Vorwort des Mitarbeiters.
Die zahlreichen Veröffentlichungen Professor Kaplans in den Jahren 1909 bis 1914 geben Zeugnis von seinen Bemühungen, auf theo- retischem als auch auf experimentellem Wege wohlbegründete Unter- lagen für eine Schaufelkonstruktion zu finden, welche eine erhöhte Schnelläufigkeit gewährleistet. Kaplan fand, daß mit der Francis- turbine eine wesentliche Erhöhung der Schnelläufigkeit bei allen Ver- besserungen der Schaufelkonstruktion nicht zu erreichen sei und be- zeichnete die Energieverluste zufolge der Reibung, welche durch die große Schaufelzahl bedingt ist, als den Hauptgrund hierfür.
Bei vielen Erfindungen mag ein »glücklicher Zufall« dem Erfinder zu Hilfe gekommen sein; die Erfindung der Kaplanturbine verdankt ihre Entstehung aber einzig und allein den planmäßigen Arbeiten Kaplans. Mit restloser Hingabe, unter Außerachtlassung jeder Rück- sicht auf seine Gesundheit, mußte sich Kaplan selbst die Unterlagen für seine Turbine schaffen, für deren Behandlungen die übliche Strom- fadentheorie nicht mehr hinreichte.
Als seine Turbine, wie wohl jede neue Erfindung, eine Krisis durch- zumachen hatte, welche durch die schädlichen Wirkungen der im Tur- binenbau wohl kaum je beachteten Kavitation hervorgerufen war, erkrankte Professor Kaplan.
Allein, die Grundlagen waren bereits von ihm gegeben worden, weder die Kavitation, deren schädliches Auftreten die ausführenden Turbinenfirmen bald beseitigt hatten, noch die verschiedenartigst be- gründeten Patenteinsprüche und Nichtigkeitsklagen vermochten den Siegeslauf der Kaplanturbine zu verhindern.
Als im Jahre 1924 die Aufforderung an mich erging, an dem theore- tischen Teil der Neuauflage des Buches von Prof. Kaplan mitzuarbeiten, habe ich dieser ehrenvollen Aufforderung natürlich gerne entsprochen.
Die Aufgabe, welche mir zufiel, ergab sich aus der Geschichte der Kaplan- turbine von selbst; nämlich alle jene hydromechanischen Untersuchungen, welche den Bereich der elementaren Hydraulik übersteigen und welche für den ausübenden Turbineningenieur von Nutzen sein werden, be- sonders wenn er in die mathematische Literatur über diesen Gegenstand eindringen will, geordnet und logisch entwickelt darzustellen. Es ist aber die von mir behandelte Strömungslehre nicht als ein Lehrbuch der
VI Vorwort des Mitarbeiters.
Hydromechanik anzusehen, sondern als eine Zusammenfassung jener Strömungsvorgänge, welche für den Turbinenbau in Betracht kommen.
Der Kaplanturbine kommt aber nicht nur eine große wirtschaft- liche, sondern auch eine hohe wissenschaftliche Bedeutung zu. Sie gab Veranlassung, die Methoden der Tragflügelkonstruktion (über Vor- schlag von Prof. Prandtl) auf die der Schaufel der Turbine zu über- tragen. Als der bekannte Forscher Bjerknes auf der Hydraulikertagung in Innsbruck Vorträge über Tragflügel und Turbinenschaufeln hörte, äußerte er in der Arbeit: »Zur Berechnung der auf Tragflächen wir- kenden Kräfte« sich dahingehend, daß ihm dieses Gebiet zunächst fremdartig vorgekommen sei. Aber bei näherer Vertiefung erkannte er bald zwischen Tragflächen, Turbinenschaufeln und Wirbeln die alten Analogien zwischen Hydromechanik und Elektrizitätslehre.
Und diese wissenschaftliche Bedeutung der Kaplanturbine, deren theoretische Untersuchung noch keineswegs als abgeschlossen anzu- sehen ist, entsprechend hervorzuheben, betrachte ich ebenfalls als eine Hauptaufgabe des vorliegenden Buches.
Zum Schluß möchte ich an dieser Stelle Herrn Ing. Slavik sowohl für die Anfertigung der Zeichnungen als auch für die Hilfe bei der Korrektur, Herrn Dr.-Ing. Robert Zimmermann für seine Mühewaltung bei der Abfassung der Arbeit — der Abschnitt VII c ist ein Original- auszug aus seiner Dissertation — und Herrn Ing. Fritz Söchting für seine emsige Mithilfe bei den Korrekturen, meinen besonderen Dank aussprechen.
W i e n , Januar 1980.
Prof. J)r. Alfred Lechner.