauten anders, wobei die Verben I-w; wie I-j behandelt

werden: z. B. Präs. S *{i)uSaiäbbal > *usäibbal (Vokalsynkope, verbunden mit

einer Akzentverlagerung) > *usebbal > usehhal.

35 Edzard (1996, 24). Vgl. auch ebd., Anm. 43: „akälu § Präsens uSakkal nicht

etwa < *usa'kal, sondern analog zu nadänu § Präsens uSaddan. Entsprechend zu

erklären auch wabälu § Präsens usabbal. War nun erst einmal usakkal entstan¬

den, so ließ sich davon ohne weiteres ustanakkal weiterbilden."

36 Die Form uiäbil begegnet - selten - auch assyrisch (siehe GKT § 93h).

(11)

2.8 Die Wurzel für „geben" im Assyrischen: wl tadänum

Laut GAG § 102h und Parad. 21b lautet das Präs. G von nadänum 'geben'

im Ass. iddan, taddan (etc.). Die betreffenden Formen gelten als .unregel¬

mäßig. Regelmäßig gebildet müßte das Präs. entweder im Einklang mit

dem bab. Befund inaddin oder im Einklang mit dem aAK Befund inaddan

lauten. 3'

Da es im Akk. kein Lautgesetz gibt, das eine Verkürzung einer Form

*inaddan zu iddan erklären könnte, dürfte ass. iddan gegen GAG nicht

von dem Verb nadänum abzuleiten sein. In Frage kommen stattdessen a)

eine Bildung auf der Basis der Wurzelvariante tadänum (siehe ebenfalls

§ 2.3) oder b) eine analoge Neubildung zum Prät. iddin. Da im Ass. auch

andere Formen des Paradigmas für „geben" (ausschließlich) auf der

Grundlage von tadänum gebildet werden (Stat. G tadin und Inf G

tadänum), ist die erstere Möglichkeit aus methodischen Gründen vorzu¬

ziehen.

Eine Ableitung des ass. Präs. G für „geben" von tadänum könnte fiir die

2. m. sg. = 3. f sg. wie folgt aussehen: *tataddan > taddan (haplologische

Silbenellipse *tata > ta^^, motiviert durch die überaus häufige Verwen¬

dung dieses Verbs). In Analogie zu taddan (2. m. sg./3. f sg.), taddini <

*tataddani (2. f sg.) und taddanä < *tataddanä (2. c. pl.) wären in der

Folge die restlichen Formen des Präs. G ebenfalls verkürzt worden (z. B.

3. m. sg. iddan < *iitaddan).

Viele Formen des ass. Paradigmas für „geben" gehen mit bab. Formen

konform und werden deshalb traditionell auf nadänum zurückgeführt.

Sämtliche Formen lassen sich aber auch auf der Grundlage von tadänum

erklären: Prät. G iddin < *{i)itdin, Perf G ittadin < *{i)ittadin (analog

alle Gt-, Gtn-Formen), Präs./Prät. S usaddalin < *{i)usatdalin (analog alle

anderen S-Formen).

Aus diesem Befund folgt, daß ein Verb nadänum im Ass. nicht existiert.

Das gesamte Paradigma für „geben" wird im Ass. - abgesehen vom Imp.

din (*wadänum; siehe § 2.3) - vom Sekundärverb tadänum aus gebildet.

3' Tatsächlich sind ass. Bildungen dieses Typs auch belegt (vgl. aA inaddin und

anaddan [GKT § 100b]). Sie werden jedoch gewöhnlich als „Babylonismen" inter¬

pretiert.

3s Silbenellipsen dieser Art sind beispielsweise im Arab, sehr häufig, z. B.

tata'allamu > ta'allamu bzw. tatanäwamu > tanäwamu (Imperfekt V./VI.

Stamm); siehe GKA § 49a-b.

(12)

3. Wurzelklasse l\-w/j 3.1 Einleitung

Nach GAG § 104a sind die Wurzeln ll-w/j - auch „hohle Wurzeln"

genannt - „zweikons. Wurzeln mit einem langen Vokal zwischen den

Konsonanten. Alle drei langen Grundvokale kommen als Wurzelvokale

vor, ü ist am häufigsten, ä nur ganz vereinzelt [...]. Die Formenbildung

dieser Verben weicht vom starken Verbum besonders stark ab."

Diesen Ausfuhrungen zufolge gibt es in der betreffenden Wurzelklasse

nur zwei (konsonantische) Radikale. An die Stelle eines - nicht vorhande¬

nen - mittleren Radikals treten die drei Langvokale /ä/, /i/ und /ü/. Ent¬

sprechend diesen Vokalen gibt es drei Vokalklassen, erstens eine (sehr

häufige) Klasse Il-ü, zweitens eine Klasse lI-^ und drittens eine (sehr sel¬

tene) Klasse 11-ä.

Da drei Vokalklassen zu unterscheiden sind, wird in GAG nicht der

Versuch unternommen, die betreffenden Vokalklassen mit den zwei

halbvokalischen Radikalen /w/ und /j/ in Beziehung zu setzen. Eine sol¬

che Korrelation liegt aus lexikalischen Gründen aber nahe, da es ja bei¬

spielsweise auch eine Wurzelklasse l-w/j gibt, die auch in GAG so

bezeichnet und entsprechend erklärt wird. Folgt man GAG, ergibt sich

folgendes Problem: /w/ und /j/ würden in akk. Wurzeln (beinahe) nur an

erster Position erscheinen; an zweiter (oder dritter) Position wären sie

kaum vertre ten. 39

Es ist offensichtlich, daß dieses Erklärungsmuster aus diachroner Sicht

nicht zutreffen kann. Aus diesem Grund werden die sogenannten „hohlen

Wurzeln" hier konsequent als dreiradikalige Verben betrachtet, die ent¬

weder /w/ oder /j/ als zweiten Radikal besitzen. Die nachfolgenden

Untersuchungen werden zeigen, daß auf dieser Basis auch ein besseres

synchrones Verständnis der Formen des akk. Paradigmas ll-w/j möglich

ist.

39 Der Klasse II-w werden in GAG nur solche Verben zugeordnet, in denen der

zweite Radikal im Paradigma durchgehend konsonantisch als /w/ erscheint. Dies

ist jedoch (erwartungsgemäß) nur bei Verben der Fall, die zugleich l-n oder lil¬

in/. sind, nämlich nawärum (l-n) einerseits und awüm, dawüm, ewüm, hawüm,

nawüm, kawüm, Sawüm sowie tawüm (Ill-m/.) andererseits (vgl. Edzard [1994],

S. 8 f.).

(13)

3.2 Qualität des zweiten Radikals und Themavokale

Auf der Basis der im Prät. G bezeugten (unterschiedlichen) Vokale wer¬

den in der Akkadistik bei den Wurzeln ll-w/j konventionell drei Vokal¬

klassen differenziert (gereiht nach absteigender Beleghäufigkeit):

1. w-Klasse: idük (däkum 'töten')

2. I-Klasse: isim {siäm.um 'festsetzen, bestimmen')

3. ä-Klasse: ibäs [bäsum 'beschämt sein, zuschanden werden').

Alle Wurzeln der t-Klasse sind etymologisch eindeutig ll-j, d. h. sie ent¬

sprechen dem Wurzeltyp K^-j-K^ in anderen semitischen Sprachen. Alle

Wurzeln der w-Klasse wiederum sind ll-w (Wurzeltyp K^-w-K^).

Von der ä-Klasse sind bisher (nur) vier Verben bekannt: bäsum

'zuschanden werden', bä'um 'entlanggehen', häsum 'besorgt, bekümmert

sein' und mä'um '(Galle) erbrechen'.*o Die drei ersteren Verben sind ety¬

mologisch eindeutig ll-w (vgl. etwa [alt/mittel-]hebr. V6ws', Vöw' und

"^hws); das letzte Verb ist etymologisch unsicher, dürfte aber ebenso dem

Wurzeltyp Il-w zuzuordnen sein. In formaler Hinsicht lassen sich die

genannten Verben in zwei Gruppen unterteilen, a) eine Gruppe III-'

(bä'um, mä'um) und b) eine Gruppe nicht-III-' (bäsum, }},äsum). Die Ver¬

ben der letzteren Gruppe haben stativische, die der ersteren Gruppe

dagegen fientische Bedeutung.

Es liegt auf der Hand, daß die vorgestellten drei Vokalklassen mit

unterschiedlichen Themavokalen korrelieren. Die Verben der w-Klasse

haben deshalb im Prät. G /ü/, weil ihr Prät.-Themavokal /u/ lautet; die

Verben der i-Klasse haben /i/, weil ihr Themavokal /i/ lautet; die Ver¬

ben der ä-Klasse haben /ä/, weil ihr Themavokal /a/ lautet. Da alle Ver¬

ben im Präs. G (z. B. 3. m. sg.) /ä/ (bzw. unkontrahiert /Ia/) aufweisen,

gibt es somit eine a/u-, a/i- und eine a/a-Klasse. Die a/w-Klasse ist die

direkte Entsprechung zur sogenannten Ablautklasse (isakkan - iSkun),

die a/a-Klasse die direkte Entsprechung zur a/a-Klasse der starken Ver¬

ben (fientisch: Hammad - ilmad; stativisch: ipallah - iplah). Eine a/i-

Klasse existiert demgegenüber im Paradigma der starken Verben nicht,

sie ist dort aber aus systemimmanenten Gründen zu restituieren.*'

*o Vgl. hierzu auch GAG § 106v-w („Hohle Wurzeln III "').

Eine a/i-Ablautklasse hat im Akk. auch außerhalb der Wurzeln ll-w/j bei

transitiv-fientischen Verben (neben einer a/w-Ablautklasse) existiert, ist aber

weitgehend mit der i/i-Klasse zusammengefallen; siehe Kurylowicz (1962), S. 57,

und Voigt (1988), S. 108. Als Relikte der o/i-Ablautklasse sind zu nennen: a) Ver¬

ben Il-j (z. B. aA Präs. islam, Prät. isim; hierher gehört auch ilutülum = niälum

Gt mit Präs. *intaiial gegenüber Prät. *intaiil); b) Verben l-w (z. B. Präs. olubbal.

(14)

Die Längung der Stammvokale im Prät. kann nur das Produkt der Kon¬

traktion des mittleren (schwachen) Radikals und der Themavokale sein

(*|iM > ü; *ii > l; *ua > ä). Folglich sollte man bei Verben ll-w/j nicht von

w/^/ä-Klassen, sondern von w/i/a-Klassen sprechen.

Daß die Verben ll-j im Prät. /I/ aufweisen, ist angesichts der Qualität

des 2. Radikals /j/ (besser: /i/) nicht erstaunlich. Ebensowenig über¬

rascht die Tatsache, daß die große Mehrzahl der Verben ll-w im Prät. /ü/

haben. Eine Erklärung bedürfen aber jene vier Verben, die im Prät. /&/

aufweisen. Für die Gruppe der stativischen Verben {bäsum, häsum) ist

der Prät.-Themavokal /a/ aus semantischen und sprachvergleichenden

Gründen zu erwarten.*^ Bei den fientischen Verben mit Themavokal /&/

fällt auf daß sie zugleich III-' sind: bä'um, mä'um. Hier ist offenbar der

dritte Radikal /'/ für die Wahl des Themavokals /a/ verantwortlich. Bei

den ersteren Verben ist der Themavokal / a/ somit primär, bei den letzte¬

ren gewissermaßen sekundär.

Wahrscheinlich umfaßte die a-Klasse im frühen Akkadischen mehr als

nur die vier genannten Verben bäsum, bä'um., häsum, und mä'um. Darun¬

ter dürften auch Verben Il-j gewesen sein. Wie in anderen semitischen

Sprachen (etwa im Althebräischen) wurde aber auch im Akkadischen die

a-Klasse weitgehend zugunsten der i- und w-Klasse aufgegeben.

Diese Ausführungen lassen sich zu folgendem Schema zusammenfassen:

Wurzelklasse Themavokale Präs. G Prät. G

ll-w a/u idäk idük

a/a ibäs ibäs

Il-j a/i isäm isim

""a/a (nicht belegt)

Prät. ölübil); c) aläkum 'gehen' (Präs. illak, Prät. illik); d) nlwitadänum 'geben'

(Präs. iddan/inaddan, Prät. iddin); e) izuzzum = nazäzum 'stehen' (Präs. izzaz,

Prät. izziz; f) N-Stamm der Ablautklasse (Präs. ipparras, Prät. ipparis; vgl. auch

die N-Stamm-Klasse der vierradikaligen Verben [z. B. Präs. ibbalakkat, Prät.

ibbalkit]); g) D- und §-Stamm einschließlich Dt(n) und St(n) (Präs. /&/, Prät. /{/).

■»2Zum Themavokal /a/ der Präfixkonjugation bei stativischen bzw. intransitiv-

fientischen Verben ll-w/j vgl. etwa arab. janämu 'er schläft' bzw. 'er ist schla¬

fend' {"^nwm; Perfekt näma/nimtu) bzw. jahäru 'er ist ratlos' (VAjV; Perfekt

hära/hirtu). Demgegenüber haben fientische Verben II-w in der Regel /u/ (z. B.

jaqümu 'er steht auf), fientische Verben ll-j in der Regel /i/ (jasiru 'er wird; er

beginnt [etwas zu tun]'); siehe GKA § 244. Besonders hervorzuheben ist aber alt¬

hebräisch je6ö^ < *jibäi'er wird beschämt sein'. Es handelt sich dabei um das ein¬

zige Verb ll-inf. im Hebräischen, das den Themavokal /a/ bewahrt hat (siehe

GBH § 80b). Die Entsprechung zu akk. ibäs ist bestechend.

(15)

3.3 Präteritum und Imperativ G

Die Formen des Prät. G vi^urden imphzit bereits unter § 3.2 erklärt:

*{i)iduuk > idük (däkum); *(i)ibuas > ibäS (häsum); *(i)isiim > iSim

(siämum).

Die Formen des Imp. G (m. sg.) sind identisch mit den korrelierenden

Formen des Prät. G ohne Präfixe: *duuk > dük; *buas > bäs; *siim >

sim.

3.4 Präsens G unter Einbeziehung der Wurzelklasse II-'

Schwieriger ist die Erklärung der Formen des Präs. G. Die drei Hauptpro¬

bleme sind: a) die Tatsache der Gemination des dritten Radikals bei For¬

men mit vokalischer Endung; b) der Wechsel des Stammvokals: /ä/ (bzw.

unkontrahiert: /ia/) bei endungslosen Formen gegenüber /u/, /a/ und /i/

bei den übrigen Formen; c) das Gegenüber von ass. idüak (etc.) und bab.

idäk (etc.). Bislang konnte kein Erklärungsmodell gefunden werden, das

alle diese divergierenden Probleme löst. Die in GAG § I04f gebotenen

Ausführungen (zu idäk, idukku) beschreiben lediglich zwei der oben

genannten ungewöhnlichen Phänomene, ohne sie zu erklären: „Das Prs.

wird in den endungslosen Formen durch Einfügung des Prs.-Vokals a hin¬

ter dem ü gebildet (ass. idüak, aA auch mit Gleitlaut itüwar, bab. [... ] zu

idäk kontrahiert) ; in den Formen mit Endung wird statt dessen der letzte

Radikal verdoppelt."

3.4.1 Für die ass. Form idüak (Sg.) wird hier folgende Ableitung vorge¬

schlagen: *(i)idauuak > *idöuak = idü(u)ak*^ (Schreibungen mit Bewah¬

rung von /u/ - in GAG § I04f fälschlich als „Gleitlaut" interpretiert - sind

bezeugt; idüak steht wahrscheinlich fiir /idöuak/ [vgl. Westenholz

1991]).

3.4.2 Im bab. Paradigma begegnet anstelle von ass. idüak eine kontra¬

hierte Form idäk. Sie läßt sich wie folgt ableiten: *(i)idauuak > *idöuak

> idäk.

3.4.3 Die Formen mit vokalischer Endung lauten ass. und bab. gleich. Für

die Form 3. m.pl. ist von folgender Ableitung auszugehen: *(i)idauuakü >

*idöuakü > *idöukü (Vokalsynkope) > *idökkü (regressive Assimilation

*uk > kk) > idokkü = idukkü (Kürzung des Langvokals in geschlossener

Silbe).

*3 Der Vokal /a/ in Formen des Typs idüak ist eindeutig der Präs.-Themavokal.

Die Annahme, /a/ sei sekundär und „in teilweiser Analogie zu den Triliterae"

(Kienast [1962], S. 151) entstanden, ist vollkommen unbegründet.

(16)

Die genannte Ableitung bietet eine phonologisch plausible Erklärung

für die Gemination des dritten Radikals in Formen ll-w/j (Präs. sowie D-

Stamm) mit vokalischer Endung. Es liegt demnach keine „Ersatzdeh¬

nung" des dritten Radikals anstelle einer Gemination des (schwachen)

zweiten Radikals vor.** Die Gemination des dritten Radikals ist vielmehr

das Produkt einer regressiven Assimilation des zweiten (Elementes des

geminierten zweiten) Radikals an den dritten Radikal (*u/iK > KK). Vor¬

aussetzung flir diese Assimilation ist die Synkope des Präs.-Themavokals.

Da diese Synkope nur in Formen eintreten kann, in denen der Thema¬

vokal (= /&/) in einer offenen (unbetonten) Silbe steht, begegnet die

Gemination des dritten Radikals nur in Formen mit vokalischem Aus¬

laut.«

3.4.4 Die Formen ll-j (i-Vokalklasse) sind analog zu den Formen ll-w

gebildet: Sg. (ass.) *(i)isaiiam > *iSeiam — isi{i)am; PI. *(i)isaiiamü >

Hseiamü > *iseimü > *isemmü > isemmü = isimmü.*^

** Somit ist auch keine typologische Parallele zur hebr. Pölel-Bildung der Ver¬

ben U-w/j gegeben, deren Merkmal die Reduplikation des dritten Radikals

anstelle einer Gemination des zweiten Radikals in Formen mit und ohne vokali¬

schem/n Auslaut ist, z. B. qömäm - j^qömem (~iqwm)\ siehe dazu GBH § 80h.

Eine interessante andere historische Ableitung von bab. idäk - idukkü hat

Voigt (1988), S. 332, vorgeschlagen (ähnlich auch Voigt [1988], S. 152 f). Er

geht - in Anlehnung an die ass. Form idüak (3. m. sg.) - von einer rekonstruierten

Grundform *-duuakk- aus und erklärt die betreffenden Oberflächenformen mit

Hilfe folgender Lautregel: "The -uua- sequence in a closed word-medial syllable

is monophthongized to -uu- and then shortened to -u-, whereas -uua- in a closed

word-final syllable is monophthongized to -aa-." Die von Voigt postulierte Grund¬

form *-duuakk- diirfte jedoch nicht zu halten sein, da diese eine zweifache Pho-

nemlängung voraussetzt, eine Längung des (Halb-)Vokals /u/ (= zweiter Radikal)

und eine Längung des dritten Radikals. - Eine ganz andere Erklärung für die

genannten Formen (Paradigma: ikän - ikunnü) bietet Buccellati (1996), S.

256 f : „If the pattern configuration defines an intervocalic seeond radical as long, then length is transferred to the third radical [...]. That is why in the example

just quoted {-Ikünn) [d. h. Präsensformen ll-w mit vokalischer Endung], the last

radical is realized as long. This, however, introduces a potential ambiguity be¬

tween the present -Ikünn- and the preterite -Ikün-: while with a vocalic postfix

there would be an opposition between the two, e. g., ikunnü vs. ikünü, with post¬

fix 0 the opposition would be lost, since both present and preterite would be, e.g.,

ikün [...]. To avoid such potential homonymity, the present shows uniformly a

vocalism a whenever the postfix is 0." Buccellati betrachtet ikän (bzw. idäk)

somit als typologisch sekundäre Oppositionsform zum Prät. ikün. Das ass. Pen¬

dant iküan, das sich mit dieser Darstellung nicht in Einklang bringen läßt, findet bezeichnenderweise keine Berücksichtigung.

*6 Die in GAG § 104j und Parad. 27, Anm. 7 genannte „abweichend gebildete"

(17)

3.4.5 Die Formen ll-w der a-Vokalklasse lassen sich wie folgt herleiten:

Sg. *{i)ibauuas > *iböuas > ibäs; PI. *{i)ibauuasü ( > Hböuasü) > (!)

ibassü. Eine Entwicklung zu *ibossü wurde hier offenbar verhindert, um

die paradigmatische Differenzierung zwischen u- und a-Klasse aufrecht¬

zuerhalten. Dasselbe Phänomen ist im Präs. § zu beobachten, z. B.

usdakkü (< *[i]uSdauuakü) 'sie lassen töten', obwohl in Analogie zu Präs.

G ido/ukkü eine Form *usdo/ukkü zu erwarten wäre (siehe § 3.9).

3.4.6 Nach GAG § 98a wird auch das Präs. G der Verben II-' mit „schwa¬

cher" Bildung analog zum Präs. G der Wurzelklasse ll-w/j gebildet.*''

Hier werden für die betreffenden Formen II-' (a-Klasse und e-Klasse)

folgende Ableitungen vorgeschlagen (Paradigmenverben sälum 'fragen'

und belum 'herrschen'):

Sg. a-Kl. *(i)iSa"al > *iM'al > iSäl e-Kl. *{i)iba"al > Hbe'al > ibel

PI. a-Kl. *{i)isa"alü > *isa"lü > *isa'llü > *isällü > isallü e-Kl. *(i)iba"alü > *iba"lü > *iba'llü > *ibellü > ibellü

Treffen diese Ableitungen zu, sind die paradigmatischen Übereinstim¬

mungen zwischen ll-w/j einerseits und II-' schwacher Bildung anderer¬

seits zufälliger Natur und nicht durch Analogie entstanden. Die spezifi¬

sche Gemination des dritten Radikals bei Formen mit vokalischem Aus¬

laut ist hier - wie bei den Formen ll-w/j - das Produkt einer regressiven

Assimilation (hier *'l > ll), der wiederum eine Synkope des Themavokals

vorausgeht (vgl. § 3.4.3).

3.5 Stativ G

Der Stat. G lautet bei däkum bab. dik, PI. dillkü'^^, bei siämum bab. äim,

PI. sillmü (GAG-Normalisierung: dik{u\, Sim{ii\). Die assyrischen Pen¬

dants lauten dek, PI. delekü bzw. iem, PI. Selemü (GAG: dek\_ü\ sem[ü^).

dilek ist aus *daiik (< *dauik), silem aus *Saiim entstanden. Eine Differen¬

zierung zwischen Formen W-w und Il-j kann nicht erfolgen. Beide gehen

aufdie gleiche Grundform zurück {*daiik; *saiim).

aB-Form iriabbü 'sie ersetzen' (KH IX 45) ist fehlerhaft (Korrektur in GAG

§ 104]"'). Formen des Typs *iSiam,mü sind somit nicht nachweisbar.

„Die Verben II ' können mit festem ' stark oder nach Art der hohlen Wurzeln

[...] schwach flektiert werden" (GAG § 98a).

** Entweder dikü < * daiikü oder dlkü < * daikü (durch Vokalsynkope aus

*daiikü entstanden; vgl. Stat. paris [3. m. sg.] gegenüber parsü < "parisü [3. m.

pl.]).

(18)

Abweichend davon lautet der Stativ von bäsum 'beschämt sein' bäs, PI.

bä/äsü. Als Grundform ist *bauas(ü) anzusetzen. Das Zustandsverb bäsum

bildet also einen Stativ mit Themavokal /&/ (in Entsprechung etwa zu

rapas 'ist weit/breit'), däkum und sämum (sowie die überwiegende Mehr¬

zahl aller anderen Verben \\-w/j) haben demgegenüber einen Stativ mit

Themavokal /i/ (Typ paris).

3.6 Infinitiv G

Der Inf G lautet bei Verben ll-w der w-Klasse aAK*^ und ass. du{w)äkum,

bab. däkum, bei Verben Il-j ass./bab. si{j)ämum (nach-aB sämum). Der

Inf G der Verben ll-w der a-Klasse lautet bab. bäsum (ass. Entsprechun¬

gen sind nicht belegt). Diese Formen sind wie folgt entstanden: *dauäkum

> do(u)äkum = du{w)äkum (ass.) bzw. *dauäkum > däkum (bab.);

*saiämum > Se{j)ämum = si(j)ämum; *bauäsum > bäsum.

3.7 Präsens und Präteritum Gtn

Edzard (1996) S. 72-79, hat neuerdings im Rahmen einer Untersuchung

der akkadischen Iterativstämme (ton-Stämme) auf unterschiedliche Bil¬

dungsweisen des Präs./Prät. Gtn der Wurzelklassen ll-w und insbeson¬

dere Il-j aufmerksam gemacht und zur Vorsicht bei der Aufstellung von

Paradigmen gemahnt. Er hält es für denkbar, „daß jedes Verbum mediae

yod bei der Bildung von Gtn [...] sein eigenes Gesetz entwickelt hat" (S.

74). Alle von Edzard angeführten divergierenden (aus unterschiedlichen

Dialekten stammenden) Formen lassen sich jedoch erklären und auf ein¬

heitliche Grundformen zurückfuhren. Die auffälligsten dieser Formen

seien im folgenden diskutiert:

a) Sowohl aA iq-ti-ni-äp als auch aB ib-ta-na-ja-at bzw. i-ta-na-ja-ak

spiegeln eine Grundform istanaiiam (Paradigmenverb siämum) wider. Im

aB wurde diese Grundform unverändert bewahrt. Die aA-Form iq-ti-ni-äp

läßt sich als iqtine/ijap normalisieren. Der einzige Unterschied zu den aB-

Formen liegt - abgesehen von der spezifisch ass. Vokalharmonie - in der

Kontraktion von *ai > e/i im Ass.

b) Die jB-Form ih-ta-nit-ta-äs-sü = ihtanittassu steht nur scheinbar im

Widerspruch zur aB faßbaren Grundform istanaiiam. In Formen mit

vokalischem Auslaut gibt es nämlich eine Tendenz zur Aufgabe der Laut¬

folge *-aiia- entsprechend Präs. G ise/immü < *{i)isaiiamü (vgl. §§ 3.4.3

und 3.4.4): *(i)if}tanaiiatV > *iff.taneiatV > ""iÄ^awei^F (Vokalsynkope) >

*9 Siehe etwa aAK in tü-a-ri-Su 'bei seiner Rückkehr' (AfO 20, 53, 32; vgl. AHw.

1332b, täru[m.], G I la).

(19)

*ihtaneUV (regressive Assimilation) > ihtanettV = ihtanittV. Bemerkens¬

wert ist nur, daß diese Entwicklung aB nicht eingetreten ist (Formen des

Typs istanaiiamV sind aB bezeugt; demgegenüber sind die Formen des

Präs. G aB durchgehend kontrahiert [Typ ise/immü]).

c) aB (Prät.) ni-ib-ta-ja-at = nibtajjat (< *nibtaniat) aufder einen Seite

und aA is-ti-bu = istibbu und jB ir-te-es-Su = irtessu aufder anderen Seite

stehen ebenfalls nicht in morphologischer Opposition zueinander. In letz¬

teren Formen, die eine vokalische Endung aufweisen, ist genau die im

letzten Absatz (b) beschriebene Entwicklung eingetreten.

d) Die aB-Form iq-ta-ni-is, die Edzard (1996, S. 73 f.) zu Recht als Prät.

Gtn deutet^*', ist in der Tat bemerkenswert. Wie Edzard feststellt, han¬

delt es sich dabei um das einzige bisher bekannte Prät. Gtn „mit voll

erhaltenem Morphem -tan-". Die Entstehung der betreffenden Form ist

aber transparent: *iqtaniis > iqtanis {/n/ wurde hier nicht an /i/ assimi-

liertä').

e) Eine Reihe von Verben, die etymologisch ll-w sind, bildet im Gtn-

Stamm Formen nach Il-j. Hierzu zählt zum einen das Verb qälum mit den

Formen iqtanajjal (Präs. Gtn [mB]) und qitajjulu (Inf Gtn [jB]), zum

anderen das Verb rädum mit der Form ir-ta-na-a-ad = irtanajjad (Präs.

Gtn [aB]) (siehe Edzard [1996], S. 77).

3.8 Präsens N

Das Präs. N wird analog zum Präs. G gebildet. Die Wurzelklasse Il-j bil¬

det die Formen iqqiap (< *iqqeiap < *inqaiiap), PI. iqqippü (qiäpum

'ver-, betrauen'); die Wurzelklasse ll-w bildet in Entsprechung dazu ass.

und ferner archaisch-aB die Formen iddüak (< *iddöuak < *indauuak),

PI. idakkü, sonst (a/jB) iddäk, PI. iddakkü. Die Bezeugung der unkontra¬

hierten Form iddüak im archaischen aB beweist indirekt, daß auch bab.

idäk (Präs. G) auf *idüak zurückgeht.

3.9 Präsens S und §t

Das Präs. & und St der Wurzelklassen ll-w/j läßt sich - wie die entspre¬

chenden Formen der Wurzelklassen l-'/w/j (siehe § 2.6) - nur auf der

Basis der Grundformen *usaparras bzw. *ustaparras überzeugend erklä-

5* iq-ta-ni-iS (Prät. Gtn) entspricht sumerisch i-ba-ba. Vor der betreffenden Glei¬

chung fmdet sich i-ba = i-qi-is (Vv'äX. G); danach folgt a-ba = iq-ti-iS (Prät. Gt

und nicht Perf G [so Edzard 1996], S. 74, Anm. 67).

51 Vgl. typologisch das Perf Gt von niälum (konventionell als Perf G zu

i/utülum gedeutet): *ittatiil > ittatil.

(20)

ren. Eine Ableitung von *usapras bzw. *ustapras ist demgegenüber ausge¬

schlossen. Zur Demonstration wird hier das Verb däkum 'töten' (ll-w)

gewählt (nur bab. Formen des S- und Öt-Stamms 3. m. sg./pl.; zu nicht

kommentierten Lautentwicklungen siehe unter §§ 3.4.1 und 3.4.3):

Ö Sg. *{i)usadauuak > *usdauuak^^ > *usdöuak > usdäk^^

PI. *{i)usadauuakü > *usdauuakü > (!) usdakkü

§t Sg. *{i)ustadauuak > *ustada(u)uak > ustadäk

PI. *{i)ustadauuakü > (!) uStadakkü

AufTällig ist, daß hier - und ebenso im Präs. D, Dt und Dtn - die Formen

mit vokalischer Endung im Bab. immer einen /a/-Vokal zwischen erstem

und drittem Radikal aufweisen, z. B. usdakkü 'sie lassen töten', obwohl in

Analogie zum Präs. G (ido/ukkü) *usdo/ukkü tm erwarten wäre. Offenbar

wurde hier eine lautgesetzliche Veränderung des Stammvokals zu /o/

verhindert, um die für diese Stämme spezifische Vokalopposition „Präs.

/&/ - Prät. /i/" aufrechtzuerhalten. Das gleiche Phänomen ist im Präs. G

der a-Vokalklasse zu beobachten (z. B. ibassü < *ibauuasü [§ 3.4.5]). Die

S-Formen ll-w und ll-j sind im Bab. durchgehend identisch.

Das Ass. hat demgegenüber unkontrahierte Formen bewahrt und diffe¬

renziert außerdem zwischen Formen ll-w und ll-j (biätum 'übernachten'

[= Il-j], Präs. §): Sg. *(i)usabaiiat > *usbaiiat > *usbeiat = usbi(i)at \ PI.

*(i)usabaiiatü > *usbaiiatü > *uSbeitü > *usbettü > usbettü = usbittü.

3.10 Präteritum Ö

Das Prät. S 3. m. sg. lautet usdik < *usduik < *(i)usaduik. Es wäre zu

erwarten, daß Formen mit vokalisch anlautender Endung ebenfalls einen

langen Stammvokal besitzen, z. B. (PI.) usdikü. GAG, Parad. 28 setzt dem¬

gegenüber für das Bab. Formen mit geminiertem dritten Radikal des Typs

uMikkü an. Tatsächlich gründet diese Form jedoch ausschließlich auf jB-

Schreibungen (us-tib-bu, uS-ti-ib-bu [jeweils Subordinativ]^''). Sie spre¬

chen nicht gegen die Ansetzung einer Paradigmenform (PI.) usdikü für die

aB-Zeit. Die im aA-Textkorpus bezeugte Schreibung us-mi-tü-su ist ambi¬

valent (siehe GAG § 104u und GKT § 94e). Sie kann als usmitü-su oder als

usmittü-Su normalisiert werden.

52 Prätonische Vokalsynkope.

53 In GAG findet sich dafür die Normalisierung uSdäk.

Zu Belegen siehe AHw. 1391a, sub tiäbu(m) §.

(21)

3.11 Präsens D

Das Präs. D lautet bab. meist ukän^^, PI. ukannü. Diese Formen entspre¬

chen genau der Bildung ibäs, ibassü (Präs. G, a-Klasse) und sind - abgese¬

hen vom Präfixvokal - wie diese abzuleiten (siehe § 3.4.5). Auch im Ass.

begegnen analoge Bildungen. Daneben sind jedoch auch starke (d. h. nicht

kontrahierte) Bildungen des Präs. D bezeugt, etwa bab. Formen des Typs

usijjam bzw. usi'/jam, die sich unmittelbar aus *usaiiam (bzw. ukaiian <

*ukauuan) ableiten lassen.

3.12 Präteritum und Imperativ D

Das Prät. D lautet bab. - fiir \l-w und Il-j übereinstimmend - ukln,

ukinnü {känum 'wahr, zuverlässig sein' [= II-w]). Diese Formen lassen

sich wahrscheinlich wie folgt ableiten: Sg. *{i)ukauuin > *uka(i)iin >

uken = ukin (GAG normalisiert ukin); PI. *{i)ukauuinü > *ukaiiinü >

ukeinü > *ukennü > ukennü = ukinnü.

Das Ass. schlägt hier - und in anderen D-Stammformen, allerdings sel¬

ten im Präs. D - einen anderen Weg ein und bildet durchgehend starke

Formen, z. B. uka"in < *{i)ukauuin. Daß es sich dabei um typologisch

späte Formen handelt, die „durch Einfügung eines 2. Radikals ' nach Art

der starken Verben gebildet" sind (GAG § 104p), ist nicht korrekt. Viel¬

mehr tritt /'/ hier allophonisch an die Stelle des zweiten Radikals /u/,

der vor einem /i/-Vokal keinen Bestand hat.^^

Die Formen des Imp. D werden analog zum Prät. D gebildet: bab. kin

(GAG normalisiert kin); ass. ka"in (Grundform parris).

3.13 Stativ und Infinitiv D

Der Stat. D lautet bab. (von känum) in der Regel kün (GAG: kün), PI.

kunnü. Die Ableitung dieser Formen ist transparent: Sg. *kuuuun >

*kuuun > kün; PI. *kuuuunü > *küuunü > *küunü > *künnü >

*kunnü.

Das Ass. besitzt demgegenüber starke Formen des Typs ka"un (Grund¬

form parrus), abzuleiten aus *kauuun. Auch im jüngeren Bab. (m/spB)

55 In GAG findet sich demgegenüber die Normalisierung ukän. Sie beruht auf

der (unrichtigen) Annahme, daß „das Prs. durch Ablaut aus dem Prt. gebildet wird

(ukin : ukän)" (GAG § 104n).

56 Siehe GAG § 104o* (uki'al, luhi'al, tukijal; vgl. Präs. Dt tuUijal).

5' *-äuui- muß sich entweder zu -äiii- oder zu -ä'(')i- entwickeln; vgl. aram.

qä'em < *qäuem und arab. qä'im (Schreibung mit Hamzaträger j) < *qäuim (jeweils Ptz. G, '4qwm 'aufstehen').

(22)

gibt es stark gebildete Formen: z. B. zu"uz < *zuuuuz (siehe GAG

§ 104r).

Die Formen des Inf. D (Status rectus) lauten analog zu den Formen des

Stat. D mit vokalischer Endung, d. h. bab. kunnum, ass. ka"unum.

3.14 Partizip D

Auch das Ptz. D wird im Ass. stark gebildet: muka"inum (<

*mukauuinuni). Ihm steht im Bab. das schwach gebildete mukinnum (=

mukennum < *mukennum < *mukeinum < *mukeiinum < *mukauui-

num) gegenüber.

Für das feminine Pendant sind bab. nebeneinander die Bildungstypen

(a) mudikkat- und (b) mudikt- [däkum) bezeugt (vgl. GAG § I04o). Der Typ

(a) ist nur im St. cs. bezeugt: aB mu-ki-na-at (RA 39, 10:114); jB mu-kil-

lat (KAR 1 09: 1 0) bzw. mu-ki-la-at (ArOr 17/ 1 , 1 97: 1 6). Der Typ (b) begeg¬

net sowohl im St. rect. als auch im St. es.: jB mu-killki-il-tu {sa keppe)

(Istars Höllenfahrt, Z. 27); jB mu-di-ik-ti {sadi) (SBH, 54, Rs. 8.1 1). Sie las¬

sen sich wie folgt ableiten: (a) *mudaiiiktum > {*mudeiiktum) >

*mudektum > muddiktum; (b) *mudaiiikat > mudeiikat > mudeikat >

mudekkat > mudelikkat.

Die unter GAG § I04k angeführten sogenannten „unregelmässig gebil-

dete[n] Partizipien G" des Typs musimmu{m) (ohne Endung musim)^^

sowie die schon erwähnte feminine Form mudikti (St. cs.) sind im übrigen

sicher zum D-Stamm zu stellen, auch wenn diese Verben sonst nicht im

D-Stamm bezeugt sind. Die Verwendung des D-Stamms ist darin begrün¬

det, daß Partizipien - insbesondere lexikalisierte Partizipien - von Hause

aus pluralische (iterative) bzw. intensive Nuancen zur verbalen Grundbe¬

deutung zum Ausdruck bringen, Nuancen, die engstens mit dem D-Stamm

verknüpft sind.

4. Wurzelklassen lll-w/j und III-'

4.1 Einleitung

Auch den sogenannten Verben ultimae infirmae bzw. „Verben mit voka¬

lischem Auslaut" liegen dreiradikalige Wurzeln zugrunde. Aus etymologi¬

schen und formalen Gründen ist strikt zu unterscheiden zwischen a) Wur¬

zeln III-w, b) Wurzeln Ill-j, c) Wurzeln III-'i_2 und d) Wurzeln Hl-'s.g. Die

58 Ohne Endung: *niuiaiiim > *muse{i)im > musilim; mit Endung: *muSaiiimV

> *muSeiimV > *muieimV > *musemmV > muse/immV.

(23)

genannten Wurzelklassen zeichnen sich im G-Stamm (Präs., Perf., Prät.,

Imp.; vgl. auch Stat.) und N-Stamm (Präs. und Perf) durch unterschied¬

liche Auslautvokale aus, die jeweils als Kontraktionsprodukte aus Thema¬

vokal und (schwachem) dritten Radikal zu interpretieren sind. Die Wur¬

zeln lll-w haben in den betreffenden Formen (immer) /u/, die Wurzeln

Ill-j /i/, die Wurzeln III-'i_2 /a/ und die Wurzeln IH-'s.s schließlich /e/,

wobei diesem /e/ der Themavokal /&/ zugrunde liegt^^. Somit gibt es ins¬

gesamt vier Vokalklassen: u-, i-, a- und e-Klasse.

Stellt man diese Vokalklassen in Beziehung zu den Vokalklassen der

starken Verben, ergibt sich folgendes Bild: Alle Verben lll-w gehören der

w/w-Klasse, alle Verben Ill-j der i/i-Klasse und alle Verben III-' der a/a-

Klasse an. Eine Ablautklasse (a/u) gibt es nicht. Ebensowenig ist eine Dif¬

ferenzierung zwischen fientischen und stativischen Verben zu beobach¬

ten.

Die Zusammenfassung der etymologisch verschiedenen Wurzelklassen

III-w, Ill-j und III-' zu einer einzigen Klasse ultimae infirmae ist nur aus

synchroner, nicht aber aus diachroner Sicht gerechtfertigt. Die Ähnlich¬

keiten im Paradigma sind - zumindest in G, Gt, Gtn, N, Ntn - zufälliger

Natur und nicht durch Analogiebildungen bzw. sekundäre Angleichungen

enstanden.

In den nachstehenden Erörterungen werden folgende Paradigmenver¬

ben verwendet: manum 'zählen', zakum 'rein sein', hadüm 'sich freuen'

(jeweils lll-w); banüm 'bauen' (lll-j); kalüm 'zurückhalten' (III-',); semüm

'hören' (III-'4), petüm 'öffnen' (III-'j).

4.2 Präsens G

Die Formen des Präs. G (3. m. sg.) lassen sich wie folgt ableiten:

III-iü *{i)imannuw > imannü bzw. imannu^'^

lll-j *{i)ibannii > ibannl III-',_2 *{i)ikalla > ikallä

Ill-'g.j *{i)isamma' > isalemme (ass. isamme, bab. isemme)

«9 Kontraktion *o'3,5 > e (siehe GAG § 9a).

Pleneschreibungen des Auslautvokals im aA (z. B. ta-Sa-si-i bzw. i-ld-qe-e)

beweisen, daß die betreffenden Endungen im frühen Akk. als lang galten (siehe

GKT § 95a). Im folgenden werden deshalb - gegen GAG und mit Buccellati

(1996), S. 260-263 - alle Auslautvokale lang umschrieben. Mit einer früh einset¬

zenden Vokalreduktion ist aber zu rechnen (vgl. GAG §§ 13a und 105d).

(24)

4.3 Präteritum und Imperativ G

Die Formen des Prät. G sind analog gebildet: imnü (< iimnuu); ibni (<

Hihnii); iklä (< *iikla'); isme (< *iisma'). Die Formen des Imp. G lauten in

Entsprechung dazu: munü (< mdnuu); bini (< *bdnii); kilä (< *k9la');

si/eme (< *Sdma').^^

4.4 Stativ G

Die Bildung der Formen des Stat. G sind wie folgt zu verstehen: zakü (<

*zakuu); hadi (< *hadiu); bani (< *banii); kall (< *kali'); bab. semi, ass.

iame (< *sami'). Die Differenz zwischen zakü und hadi (beides lll-w)

beruht auf unterschiedlichen Stativ-Themavokalen, zakü ist ein w-Stativ

(wie etwa qerub), hadi ein z-Stativ (wie etwa paris). Da w-Stative im Akk.

generell selten (und nur bei Zustandsverben anzutreffen) sind, fmden sich

auch bei Verben lll-w überwiegend Stative mit Auslautvokal /i/.

4.5 Infinitiv und Partizip G

Die Oberflächenformen für Inf. und Ptz. G lauten im Bab., abgesehen von

der Quantität des ersten Vokals, gleich, z. B. Inf banüm gegenüber Ptz.

bänüm {banüm 'bauen' [Ill-j]). Hinter dem „ü" der nominativischen For¬

men verbergen sich jedoch zwei unterschiedliche Vokale, die - wie We¬

stenholz (1991), S. 17 f, nachzuweisen versuchte - wahrscheinlich bis in

die jüngsten Sprachstufen des Akk. phonologisch getrennt wurden: Ptz.

bab. *bäniium > bänüm, ass. (unkontrahiert) bäni{'lj)um; Inf bab.

*banäium > bänöm, ass. (unkontrahiert) banä{')um.

4.6 Präsens D und §

Den Formen des Präs. D und § liegt erwartungsgemäß immer der Thema¬

vokal /a/ zugrunde. Dieses /a/ wird lediglich bei den Verben Hl-'g^g zu

/e/ verändert (z. B. bab. upette < *iupattah). In allen anderen Wurzelklas¬

sen bleibt es in seiner Qualität bewahrt. Die sonst nachweisbaren Kon¬

traktionen *-au > -ö (lll-w) und *-ai > -e (lll-j) treten hier nicht ein: z. B.

ubannä (< *iubannai).

61 Hervorzuheben ist die Tatsache, daß der Imp. zu kalüm nicht kalä lautet; das

/[/ in kilä steht für einen Murmelvokal (vgl. limad als Imp. zu lamädum).

(25)

Zusammenfassende Bemerkungen

1. Unsere Untersuchungen fiihren zu dem Ergebnis, daß die sogenannten

infirmen Verben des Akkadischen einem einheitlichen dreiradikaligen

Grundparadigma folgen, das auch der starken Wurzelklasse zugrunde

liegt. Dieses Grundparadigma stimmt weitgehend, aber nicht durchge¬

hend mit den Oberflächenformen der starken Wurzelklasse überein. Die

wichtigsten Unterschiede sind:

- Alle Personalpräfixe der Präfixkonjugationen des Präs. und Prät. G

weisen im Grundparadigma einen a-Vokalismus auf, d.h. *ia-, *ta-,

*'a-, *na-. Nur aufder Basis von *ia- bzw. *na- erklärbar sind die For¬

men des Präs./Prät. G der Wurzelklasse \-w ubhal/übil (3. sg.) bzw.

nubbal/nübil (1. pl.).

- Das Grundparadigma kennt eine a/i-Ablautklasse (Präs. a, Prät. i), die

im starken Paradigma zugunsten der ^/^-Klasse aufgegeben wurde. Nur

auf der Basis einer a/i-Ablautklasse erklärbar sind die Formen der

Wurzelklasse ll-w/j (§ 3.2).

- Auch Präs. S, §t, Ötn und Ntn weisen - wie die Präsensformen aller

übrigen Verbalstämme - im Grundparadigma Formen mit Gemination

des zweiten Radikals auf Nur auf der Basis eines geminierten zweiten

Radikals erklärbar sind die betreffenden Formen der Wurzelklassen

1-Vw/j (z. B. Präs. Ö uSakkal < *uSa'akkal) und ll-w/j. Die Oberflächen¬

formen des starken Paradigmas usapras, ustapras, ustanapras und

ittanapras gehen somit wahrscheinlich auf *usaparras, *ustaparras,

*ustanaparras und *ittanaparras zurück. Daraus folgt indirekt, daß

eine morphologische Differenzierung zwischen (Präs.) §tj und (Präs.)

Stg im Grundparadigma nicht vorhanden ist.

- Der Imp. G lautet im Grundparadigma *prVs. Nur auf dieser Basis

erklärbar sind die Imperative G der- Wurzelklassen l-n/'/w/j (siehe

§§ 2.2-3). Oberflächenformen des starken Paradigmas wie sukun,

piqid, limad und sabat gehen ebenfalls auf *skun, *pqid, *lmad und

*sbat zurück (siehe § 2.2 mit Anm. 17). Der Vokal der Anlautsilbe ist

ein Murmelvokal (Anaptyxe der anlautenden Doppelkonsonanz).

- Die Grundform für Imp., Inf und Stat. Gt lautet *ptarVs, für Imp., Inf

und Stat. Gtn *ptarrVs. Nur auf dieser Basis erklärbar sind die betref¬

fenden Formen der Wurzelklasse l-n: Gtn itaqqVr < *ntanqVr; Gt itkup

< *ntakup bzw. (aA, archaisch-aB) itakpum < *ntakupum (siehe § 2.3,

Anm. 19). Die Oberflächenformen des starken Paradigmas wie pitrVs

oder pitarrVs gehen ebenfalls auf diese Grundformen zurück.

(26)

- Aufder Basis der letzten Beobachtung ist als Grundform für Imp., Inf

und Stat. Ntn *ntanprVs (nicht: *nitanprVs) anzusetzen (Oberflächen¬

form itaprVs).

2. Aus den obigen Beobachtungen folgt, daß in den Paradigmen der infir¬

men Verben eine Reihe konservativer morphologischer Elemente implizit

bewahrt blieb, die im starken Paradigma nicht mehr anzutreffen sind. Der

typologische Vorrang, der traditionell den Oberflächenformen des star¬

ken Paradigmas gegenüber den Oberflächenformen der infirmen Paradig¬

men eingeräumt wurde, ist somit nicht gerechtfertigt.

3. Unregelmäßigkeiten in den Paradigmen der infirmen Verben kommen

vor. Hervorzuheben ist der Wechsel von Wurzelklassen, der in der Ver¬

gangenheit als wichtiges Argument für eine ursprüngliche Biradikalität

der infirmen Verben galt. Diese Schlußfolgerung ist jedoch abzulehnen.

Der betreffende Wechsel beruht vielmehr darauf, daß sich die Paradig¬

men unterschiedlicher infirmer Wurzelklassen (zufällig) in bestimmten

Punkten überschneiden. Lautet eine bestimmte Oberflächenform in zwei

Wurzelklassen (zufällig) gleich, kann ausgehend von dieser Form eine

sekundäre Wurzelvariante etabliert werden, von der wiederum produktiv

neue Formen gebildet werden können.

Während der Wechsel von Wurzelklassen im Akkadischen gut nach¬

weisbar ist, sind auf sekundärer Analogie beruhende Bildungen in den

Paradigmen der infirmen Wurzelklassen viel seltener bezeugt, als in der

Forschungsgeschichte postuliert wurde.

4. Die Oberflächenformen der infirmen Paradigmen zeugen erwartungsge¬

mäß von teilweise erheblicher lautlicher Entwicklung, die vor allem auf

dem labilen phonologischen Charakter der Halbvokale w und j sowie teil¬

weise auch n und ' beruht. Sie können deshalb nur mit Hilfe bestimmter

phonologischer Regeln historisch erklärt werden. Die im einzelnen heran¬

gezogenen Regeln sind jedoch auch in anderen Bereichen des Akkadi¬

schen wirksam und zugleich auch in anderen (semitischen) Sprachen

nachweisbar. Hervorzuheben sind:

- Kontraktion von Diphthongen (z. B. *ii > i; *ü > i; *ai > e/i) und Tri-

phthongen (z. B. *aulia > ä),

- Laryngalschwund (mit/ohne Ersatzdehnung/Umlaut) in silbenschlie¬

ßender Position (z. B. *a' > ä; *a' > e) oder in intervokalischer Position (z. B. a'a > ä),

- silbenbildendes („silbisches") n: z.B. *nqur > uqur,

- regressive Assimilation von vokallosem n: z.B. *inqur > iqqur.

(27)

- Synkope von Kurzvokalen^^ in unbetonten offenen Silben unmittelbar

vor oder nach der Tonsilbe: z. B. *parisü > parsü,

- Kürzung von Langvokalen in geschlossener Silbe: z. B. *usäbbal > usab¬

bal,

- Aphärese der Anlautsilbe: z. B. *u{d)bil > bil,

- Haplologie: z. B. *tata- > ta-.

Zur Erklärung von Oberflächenformen der Wurzelklasse Il-w/j wurde

folgende phonologische Regel postuliert, die in anderen Bereichen der

Sprache nicht nachweisbar ist (vgl. § 3.4.3):

- *öuK > *öKK bzw. *eiK > *eKK (regressive Assimilation eines Halbvo¬

kals).

Allgemeine Abkürzungen

aA altassyrisch K (beliebiger) Konsonant

aAK altakkadisch Kl. Klasse

aB altbabylonisch Parad. Paradigma (GAG)

akk. akkadisch Perf Perfekt

arab. (klassisch-)arabisch Präs. Präsens

ass. assyrisch Prät. Präteritum

bab. babylonisch Prek. Prekativ

cs. (Status) constructus Ptz. Partizip

gem. (Wurzeln mediae) geminatae rect. (Status) rectus

hebr. (biblisch-)hebräisch spB spätbabylonisch

Imp. Imperativ St. Status

inf. (Wurzeln primae/mediae/ Stat. Stativ

tertiae) infirmae V (beliebiger) Vokal

Inf. Infinitiv

Bibliographische Abkürzungen und Literaturverzeichnis

AHw. W. VON Soden: Akkadisches Handwörterhuch, I-III. Wiesaden 1965-

1981.

Botterweck (1952) G. J. Botterweck: Der Triliterismus im Semitischen.

Bonn.

Buccellati (1996) G. Buccellati: A Structural Grammar of Babylonian.

Wiesbaden.

Edzard (1994) D. 0. Edzard: „namir 'er ist glänzend' ".In: Acta Sumerologica 16, S. 1-14.

62 Nach Knudsen (1986), S. 724, "one of the most characteristic features of

Akkadian phonology".

Referenzen

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