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(1)Aufsatz Andreas Jasper Radikalisierung im Westen? Zum Verhältnis von Ideologie und Handlungssituation an der Invasionsfront* Über die Invasion am 6

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(1)

Aufsatz

Andreas Jasper

Radikalisierung im Westen?

Zum Verhältnis von Ideologie und Handlungssituation an der Invasionsfront*

Über die Invasion am 6. Juni 1944 wird im »Weltkriegswerk« des Militärgeschicht- lichen Forschungsamtes berichtet, dass die gelandeten Fallschirmjäger der West- alliierten von den Deutschen mit Hilfe von Jagdkommandos1 bekämpft wurden.

Jagdkommandos waren zuvor auf deutscher Seite nur im Zusammenhang mit der Partisanenbekämpfung auf den östlichen Kriegsschauplätzen von Bedeutung. In einem aus Kräftemangel nicht zu kontrollierenden Rückraum der Front sollten die nicht als Kombattanten anerkannten Partisanen vernichtet werden. Brutalität und völkerrechtswidriges Verhalten waren Bestandteil der Kampfweise dieser Kom- mandos, die im Gefühl der Überlegenheit auf die »Jagd« nach Menschen gingen.

Der Einsatz solcher Kommandos gegen Fallschirmjäger der Westalliierten wirft daher Fragen auf: Vollzog sich 1944 im Westen eine Radikalisierung der Kriegfüh- rung, indem Kampfformen des Ostkrieges angewendet wurden? Ist von einem ideologisch begründeten Agieren oder von einem Reagieren auf situative Heraus- forderungen auszugehen?

Um diese Fragen beantworten zu können, setzt die Untersuchung auf drei Ebe- nen an. Im ersten Teil wird es um den Kommandobefehl vom 18. Oktober 1942 und seine Bestätigung am 25. Juni 1944 gehen. Entstehung und Rechtfertigung des Befehls sowie seine Umsetzung durch die Höheren Kommandostellen der Wehr- macht sollen betrachtet werden. Ein Vergleich des Kommandobefehls mit dem Kommissarbefehl als »dem verbrecherischen Befehl« im Ostkrieg wird - für die Ebene der NS-Führung und der verantwortlichen Stäbe im Westen - erste Antwor- ten auf die beiden Leitfragen ermöglichen.

Die folgenden beiden Abschnitte sind den Soldaten gewidmet, die die Befehle umsetzen sollten. Zunächst wird der Blick auf einen deutschen und einen US-ame- rikanischen Leutnant gelenkt, die vom 6. bis 9. Juni 1944 auf der südlichen Coten- tinhalbinsel an den Invasionskämpfen beteiligt waren. Der Vergleich zwischen die- sen beiden Offizieren soll klären, ob der Kampf unter vergleichbaren Bedingungen auf beiden Seiten zu einem vergleichbaren Verhalten führte. Welche Relevanz hatte der Kommandobefehl bei den deutschen Soldaten im Kampfgebiet? Die Berichte dieser beiden Akteure schildern die Ereignisse detailliert, Deutungen und Emotio- nen kommen dagegen kaum zur Sprache.

Um die »Innenseite« der Kriegserfahrung zu berücksichtigen, werden im drit- ten und letzten Abschnitt die Feldpostbriefserien zweier deutscher Mannschafts-

Der Aufsatz ist im Tübinger Sonderforschungsbereich 437 Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit entstanden.

1 Deutsche Lexika verweisen nur zwischen 1931 und 1945 auf diesen Begriff: Der Große Brockhaus, Bd 9, 15. Aufl., Leipzig 1931, S. 328; Meyers Lexikon, Bd 14, Ergänzungen, 7. Aufl., Leipzig 1933, Sp. 896 f. und in der 8. Aufl., Leipzig 1938, Sp. 1609. In der 6. Aufl.

von 1927 fehlt das Stichwort. Nach 1945 taucht der Begriff im Brockhaus nicht mehr auf;

vgl. Der Große Brockhaus, Bd 6,16. Aufl., Wiesbaden 1955.

Militärgeschichtliche Zeitschrift 66 (2007), S. 331-362 © Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam

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Soldaten analysiert. Einer von ihnen war in demselben eng umgrenzten Kampfab- schnitt eingesetzt wie die beiden Offiziere, der andere diente im Hinterland als Soldat bei einem Sicherungsverband. Wie werden unter diesen unterschiedlichen Bedingungen von Front und Hinterland die Ereignisse des Krieges gedeutet und welche Rolle spielt dabei der Rückgriff auf die Propaganda? Da beide Soldaten zu- vor im Osten eingesetzt waren, kann das Verhältnis von Einsatzbedingungen und Ideologie in der Wahrnehmung der Akteure auch vergleichend für die Kriegs- schauplätze in Ost und West untersucht werden.

Bezugspunkt aller drei Abschnitte ist der Kampf als das Kernelement des Krieges2. Dieser Ansatz wurde gewählt, da es um Kriegserfahrungen als »Erfah- rung des Krieges« und nicht um »Alltagserfahrungen in Kriegszeiten« geht. Ob- wohl quantitativ überwiegend, ist der Stellenwert des Alltäglichen in der Erinne- rung gering, und aus der Analyse des Alltäglichen ist wenig über den Krieg zu erfahren. Im Krieg geht es darum, dem Feind seinen Willen aufzuzwingen3, mit dem Ziel, so schnell wie möglich zu einem Alltag unter vorteilhaften Friedensbe- dingungen zurückzukehren. Die Sehnsucht nach Frieden als Voraussetzung für die Rückkehr in einen gesicherten, beständigen Alltag ist in der Feldpost domi- nant. In dieser Hinsicht haben Staats- und Militärführung sowie der einzelne Sol- dat die gleichen Interessen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Kämpfe, Kraftanstrengungen und Wagnisse eingegan- gen werden, aus denen die durch Angst, Strapazen und Ungewissheit geprägte Atmosphäre der Kriegserfahrung erwächst. Sie dominiert in der Erinnerung nicht nur der Soldaten, sondern auch der Zivilisten, für deren Kriegserfahrung, wie Richard Bessel jüngst betont hat4, in Deutschland vor allem die letzten Kriegsmo- nate bedeutsam wurden. Das liegt daran, dass mit dem Einmarsch der alliierten Truppen auch die Masse der deutschen Bevölkerung aus ihrem »Alltag in Kriegs- zeiten« herausgerissen wurde. In diesen Monaten war ihre Wahrnehmung ganz durch die Atmosphäre des Krieges geprägt, weshalb diese Zeit in ihrer Erinnerung an Krieg und NS-Zeit überwiegt. Um die Erfahrung, die vom Krieg spricht5, geht es hier.

2 Siehe dazu John Keegan: »War, ultimately is about figthing.« Zit. nach Bernd Wegner, Wozu Operationsgeschichte? In: Was ist Militärgeschichte? Hrsg. von Thomas Kühne und Benjamin Ziemann, Paderborn 2000 (= Krieg in der Geschichte, 6), S. 105-113, hier S. 108.

3 Vgl. Carl von Clausewitz, Vom Kriege. Über die Natur des Krieges (1. Buch), 19. Aufl., Bonn 1980, S. 191 f.

4 Vgl. Richard Bessel, The war to end all wars. The shock of violence in 1945 and its after- math in Germany. In: No Man's Land of Violence. Extreme Wars in the 20lh Century. Ed.

by Alf Liidtke and Bernd Weisbrod, Göttingen 2006 (= Göttinger Gespräche zur Ge- schichtswissenschaft, 24), S. 71-99.

5 Die Formulierung ist angelehnt an den Aufsatz von Michael Geyer, Eine Kriegsge- schichte, die vom Tod spricht. In: Mittelweg 36, 4 (1995), 2, S. 57-77, auch in: Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit. Hrsg. von Thomas Lindenberger und Alf Lüdtke, Frankfurt a.M. 1995, S. 136-161. Es geht hier keinesfalls darum, den Wert der Alltagsgeschichte in Frage zu stellen, sondern um die Erfahrung des Krieges als Kampf.

Vgl. allgemein dazu: Thomas Kühne und Benjamin Ziemann, Militärgeschichte in der Erweiterung. Konjunkturen, Interpretationen, Konzepte. In: Was ist Militärgeschichte?

(wie Anm. 2), S. 9 ^ 6 , hier S. 31.

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I. Der Kommandobefehl

Seit dem Kriegseintritt Amerikas am 11. Dezember 1941 wurde mit der Eröffnung einer zweiten Front im Westen gerechnet. Sie abzuwehren, war für das »Dritte Reich« überlebenswichtig6. Die Masse der für den Kampf geeigneten deutschen Besatzungstruppen stand an den Küsten in einem Streifen von 20 bis 30 km Tiefe.

Dieser Bereich galt als Kampfgebiet, dort mussten die Alliierten ihre Aufklärungs- arbeit betreiben. Besonders Großbritannien setzte ab 1940/41 bis 1944 Agenten und Kommandoeinheiten in Frankreich ein7. Sie sollten deutsche Verteidigungsanla- gen erkunden und Sabotage in Zusammenarbeit mit dem französischen Wider- stand leisten8. Das führte dazu, dass auch Frontsoldaten auf Streifendiensten mit irregulären Kampfmethoden konfrontiert wurden. Hinter dem Kampfgebiet lag das Operationsgebiet, in dem nur Sicherungsverbände und die Angehörigen von Ortskommandanturen stationiert waren. Für eine effektive Überwachung des Hin- terlandes waren diese Kräfte viel zu schwach. Deshalb bot der Bereich Partisanen und Sabotagetrupps ideale Entfaltungsmöglichkeiten9.

Das heimliche Operieren hinter den feindlichen Linien schuf Handlungsbedin- gungen, die eine völkerrechtskonforme Behandlung zum Beispiel von überrum- pelten Wachposten schwierig bis unmöglich machte. Für diese Art von Kampf ver- langte das Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften von 1937 »Überraschung, List, Täuschung und rücksichtsloses Draufgehen«. Den Verteidigern wurde »über- raschende Umzingelung und Vernichtung« der Eindringlinge empfohlen10. Der

6 Vgl. Hans Umbreit, Der Krieg an der »zweiten Front«: Die Bekämpfung der Partisanen.

In: Bernhard R. Kroener, Rolf-Dieter Müller und Hans Umbreit, Organisation und Mo- bilisierung des deutschen Machtbereichs, Halbbd 2: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942-1944/45, Stuttgart 1999 (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, 5/2), S. 153-181, hier S. 174.

7 Vgl. Charles Brown Macdonald, Die Fallschirmjäger, Rastatt 1984, S. 109. Von Januar 1943 bis März 1944 waren in Frankreich 808 Lokomotiven und 2500 Kraftfahrzeuge zer- stört worden, über 8000 Kfz waren beschädigt, vgl. Gordon A. Harrison, Cross Channel Attack, Washington, DC 1951 (= United States Army in World War II: The European Theatre of Operations, 2), S. 204: Allein im April 1944 hatte die Wehrmacht 869 »blutige Verluste« durch Partisanen und Kommandotruppen zu verzeichnen. Vgl. Detlev Vogel, Die Deutschen in Erwartung einer alliierten Invasion. In: Horst Boog, Gerhard Krebs und Detlef Vogel, Das Deutsche Reich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und in Ostasien 1943-1944/45, Stuttgart, München 2001 (= Das Deut- sche Reich und der Zweite Weltkrieg, 7), S. 490 f. und Umbreit, Der Krieg an der »zwei- ten Front« (wie Anm. 6), S. 179 mit weiteren detaillierten Angaben. Die nach der Fertig- stellung des Manuskripts erschienene Dissertation von Peter Lieb, Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg? Kriegführung und Partisanenbekämpfung in Frank- reich 1943/44, München 2007 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 69), be- fasst sich ausführlich mit den hier behandelten Themen. Somit sind mehrere der hier verwendeten Quellen auch von Lieb erfasst, was in den Fußnoten berücksichtigt wurde.

Für Nordwestfrankreich betont Lieb die relative Ruhe im Frühjahr 1944, vgl. Lieb, Kon- ventioneller Krieg, S. 265.

" Vgl. Vogel, Die Deutschen (wie Anm. 7), S. 491 und Harrison, Cross Channel Attack (wie Anm. 7), S. 206. Siehe auch bei Macdonald, Die Fallschirmjäger (wie Anm. 7), S. 110 f.

9 Vgl. Harrison, Cross Channel Attack (wie Anm. 7), S. 205.

10 Vgl. Hermann Franke, Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften, Bd 2: Das Heer, Berlin 1937, S. 372.

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Begriff »Vernichtung« musste 1937 noch nicht die völkerrechtswidrige physische Vernichtung von Kommandoleuten oder Luftlandesoldaten bedeuten.

Der Einsatz von Fallschirmjägern ist als Übergang von dieser Art der Vorberei- tung zur Durchführung der Landung zu verstehen. Fallschirmjäger sollten wie ein Vorauskommando agieren, neuralgische Punkte hinter den feindlichen Linien an- greifen und Verwirrung stiften. Ob es sich um Kommandosoldaten oder reguläre Fallschirmjäger handelte, wussten die Verteidiger vor Ort zunächst nicht11. Ver- stärkt wurde die Unübersichtlichkeit noch durch eine Besonderheit im Einsatz dieses neuen Truppentyps. Bevor die Truppen hinter den feindlichen Linien aktions- fähig waren, mussten sie sich nach ihrer Landung erst sammeln. Die vereinzelt oder in kleinen Gruppen nach Kameraden suchenden Luftlandesoldaten waren für die wenigen Verteidiger im rückwärtigen Gebiet nur durch ihre Uniform von Partisanen zu unterscheiden. Genau dieses Unterscheidungskriterium erklärte Hit- ler mit dem am 18. Oktober 1942 erlassenen Kommandobefehl für obsolet12:

»Schon seit längerer Zeit bedienen sich unsere Gegner in ihrer Kriegführung Methoden, die außerhalb der internationalen Abmachungen von Genf stehen.

Besonders brutal und hinterhältig benehmen sich die Angehörigen der soge- nannten Kommandos, die sich selbst, wie feststeht, teilweise sogar aus Kreisen von in den Feindländern freigelassenen kriminellen Verbrechern rekrutieren.

Aus erbeuteten Befehlen geht hervor, dass sie beauftragt sind, nicht nur Gefan- gene zu fesseln, sondern auch wehrlose Gefangene kurzerhand zu töten im Mo- ment, in dem sie glauben, dass diese bei der weiteren Verfolgung ihrer Zwecke als Gefangene einen Ballast darstellen oder sonst ein Hindernis sein könnten [...]

Von jetzt ab sind alle bei sogenannten Kommandounternehmen in Westeuropa oder in Afrika von deutschen Truppen gestellte Gegner, auch wenn es sich äu- ßerlich um Soldaten in Uniform oder Zerstörungstrupps mit und ohne Waffe handelt, im Kampf oder auf der Flucht bis auf den letzten Mann niederzuma- chen13

Dieser Befehl erklärte alle Aufklärungsbemühungen der Westalliierten für illegal, alle daran Beteiligten sollten als Kommandoangehörige betrachtet werden und je- den kriegsrechtlichen Schutz verlieren.

Ab Sommer 1943, nach der verlorenen Schlacht bei Kursk im Osten und der an- gloamerikanischen Landung in Italien, zwang der Erfolg der Alliierten die Wehr- macht an allen Fronten in die Defensive. Angesichts dieser Lage kam Hitler im

11 Hans-Adolf Jacobsen, 1939-1945. Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten, Darmstadt 1961, S. 585 f., Nr. 198. (Kommandobefehl) § 5: »Diese Anordnung gilt nicht für die Behandlung derjenigen feindlichen Soldaten, die im Rahmen normaler Kampf- handlungen (Großangriffe, Großlandungsoperationen und Großluftlandeuntemehmen) im offenen Kampf gefangen genommen werden oder sich ergeben.« Eine solche Bestim- mung war in der Anfangsphase des Kampfes für die Verteidiger nicht praktikabel. Vgl.

dazu auch Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 143.

12 Darin sieht Lieb den »eigentlichen Rechtsbruch« und betont, dass der Kommandobefehl in der folgenden Zeit nicht umgesetzt wurde, vgl. Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 142 bzw. 145. Der Anlass zur Ausgabe des Befehls war wohl das groß ange- legte Kommandountemehmen kanadischer Einheiten bei Dieppe, wobei deutsche Ge- fangene misshandelt und getötet worden sein sollen. Vgl. dazu Umbreit, Die Radikali- sierung. In: Kroener/Müller/Umbreit, Organisation (wie Anm. 6), S. 147.

13 Vgl. Jacobsen, 1939-1945 (wie Anm. 11), S. 585 f., Nr. 198. Die Vorwürfe im Einzelnen er- läutert Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 145.

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Herbst 1943 zu der Überzeugung, dass der Krieg im Westen entschieden werde14. Nach über vier Jahren Krieg sollte die Erwartung einer alles entscheidenden Schlacht dem weit verbreiteten aber unrealistischen Wunsch nach einem schnel- len Kriegsende entsprechen. Diese realitätsferne Sicht einer bevorstehenden Ent- scheidungsschlacht im Westen wurde den Deutschen mit Hilfe von Durchhaltebe- fehlen und Propaganda vermittelt, wie dieser Aufruf vom Mai 1944 zeigt, den Hitler für den Fall der Invasion verkünden wollte:

»Ihr seid dazu berufen, sie [die Invasion] zu vereiteln und damit die nationale Si- cherheit, die Existenz und Zukunft unseres Volkes zu sichern. Hier verteidigt ihr unseren Kontinent [...] Hier gibt es kein Ausweichen oder Operieren, hier gilt es zu stehen, zu halten oder zu sterben. Wo der Feind angreift, muss er vernichtet werden15

Ahnlich waren auch die Befehle der örtlichen militärischen Führung gestimmt. So gab Generalmajor Wilhelm Falley, Kommandeur der 91. Luftlandedivision, die im Inneren der Halbinsel Cotentin stationiert und zur Invasionsabwehr vorgesehen war, am 12. Mai 1944 im Tagesbefehl 14 folgenden Text für Propagandaplakate he- raus:

»Franzosen!

Die Angloamerikaner, die Mordbrenner des Abendlandes und Handlanger des Bolschewismus, stehen im Begriff, die Teile eures schönen Landes zu verwüs- ten, welche bisher vom Kriege verschont blieben und eure Frauen und Kinder zu ermorden. Der deutsche Soldat wird die Pläne dieser Dunkelmänner verei- teln. Helft ihm, die vom Judentum gedungenen Mörder eurer Heimat fernzu- halten, indem ihr auf euren Wiesen und Feldern Pfähle gegen Landungen von Luftlandetruppen und Fallschirmspringern errichtet16

Die Unterscheidung zwischen regulären und irregulären Kampfformen ver- schwamm nicht nur in solchen Propagandapassagen, sondern auch dort, wo es um konkrete Verhaltensanweisungen für die Soldaten ging. Eine Woche vor Beginn der Invasion hieß es am 30. Mai 1944 in einem »Feindnachrichtenblatt« mit dem Titel »Britische und amerikanische Fallschirmjäger und Luftlandetruppen«:

»Um das Sammeln und die Einnahme von Ausgangsstellungen zu erleichtern und zu beschleunigen, ist mit Einsatz von ortskundigen Führern der Luftlande- verbände und feindlichen Widerstandsbewegung als Lotsen zu rechnen.

Einzelkampf: Englische Fallschirmjäger haben skrupellos von allen Möglich- keiten der Feindtäuschung Gebrauch gemacht. Unter anderem wurde beobach- tet, dass englische Fallschirmjäger durch weiße Tücher Ubergabe oder durch deutschen Zuruf >Gut Freund< eigene Truppen vortäuschten.«

14 In ideologischer Hinsicht blieb der Osten »Hauptkampfplatz«, aber Ende 1943 gewan- nen strategische Überlegungen und damit der Westen Vorrang. Vgl. Hans-Ulrich Thamer, Entscheidung im Westen? Frankreich in der deutschen Politik und Strategie 1944. In: In- vasion 1944. Im Auftr. des MGFA hrsg. von Hans Umbreit, Hamburg 1998 (= Vorträge zur Militärgeschichte, 16), S. 1-16, hier S. 4 und Michael Salewski, Die Abwehr der In- vasion als Schlüssel zum »Endsieg«? In: Die Wehrmacht. Mythos und Realität. Im Auftr.

des MGFA hrsg. von Rolf-Dieter Müller und Hans-Erich Volkmann, München 1999, S. 210-223, hier S. 216.

15 Zit. nach Günter Bischof und Rolf Steiniger, Die Invasion aus der Sicht von Zeitzeugen.

In: Die Invasion in der Normandie 1944. Hrsg. von Günter Bischof und Wolfgang Krie- ger, Innsbruck 2001, S. 55-73, hier S. 56 f.

16 Vgl. Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg i.Br. (BA-MA), RH 26-91/7.

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»Nachteinsatz ist zur Wahrung der Überraschung und Ausschaltung der Ab- wehr nach wie vor zu erwarten. Zur Kennzeichnung [von Landezonen] ist so- wohl der Einsatz von vorher abgesetzten Funktrupps der Luftlandedivisionen zu erwarten als auch der Einsatz von Agenten17

Neben der Angst um die von Partisanen und »Fallschirmagenten« bedrohten rück- wärtigen Verbindungen ging es auch um die Abwehr von Spionage18. Die Solda- ten bekamen dazu schon im Frühjahr konkrete Anweisungen für ihre Streifen- dienste, so am 8. März 1944 mit einem Merkblatt der 7. Armee, zu der die 91. Luftlandedivision gehörte:

»Merkblatt: Anhalten, durchsuchen, festnehmen vom 8.3.44

- Bei jeder Kontrolle ist mit bewaffnetem Widerstand zu rechnen. Die Terror- risten und Agenten führen meist verborgene Waffen mit sich, von denen sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit rücksichtslos Gebrauch machen.

- Bei Nichtbefolgen einer Aufforderung (z.B. Hände hoch), Widerstand oder Flucht- versuch wird sofort rücksichtslos geschossen. Warnungsschüsse gibt es nicht.

- Auf schnellstem Wege GHFP, SD oder Feldgendarmerie benachrichtigen19

Am 6. Juni 1944 landeten die Westalliierten an fünf Landungsabschnitten in der Normandie und setzten sich dort fest. Nicht nur direkt vor Ort, sondern auch in den deutschen Stäben herrschte Verwirrung. Die Einflüge in der Nacht vor der In- vasion waren als Aktionen zur Unterstützung der Résistance mit Agenten und Waf- fen gewertet worden20. Am 6. Juni selbst blieb lange unklar, womit man es zu tun hatte, einem größeren Kommandounternehmen oder der lange erwarteten Inva- sion. Fehlmeldungen, unterbrochene Nachrichtenverbindungen und alliierte Täu- schungsmanöver machten es den Deutschen unmöglich, sich ein zutreffendes Bild von der Lage zu machen und angemessen zu reagieren. Abspränge wurden so- wohl in und um die Kampfgebiete als auch im weiteren Hinterland gemeldet21. Überlebende von Stäben im Kampfgebiet, die sich erst nach Stunden oder Tagen meldeten, hatten das Gefühl, von Fallschirmjägerkommandos gezielt angesprun- gen worden zu sein22. Auf Meldungen über Behinderungen beim Nachschub aus dem Hinterland wurden noch am Nachmittag des 6. Juni Jagd- und Abwehrkom- mandos eingesetzt23.

17 Vgl. BA-MA, RH 26-91/3. Nach dieser Quelle kann ich im Gegensatz zu Lieb keinen un- eingeschränkten Respekt gegenüber den angloamerikanischen Fallschirmjägern sehen, da die Täuschungsmanöver und die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Widerstand und Agenten diese eher in negative Zusammenhänge stellt. Vgl. Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 134, Anm. 16.

18 Vgl. BA-MA, RH 15/440: Am 24.1.1944 kam vom LXXXIV. Armeekorps die Warnung: »Es ist vorgekommen, dass Terroristen, die Sabotageakte verübten, deutsche Wehrmachts- uniformen trugen.«

19 Vgl. BA-MA, RH 20-7/197. GHFP steht für Geheime Feldpolizei, SD für Sicherheitsdienst der SS.

20 Vgl. Die geheimen Tagesberichte der Deutschen Wehrmachtführung im Zweiten Welt- krieg 1939-1945. Hrsg. mit Unterstützung des Arbeitskreises für Wehrforschung von Kurt Mehner, Bd 10, Osnabrück 1985, S. 251, Tagesmeldung am 5.6.1944.

21 Vgl. BA-MA, RH 19-IV/134: Es wurden Fallschirmjäger bei Rennes gemeldet. Außerdem im direkten Kampfgebiet östlich von Carentan und nördlich Valognes. Vgl. BA-MA, RH 19-IV/255 K.

22 Vgl. BA-MA, RH 15/440: »Daneben wurden im Divisionsbereich die Gefechtsstände meh- rerer Stäbe von Kommandos angesprungen.«

23 Vgl. Vogel, Die Deutschen (wie Anm. 7), S. 543. Zu den Jagd- und Abwehrkommandos vgl. BA-MA, RH 19-IV/134.

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Da es den Alliierten gelungen war, die deutsche Küstenverteidigung zu über- winden und an Land Fuß zu fassen, hatte sich die Lage wesentlich geändert. Um das strategische Ziel der Verteidigung in Frankreich zu erreichen, mussten die Deutschen zum Gegenangriff übergehen und die Alliierten wieder vom Festland vertreiben. Die Zeit spielte dabei gegen sie. Als entscheidend galt deshalb, ob sie schnell in der Lage sein würden, ihre Reserven aus dem Hinterland heranzuzie- hen24. Nur durch eine überlegene Kräftekonzentration gegenüber den einzelnen, noch nicht vereinigten Brückenköpfen der Westalliierten würde ein erfolgreicher Gegenangriff überhaupt möglich werden.

Über Monate war die Frage der Invasionsabwehr als kriegsentscheidend ver- kündet worden. In diesem Bewusstsein griffen die Verantwortlichen zu radikalen, völkerrechtswidrigen Methoden. Am 12. Juni befahl der Oberbefehlshaber (OB) West, Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt, die Anwendung der »brutalsten Mittel zur Sicherung des Hinterlandes«, und weitere Jagdkommandos wurden für diese Aufgabe aufgestellt25. Die Zivilbevölkerung sollte ohne Rücksicht auf die Ge- fahr durch Luftminen zur Reparatur zerstörter Straßen gezwungen werden26. Die Anweisungen für den Kampf im Hinterland waren von rücksichtsloser Härte ge- kennzeichnet. Der Abwehroffizier (Ic) des OB West, Oberstleutnant Wilhelm Meyer- Detering, erklärte dies nach den »Russlanderfahrungen« als zwingend geboten27. Hier wird deutlich, wie sehr bei den Deutschen die Kriegserfahrung aus Russland die Einstellungen für den Kampf im Hinterland geprägt hatte. Jetzt wurden sie auf den Westen übertragen.

Besonders der Kommandeur der Panzergruppe West, General Leo Freiherr Geyr von Schweppenburg, stellte kritische Fragen zum Thema »Fallschirm- agenten«28. Als einer der ranghöchsten Kommandeure vor Ort hatte sein Wort Ge-

24 Vgl. Gerhard. L. Weinberg, Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Stuttgart 1995, S. 725 f.

25 Vgl. BA-MA, RH 19-IV/132 und BA-MA, RH 20-7/135. Beide Befehle von der Heeres- gruppe D und der ihr unterstellten 7. Armee stammen vom 12.6.1944. Befehlshaber der Heeresgruppe D war Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt. Da ihm alle operativen Truppen in Frankreich unterstellt waren, taucht er auch als OB West in den Quellen auf.

26 Vgl. BA-MA, RH 19-IV/134. Siehe zu dem ganzen Vorgang auch Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 148 f.

27 Vgl. BA-MA, RH 19-IV/134. Bereits zu dieser Zeit wurde über Auseinandersetzungen aus dem Hinterland mit weit mehr toten als gefangenen Gegnern berichtet. Unter kriegsrecht- lichem Aspekt beurteilt Jean Solchany die Rolle der Wehrmacht sehr kritisch. Vgl. Jean Solchany, Das deutsche Bild der Résistance. Identifizierungslogiken und Ausrottungsstra- tegien des Militärbefehlshabers in Frankreich. In: Repression und Kriegsverbrechen. Die Bekämpfung von Widerstands- und Partisanenbewegungen gegen die deutsche Besatzung in West- und Südeuropa. Hrsg. von Ahlrich Meyer, Berlin 1997 (= Beiträge zur National- sozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, 14), S. 25-42. Etwas zurückhaltender fällt das aktuelle Urteil von Gaël Eismann in diesem Gebiet aus. Vgl. Gaël Eismann, L'escalade d'une répression à visage légal. Les pratiques judiciaires des tribunaux du Militärbefehls- haber in Frankreich, 1940-1944. In: Occupation et répression militaire allemandes. La poli- tique de »maintien de l'ordre« en Europe occupée, 1939-1945, Paris 2007, S. 127-168. Peter Lieb argumentiert dagegen, dass die weitgehende Kriegsrechtskonformität des Verhaltens der Wehrmacht den Krieg im Westen als einen konventionellen Krieg vom Weltanschau- ungskrieg im Osten unterschied. Vgl. Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 505-515.

2B Vgl. BA-MA, RH 19-IV/134 vom 13. und 14.6.1944. Siehe dazu auch Dieter Ose, Entschei- dung im Westen 1944. Der Oberbefehlshaber West und die Abwehr der alliierten Inva- sion, Stuttgart 1982 (= Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte, 22), S. 310.

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wicht. Am 17. Juni ging ein Bericht über die Problematik an das OKW, zwei Tage später verhandelten der Stabschef des OB West, General Günther Blumentritt, und der Höhere SS- und Polizeiführer (HSSPF) in Frankreich, Carl Albrecht Oberg, die Angelegenheit und rangen um die Frage: »Wer gilt als Soldat29?« Unterdessen mel- dete das Jagdkommando Bartel aus der Bretagne, dass es bei Malestroits mit einer Gruppierung aus Partisanen und Kommandotruppen konfrontiert sei, der mit den vorhandenen Kräften nicht beizukommen sei30. Eine Abschnürung und hand- streichartige Wegnahme von Atlantikstützpunkten, die den Alliierten den Zugang zu dringend benötigten intakten Tiefseehäfen verschaffen würde, stehe zu befürch- ten31.

Am Abend des 21. Juni trafen sich Obersturmbannführer Hans Henschke, Oberstleutnant i.G. Wilhelm Meyer-Detering, und Sturmbannführer Herbert Ha- gen in Paris zu der am 19. Juni vereinbarten Besprechung32. Über die Diskussion ist ein Gesprächsprotokoll angelegt worden, aus dem im Folgenden zitiert wird:

»HA: Wenn der Feind unmittelbar hinter der Front Fallschirmtrupps absetzt, etwa zur Störung des Nachschubs, so handelt es sich dabei um einen militä- rischen Trupp. Durchaus üblich, wie wir es selbst gemacht haben. Wo ist nun der Unterschied [...]

MD: Bisher war die Sache vollkommen klar. Aber jetzt ist durch die Front eine neue Lage entstanden, jetzt muss eine Grenze gezogen werden. Zum Beispiel:

Die ostwärts der Orne abgesetzten Luftlandetruppen, die sich ergeben haben.

Wenn auf derartige Leute der Führerbefehl angewendet wird, hätten sie alle niedergemacht werden müssen [...]

HA: Gesetzt aber den Fall: Es bestünde der Plan in Bordeaux zu landen. 5 Tage vorher werden Fallschirmjäger abgesetzt, die bestimmte Aufträge haben für diese Anlandungen.

HE: Diese Leute müssen niedergemacht werden [...] Bei Kommandounterneh- men wird entscheidend sein die Art und Weise, in der ein Auftrag durchge- führt wird. Leute, die sich 4 oder 5 Tage tarnen, um dann deutsche Nachschub- kolonnen zu überfallen, haben eine Kampfweise, die wir nicht wollen. Diese Leute werden vernichtet [...]

MD: Schlage nochmals als einfachste Lösung vor, wer nördlich einer bestimmten Linie abspringt ist Soldat. Wer weiter rückwärts abspringt ist Agent33 [...] Da-

29 Vgl. Institut für Zeitgeschichte, München (IfZ), MA 265 und BA-MA, RH 19-IV/134.

30 Vgl. BA-MA, RH 20-7/197. Bei Malestroits waren 500 Soldaten der Special Air Services (SAS) geschlossen abgesprungen und hatten sich mit 3000 Widerstandskämpfern verei- nigt. Die Gruppe erhielt ständig weitere Unterstützung aus der Bevölkerung. Das Jagd- kommando Bartel verfügte über ca. 700 Mann. Siehe dazu Jean-Pierre Azéma, Die fran- zösische Widerstandsbewegung und die Befreiung Frankreichs. In: Invasion (wie Anm. 14) S. 51-64, hier S. 58.

31 Vgl. BA-MA, RH 20-7/197. So lautete ein Bericht vom 25.6., in dem auch ausgeführt wurde, dass man im Zusammenhang mit der Invasion bereits die Angehörigen von sie- ben verschiedenen Kommandoeinheiten festgestellt habe.

32 Vgl. Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 149: Sturmbannführer Herbert Hagen war persönlicher Referent des HSSPF in Frankreich, Standartenführer Carl Albrecht Oberg, Obersturmbannführer Hans Henschke war dessen Stellvertreter und Oberstleut- nant Meyer-Detering war der Chef der Ic-Abteilung bei der Heeresgruppe D, OB West genannt.

33 Vgl. ifz/ MA 263: Auf der Frankreichkarte aus dem Februar 1944 ist die Grenze zwischen Kampf- und Operationsgebiet verzeichnet. Die Pläne der Amerikaner zur Landung bei Paris, die nicht verwirklicht wurden, wären kriegsrechtlich ein ganz legaler militärischer

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bei wird noch einmal gesagt, dass schriftliche Unterlagen darüber nicht mehr aufbewahrt werden dürfen. Denn wenn dieser Befehl in Feindeshand fällt, dann gibt es einen Saukrach, und zwar mit Recht [...] Am besten sagen Sie ihren Kom- mandeuren, wenn sie schon solche Leute bekommen, sollen sie kein großes Aufhebens machen, sondern die Leute umlegen und damit ist der Fall erledigt.

Ich habe kein Interesse, dauernd mit ihnen hin- und herzuhandeln34

Die Erkenntnis, dass der Kommandobefehl völkerrechtswidrig war, hielt den Ver- treter des OB West keineswegs davon ab, sich für diesen Befehl gegen Fallschirm- jäger der Westalliierten einzusetzen. Am 25. Juni 1944 gab Hitler die Bestätigung des Kommandobefehls heraus:

»Alle außerhalb des unmittelbaren Kampfgebietes angetroffenen Angehörigen von Terror- und Sabotagetrupps, zu denen grundsätzlich alle Fallschirmsprin- ger rechnen, sind im Kampf niederzumachen35

Damit war deutschen Soldaten im Hinterland die Möglichkeit eröffnet, feindliche Soldaten, die im Rahmen von Luftlandeoperationen weit hinter den Linien ope- rierten, oder aus getroffenen Maschinen abspringende Bomberbesatzungen sofort zu töten36.

Die allgemeine Kriegslage und die eigene Gefährdung, die Unerträglichkeit des Gedankens an die Niederlage und der daraus resultierende unbedingte Wille, sich zu behaupten, machte viele Wehrmachtoffiziere in Frankreich empfänglich für die von Hitler befohlenen Kampfmethoden37. Es gab aber auch eine gegenläufige Ent- wicklung. Etliche hohe Befehlshaber im Westen sahen schon seit Mitte Juni 1944 die Chancen schwinden, eine Niederlage in Frankreich abzuwenden38. Während Hitler in einer Lagebesprechung am 31. Juli 1944 noch einmal eine »rigorose«

Kampfführung verlangte, hofften sie, eine Niederlage überleben zu können, was den Kampf »bis zum Letzten« sinnlos machte. So ging Generalleutnant Karl-Wil- helm von Schlieben, Kommandeur der 709. Infanteriedivision, als Kampfkomman- dant der Festung Cherbourg am 27. Juni 1944 mit seinem 300 Mann starken Stab,

Akt gewesen. Zu den amerikanischen Planungen siehe Macdonald, Die Fallschirmjäger (wie Anm. 7), S. 113. Wenn Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 154 feststellt, dass die Uberlebenschance gestellter Kommandos mit ihrer Entfernung zur Front ab- nimmt, steht dies im Einklang mit den von Meyer-Detering unterbreiteten Vorschlä- gen.

34 Vgl. BA-MA, RH 19-IV/134. Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 149 f., Anm. 103 und 109 schätzt mit Verweis auf weitere Äußerungen die Haltung Meyer-Deterings und auch Blumentritts entgegen dem Eindruck des eben zitierten Protokolls als eher ableh- nend ein.

35 Vgl. Jacobsen, 1939-1945 (wie Anm. 11), S. 585.

36 Vgl. Macdonald, Die Fallschirmjäger (wie Anm. 7), S. 120: Das alliierte Oberkommando hatte 1943/44 mit dem Gedanken gespielt, im Rahmen der Invasion Frankreichs ein groß angelegtes Luftlandemanöver bei Paris durchzuführen. Siehe auch oben Anm. 33.

37 Am 17. Juni hatte Hitler seine Sicht der Dinge noch einmal bekräftigt, vgl. Ose, Entschei- dung (wie Anm. 28), S. 134.

38 Vgl. ebd., S. 125. Am 15.6.1944 standen an der Invasionsfront schon 320 000 alliierte Sol- daten nur 200 000 deutschen Kämpfern gegenüber, womit ein erfolgreicher deutscher Angriff bereits völlig illusorisch geworden war. Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B, und General Carl-Heinrich von Stülpnagel, der Militärbefehlshaber Frankreich, hatten Kontakt mit den Verschwörern des 20. Juli, Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt sah als OB West die Lage rein militärisch als aussichtslos an.

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ohne jede Gegenwehr, in Gefangenschaft. Kurz zuvor hatte er von seinen Solda- ten noch Widerstand bis zum Letzten verlangt. Hitler tobte:

»Es hängt eben von einem Mann ab, und die anderen sind Scheißkerle, sind bei uns so erzogen, dass sie so etwas als selbstverständlich auffassen, dass andere sich aufopfern, aber selber denken sie nicht daran, weil sie mit einem Auge schon herüberschielen: Was kann uns schon passieren, wir gehen in Gefangen- schaft, werden da standesgerecht behandelt besonders wir aus adligen Fami- lien, da werden wir standesgemäß behandelt, kommen nicht einmal mehr mit dem ganzen eigenen Plebejertum zusammen [...] Der Fall Cherbourg muss uns eine Warnung sein, so kann es nicht sein, es ist eine Schande [...] Feiglinge wer- den zu Helden emporgelobt, charakterlose Schweine, die sich schlimmer auf- führen als irgendein kommunistisches Schwein, denn das ist ein Idealist, kämpft für etwas39

Der Kommissar- und der Kommandobefehl sind Zeugnisse für die Radikalisie- rung im Zweiten Weltkrieg. Beide Befehle waren verbrecherisch, aber im Gegen- satz zum Kommissarbefehl lässt sich der Kommandobefehl als eine Reaktion auf die Lage und die aus Erfahrung erwarteten Kampfformen des Gegners interpre- tieren. Beim Kommandobefehl lag die Begründung nicht ausschließlich im ideo- logischen Erwartungshorizont wie beim Kommissarbefehl. In der Wahrnehmung des deutschen Militärs wurden, ab 1941 vorwiegend auf dem Balkan und dann in der Sowjetunion, alle hinter der Front bekämpften Personen als Gegner ohne Kom- battantenstatus betrachtet. Jede Bedrohung des rückwärtigen Raumes galt als Ban- denkrieg. In diesem Bewusstsein agierten Jagdkommandos zur Sicherung des ei- genen Hinterlandes ab 1943 auch im Süden und Westen immer weniger mit der Absicht, Gefangene zu machen. Mit dem Kommandobefehl wurden die Maßstäbe aus dem Osten teilweise auf den Westen übertragen40.

Hatten die Verantwortlichen vor Ort bei der Sicherung des Hinterlandes ähn- liche Maßnahmen ergriffen wie im Osten, so war der Krieg dort doch ein anderer.

Es war der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, der die »Entfesselung der Endlösung«4' möglich werden ließ. Im Westen propagierte die NS-Führung dage- gen keinen Volkstumskampf zur Eroberung von Lebensraum wie im Osten. Wie weit die Radikalisierungsbereitschaft auch im Westen ging und auf welche Gegen- kräfte sie stieß, lässt die bereits erwähnte Entscheidungsfindung der militärischen

39 Vgl. Lagebesprechung am 31.7.1944. In: Hitlers Lagebesprechungen. Die Protokollfrag- mente seiner militärischen Konferenzen 1942-1945. Hrsg. von Helmut Heiber, Stuttgart 1962 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 10), S. 592-602. Es handelt sich hier praktisch auch um einen Nerobefehl für den Westen. Hitlers Hasstiraden gegen das hohe Offizierkorps dürften auch wegen des Attentats vom 20. Juli besonders heftig aus- gefallen sein. Unabhängig davon ist es zweifelsohne richtig, dass etliche hohe Befehls- haber bei der Frage, wer sich wann wie opfern muss, an ihre Untergebenen andere Maß- stäbe anlegten als an sich selbst. Zum Verhalten des Generalleutnant von Schlieben siehe Hitlers Lagebesprechungen, S. 600, Anm. 2. Lieb weist dagegen auf die Zwangslage für Generalleutnant von Schlieben hin und lässt einen Leutnant seines Stabes mit der Ein- schätzung zu Wort kommen: »am nächsten Tag hätten sie [die Soldaten] ihre Offiziere umgelegt.« Vgl. Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 433, Anm. 83.

40 Vgl. Umbreit, Die Radikalisierung. In: Kroener/Müller/Umbreit, Organisation (wie Anm. 6), S. 140-153, hier S. 147. Umsetzungsanweisungen und Richtlinien zu dieser The- matik ziehen sich von der Ostfront über den Balkan und Italien bis nach Frankreich.

41 Vgl. Christopher Browning, Die Entfesselung der »Endlösung«. Nationalsozialistische Judenpolitik 1939-1942, München 2003.

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Führung v o m 12. Juni 1944 erkennen. Der B.d.S. in Paris, Standartenführer Helmut Knochen42, hatte in dieser Phase der Radikalisierung einen Vorschlag zur »Siche- rung d e s rückwärtigen Gebiets« gemacht, d e s s e n Erörterung im Telefonprotokoll der Abwehrabteilung (Ic) des OB West festgehalten wurde:

»16.30 Uhr: Anruf Major Leo: B.d.S. will die Juden in Paris kaltstellen. Mil. Bef.

glaubt, dass dadurch nur Unruhe in die bisher ruhige Pariser Bevölkerung hin- eingetragen wird. Bittet u m U n t e r s t ü t z u n g v o n OB West in dieser H a l t u n g [··•]

19.00 Uhr: Anruf Major Leo: Betr. Juden-Vorschlag. Deutsche Botschaft hat ab- gelehnt. O.B. (Feldmarschall v o n Rundstedt) hat abgelehnt. Vorschlag Mil. Bef.:

Ic / OB West soll d e m General Oberg die M e i n u n g unseres O.B. bekannt geben.

Oberstlt. Meyer-Detering: Ehe ich mich z u diesem positiven Schritt entschließe, b e i m General Oberg eine Lanze für 30 000 Juden z u brechen, m u s s ich mich beim Chef versichern43

In der Überzeugung, Juden bildeten die Keimzellen der Partisanenbewegung, hat- ten viele Verantwortliche in der Wehrmacht die Ausrottungspolitik gegenüber d e n Juden im Z u g e des Unternehmens Barbarossa nicht nur gebilligt, sondern unter- stützt44. A n diese Denkmuster u n d Erfahrungen wollte Oberg jetzt im Westen an- knüpfen, u n d damit scheiterte er45. Was im Osten mit Verweis auf die Sicherheit

42 B.d.S. steht für Befehlshaber des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD.

43 Vgl. BA-MA, RH 19-IV/134. Lieb erwähnt nur Meyer-Deterings Unbehagen, das sich aber eindeutig auf Oberg bezieht, da der Abwehrchef des OB West es als »positiven Schritt« bezeichnet, sich für die Juden einzusetzen, was Liebs Einschätzung des Offizier- korps im Westen unterstreichen würde. Vgl. dazu Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 410.

44 Vgl. Johannes Hürter, Auf dem Weg zur Militäropposition. Tresckow, Gersdorff, der Ver- nichtungskrieg und der Judenmord. Neue Dokumente über das Verhältnis der Heeres- gruppe Mitte zur Einsatzgruppe Β im Jahr 1941. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ), 52 (2004), S. 527-562, hier S. 538. Meistens unterstützten oder billigten die Offi- ziere das Vorgehen allerdings nur so lange, wie sie in der Erschießung jüdischer Män- ner einen Beitrag zur Partisanenbekämpfung sehen konnten und nicht offensichtlich war, dass bei den meisten Aktionen die Partisanenbekämpfung nur ein Vorwand für syste- matischen Massenmord war. Zur Empörung über den Massenmord auch an Frauen und Kindern siehe ebd., S. 548.

45 Die Diskussion, inwieweit sich die Verantwortlichen der Wehrmacht auch im Westen den Denkmustern des Weltanschauungs- und Vernichtungskrieges bereits 1941/42 an- näherten wird seit einigen Jahren kontrovers geführt. Sehr kritisch sehen die Rolle der nationalkonservativen Funktionselite im Militär Ahlrich Meyer und Regina M. Delacor, die sich beide wesentlich auf die Forschungen von Serge Klarsfeld stützen. Vgl. Ahlrich Meyer, Die deutsche Besatzung in Frankreich 1940-1944. Widerstandsbekämpfung und Judenverfolgung, Darmstadt 2000; Ahlrich Meyer, Täter im Verhör. Die »Endlösung der Judenfrage« in Frankreich 1940-1944, Darmstadt 2005, und Regina M. Delacor, Atten- tate und Repressionen. Ausgewählte Dokumente zur zyklischen Eskalation des NS-Ter- rors im besetzten Frankreich 1941/42, Stuttgart 2000. Die Diskussion kreist um eine Ini- tiative des Militärbefehlshabers Frankreich, General Otto von Stülpnagel, vom 1.12.1942, zum »Ausgleich« für nicht durchzuführende Geiselerschießungen im Westen Juden

»nach dem Osten« zu deportieren. Die Mitwirkung der Wehrmacht an Judendeportatio- nen aus Frankreich steht außer Frage, dabei handelt es sich um ein NS- und ein Kriegs- verbrechen. Vgl. dagegen Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 505, der NS-Ver- brechen und Kriegsverbrechen voneinander trennt, und damit den Eindruck erweckt, der Krieg der Wehrmacht sei von der Politik des nationalsozialistischen Deutschland ge- trennt zu bewerten. Dass die Intention der Offiziere und Beamten des Militärbefehlsha- bers rassebiologisch fundierter Vernichtungsantisemitismus war, scheint entgegen der Argumentation von Meyer und Delacor eher zweifelhaft, da die Wehrmacht Juden mit

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der Truppe gebilligt oder unterstützt worden war, wurde im Westen als undurch- führbar abgelehnt. Auch im Osten hätten die militärischen Befehlshaber jede Ak- tion zur Tötung der Juden in ihrem Verantwortungsbereich mit dem Argument, durch die Aktion seien die militärischen Operationen gefährdet46, verhindern kön- nen. Diese Option war in den Abmachungen über das Verhältnis von Wehrmacht und Einsatzgruppen im Osten ausdrücklich gegeben, aber die Generäle machten davon keinen Gebrauch47.

In Erwartung eines schnellen Sieges und mangels Ressourcen für eine ausge- dehnte Besatzungsverwaltung wollte die Wehrmacht die vollziehende Gewalt in den eroberten Ostgebieten möglichst bald an die Zivilverwaltung abgeben48. Noch 1941 wurden die »Reichskommissariate« Ostland und Ukraine eingerichtet, doch als der Blitzkrieg gegen die Sowjetunion scheiterte, blieb zwischen der Ostgrenze der Reichskommissariate und der Front ein Raum von mehreren zehntausend Qua- dratkilometern, bei dessen Kontrolle die Wehrmacht improvisieren musste49. Im

»leeren Rückraum« der Front boten SS-Verbände eine als unverzichtbar erachtete Hilfe bei Sicherungsaufgaben an und erwarteten im Gegenzug dafür »Handlungs- freiheit und gute Zusammenarbeit« bei der Durchführung des Genozidkrieges, die ihnen auch gewährt wurden50. Im Westen verfügte die Wehrmacht dagegen über eine Besatzungsverwaltung, um ihre Interessen im Hinterland zu wahren.

der Begründung entlassen hat, sie seien zur Zwangsarbeit nicht fähig. Vgl. dazu Serge Klarsfeld, Vichy - Auschwitz. Die Zusammenarbeit der deutschen und französischen Behörden bei der »Endlösung der Judenfrage« in Frankreich. Aus dem Franz. übers, von Ahlrich Meyer, Nördlingen 1989, S. 377: »Ein großer Teil jener 743 Juden, die zumeist über 40 Jahre alt waren und die zwischen dem 12. Dezember 1941 und dem 27. März 1942 im Lager Compiègne äußerst streng behandelt wurden, musste aus gesundheit- lichen Gründen freigelassen werden.« Das »muss« der Entlassung ist vom Standpunkt des rassebiologischen Vernichtungsantisemitismus undenkbar.

46 Johannes Hürter, Hitlers Heerführer. Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42, München 2006, S. 245-256, besonders S. 247.

47 Ebd., S. 519 und S. 524.

« Ebd., S. 238 f.

49 Im gesamten Bereich der Heeresgruppe Mitte standen dem General Max von Schencken- dorf hauptsächlich Sicherungsdivisionen zur Verfügung. Die Verbände setzten sich aus einem Kampfregiment und einem verstärkten Sicherungsregiment bestehend aus vier Landesschützenbataillonen und einem Polizeibataillon zusammen. Die Polizei war dem Stellvertreter des Reichsführers SS, einem Höheren SS- und Polizeiführer, unterstellt.

Vgl. Georg Tessin, Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, Bd 1, Osnabrück 1977, S. 299, und Erich Hesse, Der sowjet- russische Partisanenkrieg 1941-1944 im Spiegel deutscher Kampfanweisungen und Be- fehle, Göttingen 1969 (= Studien und Dokumente zur Geschichte des Zweiten Welt- krieges, 9), S. 77. Der Oberbefehlshaber des Rückwärtigen Heeresgebietes Mitte General Max von Schenckendorf und der Höhere SS-und Polizeiführer Erich von dem Bach-Ze- lewski arbeiteten eng zusammen, vgl. »Unternehmen Barbarossa«. Der deutsche Über- fall auf die Sowjetunion 1941. Berichte, Analysen, Dokumente. Hrsg. von Gerd R. Ue- berschär und Wolfram Wette, Paderborn 1984, S. 373-375 sowie Helmut Krausnick und Hans-Heinrich Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938-1942, Stuttgart 1981, S. 236. Von Schenckendorf und von dem Bach-Zelewski lobten übereinstimmend die gute Zusammenarbeit. Sie sorgten für größtmögliche Verflechtung von Wehrmacht, Geheimdiensten, SS und Poli- zei hinter der Front.

50 Hürter, Auf dem Weg zur Militäropposition (wie Anm. 44), S. 552 f. Der Militärbefehls- haber West, General Carl Heinrich von Stülpnagel, war im Sommer 1941 Kommandeur der 17. Armee in Südrussland gewesen. Als Obergruppenführer Jecklen Ende August binnen drei Tagen 23 600 Juden beiderlei Geschlechts und jeden Alters im Bereich der

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Radikalisierung im Westen? 343 Es war die Situation und deren Einschätzung durch die Wehrmachtführung, die darüber entschied, ob das ideologisch begründete Vernichtungsprogramm des NS-Regimes wie im Sommer 1941 in Russland, begünstigt oder wie am 12. Juni 1944 in Frankreich, behindert wurde. Dabei blieb das Regime im Westen weitge- hend auf die speziell für diese Aufgabe abgestellten Kräfte angewiesen, erhielt je- denfalls aus der Wehrmacht nicht die gleiche Bereitschaft zur Zusammenarbeit wie im Osten. Punktuell unterstütze die Wehrmacht im Westen die SS bei der Juden- verfolgung und verhielt sich weitgehend teilnahmslos gegenüber dem Schicksal der Juden, und das hatte furchtbare Folgen: 1941 hatten noch 67 000 von ihnen in Paris gelebt, im Sommer 1944 waren es nur noch 30 00051.

II. Entscheidende Tage (6. bis 9. Juni 1944)

Im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg befindet sich die Mappe eines Bestandes mit der Aufschrift »Abgewickelte Verbände«52, die den Erfahrungsbericht des 26- jährigen Leutnants Rieder53 über seine Erlebnisse während der Invasionskämpfe vom 6. bis 9. Juni 1944 enthält. An diesem Tag war Rieder verwundet worden, sei- nen Bericht verfasste er im November 1944 nach seiner Entlassung aus dem Laza- rett. Der Bericht ging in doppelter Ausführung an seinen Kommandeur und einen Kriegsgerichtsoffizier. Eine Beförderung oder Auszeichnung, aber auch unange- nehme Fragen aus der Kriegsgerichtsabteilung werden dem Leutnant als mögliche Folgen seines Berichts bewusst gewesen sein, zumal sich die Lage an den Fronten und - durch das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 - auch im Reich im Vergleich zum Juni 1944 noch einmal verschärft hatte.

Eingesetzt war Rieder zur Sicherung jenes Strandes im Südosten der Halbinsel Cotentin, den die Amerikaner als Landungsabschnitt Utah vorgesehen hatten. Die gesamte Ostküste der Halbinsel Cotentin sollte von der 709. Infanteriedivision, ei- ner bodenständigen Division, verteidigt werden. Es handelt sich bei dem Verband um eine Besatzungsdivision der 15. Welle, die Ende 1940 aufgestellt worden war.

Das Durchschnittsalter der Soldaten betrug 36 Jahre, die meisten waren seit 1940 Besatzungssoldaten ohne Kampferfahrung, die Ausstattung mit Transportmitteln und Waffen war dürftig. Der Verband war nur für die Verteidigung fester Stel- lungen, aber nicht für den Bewegungskrieg zu gebrauchen54. Leutnant Rieder war

Heeresgruppe Süd ermorden ließ, warb Stülpnagel wenige Tage später um Verständnis für die »Härte gegen die Zivilbevölkerung.« Der Tagesbefehl stammt vom 7.9.1941. Ver- gleichbare Befehle gab es auch von den Generälen Walter von Reichenau, Hermann Hoth und Erich von Manstein, die 1941 alle bei der Heeresgruppe Süd eingesetzt waren.

51 Vgl. Klarsfeld, Vichy (wie Anm. 45), S. 306. Wie viele »Verluste« auf Flucht oder Depor- tation zurückgehen, ist nicht genau feststellbar. Im Gegensatz zu den meisten Ländern des Ostens überlebten 3A der 330 000 Juden in Frankreich die Zeit der deutschen Beset- zung. Vgl. ebd., S. 16.

52 Vgl. BA-MA, RH 15/440.

53 Aus personenschutzrechtlichen Gründen sind die Namen aller deutschen Soldaten, die nicht als Personen der Zeitgeschichte gelten können, im Folgenden anonymisiert. Es han- delt sich um den Leutnant Rieder und die Gefreiten Starz und Zink.

54 Vgl. dazu BA-MA, RH 20-7/387 und Tessin, Verbände (wie Anm. 49), Bd 12, Osnabrück 1975, S. 163. Der Division gehörten die zwei Festungsgrenadierregimenter 729 und 739

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Kommandeur einer Kompanie, deren ca. 150 Mann auf sechs Widerstandsnester verteilt waren. Da die Deutschen nicht über genügend Kräfte für eine durchge- hende Sicherung der Küste verfügten, hatten sie im Abstand von einigen 100 Me- tern Widerstandsnester mit Unterständen und Maschinengewehren, manchmal auch mit Geschützen und Bunkern errichtet. Zwischen diesen Stützpunkten wa- ren Minenfelder zur Sperrung des Geländes angelegt worden.

Leutnant Rieder hatte seinen Kompaniegefechtsstand in dem Ort Pouppeville hinter dem Utah-Landungsstrand. Das kleine Dorf an der linken Flanke des Lan- dungsstrandes kontrollierte eine Straße, die Landungskräfte zum Vorstoß ins Lan- desinnere nutzen konnten. Einige hundert Meter weiter nördlich verlief eine wei- tere Straße vom Strand über Houdienville nach Ste. Marie-du-Mont, das ca. 5 km im Landesinneren lag. Weiter landeinwärts hatten die Deutschen weite Strecken des Landes überflutet55. Das Gelände zwischen den Dünen und dem überfluteten Gebiet war von Hecken, sogenannten Bocages, durchzogen. Es war also für Hin- terhalte und Uberfälle bestens geeignet56.

Nach diesem kurzen Uberblick über die Verhältnisse, in denen Leutnant Rie- der und seine Männer zu kämpfen hatten, sollen noch kurz Erwartungen und wich- tige Bezugspunkte für das Denken der deutschen Soldaten betrachtet werden.

Dazu dienen Befehle und Anweisungen, mit denen sich am Beispiel von Rieders Kompanie zeigen lässt, wie die oben genannten Anweisungen für den Streifen- dienst in Kompaniebefehle57 umgesetzt wurden:

»Einsatz verstärkten Streifendienstes:

Streifen mindestens 4 Mann mit M Pi ausgerüstet. Agenten sind meistens selbst bewaffnet.

Tarnmittel der feindlichen Agenten: Bei der Leiche eines englischen Fliegers, am 2.12.43 NO Montabour abgeschossen, wurde eine gelbe Armbinde mit der Auf- schrift >Deutsche Wehrmacht< und einem gültigen Stempel vorgefunden. Diese Armbinden werden nur von Kombattanten getragen. Der Träger einer solchen Armbinde hat also überall Zugang in den verschiedenen Operationsgebieten

und das Grenadierregiment 919 sowie das Artillerieregiment 1709 an. Jedes Regiment verfügte normalerweise über drei Bataillone zu vier Kompanien und zwei Kompanien als Regimentstruppen mit Infanteriegeschützen bzw. Panzerabwehrwaffen. Das I. Ba- taillon des Grenadierregiments 919 war mit den Kompanien 1-4 im Südosten der Halb- insel eingesetzt. Leutnant Rieder war Kommandeur der 2. Kompanie. Die Festungsgre- nadierregimenter hatten noch ein IV. sogenanntes Ostbataillon. Dabei handelte es sich um russische, in diesem Fall um georgische Soldaten unter deutschen Offizieren. Beim Artillerieregiment hießen die entsprechenden Einheiten Abteilungen. Das Artilleriere- giment verfügte über 3 leichte Abteilungen zu je 3 Batterien mit vier Geschützen. Eine normalerweise vorhandene IV. schwere Abteilung fehlte, da die Küstenverteidigung in der Hand des Heeresküstenartillerieregiments 1261 lag. Seine erste Abteilung lag bei St. Marcoufe in der Nähe des Bataillonsgefechtsstandes I./919 in Foucarville.

55 Vgl. Harrison, Cross Channel Attack (wie Anm. 7), S. 282, und Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 176.

56 Vgl. Stephen E. Ambrose, Band of Brothers. E Company, 506,h Regiment, 101S1 Airborne from Normandy to Hitler's Eagle's Nest, New York 2001, S. 192 f. Es ist die Zeichnung von Sergeant Burt Christenson abgedruckt, einem der Beteiligten an der Luftlandung.

Zur Bedeutung des Geländes vgl. Lieb, Konventioneller Krièg (wie Anm. 7), S. 155.

57 Vgl. BA-MA, RH 37/4849. Ein zusammengeheftetes Bündel in der Mappe trägt die Auf- schrift: »Kompaniebefehle 2. Kompanie Gren.Rgt. 919.« Vgl. dazu die auf S. 335 f. ge- nannten Befehle.

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zu strategisch und militärisch wichtigen Punkten. Die abgesetzten feindlichen Agenten werden vermutlich Gebrauch von diesem Tarnmittel machen.

Weitergabe an W 1, 2, 2a, 3,458

Um solche Agenten leichter bei Kontrollen identifizieren zu können, kam am 30. März der Befehl heraus, dass die Soldaten und Offiziere alle Waffen in Privat- besitz abzugeben hätten. Nur noch im Soldbuch eingetragene Waffen aus Wehr- machtbeständen waren zulässig59. Am 13. April wurden permanentes Misstrauen und Schussbereitschaft gegen alle unbekannten Soldaten und generell gegen Zivi- listen und Fahrzeuge angeordnet60. Ebenfalls Mitte April wurde eine Anweisung für die Ausstattung von Verwundeten in den Lazaretten mit Waffen herausgege- ben61. Die Angst vor nicht identifizierbaren, überall vermuteten Feinden war so groß, dass man selbst die Verwundeten in die Lage versetzten wollte, sich in La- zaretten zu wehren. Den Feinden wurde also zugetraut, über Verwundete in La- zaretten herzufallen. In Wechselbeziehung zu den konkret genannten Anlässen für solches Misstrauen verstärkten sich Angst und Ungewissheit. Aus den Befehlen lässt sich erahnen, wie sehr diese Atmosphäre die Wahrnehmung der deutschen Soldaten prägte.

Am 16. Mai 1944 erhielt Rieder folgende Anweisung vom Kommandeur der 709. Infanteriedivision, Generalleutnant von Schlieben, zur Weitergabe an seine Soldaten:

»Übungen: Der Herr Kommandierende General befiehlt: Ich habe Veranlassung erneut auf mein Verbot vom 3.11.43 hinzuweisen, dass bei Übungen Gefangene gemacht werden. Der deutsche Soldat lässt sich nicht gefangen nehmen. Ich er- suche Sorge zu tragen, dass dieser Befehl nunmehr beschleunigt überall durch- dringt und danach gehandelt wird. Weitergabe an W 1, 2, 2a, 3,4, 662

Der Aufruf zum kompromisslosen Kampf und dem Verbot, in Gefangenschaft zu gehen dürfte auch die Chancen der Angreifer verschlechtert haben, gefangen ge- nommen zu werden.

Am 5. Juni um 23.45 Uhr musste Leutnant Rieder feststellen, dass die Telefon- verbindung zum Bataillonsstab in Foucarville nach massiven Luftangriffen unter- brochen worden war. Bei mondheller Nacht war eine halbe Stunde später in der Ferne der Absprung von Fallschirmjägern zu erkennen. Um 0.20 Uhr meldete die 6. Batterie bei Holdy an ihren vorgeschobenen Beobachter im Widerstandsnest W3, von Fallschirmjägern eingeschlossen zu sein. Rieder konnte das Gespräch mithö- ren. Mit der Kompaniereserve von elf Mann verließ er daraufhin das Dorf und ging

58 Vgl. BA-MA, RH 37/4849: Auszug aus dem Divisionsbefehl vom 28.3.1944.

59 Vgl. BA-MA, RH 37/4849: »30.3.44: Kp. Befehl Nr. 22: Ab sofort ist das Tragen von eige- nen Schusswaffen verboten! Es dürfen nur solche Waffen getragen werden, die von der Kompanie im Soldbuch eingetragen worden sind. Weitergabe an W 1, 2, 2a, 3, 4.«

60 Vgl. BA-MA, RH 37/4849: »Posten tragen künftig das Gewehr schussbereit unter dem Arm. Ausnahmen sind zulässig, wenn der Posten weite, freie Sicht hat. Jedoch macht er dann beim Herannahen jeder Person, ganz gleich ob Zivilist oder Soldat, sein Gewehr schussfertig, ebenfalls beim Herannahen von Kfz. Bei Nacht tragen alle Posten ihr Ge- wehr schussfertig unter dem Arm. Weitergabe an W 1, 2, 2a, 3, 4.«

61 Vgl. BA-MA, RH 37/4849: »Besondere Anordnung für die Versorgung 26. Allen Kranken und Verwundeten sind bei Einweisung in Lazarette mitzugeben: Handfeuerwaffe mit Munition (30 Schuss 98 Κ / 16 Schuss Pistole). Weitergabe an W 1, 2, 2a, 3, 4.« Im Juli er- hob die deutsche Seite den Vorwurf, französische Widerstandskämpfer hätten Lazarette überfallen, vgl. Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 247.

62 Vgl. BA-MA, RH 37/4849.

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auf der zum Strand hin gelegenen Höhe 23 in Stellung. Mit Gewehren und Ma- schinenwaffen beschoss die Gruppe Flugzeuge und »segelnde Fallschirmjäger, die dennoch überall im Gelände heruntergingen«63. Die Gruppe griff daraufhin nach Süden an. Die vereinzelten Amerikaner wichen nach Osten aus und gerieten in ein Minenfeld im Uferbereich des Carentankanals: »Von dort hörte ich Detonationen und Hilferufe«, lautete Rieders lakonischer Kommentar64. Die Gruppe kehrte wie- der nach Pouppeville zurück und erhielt dort die Meldung, dass Landungsboote auf den Strand zuführen. Das war am Morgen des 6. Juni 1944 um 5.30 Uhr. Kurz darauf wurde Pouppeville von Flugzeugen und Schiffsartillerie massiv bombar- diert. Rieder und seine Männer verließen das Dorf.

Eine ungewöhnliche Quellenüberlieferung ermöglicht es, dieses militärische Geschehen auch von der Gegenseite her zu betrachten. »Band of Brothers. E Com- pany, 506th Regiment, 101sl Airborne. From Normandy to Hitler's Eagle's Nest« ist der Titel eines Buches von Stephen E. Ambrose, in dem der Kriegseinsatz des Se- cond Lieutenant Dick Winters und seiner Kameraden in Europa nachgezeichnet wird65. Ambrose hat die überlebenden Veteranen dieser Kompanie Anfang der 1990er Jahre interviewt. Gestützt auf dieses Oral History Projekt können die Er- eignisse, die den deutschen Leutnant Rieder seit Mitternacht des 5. Juni so in Atem hielten, aus der Sicht seiner Gegner, der US-Fallschirmjäger, betrachtet werden.

Second Lieutenant Dick Winters war Zugführer in der Ε-Company des Second Battalion beim 506lh Parachuteregiment. Ein Zug umfasste drei Gruppen zu je zwölf Mann und eine Gruppe zu sechs Mann, die einen Granatwerfer hatte. Die Ver- bände waren ab Sommer 1942 in den USA aufgestellt worden. Winters war 24 Jahre alt, die meisten seiner Soldaten waren nicht älter als 20. Alle hatten sich freiwillig gemeldet, waren unverheiratet und gehörten der weißen Unter- und Mittelschicht an66.

Das alliierte Oberkommando plante den Einsatz von Fallschirmjägern im In- neren der Halbinsel Cotentin, um die 709. Infanteriedivision der Deutschen, auf die die Amerikaner bei ihrer Landung im Abschnitt Utah treffen würden, von Re- serven abzuschneiden und leichter überwinden zu können. Der Verkehrsknoten- punkt Carentan kontrollierte den Zugang auf die Halbinsel von Südosten. Wollten sich die amerikanischen Kräfte vom östlich benachbarten Landungsabschnitt Omaha mit den Truppen von Utah vereinigen, mussten sie diese Kleinstadt ein- nehmen, eine Aufgabe, die unter anderem dem 506th Parachuteregiment zugedacht war. Insgesamt setzten die Amerikaner mit der 82. und 101. Airborne Division zwei Großverbände mit 13 400 Fallschirmjägern als Vorhut zur Eröffnung der Landung ein67.

Für das Second Battalion des Regiments, mit der Ε-Company von Second Lieute- nant Winters, war die Besetzung der als Schneise 2 bezeichneten Straße vom Strand

63 Vgl. BA-MA, RH 15/440. Hier finden sich zahlreiche Erfahrungs- und Erlebnisberichte von Überlebenden verschiedener zerschlagener Großverbände. Zum massenhaften Ab- schuss amerikanischer Fallschirmjäger in der Luft vgl. Samuel L.A. Marshall, Einsatz bei Nacht. Landung und Kampf zweier Luftlandedivisionen Normandie 1944, Frauenfeld 1964, S. 242.

54 Vgl. BA-MA, RH 15/440.

65 Vgl. Ambrose, Band (wie Artm. 56).

66 Vgl. ebd., S. 15 f.

67 Vgl. The D-Day Encyclopedia. Ed. by David G. Chandler and James Lawton Collins, New York 1994, S. 407.

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nach Ste. Marie-du-Mont als Einsatzziel vorgesehen. Wie die Straße, so sollte auch der Ort von Westen, aus Sicht der deutschen Küsten Verteidigung »von hinten«, eingenommen werden, um der im Morgengrauen anlandenden 4. Infanteriedivi- sion die Wege für einen schnellen Vorstoß ins Landesinnere freizukämpfen. Ver- lief alles wie geplant, hatte Lieutenant Winters die Widerstandsnester W3 und W4 der 2. Kompanie von Leutnant Rieder einzunehmen.

Wie hatten sich die amerikanischen Fallschirmjäger auf ihren Einsatz vorberei- tet und was bestimmte ihre Gedanken vor dem Einsatz? Nach der gründlichen Ausbildung zu Elitesoldaten wurde die Einheit Ende 1943 nach Großbritannien überführt. Die Vorbereitungen auf den Einsatz in Frankreich wurden mit ständigen Übungen weiter vorangetrieben. Im Mai 1944 sprang die Ε-Company im Rahmen einer Übung über Großbritannien ab, um anschließend die Einnahme einer deut- schen Artilleriebatterie zu üben. Am 4. Juni 1944 wurden die Männer in ihre kon- kreten Aufträge eingewiesen. Den Fallschirmjägern wurde bewusst gemacht, dass sie bei ihren Aktivitäten als Vorhut damit zu rechnen hätten, dass die deutschen Verteidiger sie mit mobilen Reserven sehr rasch und hart angreifen würden, um die Kontrolle über die Zugangsstraßen vom Strand ins Landesinnere zurückzuge- winnen und den Kontakt zu ihren Truppen an der Küste zu halten. Jedes Mittel zur Eroberung und Behauptung dieser Zugangswege sollte den US-Fallschirmjä- gern recht sein, da der Erfolg der Landung wesentlich von ihrem Erfolg abhing. In diesem Zusammenhang befahl der Divisionskommandeur Generalmajor Maxwell Taylor den Männern der Ε-Company, keine Gefangenen zu machen68, weil deren Bewachung einen Verzicht auf Kämpfer und damit eine Gefährdung des Erfolges bedeutet hätte. Die Männer hatten offensichtlich kein Problem mit dieser Anwei- sung, denn auch sie waren sich bei der Vorbesprechung des Einsatzes einig: »No prisoners, we are not taking any prisoners69

Sprung und Landung von Lieutenant Winters verliefen völlig anders als ge- plant. Starkes Abwehrfeuer war den anfliegenden Maschinen entgegengeschlagen.

Der nach ihm abgesprungene Sergeant Burt Christenson sah sich auf eine deut- sche Flakkanone zutreiben, die pausenlos auf Transportflugzeuge und Fallschirm- jäger schoss70. Er landete keine 20 Meter neben dieser Stellung und befreite sich aus seinem Fallschirm, wobei er weitgehend wehrlos war71. Die Situation war voll- kommen unübersichtlich:

»Low-flying planes roaded overhead, tracers cashing after them, the sky full of descending Americans, indistinct and unidentifiable figures dashing or creep- ing through the fields, machine-guns pop-pop-popping all around .«

Deutsche Einheiten waren zum Teil in den Hecken verborgen und nahmen die noch orientierungslos und vereinzelt umherirrenden Amerikaner unter Beschuss.

68 Vgl. Ambrose, Band (wie Anm. 56), S. 64. Auch auf Seiten der Briten scheint es solche Befehle gegeben zu haben, vgl. Lieb, Konventioneller Krieg (wie Anm. 7), S. 164.

69 Vgl. Ambrose, Band (wie Anm. 56), S. 66.

70 Vgl. ebd., S. 71 f. Zum Teil stützt sich die Darstellung auch auf Berichte von Sergeant Burt Christenson, der hinter Lieutenant Winters absprang. Zur Landung von Winters vgl. S. 76.

71 Vgl. Marshall, Einsatz (wie Anm. 63), S. 237. Das Gefühl von Wehrlosigkeit und Angst im Moment der Landung hat auch der Regimentskommandeur von Winters, Colonel Sink, geschildert.

72 Vgl. Ambrose, Band (wie Anm. 56), S. 73. Die Schilderung solcher Erlebnisse hat zwangs- läufig etwas anekdotenhaftes, ist für das Verständnis der Situation aber notwendig.

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