• Keine Ergebnisse gefunden

Die Gestaltung Dante Gabriel Rossettis Lady Lilith. im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Die Gestaltung Dante Gabriel Rossettis Lady Lilith. im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte"

Copied!
22
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Wintersemester 2013/14 080065 Fallstudie III

Englische Malerei des Viktorianischen Zeitalters Caroline Fuchs

Institut für Kunstgeschichte Universität Wien

Die Gestaltung Dante Gabriel Rossettis Lady Lilith im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte

Eva Alberternst Matr.-Nr. 1100930 alberternste@aol.com

Tel.: 068120170187 27.01.2014

(2)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2. Einordnung der Lady Lilth in Rossettis maltechnische Entwicklung 2

3. Entstehungsgeschichte 2

4. Lilith in der Mythologie 4

5. Analyse der Endversion 6

6. Entwicklung der Gestaltung 9

7. Zusammenfassung 12

8. Literaturverzeichnis 14

9. Abbildungsnachweis 15

10. Abbildungsverzeichnis 16

(3)

1 1. Einleitung

Dante Gabriel Rossettis Werk Lady Lilith von 1870 wirft viele Fragen auf: Zum Beispiel wie Rossettis Lilith in die Darstellungstradition einzuordnen ist (sofern eine Tradition überhaupt besteht, da Lilith bisher sehr selten dargestellt worden ist); oder welche Aspekte von Lilith Rossetti in seiner Darstellung betont und warum; oder aber wie sie als Pendant zu Rossettis Werk Sybilla Palmifera zu verstehen ist; aber auch, welche Bedeutung Rossettis Lilith trägt, die er als „modern Lilith“1 bezeichnet und warum er gerade eine Lilith malt in einer Zeit, in der Frauen vermehrt um ihre Rechte kämpfen,2 und das, obwohl Rossetti der Frauenbewegung skeptisch gegenüber stand.3 Interessant zu beobachten ist zudem, wie ein neuartiger Pinselduktus in Verbindung mit klassischer Malerei eingesetzt wird.

Trotz des breiten Forschungsspektrums werde ich mich in dieser Arbeit auf die Entwicklung des Themas und der Darstellungsweise beschränken. Dem Werk liegt ein langer Entstehungsprozess von sieben Jahren zugrunde, bei dem sich die Thematik, das Modell und die Darstellungsweise geändert haben. Zunächst werde ich die Lady Lilith in Rossettis maltechnische Entwicklung einordnen und die Entstehungsgeschichte des Werkes erläutern, dann aufzeigen wie Lilith in verschiedenen Schriften dargestellt ist, um daraufhin die Gestaltung des Bildes zu analysieren und zum Schluss das Werk im Hinblick auf die Entwicklung der Komposition zu betrachten, die sich aus einem Werk Tizians, einiger Werke Rossettis sowie einer Reproduktion der ersten Version der Lady Lilith ableiten lässt.

Meine Arbeit basiert hauptsächlich auf „One strangling golden Hair – Dante Gabriel Rossetti’s Lady Lilith“ von Virginia M. Allen (1984), „Dante Gabriel Rossetti“ von Alicia Craig Faxon (1989) und „Dante Gabriel Rossetti“ von Elizabeth Prettejohn (2003). Zudem habe ich folgende Literatur zu Lilith als Figur der Mythologie verwendet: „Das Geheimnis Lilith: Oder die verteufelte Göttin, auf der Spur eines Mythos“ (1988) von Barbara Black Koltuv und „Lilith – die erste Eva, eine historische und psychologische Studie über dunkle Aspekte des Weiblichen“ (1998) von Siegmund Hurwitz.

1 1870 schreibt Rossetti an Dr. Hake: „The picture is called Lady Lilith […] and represents a Modern Lilith […].”, zitiert nach D. G. Rossetti , 2, 1965, S. 850. Vgl. Allen 1984, S. 286.

2 Vgl. Allen 1984, S. 286.

3 Es ist bekannt, dass Rossetti die Zeitschriften Athenaeum, Tinsley’s Magazine und Saturday Review, die einer Frauenbewegung kritisch gegenüber standen, gelesen hat; vgl. Allen, 1984, S. 292, 293.

(4)

2 2. Einordung der Lady Lilith in Rossettis maltechnische Entwicklung

Die Entstehung Lady Liliths (Abb. 1) ab 1864 fällt in Rossettis venezianische Phase4 und zählt daher zu seinen Spätwerken.5 Zuvor hat Rossetti hauptsächlich mit Aquarell6 auf weißen Grund gemalt, wie es bei den Präraffaeliten üblich war.7 Jetzt in Anlehnung an die Malerei der Hochrenaissance, besonders jener in Venedig, verwendet Rossetti Ölfarben und beginnt wie Tizian mit einem roten Grund (Bolusgrund).8 Durch eine flächige Herangehensweise verleiht Rossetti seinen Motiven nun verstärkt Plastizität; auch werden seine Farben intensiver und leuchtender. Thematisch orientiert sich Rossetti mit seinen Frauenportraits ebenfalls an der Hochrenaissance und stellt somit hauptsächlich profane

Themen dar.910

Über Rossettis Auseinandersetzung mit der venezianischen Malerei hält Faxon Folgendes fest: Rossetti wird Bilder von Tizian und Tintoretto im Hampton Court (in der Nähe von London) gesehen haben.11 Zudem war er 1860 in Paris und bewunderte Veroneses Hochzeit von Kana.12 Prettejohn zufolge wird zudem Ruskins Vorliebe für die venezianische Malerei sicherlich einen Einfluss auf Rossetti gehabt haben.13

3. Entstehungsgeschichte

Der Beginn der Lady Lilith ist vermutlich auf das Jahr 1864 zu datieren, denn 1865 erwähnt Rossetti die Bestellung Leylands.14 Ursprünglich hatte Leyland vor, Rossettis Werk Sibylla Palmifera (Abb. 2) zu kaufen, welches Rossetti jedoch bereits jemand anderem versprochen hatte.15 Daher stellt Rossetti Leyland das Pendant zu Sibylla Palmifera - Lady Lilith - vor, welches zu dem Zeitpunkt noch im Werden begriffen ist und das Rossetti bereits jetzt als

4 Rossettis venezianische Phase beginnt 1859 mit dem Bild Bocca Baciata, vgl. Faxon 1989, S. 148.

Vgl. Allen 1984, S. 288.

5 Vgl. Faxon 1989, S. 148. Vgl. Allen 1984, S. 288.

6 Es gibt keine Eindeutigkeit bei der Benennung der Farbe, die Rossetti bei seinen Bildern, die nicht in Öl gemalt sind, verwendet hat. Für Aquarellfarbe erscheint der Farbauftrag zu deckend zu sein. Daher vermute ich, dass Rossetti sich entweder Gouache oder einer anderen Farbe auf Wasserbasis bedient hat.

7 Vgl. Faxon 1989, S. 150.

8 Vgl. Faxon 1989, S.150.

9 Vgl. Faxon 1989, S. 199, 200.

10 Vgl. Faxon 1989, S. 199, 200.

11 Vgl. Faxon 1989, S. 149, 150.

12 Vgl. Faxon, 1989, S. 150.

13 Vgl. Prettejohn 2003, S. 76.

14 Vgl. Allen 1984, S. 288.

15 Vgl. Allen 1984, S. 289.

(5)

3 eines seiner bisher besten Bilder bezeichnet.16 Rossetti bietet Leyland also ein unfertiges Werk, ohne Titel zum Verkauf an, was großes Vertrauen in Rossettis Können von Seiten

Leylands erforderte.

Scheinbar sollte dem Bild zunächst eine Toilette-Thematik in Anlehnung an Tizian’s Frau im Spiegel (Abb. 3) zukommen,17 denn in einem Brief an seine Mutter aus dem Jahr 1864 bezeichnet Rossetti sein Bild als „Toilette picture“ und bezieht sich damit vermutlich auf Tizians Bild, das er kurz zuvor in Paris gesehen hat.18 Die Thematik „Body’s Beauty“ für Lady Lilith wird 1965 festgestanden haben, da Rossetti das Bild Leyland als Pendant zu Sibylla Palmifera (mit der Thematik „Soul’s Beauty“) vorstellt.

Ein Jahr später konkretisiert Rossetti die Thematik des Gegensatzes zwischen Körper und Seele, denn am 27. Oktober 1866 hält George Boyce in seinem Tagebuch fest, dass Rossetti das Bild „Lady Lilith“ nennt und ein Sonett dazu geschrieben hat.19 Auch fragt Rossetti 1866 seinen Bruder nach der Szene in Goethes Faust, in der Lilith genannt wird.20 Die vorläufige Fertigstellung des Bildes wird von Allen und Faxon auf das Jahr 1868 datiert.21 Daraufhin fertigt Rossetti zwei Reproduktionen in Aquarell an, von denen eine noch in demselben Jahr verkauft wird.22 Im Juni 1869 gelangt das Bild dann zu Leyland.23 Rossetti beschäftigt sich weiterhin mit dem Thema Lilith, denn im Jahr 1869 lässt Ponsonby Lyons Rossetti Informationen über Lilith zukommen. Er schreibt: „Lilith, about whom you ask for information, was evidently the first strong-minded woman and the original advocate of

women’s rights.“ 24

Im Jahr 1870/7225 verändert Rossetti das Bild auf den Wunsch Leylands hin. Er übermalt das Gesicht: Anstelle von Fanny Cornforth sitzt nun Alexa Wilding Modell.26 Allen zufolge ging die Änderung möglicherweise auch von Rossetti aus, denn mit Alexa Wilding lasse sich

16 In einem Brief an seine Mutter schreibt Rossetti, er glaube, dass Lady Lilith sein bisher bestes Werk wird und, dass Leyland aus Liverpool ihm 450 Gunieas zahlen will, zitiert nach Rossetti, 1965, II, 602, Nr. 686, vgl. Allen 1894, S. 290.

17 Vgl. Prettejohn 2003, S. 191.

18 zitiert nach Rossetti, 1965, II, 602, Nr. 686, vgl. Allen 1984, S. 290. Als Rossetti 1864 zur Delakroixausstellung in Paris war, hat er im Louvre vermutlich auch Tizians Frau im Spiegel gesehen, vgl. Allen 1984, S. 289. Rossetti hat in Paris ein Foto von Tizians Bild erworben, weshalb davon auszugehen ist, dass er es zumindest kannte, zitiert nach Grieve 1999, S. 24-25, vgl. Prettejohn 2003, S. 66.

19 Zitiert nach A. E. Street „George Price Boyce P. W. S.“ Architectural Review, CLI, 1899, S. 32, vgl.

Allen 1984, S. 290.

20 Vgl. Prettejohn 2003, S. 191.

21 Vgl. Allen 1984, S. 285. Vgl. Faxon 1989, S. 201.

22 Die feiner ausgeführte Reproduktion befindet sich nun im Metropolitan Museum of Art; die andere war für Mr. Colbart aus Liverpool, vgl. Allen 1984, S. 290.

23 Vgl. Allen 1984, S. 285.

24 Vgl. Faxon 1989, S. 201.

25 Prettejohn setzt die Veränderung bereits 1870 an, Faxon dagegen 1872, vgl. Prettejohn 2003, S.

192, vgl. Faxon 1989, S. 202.

26 Vgl. Allen 1984, S. 290.

(6)

4 aufgrund ihrer tiefen Augenhöhlen, im Gegensatz zu Fanny Cornforth‘ weichen Gesichtszügen, besser eine düstere Lilith darstellen.27

4. Lilith in der Mythologie

Um die Änderung der Darstellung der Lady Lilith beurteilen zu können, folgt ein kleiner

Exkurs zu Lilith.

Erstmals taucht Lilith in sumerischer Zeit ca. 2000 v. Chr. in einem Terrakottarelief auf, bei dem sie als Herrin der wilden Tiere (Abb. 4) dargestellt ist.28 Ursprünglich verkörperte Lilith als archaische Göttin die Mutter in ihrer Dualität von Fruchtbarkeit und Zerstörung.29 Später in talmudisch-rabbinischer und griechisch-byzantinischer Zeit kam der Aspekt der Verführerin hinzu.30 Dem Mann gegenüber erscheint Lilith als Verführerin, der Frau gegenüber als Mutter.31

Im babylonischen Schrifttum waren beide Seiten Liliths, die Mutter und die Verführerin, jeweils in einer Göttin, der Lamaschtu und Ischtar, verkörpert, woraus sich dann Lilitu herausgebildet hat.32

Von den Schriften, in denen Lilith namentlich erwähnt wird, liegt uns als früheste der Gilgamesch Epos (der auf das vierte vorchristliche Jahrtausend zurückzuführen ist) vor.33 Lilith wird dort als „dunkle Jungfrau“ bezeichnet, lebt in einem Huluppu-Baum und flieht als

Gilgamesch die Schlange im Baum tötet.34

Das Alphabet Ben Siras35 ist als früheste Schriftquelle auszumachen, in der Lilith als erste Frau Adams beschrieben wird. Dort heißt es, dass Gott Lilith als erste Frau formte, jedoch nicht aus Erde wie Adam, sondern aus Dreck.36 Darauf begründet Adam sein Recht, über sie zu herrschen, was Lilith nicht dulden will und deshalb flieht.37 In die Wüste am Roten

27 Vgl. Allen 1984, S. 293.

28 Vgl. Koltuv 1988, S. 51.

29 Vgl. Hurwitz 1998, S. 37, 38.

30 Vgl. Hurwitz 1998, S. 37.

31 Vgl. Hurwitz 1998, S. 37.

32 Vgl. Hurwitz 1998, S. 39.

33 Vgl. Zingsem 2000, S. 16. Vgl. Hurwitz 1998, S. 58. Lilith erscheint zuerst in einem Fragment einer sumerischen Version des Gilgameschepos, welches von Kramer veröffentlicht und übersetzt wurde, vgl. Hurwitz 1998, S. 57. Die Version beruht auf Kopien, die zwischen 1950-1700 v. Chr. von einem Original angefertigt worden sind, welches vermutlich von 4000 v. Chr. stammt; vgl. Hurwitz 1998, S.

58.

34 Vgl. Koltuv 1988, S. 37,38. Vgl. Zingsem 1999, S. 14.

35 Das Alphabet Ben Siras ist ein Midrasch, also eine Imagination oder Meditation über biblische Mythen, vgl. J.D. Eisenstein, Mythos im Alphabet Ben Sira, S.46-47.

36 Vgl. Koltuv 1988, S. 33.

37 Vgl. Koltuv 1988, S. 33.

(7)

5 Meer vereinigt sich dann mit Dämonen und zeugt Kinder.38 In der Bibel wird Lilith nur an einer Stelle, im Buch Jesaja, erwähnt und als farbloses Wüstengespenst bezeichnet.39

Der Sohar40 gibt am Ausführlichsten Auskunft über Lilith; jedoch liegen mehrere Versionen zu Liliths Entstehung vor. Einmal entstammt Lilith dem Chaos als Gegenelement zu einem männlichen und guten Gott.41 Dabei geht Lilith aus dem Mond hervor als eine Frau, die bis zum Nabel aus Feuer besteht und somit die weibliche Energie darstellt.42 Liliths ursprüngliche Themen waren Geburt, Sexualität, Leben und Tod; mit Beginn des Patriarchats stand der Mann für Leben und Tod, die Frau für Sexualität und Mutterschaft.43 Einander Mal wird Lilith als Anteil des noch androgynen Adams dargestellt, den Gott in zwei Hälften, in einen männlichen und weiblichen Teil, teilt.44 Lilith soll Adam zunächst als Geist beigewohnt haben; dann erschafft Gott Eva, woraufhin Lilith flieht.45 In der Wüste trifft sie dann auf Samael, den Teufel, mit dem sie sich vermählt.46 Da Gott befürchtet, dass Samael und Lilith zu viele Teufelskinder machten, kastriert er Samael.47 Nach dem Sündenfall verzichtet Adam 130 Jahre auf Geschlechtsverkehr mit Eva, um seine Sünden zu sühnen.48 Durch Liliths Besuch in dieser Zeit gehen Wesen hervor, die „Plagen der Menschheit“

genannt werden.49 So soll Lilith nun weiterhin die kommenden Generationen für den

Sündenfall bestrafen.50

Lilith ist seit daher ein Sukkubus, der die Menschen in der Nacht mit seinem ganzen Glanz und Schmuck verführt, sie durch den sexuellen Akt befleckt und dann tötet.51 Als Mutter schädigt Lilith anderen Müttern und raubt ihre Kinder, tötet die sie, trinkt das Blut, weshalb sie auch als Würgerin bezeichnet wird.52 Auch bringt sie Krankheiten.53 Dargestellt wird wie meist als geflügelter Dämon.54

38 Vgl. Koltuv 1988, S. 33.

39 Vgl. Jesaja 33, 13-15. Vgl. Hurwitz 1998, S. 100. Vgl. Koltuv 1988, S. 40.

40 Der Sohar ist das erste Buch der Kabbala (jüdische Mystik) und wurde im 14. Jh. vom spanischen Kabbalisten Mose de Leon verfasst, vgl. Hurwitz 1998, S. 164.

41 Vgl. Sohar I 20a, 19b. Vgl. Koltuv 1988, S. 15.

42 Vgl. Sohar III 19a. Vgl. Koltuv 1988, S. 17, 22.

43 Vgl. Koltuv 1988, S. 23.

44 Vgl. Koltuv 1988. S. 22. Vgl. Sohar I 34b.

45 Vgl. Sohar III 19a. Vgl. Koltuv 1988, S. 97. Vgl. Rousseau 2005, S. 96.

46 Vgl. Koltuv 1988, S. 44.

47 Vgl. Sohar I 54b. Vgl. Koltuv 1988, S. 53.

48 Vgl. Sohar I 54b. Vgl. Koltuv 1988, S. 53.

49 Vgl. Koltuv 1988, S. 54.

50 Vgl. Sohar I 19b.

51 Vgl. Sohar I 148a-b.

52 Vgl. Hurwitz 1998, S. 38.

53 Vgl. Sohar I 19b. Vgl. Koltuv, S. 30.

54 Vgl. Sohar II 267b.

(8)

6 5. Analyse der Endversion

Ich werde mich zunächst der letztendlichen Version der Lady Lilith (Abb. 1) widmen, diese im Hinblick auf die Mythologie analysieren, um die Darstellung anschließend mit der ersten Version zu vergleichen.

In Rossettis Werk ist Lilith in erster Linie als Verführerin dargestellt; ihr dämonisches Wesen ist dabei durchaus erkenntlich.

Lilith, die sich in einem Innenraum befindet, kämmt ihr langes rotes Haar und betrachtet sich dabei in einem Spiegel. Blumen, Gegenständen und ein weiterer Spiegel umgeben sie. Das annähernd quadratische Format (97,8 x 85,1 cm) ist durch sie gut ausgefüllt.55 Liliths Kopf ist in leichter Untersicht präsentiert, sie sitzt also höher als der Betrachter. Durch ihre diagonale Position auf der Bildfläche zeigt und öffnet sie sich dem Betrachter. Zugleich verschließt sie sich jedoch dadurch, dass sie keinen Blickkontakt zu ihm aufnimmt und ihre Hände mit Spiegel und Kamm sie von jeder anderen Realität außer der Ihrigen abschirmen.

Die Gesamtkomposition betreffend, grenzt sich Lilith zudem mit ihrer hellen Haut und dem hellen Kleid als geschlossene Form vor dem dunklen Hintergrund ab. Andererseits geht sie durch die zu ihr gehörigen Gegenstände, auf die ich weiter unten näher eingehen werde, in den Raum über. Allein diese ambivalente Komposition vermag Liliths Rolle als Verführerin auszudrücken, denn durch das Sich-Zeigen und dann Doch-Wieder-Wegdrehen windet sie sich wie eine Schlange und gewinnt dadurch an Attraktivität.

Der Blick des Betrachters wird über den Sessel, der als Anhebungsmotiv dient, aufgenommen und von dort aus über die Hände mit Spiegel und Kamm und über die Haare zum Gesicht gelenkt (Abb. 5). Dort könnte er direkt dem Blick Liliths in den Spiegel folgen und ebenso wie ihrer wieder zurückgeworfen werden oder über die runde Schulter und die Falten des Kleides erneut in den Kreislauf über die Hände eingehen. So schafft es Lilith mit ihren Verführungskünsten (und Rossetti mit seiner Komposition), den Blick des Betrachters zu fangen und in einen Kreislauf zu führen, aus dem er nur noch gewaltsam über das rote Band austreten kann.

Liliths Wesen ist allein aus ihrer äußeren Erscheinung ableitbar, denn langes, rotes Haar sowie rote Lippen stehen Elizabeth Gitter zufolge für große sexuelle Lust.56 Liliths blasse Haut und die schwarzen Schatten deuten auf ihre dämonische Seite hin. Bullen fällt auf, dass Lilith ein weites Kleid und kein Korsett, wie zu der Zeit üblich, trägt; daher stehe das weite Kleid zusammen mit den offenen Haaren für eine lockere Moral.57

55 Vgl. Prettejohn 2003, S.191.

56 Zitiert nach Elizabeth G. Gitter, The power of womens‘ hair in the Victorian imagination, OMLA, 99, 1984, S. 936-954, 938, vgl. Bullen 1999, S. 336.

57 Vgl. Bullen 1999, S. 345.

(9)

7 Die Beschreibung Liliths im Sohar passt größtenteils sehr gut zu Rossettis Darstellung. Dort heißt es: „Ihr Haar ist lang und rot wie eine Rose, ihre Wangen sind weiß und rot, an ihren Ohren hängen sechs Schmuckstücke, ägyptische Bänder […] ihre Zunge ist scharf wie ein Schwert, ihre Worte sind glatt wie Öl, ihre Lippen sind rot wie eine Rose und süß von aller Süße der Welt.“58

Lilith selbst scheint wie ein Kern in seiner Schale59 zu sitzen, sich dabei an einer Stelle zu öffnen, wodurch Schicht für Schicht sichtbar wird. Der Sessel umschließt sie mit einer harten Außenwand aus Holz oder Leder; innen ist er jedoch mit einem weichen Schafsfell gefüttert.

Das Fell, der Stoff des Kleides und Liliths Haut gehen harmonisch ineinander über als ob sie eine organische Einheit bildeten. Es erscheint, als würde sich der Kern (Llith) aus seiner Schale pellen. Die Haare, die Lilith umspielen, gehen, da sie leichter und farblich dunkler sind, in den Raum über. Auch die zarten Blumen bilden einen Übergang zum Hintergrund.

Sie können mit ihrer Aura oder ihrem Geist assoziiert werden, der sich in der Umgebung ausbreitet und auflöst. Daraus wird deutlich, dass Lilith den ganzen Raum vereinnahmt. Die Dunkelheit, in der sie sich ausbreitet, ist ihr Reich.

Der Raum ist von Blumen, Gegenständen und einem zweiten Spiegel ausgefüllt. Die dargestellten Gegenstände könnten auch in einer klassischen Vanitas-Darstellung vorkommen, und doch ist die Thematik der Lilith eine andere. Sie soll nicht an die Vergänglichkeit erinnern, sondern ist Ausdruck des Wilden, der sexuellen Verführung, die gefangen hält und Leben zerstört. Genau dies wird durch die drei sehr dominanten, roten Elemente dargestellt: Die Lippen verführen, das rote Band um Liliths Arm bindet und hält gefangen und der Mohn steht als Pflanze von Hypnos und Morpheus für Schlaf und Träume

und ist damit dem Tod sehr nahe.60

Für Venus stehen die Rosen über Liliths Kopf, der Handspiegel, der Kamm und die Dose oder Parfümflasche. Die Truhe, die im Dunkeln kaum zu erkennen ist, könnte auf weltliche oder verborgene Schätze hindeuten. Der abgelegte Haarkranz lässt Lilith in ihrer Natürlichkeit und Wildheit erscheinen. Das aus dem Fingerhut (unter dem Spiegel) gewonnene Digitalin kann zum einen als Medizin zum anderen aber auch als Gift verwendet werden.61

Die zwei erloschenen Kerzen vor dem Spiegel könnten in Anlehnung an die Vanitassymbolik für den Tod stehen.62 Ihre Aufstellung vor dem Spiegel lässt Allen zufolge einen Altar

58 Sohar I 148 a-b.

59 Interessanterweise wird im Sohar bei der Erschaffung Liliths aus dem Mond eine Schale k`lifah, aus der Lilith entsteht, genannt, vgl. Sohar I 19b. Vgl. Koltuv 1988, S. 16.

60 Vgl. Allen 1984, S. 291.

61 Vgl. Allen 1984, S. 291.

62 Vgl. Allen 1984, S. 291.

(10)

8 entstehen, der entweder der Liebe, Lilith, der Vergänglichkeit oder dem Tod geweiht ist.63 Der Spiegel in der linken, oberen Ecke ist zur Bildebene parallel, wodurch der Hintergrund wenig räumlich wirkt. Diese Flachheit wird zudem durch die anderen Objekte, vor allem die Rosen, welche die Hintergrundebene gleichmäßig ausfüllen, erzeugt.

Es ist unwahrscheinlich, dass der Spiegel wirklich das Außenlicht reflektiert, da dann auch der Raum von diesem hellen Licht beleuchtet sein müsste. Daher erscheint mir Prettejohns Vermutung, es handle sich um einen Zauberspiegel, der einen anderen Ort zeigt, sehr gut möglich.64 Zudem hat Rossetti ein paar Jahre nach dem Bild ein Gedicht Mary Rose über so einen Zauberspiegel geschrieben.65

So, wie Lilith die Gegensätze einer Liebenden als Verführerin und Lebenspendenden als Mutter mit ihrer vernichtenden Seite als Dämon in sich vereint, bedient sich Rossetti in seiner Darstellung vieler Kontraste, die diese zwei Seiten verdeutlichen. Zu nennen wäre hier neben dem oben bereits erwähnten Hell-Dunkel-Kontrast, ein Komplementärkontrast und ein

Kontrast im Pinselduktus.

Der Hell-Dunkelkontrast besteht in der Gesamtkomposition, bei der Lilith sich als helle Form vor dem dunklen Hintergrund absetzt. Im Kleinen wird dieser Kontrast erneut durch Liliths helle Hände, die den schwarzen Spiegel und Kamm in rhythmischer Abfolge halten,

aufgegriffen.

Der Komplementärkontrast bezieht sich auf die intensivsten Farben im Bild, dem Rot der Lippen, des Mohns und des Bandes und dem Grün im Spiegel. Abgesehen von den oben bereits genannten Bedeutungen der roten Elemente, wird durch den Kontrast das Grün betont, das für die grüne Natur und damit für Leben steht. Die erloschenen Kerzen befinden sich direkt vor dem Spiegel. Daher existiert das Leben nur im Spiegel, welcher vermutlich als Zauberspiegel noch nicht einmal die Realität in Lilith Nähe wiedergibt. Das Grün könnte auf den lebenspendenden Aspekt Liliths als Mutter hinweisen; viel deutlicher wird jedoch durch

den Kontrast die Gegenseite, der Tod, betont.

Bei der Betrachtung der Malweise fällt auf, dass Rossetti die Haare, die Rosen, den Fingerhut, die Dose und das Leder des Sessels mit besonders feinen Übergängen versehen hat. Liliths Haut und ihr Kleid dagegen sind sehr grob, wenn nicht sogar stümperhaft gemalt, was auch Ruskin kritisiert: „No great painter ever allowed himself, in the smallest touch, to paint ill, to daub or smear his paint.“66 Da Rossettis andere Werke beweisen, dass er durchaus fähig war auch anders zu malen und zumal die vorher angefertigte Reproduktion der ersten Version weitaus besseres technisches Können demonstriert, muss davon ausgegangen werden, dass er die Haut absichtlich so grob gehalten hat. Möglicherweise

63 Vgl. Allen 1984, S. 291.

64 Vgl. Prettejohn 2003, S. 64.

65 Vgl. Prettejohn 2003, S. 64.

66 Zitiert nach Ruskin 1903-12, 36, S. 490, vgl. Prettejohn 2003, S. 76.

(11)

9 wollte Rossetti Liliths Kern durch die Malweise leblos darstellen. Die äußeren Schalen, die der Verführung dienen, sollten dagegen echt wirken. So legt Rossetti mittels eines Kontrastes in der Malweise auf geschickte Weise Liliths Seele frei.

Dem Betrachter drängt sich Lilith trotz ihrer Verschlossenheit und inneren Leere unangenehm auf; vermutlich gerade weil ihr Kern so direkt und ungeschönt in realistischer Rauheit dargestellt ist. Diese Wirkung wird durch die Flachheit des Hintergrunds noch unterstützt. Zudem empfindet Prettejohn die weitwinklige Perspektive - hervorgerufen durch Lilith, die das große Format zu sprengen scheint - als sehr unangenehm, da keine Distanz mehr zwischen dem Betrachter und dem Bild besteht:67 „It is as if the perspective had been turned inside out, projecting into our space rather than receding safely into the illusionistic depth within the picture.”68 Das Bild drängt sich dem Betrachter nicht nur auf, sondern nimmt ihn auch gefangen. Zusammenfassend lässt sich mit Swinburns Worten sagen: “She is indifferent, equable, magnetic […] outside of herself […] she cannot live, she cannot even see: and because of this she attracts and subdues all men at once in body and in spirit.

Because she is empty she attracts, and she attracts because she is all body, caught in the perpetual circle of her own reflection.”69

6. Entwicklung der Gestaltung

Im Folgenden wird nun die Entwicklung der Gestaltung im Hinblick auf das Endresultat näher

untersucht.

Zur Findung der Thematik und der Komposition lässt sich Folgendes sagen: Tizians Werk Frau im Spiegel (Abb. 3), welches Rossetti 1864 in Paris gesehen hat, wird ihn vermutlich zu mehreren Bildern mit ähnlicher Thematik inspiriert haben.70 Abgesehen von der ursprünglich bei Lady Lilith angedachten Toilette-Thematik, weist Tizians Bild relativ wenig kompositorische Ähnlichkeiten zu Lady Lilith auf. Nur das lange Haar, welches die Dame mit ihren Händen ergreift sowie der weite, ovale Ausschnitt des weißen Oberteils sind bereits in

Tizians Bild zu finden.

Die Werke Fazio‘s mistress (Abb. 6), Woman combing her hair (Abb. 7) und Morning music (Abb. 8), weisen folgende thematische und kompositorische Ähnlichkeiten zu Lady Lilith auf:71 Alle Bilder stellen eine Frau bei ihrer Toilette dar, die sich ihr langes rotes Haar kämmt

67 Vgl. Prettejohn 2003, S. 62, 64.

68 Prettejohn 2003, S. 64. Zu nennen sind Woman combing her hair und Morning music, die beide noch im Jahr 1864 entstanden sind.

69 Zitiert nach Swinburne, Notes on some pictures of 1868, in Complete works, 1926, Prose works, S.

212, vgl. Bullen 1999, S. 340.

71 Vgl. Prettejohn 2003, S. 70, 71, 73.

(12)

10 und von Parfümfläschchen und Dosen umgeben ist. Auch tragen alle Frauen weiße Oberteile und sind mit bunten Bändern geschmückt. Die bildrangparallele Kante, die auch bei Tizian zu finden ist, begrenzt den Oberkörper. Bei Lady Lilith ist sie jedoch aufgehoben und gibt dem Körper so mehr Raum. Bei Fazio‘s mistress besteht eine besondere Ähnlichkeit zu Lady Liliths seitlicher Körperhaltung und dem Gesicht, das fast im Profil dargestellt ist. Auch gibt das Oberteil einen ähnlichen Schulterbereich frei. Die Farbgestaltung ähnelt Lady Lilith insofern, dass der Hintergrund dunkel ist und einzelne Elemente aufgrund ihrer Intensität hervorgehoben sind, wie z.B. die Lippen.

Bei der nun folgenden Betrachtung der ersten Version soll die Reproduktion in Aquarell (Abb.

10) als Grundlage dienen.

Die Komposition der ersten Version entspricht fast völlig der Endversion. Änderungen sind jedoch bei der Gestaltungsweise sowie in der Wahl des Modells zu finden.

Auffällig ist zunächst, dass bei der ersten Version Liliths Kopf und ihre Hände kleiner sind, das Kinn weniger hervorsteht, im Gesicht weichere Übergänge gewählt wurden und der Hell- Dunkel-Kontrast weitaus geringer ist. Die Augen liegen weniger stark in ihrer Höhle, sind offener und blau. Dadurch ist Liliths Ausdruck lieblicher, weniger dominant, aber vor allem lebendig. Durch Liliths Zurücknahme tritt der Hintergrund stärker hervor und die Rosen

scheinen schwer über ihrem Kopf zu hängen.

Die Farben sind insgesamt kühler und der Vordergrund ist weniger in die Dunkelheit eingebettet, wodurch der Mohnständer und die Truhe gut erkennbar sind.

Ein Haarkranz auf Liliths Schoß wurde bei der Endversion hinzugefügt, der die Komposition abrundet und Lilith nun vollkommen in die Umgebung einhüllt.

Bei jetziger Betrachtung des bereits oben genannten Zitats aus dem Sohar, treffen folgende Zeilen auf die erste Version zu, die in der Endversion nicht zu erkennen sind: „[…] ihre Lippen sind rot wie eine Rose und süß von aller Süße der Welt.“72

Auffallend ist, dass Lilith in der ersten Version lebendig und mit einem lieblichen Charakter dargestellt ist, der in keinster Weise an einen Dämon erinnert. Nur der wissende Betrachter, der die Bedeutung der Gegenstände kennt, kann ihre böse Seite erahnen.

Aufschluss über Rossettis Intention dieser Darstellung könnten sein zu diesem Werk geschriebenes Sonett Body’s Beauty73 und ein Zitat aus Goethes Faust geben. Beide Texte befinden sich am Rahmen der ersten Version und stehen daher in direktem Zusammenhang zu dem Bild.74

72 Sohar I 148 a-b.

73 Das Sonett ist in Rossettis Buch „Poems“ (1870) mit dem Titel „Lady Lilith“ zu finden, 1881 jedoch mit dem Titel „Body’s Beauty“, vgl. Allen 1984, S. 286.

74 Vgl. Allen 1984, S. 286.

(13)

11

Body’s Beauty

Of Adam’s first wife, Lilith, is told

(The witch he loved before the gift of Eve.)

That, ere the snake’s her sweet tongue could deceive, And her enchanting hair was the first gold.

And still she sits, young while the earth is old, And subtly of herself contemplative,

Draws men to watch the bright web she can weave Till heart and body and life are in its hold.

The rose and poppy are her flowers; for where Is he not found, O Lilith, whom shed scent And soft-shed kisses and soft sleep shall snare?

Lo! As that youth’s eyes burned at thine, so went Thy spell through him, and left his straight neck bent And round his heart one strangling golden hair.75

Bei den aus Goethes Faust zitierten Zeilen handelt es sich um die Szene aus der Walpurgisnacht, bei der Faust und Mephistopheles zum Hexen Sabbat auf dem Brocken aufgebrochen sind. Als Faust Liliths Haar in der Dunkelheit aufblitzen sieht und wissen möchte wissen, wer sie ist, antwortet Mephistopheles:

„ Nimm‘ dich in Acht vor ihrem schönen Haare, vor diesem Schmuck, mit den sie einzig prangt!

Wenn sie damit den jungen Mann erlangt, so lässt sie ihn so bald nicht wieder fahren.“76

Die Darstellung Liliths im Sonett als Hexe, Betrügerin und Verführerin, welche die Männer nicht mehr loslässt, steht der ersten Version fast diametral gegenüber. Daher schlussfolgert Bullen, dass sowohl das Sonett als auch das Bild als eigenständige Werke aufzufassen sind.77 Das Bild werde nicht durch das Sonett erklärt, das Sonett nicht durch das Bild illustriert.78 Ihm zufolge möchte Rossetti scheinbar je unterschiedliche Aspekte der Lilith

75 Vgl. Allen 1984, S. 286, Zitat Rossetti, 1897, I, S. 16.

76 Goethe 1986, 4119-4123.

77 Vgl. Bullen 1999, S. 342.

78 Vgl. Bullen 1999, S. 342.

(14)

12

darstellen.79

Bullens Ansicht, dass das Sonett und das Bild als unabhängige Werke, die jedoch auf einem Malgrund miteinander verbunden sind, zu betrachten seien, kann ich nicht nachvollziehen.

Zwar zeigen sowohl das Sonett als auch das Faustzitat Aspekte von Lilith auf, die auf den ersten Blick dem Bild nicht entnommen werden können, jedoch dient meines Erachtens das Sonett der Erklärung des Bildes. Auch wenn man eigentlich meinen sollte, dass ein Werk aus sich selber heraus lesbar sein sollte ohne sich der Krücke eines Textes bedienen zu müssen, ist in diesem Fall in der Aufsplitterung ein Sinn zu erkennen: Das Faustzitat betont Liliths Schmuck mit dem sie verführt. Bei Koltuv heißt es, Lilith habe keine Hände und Füße, weshalb sie mit viel Schmuck behangen sei mit dem sie die Männer verführe, also täuscht.80 Rossetti könnte nun Lilith bewusst in ihrer vollen Tarnung dargestellt haben wollen, um dem Betrachter die Tarnung am eigenen Leib erfahren zu lassen. Denn vermutlich wird er erst nachdem er die Texte am Rahmen gelesen hat, feststellen, dass er sich getäuscht hat.

7. Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rossettis Lady Lilith zunächst durch die Toilette- Thematik inspiriert gewesen war (möglicherweise durch Tizians Bild Frau im Spiegel), Rossetti Elemente der Komposition bereits in seinen vorausgehenden Werken entwickelt hat und er dann nach Beginn des Werkes den Titel Lady Lilith festlegt, womit er die Thematik

konkretisiert.

Zwei Jahre lang arbeitete er dann an einer Lilith, die von ihrer äußeren Erscheinung einem Toilette-Bild mehr gleicht als einer Lilith. Trotz des Wissens um Liliths dämonische Seite, bringt er diese in dem Bild nicht zum Ausdruck. Möglicherweise konnte Rossetti sich von der ursprünglichen Thematik nicht mehr lösen, was auch daran liegen könnte, dass Fanny Cornforth sich für eine Lilith wirklich nicht geeignet oder Rossetti sich bewusst der oben

angesprochenen Tarnung bedient hat.

Auch wenn sich darüber letztendlich nur spekulieren lässt, ist jedoch die Wirkung, die Rossetti mit diesem Werk erzielt, beachtlich. Anscheinend war Rossetti zufrieden mit dem, was er geschaffen hatte, da er zwei Reproduktionen angefertigt hat und die Änderung erst sieben Jahre später auf Leylands Wunsch hin erfolgte, wodurch Liliths dunkle Seite scheinbar stärker zum Ausdruck kommen sollte.

Ob die Änderung letztendlich sinnvoll war, lässt sich schwer sagen. Allen zufolge war die allgemeine Meinung der Zeit, dass die Änderung die Qualität – vermutlich die Qualität der

79 Vgl. Bullen 1999, S. 342.

80 Vgl. Koltuv 1988, S. 53.

(15)

13 Malweise - des Bildes vermindern würde; allerdings passe die Änderung besser zum Thema, und sie gefällt Leyland und Samuel Bancroft, dem letztendlichen Besitzer.81 Aus der oben geführten Analyse geht hervor, dass beide Versionen sinnvoll gestaltet sind.

Durch die verschiedene Darstellungsweise liegt der Schwerpunkt je auf einem anderen Aspekt Liliths, zum einen auf ihrer Verführungskunst und zum anderen auf der Darstellung ihres inneren Wesens.

81 Vgl. Allen 1984, S. 294.

(16)

14 8. Literaturverzeichnis

Allen 1984

Virginia M. Allen, One strangling golden Hair. Dante Gabriel Rossetti’s Lady Lilith, in: The Art Bulletin, 66, 1984, S. 285-294.

Bullen 1999

J. B. Bullen, Dante Gabriel Rossetti and the mirror of masculine desire, in: Nineteenth- century contexts. An Interdisciplinary Journal, 1999, S. 329-352.

Faxon 1989

Alicia Craig Faxon, Dante Gabriel Rossetti, hg. von Nancy Grubb, New York 1989.

Goethe 1986

Johann Wolfgang Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil, Stuttgart 2000 (Nachdruck der Erstausgabe Stuttgart 1828).

Hurwitz 1998

Siegmund Hurwitz, Lilith. Die erste Eva, eine historische und psychologische Studie über dunkle Aspekte des Weiblichen, Einsiedeln 1998^4.

Koltuv 1988

Barbara Black Koltuv, Das Geheimnis Lilith. Oder die verteufelte Göttin, auf der Spur eines Mythos, München 1988.

Prettejohn 2003

Elizabeth Prettejohn, Beautiful women with floral adjuncts. Rossetti’s new style, in: Dante Gabriel Rossetti, Amsterdam 2003, S. 51-111.

Rousseau 2005

Vanessa Rousseau, Eve and Lilith. Two female types of procreation, in: Diogenes, 208, 2005, S. 94-98.

Yohai 2003

Shim’on ben Yohai, The Zohar. The first ever unabridged English translation with commentary, hg. von Michael Berg, New York 2003.

Zinsgem 2000

Vera Zingsem, Lilith. Adams erste Frau, Leipzig 2000.

(17)

15 9. Abbildungsnachweis

Abb. 1: Prettejohn 2003, S. 63.

Abb. 2: Prettejohn 2003, S. 65.

Abb. 3: David Alan Brown/Sylvia Ferlino-Padgen, Bellini, Gorgione, Tizian und die Renaissance der venezianischen Malerei, Mailand 2006, S. 193.

Abb. 4: ARTstore.

Abb. 5: Prettejohn 2003, S. 63, verändert.

Abb. 6: Prettejohn 2003, S. 73.

Abb. 7: Prettejohn 2003, S. 70.

Abb. 8: Prettejohn 2003, S. 71.

Abb. 9: Faxon 1989, S. 202.

(18)

16 10. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Dante Gabriel Rossetti, Lady Lilith, 1870/72, Öl auf Leinwand, 97,8 x 85,1 cm, Delaware Art Museum.

(19)

17 Abb. 2: Dante Gabriel Rossetti, Sibylla Palmifera, 1870, Öl auf Leinwand, 98,4 x 85 cm, National Museums Liverpool.

Abb. 3: Tizian, Frau im Spiegel, 1515, Öl auf Leinwand, 0,99 x 1,76 cm, Musée National du Louvre.

(20)

18 Abb. 4: Lilith, Terrakotta, 2025-1763 v. Chr.

Abb. 5: Dante Gabriel Rossetti, Lady Lilith, 1870/72, Öl auf Leinwand, 97,8 x 85,1 cm, Delaware Art Museum, Blickführung gekennzeichnet.

(21)

19 Abb. 6: Dante Gabriel Rossetti, Fazio’s mistress (Aurelia), 1863, Öl auf Holz, 43,2 x 36,8 cm, Tate Gallery.

Abb. 7: Dante Gabriel Rossetti, Woman combing her hair, 1864, Wasserfarbe auf Papier, 34,3 x 31,1 cm, Tel Aviv Museum.

(22)

20 Abb. 8: Dante Gabriel Rossetti, Morning music, 1864, Wasserfarbe auf Papier, 30,5 x 27,3 cm, Syndics of Fitzwilliam Museum.

Abb. 9: Dante Gabriel Rossetti, Lady Lilith (Reproduktion), 1867, Aquarell und Gouache auf Papier, 51,5 x 44 cm, The Metropolitan Museum of Art.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Beim eBook Lady Sommerbeere handelt es sich wahlweise um ein „ “ unterteiltes Kleid aus Oberteil und Zwischenb ndchen mit Tellerrock oder ü Ballonrock in den Einzelgr en 32-54..

Mildiou des tubercules: moyenne Gale commune: faible Gale poudreuse: élevée Taches de rouille: élevée Virus de l’enroulement: moyenne. Virus

Teneur en amidon: faible à moyenne (11-13%) Rendement amidon: faible à moyen. Type culinaire: B-A Altération de

chair crue: faible chair cuite: moyenne Sucres réducteurs: faible. (teneur)

Nach der jahr- zehntelangen verbalen Hochstapelei, die eine EG proklamierte, als es noch keine Gemeinschaft war, eine EU be- schloss, die erst noch eine Union wer- den wollte,

Nightingale befand sich in einer vergleichsweise komfor- tablen finanziellen Situation: Ihr Va- ter hatte ihr eine jährliche Leibrente von 500 Pfund ausgesetzt, das er-

Mitreißende Lieder, Texte voller Sprachwitz und eine spannende Handlung prägen Frederick Loewes Musical My Fair Lady nach George Bernard Shaws Komödie Pygmalion, das einen

While listening, answer the questions (1–9) using a maximum of 4 words.. Write your answers in the spaces provided on the