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Schule und Demokratie: Die notwendige Re-Politisierung der Schule

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Academic year: 2022

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Hans Berner ist Pädagoge und Dozent im Fachbereich Unterricht und Lernen an der Pädagogischen Hochschule Zürich

Von Hans Berner

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Für einmal waren es nicht die SVP oder die OECD, die ver- gangenen Herbst für Aufregung in der öffentlichen Bil- dungsdiskussion sorgten, sondern eine Studie der Päda- gogischen Hochschulen Bern, Nordwestschweiz und Zü- rich: «Schüler politisch ahnungslos» titelte der Tages-An- zeiger, die NZZ sekundierte tags darauf mit «Schüler ha- ben wenig Ahnung von Politik». Und der Tages-Anzeiger folgerte gleichentags: «Schüler ohne politische Bildung».

Das Problem und die Lösung

Die Affäre war zunächst eine halbe Zeitungsente, weil die Studie zwar zitiert und diskutiert, aber erst Mitte 2007 veröffentlicht wird – die Medien waren alleine auf die Interpretation des Studienleiters Daniel V. Moser (Bern) angewiesen. Dieser gab sich als «erschüttert» und sieht zwei Gründe für die Misere: Erstens «extrem trockene»

Staatskunde-Lehrmittel, zweitens die mangelnde politi- sche Bildung der Lehrkräfte.

Das grosse Medienecho verweist auf die Wichtigkeit poli- tischer Fragen in Schule und Bildung. Diese manifestiert sich auch in der letzten Nummer des Schulblatts des Kan- tons Zürich 2006, die sich der «Politischen Bildung» wid- met. Darin kommen die beiden Pädagoginnen Sandra Da Rin und Sibylle Künzli zu einem ähnlichen Schluss wie ihr Berner Kollege: Mangelnde politische Bildung müsse sowohl im schulischen Lehrplan als «auch im Rahmen der Ausbildung von Lehrpersonen» wettgemacht werden.

Etwas pauschaler schliesst der Freiburger Pädagoge Horst Biedermann, dass die politische Bildung im Schweizer Bildungswesen «nur ungenügende Umsetzung findet», aber eine «grössere Bedeutung» verdiene.

Die Defizitdiagnose wird also in mehreren unabhängigen Untersuchungen geteilt, und die Öffentlichkeit sorgt sich mit. Die diskutierten Lösungsoptionen entsprechen dem triadischen Modus, der in der pädagogischen Reformdis- kussion klassisch geworden ist, denn sie zielen auf Ver- besserung in drei Dimensionen: Curriculum (Schulfach), Medium (Lehrmittel), Ausbildung (Lehrerbildung).

Der Hintergrund des Problems

Die Analysen der Kolleg/innen stehen hier nicht zur Dis- kussion, und die Medien sind insofern entschuldigt, als sie in diesem Fall sensibel wissenschaftliche Forschung und öffentliches Interesse aufgreifen und vermitteln wollten: Politische Bildung ist dadurch auf der Agenda, und unter anderem steht die Frage im Raum, warum sie überhaupt ins Zentrum des Interesses gelangen konnte.

Sicher ist, dass das Thema nicht deswegen die Aufmerk- samkeit der Forschenden und der Medien fand, weil es

etwa in der Schweiz katastrophal tiefe Wahlbeteiligung gibt oder weil das Schweizer Militär die politische Macht an sich reissen möchte. Das Interesse kam gewissermas- sen «von aussen», von der Internationalisierung der Bil- dungsdiskussion. Diese hat Fragen aufgeworfen und De- batten zum Vorschein gebracht, die dem gängigen päda- gogischen Denken bei uns kaum zugänglich sind.

Das dominante pädagogische Denken ist im deutschspra- chigen Raum fast prinzipiell apolitisch. Es ist in seiner Grundstruktur mehrfach dualistisch. Erstens indem es ei- ne pädagogische Welt von einer nicht-pädagogischen trennt («pädagogische Autonomie»), zweitens indem es eine Aussen- und Innenwelt unterscheidet und das We- sentliche von Bildungsprozessen in das Innere des Men- schen legt, und drittens indem es Pluralität und Totalität einander gegenüberstellt und letztere als Bildungsziel versteht. Die Reflexion dieser Prozesse wird «Bildungsthe- orie» genannt, ihr Zentralbegriff ist «Bildung», der bean- sprucht, weit mehr zu umfassen als Wissen, Umgang mit Wissen, Aushandlung oder Umsetzung.

Die Hauptexponenten dieser Bildungstheorie tragen be- rühmte Namen wie Eduard Spranger, Wilhelm Flitner oder Herman Nohl. Dass ihre Doktrin heute noch so dominant ist, ohne dass die einzelnen Argumente kritisch geprüft werden, muss der Pädagogik vorgehalten werden, die permanent zu vergessen scheint, dass sowohl ihr fachli- cher Gegenstand als auch ihr disziplinäres Problembe- wusstsein historisch sind. Alle drei Exponenten waren deutschtümelnd, nationalistisch und, vor allem, demo- kratiefeindlich. Eduard Spranger wünschte sich schon 1923 für Deutschland einen starken Mann, so wie es Mussolini für Italien gewesen sei, Herman Nohl strebte die «Einheit eines neuen Ideals vom deutschen Men- schen» ebenso wie die Einheit «einer höheren geistigen Volkskultur» an, und Wilhelm Flitner suchte den «poli- tisch opferbereiten und ritterlichen Mitträger des herr- schaftlichen und genossenschaftlichen Staatswillens der deutschen Nation». Keiner dieser drei Professoren protes- tierte 1933 gegen die Machtübernahme der Nationalsozia- listen. Flitner blieb an der Universität Hamburg Professor ohne Unterbruch, Spranger hielt 1936/37 im Auftrag des deutschen Reiches in Japan Gastvorlesungen, und Nohl lehrte immerhin bis 1937, bis er unter ungeklärten Um- ständen von seinem Lehrstuhl in Göttingen «entpflichtet»

wurde.

Die Unvereinbarkeit und ihre Folgen

Dabei bietet die Vergangenheit eine wunderbare Geschich- te, aus der zu lernen wäre. Eduard Spranger sollte von

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S c h u l e u n d D e m o k r a t i e : D i e n o t w e n d i g e R e - P o l i t i s i e r u n g d e r S c h u l e

Daniel Tröhler ist Dozent an der Pädagogischen Hochschule Zürich und Leiter des Instituts für historische Bildungsforschung Pestalozzianum der Pädagogischen Hochschule Zürich

standpunkt

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Von Daniel Tröhler

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der Universität Zürich den Ehrendoktortitel verliehen be- kommen. Dabei wurde er auch eingeladen, am 18. Feb- ruar 1927 die offizielle Gedenkrede zu Pestalozzis 100.

Todestag zu halten. Die Rede Sprangers war äusserst de- vot gehalten, denn es sei «heiliges Land», das man mit Pestalozzi betrete. Inhaltlich allerdings liess er ungewollt eine Bombe platzen. Pestalozzis Weisheit sei es gewesen, dass er zwei Stränge zu einer Lehre habe synthetisieren können: «den Kaiser des Volkes als Bildner des Volkes».

Diesen Satz hätte Spranger besser nicht gesagt, denn die NZZ und mit ihr ein breiter Teil der Öffentlichkeit in Zü- rich empörte sich über einen Deutschen, der es wagte, den Schweizer Republikaner Pestalozzi als Wegbereiter des deutschen Wilhelminismus zu deuten – der Ehren- doktortitel blieb Spranger in der Folge auch tatsächlich versagt.

Was 1927 in Zürich noch normal war, nämlich die schrof- fe Ablehnung pädagogischer Konzepte, die Totalität als Ausgang und Ziel von Erziehung verstehen, geriet in der Folge in Vergessenheit. Die Lücke, welche die Ausblen- dung der politischen, das heisst demokratischen Traditio- nen im pädagogischen Denken hinterliess, wurde mit ei- ner oft moralistischen Psychologie gefüllt, die im Rahmen der Lehrerbildung einen immer grösseren Stellenwert ein- nahm. Indem die Deutschschweiz dem innerlichen, de- mokratieskeptischen Paradigma Deutschlands folgte statt auf konkrete Fragen des liberaldemokratischen Republi- kanismus der Schweiz zu antworten, verpasste sie den Anschluss an die internationale Diskussion – und wird nun im Rahmen der Internationalisierung der bildungs- politischen Debatte wieder daran erinnert. Einen anderen Weg hatte die Westschweiz eingeschlagen, die gerade im Feld der Lehrerbildung schon seit dem frühen 20. Jahr- hundert den amerikanischen Pragmatismus rezipierte, der die Frage zum Zusammenhang von Demokratie und Erziehung ins Zentrum moderner Erziehungsreflexion ge- stellt hatte. Ist es bloss Zufall, dass in den gegenwärtigen Untersuchungen die westschweizerischen Jugendlichen im Themenfeld der politischen Bildung markant besser abschneiden als diejenigen der Deutschschweiz?

Die neue Agenda

Es war mit John Dewey einer der bekanntesten Erzie- hungstheoretiker des beginnenden 20. Jahrhunderts, der deutlich machte, dass die moderne, industrielle und demokratische Welt eine andere Erziehung brauche als die Welt des Ancien Régime oder des kaisertreuen Deutsch- lands und deswegen auch eine entschieden andere Theo- rie. Kein Wunder also, dass der Pragmatismus in Deutsch- land auf tiefe Ablehnung stiess; Eduard Spranger nannte Deweys Pädagogik nicht ohne Grund verächtlich «Küchen- utilitarismus». Auf diesem intellektuellen Boden konnte Demokratie, die nicht nur von Thomas Mann als «Verrat

am Kreuz» verstanden wurde, keine Rolle spielen.

Doch was sind die Optionen, Demokratie und Erziehung zusammen zu denken? Es gibt deren drei, die immer wie- der vermengt werden. Die erste Variante ist die demokra- tische Erziehung, in der die Kinder grösstmögliche Parti- zipationsmöglichkeiten erhalten und Schule oder Heim als kleine Republiken organisiert sind. Ihr Ursprung liegt bei den englischen Nonkonformisten im 17. Jahrhundert, sie kam im 18. Jahrhundert in die Schweiz (Haldenstein- Marschlins) und findet sich vor allem um 1900 in den USA wieder (school republics), wo dieses Konzept als De- mokratisierungspädagogik für die Immigranten, für die Eingeborenen sowie in den Kolonien institutionalisiert wurde. Man setzte es auch bis heute zur Resozialisierung von straffälligen Jugendlichen ein.

Die zweite Variante ist die Erziehung zur Demokratie und wird oft mit der ersten Variante verkoppelt. Das Beispiel der PISA-Studie zeigt aber, dass demokratische Erziehung nicht immer als einziges Mittel für die Erziehung zur De- mokratie gesehen, sondern dass auch angenommen wird, gute Schulleistungen und nützliches Wissen seien für die fruchtbare Partizipation in einer Demokratie entschei- dend. In diesem Sinne versuchten die Behörden im revo- lutionären Frankreich und in der Helvetik zwischen 1789 und 1801 die Erziehung auf mehr Wissen zu verpflichten, mit dem Argument, wer ein demokratischer Bürger sei, müsse Gesetzestexte usw. verstehen können.

Die dritte Variante ist die umfassendste. Sie diskutiert das Thema Erziehung in einer Demokratie, setzt dabei weder die Notwendigkeit des Mittels einer demokratischen Er- ziehung voraus noch reduziert sie Demokratie auf eine pädagogische Zielbestimmung. Ihr Kernbegriff ist Öffent- lichkeit, die erst durch Bildung erzeugt werden kann, wobei Öffentlichkeit ihrerseits Bildung kontrollieren kann – im Falle der Schweiz durch die Schulpflegen und in den USA durch die school board. In dieser Variante wird die Lehrkraft nicht prinzipiell als «Anwalt des Kindes» gegen Ansprüche von aussen verstanden, sondern als Person, die öffentlichen Erwartungen entsprechen muss. Und in ihrer disziplinären Form reflektiert sie stets die Ge- schichtlichkeit der gängigen Wertvorstellungen («Diskur- se») als auch der Institutionen und überprüft so insbe- sondere die eigenen normativen Prämissen.

Das alles schliesst natürlich nicht aus, dass in der Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte, im Lehrplan der Schule und in den Schulbüchern Verbesserungen gemacht wer- den können. Damit diese Bemühungen aber kohärent bleiben und auch nicht auf Kosten anderer Anliegen ge- hen, bedarf es einer vorgängigen «Re-Politisierung» des pädagogischen Denkens. Denn die Frage nach öffentlicher Erziehung in einer Demokratie ist für die Zukunft von De- mokratie ebenso ausschlaggebend wie für die Dignität des pädagogischen Denkens.

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