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Geburtstags- Sonderedition. Beethoven: 9. Sinfonie Thiele: Gesänge an die Sonne Miki: Sinfonie für zwei Welten

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Beethoven: 9. Sinfonie

thiele: GeSänGe an die Sonne Miki: Sinfonie für zwei welten

kurt MaSur

GeburtstaGs- sonderedition

85

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Beethoven: 9. Sinfonie

thiele: GeSänGe an die Sonne Miki: Sinfonie für zwei welten

kurt MaSur

GeburtstaGs- sonderedition

85

eröffnungskonzert des neuen Gewandhauses am 8. oktober 1981

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Cd 1

ludwiG van Beethoven

(1770 - 1827)

Sinfonie nr. 9 d-Moll, op. 125

01 1. allegro ma non troppo, un poco maestoso 15:24 02 2. Molto vivace 11:31

03 3. adagio molto e cantabile 14:49 04 4. Presto 25:47

edda Moser, Sopran · rosemarie lang, Mezzosopran Peter Schreier, Tenor · theo adam, Baß

Gewandhauschor Choreinstudierung: Georg Christoph Biller

Gewandhaus-kinderchor Choreinstudierung: Wolfgang Dorschner

thomanerchor leipzig Choreinstudierung: Hans-Joachim Rotzsch

rundfunkchor leipzig Choreinstudierung: Jörg-Peter Weigle

Gewandhausorchester leipzig kurt MaSur

Live Recording 08.10.1981 · Neues Gewandhaus, Leipzig

Cd 2

SieGfried thiele

(*1934)

Gesänge an die Sonne

01 1. die Sonne tönt nach alter weise (Goethe) 5:03 02 2. Preis dir, die du dorten heraufstrahlst (Schiller) 7:37 03 3. wo bist du?

trunken dämmert die Seele mir (hölderlin) 5:47 04 4. die Sonne tönt nach alter weise (Goethe) 10:16

rosemarie lang, Mezzosopran Peter Schreier, Tenor

Matthias eisenberg, Orgel Gewandhauschor

Choreinstudierung: Georg Christoph Biller

rundfunkchor leipzig

Choreinstudierung: Jörg-Peter Weigle

Gewandhausorchester leipzig kurt MaSur

Live Recording

08.10.1981 · Neues Gewandhaus, Leipzig

Minoru Miki

(1930 - 2011)

Sinfonie für zwei welten

05 introduktion. allegro molto 5:53 06 1. allegro molto 5:35

07 2. adagio 11:56 08 3. Scherzando 3:02 09 4. lento – Presto 8:52

Pro Musica nipponia

Gewandhausorchester leipzig kurt MaSur

Live Recording

13.11.1981 · Neues Gewandhaus, Leipzig

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Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium

Wie oft habe ich unter Deiner Leitung diese Worte anstimmen dürfen, und eine Freude war es für mich immer, mit Dir zu musizieren.

Die Eröffnung des Dresdener Kulturpalastes und des Gewandhauses in Leipzig waren wohl die großen Ereignisse, denen viele schöne Konzerte folgten. Zweimal hast Du auch zu meiner großen Freude bei meiner Fernsehsendung am Pult gestanden und mich am Flügel bei Schuberts »Du holde Kunst« begleitet.

Eine meiner schönsten Erinnerun- gen ist die konzertante Aufführung von

»Tristan und Isolde« in New York unter Deiner Leitung.

Heute wünsche ich Dir von Herzen alles Gute und weiterhin viele schöne Konzerte für uns alle.

In Freundschaft und Verehrung, Dein Theo Adam

Lieber Kurt Masur,

es erfüllt mich heute noch mit Stolz, bei der Eröffnung des neuen Gewand- hauses mit Beethovens 9. Sinfonie dabei gewesen zu sein, einer Auffüh- rung, die von großer Authentizität geprägt ist und Deine außerordentliche Kompetenz für die Musik Beethovens ausdrückt.

Geradezu zwingend ist es, daß diese Jubiläumsaufnahme anlässlich Deines 85. Geburtstages als CD wieder veröffentlicht wird.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dir herzlich danken für die vielen außerordentlichen musikalischen und menschlichen Begegnungen.

In großer Verehrung bin ich Dein Peter Schreier

Joy, beautiful spark of the gods, Daughter of Elysium,

How often, under your watchful eye and baton, did I prepare to intone those words; what a joy it always was to make music with you.

The opening of the Dresden Kulturpalast and of the Gewandhaus in Leipzig were the big events of our professional careers back then, followed by many wonderful concerts.

I was so delighted when you took the rostrum in my television show, not once but twice, and when you accompanied me at the piano for Schubert’s “Du holde Kunst”.

One of my most cherished memories is the concertante perfor- mance of Tristan and Isolde in New York under your direction.

I wish you a very happy birthday from the bottom of my heart and I hope that we will all live to enjoy many more wonderful concerts.

Yours, in friendship and with gratitude, Theo Adam

Dear Kurt Masur,

It fills me with pride to this day that I was involved in the opening of the new Gewandhaus when we gave Beethoven’s 9th Symphony, a performance of great authenticity, and one which bears witness to your exceptional skill in interpreting Beethoven’s music.

It is therefore more than fitting that that anniversary recording should be re-released on CD to mark your 85th birthday.

I want to take this opportunity to thank you so very much for many exceptional encounters of both a musical and a human nature.

Yours very truly, with great esteem, Peter Schreier

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Brücken bauen, Grenzen überwinden – kurt Masur zum 85. Geburtstag

er sich an einer Würdigung von Kurt Masur versucht, die einen bestimmten Umfang nicht überschreiten darf, gerät zwangsläufig in Gefahr, Aspekte seines künstlerischen Wirkens zu vernachlässigen.

Zu den selten in gebührendem Maße akzentuierten Verdiensten des Gewandhauskapellmeisters gehören jene um die zeitgenössische Musik. Daß sein Traditionsorchester dem Publikum tragfähige Brücken in die Klangwelt des 20.

Jahrhunderts baute, lag nicht zuletzt in Masurs unermüdlichem Einsatz begründet.

Ein herausragendes Beispiel der Masurschen Spielplan- und Programmdrama- turgie war die Eröffnungssaison des Neuen Gewandhauses; die in der vorliegenden CD-Edition enthaltenen Mitschnitte vom Herbst 1981 dokumentieren diese ereig- nisreiche Zeit schlaglichtartig. Dem festlichen Anlaß wurde damals auf unkonven- tionelle Weise entsprochen: Nicht mit jener vielerorts zu hörenden Werkauswahl, bei der insbesondere das späte 19. Jahrhundert einseitig bevorzugt wird, sondern mit einer faszinierenden Gegenüberstellung von Neuem und Bekanntem. Auf Sieg- fried Thieles Gesänge an die Sonne folgte im Eröffnungskonzert des Neuen Gewand- hauses Beethovens 9. Sinfonie, wobei Thieles Partitur durch Dauer, Besetzung und Thematik beinahe selbst Züge eines Hauptwerkes trug. Der Sinfonie für zwei Welten des japanischen Komponisten Minoru Miki ging – in einem »normalen« Anrechts- konzert – ebenfalls als Uraufführung ein von den Bildern des japanischen Malers Kaii Higashiyama inspiriertes Werk des Berliner Komponisten Jürgen Buttkewitz voraus; in der Mitte des Abends stand die selten zu hörende Japanische Festmusik

w

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Wurzen. 1963 gründete er das Leipziger Jugendsinfonieorchester, das er anderthalb Jahrzehnte leitete; parallel dazu war er als Dozent – bzw. ab 1984 als Professor – an der Leipziger Musikhochschule tätig; nach der »Wende« amtierte er hier bis 1997 als Rektor. Mit diesen Tätigkeitsfeldern korrespondierten die für sein kompositori- sches Schaffen relevanten Vorbilder und Inspirationsquellen: Anfangs Carl Orff, später u.a. Debussy, Bartók, Webern und Lutosławski sowie der Ars-nova-Meister Guillaume de Machaut (ca. 1300-1377). Erdung in Leipziger Traditionen wird u.a.

durch Thieles »über allem stehender« Affinität zu Johann Sebastian Bach erkenn- bar,3 auch Anton Bruckner sollte in diesem Zusammenhang genannt werden.

Obwohl Siegfried Thiele frühe, große Erfolge mit seinen Werken erringen konnte, blieb er im Musikbetrieb der DDR eher ein Unterschätzter. Renommierte Uraufführungsdirigenten wie Kurt Sanderling oder Rudolf Kempe änderten an die- ser Tatsache ebensowenig wie Aufführungen beispielsweise des Klavierkonzertes in London und Zürich. Neben seiner kompositionsästhetischen Unangepaßtheit mußte Thiele dem Regime vor allem in weltanschaulicher Hinsicht suspekt sein: Er gehörte der Leipziger Gemeinde der Christengemeinschaft an, für die er liturgische Werke schuf, war (bzw. ist) also Christ und Anthroposoph.

Vor diesem Hintergrund zeugte es nicht gerade von Linientreue, daß Masur im Sommer 1978 den Auftrag für den »Staatsakt« an Siegfried Thiele vergab. Der Gewandhauskapellmeister hatte zuvor allerdings bereits Thieles Sinfonietta alla Ciaconna und dessen Hommage à Machaut uraufgeführt, letztere später auch bei NOVA eingespielt. Kurt Masur konnte deshalb sicher sein, daß die Gesänge an die Sonne den bei solchen Anlässen offiziell gewünschten Ausdruck systemtreuer Affir- mation verweigern würden.

Anstoß erregten nicht zuletzt die vertonten Texte. Die mit ihnen verbundenen Irritationen wirken aus heutiger Sicht grotesk, wurden doch insbesondere Goethe von Richard Strauss. Allein in der Zeit bis Jahresende dirigierte Kurt Masur neun

Uraufführungen, darunter solche von Gija Kantscheli und Alfred Schnittke, der in der Sowjetunion mit Restriktionen zu kämpfen hatte.1

Schon ein flüchtiger Blick auf die Programme läßt erkennen, daß bei der Ver- gabe der Kompositionsaufträge ästhetische und politische Grenzen überwunden wurden – nach den Präferenzen der Staatspartei beispielsweise sucht man glückli- cherweise vergeblich. Statt einen Stil zu verordnen, sollte ein möglichst pluralisti- sches Angebot neue Horizonte eröffnen.

Der größte Erwartungsdruck mußte zwangsläufig auf Siegfried Thiele lasten.

Seine Musik sollte zur »Weihe des Hauses« erklingen, die unter den Bedingungen der DDR mehr war als die Inbetriebnahme eines Gebäudes. Auf Thiele richtete sich nicht nur der Blick der musikinteressierten Öffentlichkeit, der Musikkritik und natürlich der Ausführenden; schwerer noch wog, die unerforschlichen Wege der Obrigkeit zu ergründen. Kurt Masur schuf hier die nötigen Freiräume.

Siegfried Thiele, geboren 1934 in Chemnitz, studierte 1953-58 an der Leipziger Musikhochschule Komposition bei Wilhelm Weismann und Johannes Weyrauch.

Nachdem Thiele bereits als Jugendlicher im Studiochor der Volksbühne Chemnitz mitgesungen hatte, kam er durch seine Hochschullehrer erneut »sehr stark mit der Vokalmusik in Berührung«2. Sein Wissen um die gestalterischen Potentiale des Orchesterklanges konnte er in jenen Jahren auch dadurch vertiefen, daß er zusätz- lich Dirigieren bei Franz Jung und Heinz Rögner studierte. Auf der Grundlage die- ser profunden akademischen Ausbildung – das Klavierstudium bei Rudolf Fischer und Amadeus Webersinke sei nicht vergessen – entfaltete Thiele ein erstaunlich breit gefächertes Wirken. Neben seiner kompositorischen Arbeit stand die pädago- gische: Schon vor seiner Zeit als Meisterschüler von Leo Spies an der Akademie der Künste in Ost-Berlin (1960-62) arbeitete Thiele als Musiklehrer in Radeberg und

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schiedener Musiksprachen in der Gleichzeitigkeit.«7 Der Wunsch, Miki in den Uraufführungsreigen des Gewandhauses einzubeziehen, wurde durch ein Leipziger Gastspiel der auf traditionellen japanischen Instrumenten spielenden Gruppe »Pro Musica Nipponia«8 geweckt: Der 1936 in Tokushima geborene Miki war ihr Grün- der und Leiter. Während seiner Ausbildung an der Tokioter »National University of Fine Arts and Music« zu Beginn der 50er Jahre9 hatte er den professionellen Umgang mit der Orchestermusik europäischer Provenienz gelernt. Dies führte aber nicht dazu, daß die kulturelle Überlieferung seiner Heimat für ihn nun an Bedeutung verlor. Letztere wollte er nicht nur als Stilzitat in die aus Europa stammende Kunst- musik integrieren, weshalb er 1962 sein erstes Werk für japanisches Instrumenta- rium komponierte und 1964 ebenjenes Ensemble ins Leben rief, das ihn einst bis auf das Gewandhauspodium führen sollte. Mit der Gründung des auf asiatischen und europäischen Instrumenten musizierenden Ensembles »Yui« 1990 bekräftigte Miki seine Idee des interkulturellen Brückenschlages. Er fand in Kurt Masur einen Seelenverwandten, der schon seit Mitte der 70er Jahre durch seine japanische Frau Tomoko persönliche Bindungen nach Fernost hatte.

Minoru Mikis Symphony for two worlds – Kyo-no-Kyoko – ist das dritte Werk seiner Eurasian Trilogy, deren Teile nach zentralen Elementen des Nõ-Theaters benannt sind: Das 1969 entstandene Jo ist der Auftakt, Ha von 1974 (»Zerreißen, Zerspringen«) fungiert gewissermaßen als Antithese des Vorangegangenen und Kyo als »abschließende, lebhaft bewegte Zusammenfassung« (Udo Klement).10 Einer großen sinfonischen Orchesterbesetzung (Streicher, dreifaches Holz, 13 Blechbläser und drei Schlagzeuger) steht ein 16-köpfiges Ensemble mit traditionellen japani- schen Blas-, Saiten- und Perkussionsinstrumenten gegenüber; insbesondere die Flöten- und Zupfinstrumente bereichern das Klangbild in charakteristischer Weise.

Miki benutzt das japanisch-traditionelle Instrumentarium aber nicht, um einem und Schiller als humanistisches Erbe des »Arbeiter- und Bauern-Staates« gepflegt.

Wie Peter Horst Neumann 2004 in einer Laudatio hervorhob, mußte schon das ein- gangs gesungene Gotteslob der Erzengel aus Faust I – »Die Sonne tönt nach alter Weise in Brudersphären Wettgesang...« – der staatlichen Erwartungshaltung zuwi- derlaufen: »Als ich die Befürchtung aussprach, man könnte seine Gesänge an die Sonne womöglich als einen Gegengesang zur proletarischen Internationale »Brü- der, zur Sonne, zur Freiheit« mißdeuten, war seine Antwort: Was heißt hier mißdeu- ten?«4 Wer sich die symbolhafte, spirituelle Bedeutung der Sonne in der Anthropo- sophie vergegenwärtigt, kann die Textauswahl kaum anders denn als ostentative Distanzierung vom »dialektischen Materialismus« verstehen.

Den kulturpolitischen Gralshütern blieben diese Ansichten nicht verborgen.

Nach einer der letzten Proben nahm die zuständige ZK-Abteilungsleiterin Ursula Ragwitz eine Partitur des beargwöhnten Werkes in die Hauptstadt mit, »offenbar nicht, um meine Noten zu studieren ...«, wie sich Siegfried Thiele erinnerte: »Ich habe dann auch gehört, daß es dort Widerstände gab und man vorgeschlagen habe, überhaupt nur Beethovens Neunte zu bringen ... Und da hat Masur sein Machtwort gesprochen: Wir haben das Werk in Auftrag gegeben, und wir werden es auffüh- ren.«5 Kurt Masur hatte »intuitiv und intellektuell mein Anliegen verstanden«, resü- mierte Thiele. Beide stimmten auch dahingehend überein, der Orgel eine exponierte Bedeutung in der Komposition zu verleihen. Masur gab schließlich sogar dem Organisten Matthias Eisenberg, »der die Solostellen in den Gesängen zu spielen hatte, detaillierte Hinweise für die Registrierung«6.

Ein ähnliches Herzensanliegen war für den hier geehrten Dirigenten die Sinfonie des im Dezember 2011 verstorbenen Minoru Miki. Masurs Biograph Johannes For- ner bezeichnet »das Zusammenführen verschiedener Kulturen in einem Werk« als

»eine Lieblingsidee« des Dirigenten; dabei ging es ihm um »die Verständigung ver-

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kurt Masur – ein Portrait

Kurt Masur ist einer der bedeutendsten Dirigenten, er ist eigentlich kein Politiker.

Und doch hat er das Weltgeschehen politisch maßgeblich beeinflußt und mitent- scheidend dazu beigetragen, daß 1989 eine friedliche Revolution in der DDR fried- lich geblieben ist. Am 9. Oktober, dem größten Tag der Leipziger Montagsdemonst- rationen, gehörte Masur zu sechs prominenten Leipzigern, die den Aufruf »Keine Gewalt!« verfassten, der während der Demonstration mehrfach über Lautsprecher verbreitet wurde.

Kurt Masur ist ein politisch handelnder Mensch und Künstler – eine Kombina- tion, die leider oft ihres Gleichen sucht. Schon als Leipziger Gewandhauskapell- meister mischte er sich ein; der Bau des neuen (dritten) Gewandhauses, das 1981 eröffnet werden konnte, geht maßgeblich auf sein Engagement zurück.

Geboren 1927 im damals preußischen, heute polnischen Brieg, studierte Masur zunächst Musik in Breslau (1942 bis 1944), nach Kriegsende dann in Leipzig. 1951 bekam er sein erstes Engagement als Operndirigent in Halle und Erfurt. Von 1953 bis 1964 war er Erster Kapellmeister an den Städtischen Theatern Leipzig (zwei Jahre), Dirigent der Dresdner Philharmonie (drei Jahre), Generalmusikdirektor in Schwerin (zwei Jahre) und an der Komischen Oper Berlin (vier Jahre). Von 1964 bis 1972 leitete er erneut die Dresdner Philharmonie, ab 1967 bereits als Chefdirigent.

1970 wurde Kurt Masur zum Gewandhauskapellmeister in Leipzig berufen. Mit diesem (manche sagen: »seinem«) Orchester, das er von nun an bis 1997 über ein Vierteljahrhundert leitete, gab er über 900 Tournee-Konzerte! Unter Masurs Lei- tung und Schulung entstand der »Gewandhausklang«, der das Orchester auszeich- nete und zu Weltgeltung aufsteigen ließ. Nach der Eröffnung des neuen Konzert- konventionellen deutschen bzw. europäischen Orchestersatz lediglich eine aparte

Farbe hinzuzufügen und diesen ansonsten, was Formverlauf und Hierarchie der Instrumentengruppen betrifft, in den gewohnten Bahnen verlaufen zu lassen. Die Interaktionen der verschiedenen Traditionssphären und ihrer Instrumente können deshalb wirklich als Dialog der Kulturen erlebt werden. Daß Mikis klingende Uto- pie eines konstruktiven Austauschs mit dem Fremden wohlkalkuliert gestaltet ist, könnte angesichts der sinnlichen Schönheit der Musik in Abrede gestellt werden.

Tatsächlich wurden aber bereits in der Introduktion »alle wesentlichen Elemente des gesamten Werkes konstituiert«11, darunter die Tonfolge B-A-C-H als Verbeu- gung vor dem großen Thomaskantor.

Wer bedenkt, daß mit der Eröffnung des Neuen Gewandhauses auch das Jubi- läum »200 Jahre Gewandhauskonzerte« feierlich begangen wurde, erkennt die auf- führungsgeschichtliche Dimension von Masurs Engagement für die zeitgenössische Musik. Das Klischee einer Gewandhaus-typischen, konservativ-retrospektiven Pro- grammdramaturgie widerlegte er in seiner Amtszeit glänzend.

Dirk Stöve

1 | Angaben zum Programm nach:

Johannes Forner, Kurt Masur. Zeiten und Klänge, Biographie, Berlin/München 20022, S. 269-70.

2 | Ein Interview mit Prof. Siegfried Thiele, in : Journal Nummer 17, Sommersemester 2004 (Zeitschrift der HfMT »FelixMendelssohn-Bartholdy« Leipzig), Beilage S. 4; weitere Angaben ebenfalls hieraus entnommen.

3 | Johannes Forner, Begegnungen, Erinnerungen, Persönliches, in: Journal Nummer 17, ..., Beilage S. 6.

4 | Peter Horst Neumann, Botschaft der Worte, Botschaft der Töne. Der Komponist Siegfried Thiele (Vortrag), in: Journal Nummer 17,..., Beilage S. 11.

5 | Johannes Forner, Kurt Masur, ebd., S. 212.

6 | a.a.O., S. 211.

7 | a.a.O., S. 216.

8 | a.a.O..

9 | Angaben zur Biographie nach: MGG Bd. 12, 2004, Spalte 192/193; Autor: Kazushi Ishida.

10 | Einführungstext der LP-Veröffentlichung.

11 | a.a.O..

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ziger wirklich war und ist, zeigt die Ehre, 1989 nach der politischen Wende der Erste zu sein, dem die Ehrenbürgerschaft der Stadt Leipzig verliehen wurde.

Bereits 1981 wurde Kurt Masur Gastdirigent des New York Philharmonic Orchestra – eine höchst erfolgreiche Verbindung, die von 1991 bis 2002 im Chefdi- rigentenposten mündete. Von 2000 bis 2005 war Masur Musikdirektor des London Philharmonic Orchestra und parallel von 2002 bis 2008 musikalischer Leiter des Orchestre National de France in Paris.

Unter den sehr vielen Projekten, die Kurt Masur betreut, die er inhaltlich beglei- tet oder für die er wirbt, steht an hervorragender Stelle sein Engagement als Vor- standsvorsitzender der Internationalen Mendelssohn-Stiftung e. V., die Leben und Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy erforscht und insbesondere Erhalt und Pflege des Mendelssohn-Hauses in der Leipziger Innenstadt absichert. Masurs besondere Begeisterung für Mendelssohn ist nicht zufällig, wenn man etwa dessen Briefzitat von 1829 in Relation zu Masurs eigener Biographie versteht: »Leben und Kunst sind aber nicht zweierlei.«

1995 verlieh ihm die Bundesrepublik Deutschland das Verdienstkreuz, 2002 sogar das Große Verdienstkreuz mit Stern. Im selben Jahr erschien seine Biographie

»Zeiten und Klänge« (von Johannes Forner, Propyläen Berlin).

2010 folgte nun ein weiterer Höhepunkt: »Welchen Komponisten sich Kurt Masur auch widmet, für ihn ist die Musik eine Frage von Herz, Verstand und Emo- tionen. Er verkörpert die Tradition, die Erfahrung und die ewige Wandelbarkeit der klassischen Musik in einer neuen Epoche. Dafür wird er nun mit dem ECHO Klas- sik für sein Lebenswerk ausgezeichnet.« – so lautet die Begründung des Bundesver- bandes der Musikindustrie. Die »neue Epoche« hat Kurt Masur 1989 in Leipzig selbst mit eingeleitet.

Ulf Brenken hauses, 1943 wurde die bisherige Spielstätte durch einen alliierten Bombenangriff

zerstört, war die offizielle Anerkennung für den aktuellen Orchesterchef nur folge- richtig (Nationalpreis der DDR, 1982). Aber wie groß die Wertschätzung der Leip-

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Building bridges, transcending boundaries – Marking kurt Masur’s eighty-fifth birthday

ny attempt to describe Kurt Masur’s achievements in a limited space must inevitably neglect a great deal. Among the many aspects that are seldom given due credit is Masur’s service to contemporary music. It was not least due to the conductor’s indefatigable efforts that his old- established Gewandhaus Orchestra built bridges that enabled audiences to cross over into the musical world of the twentieth century.

A outstanding example of Masur’s programme compilation was the opening season of the new Gewandhaus. The live recordings from the autumn of 1981 pre- sented in this CD series document the highlights of that eventful time. The festive occasion was approached in an unconventional way. Instead of presenting works that could be heard almost everywhere, with the late nineteenth century predomi- nating, new works were fascinatingly presented side by side with well-known ones.

On the opening night of the New Gewandhaus, Siegfried Thiele’s Gesänge an die Sonne (songs to the sun) was followed by Beethoven’s Ninth Symphony, but the duration, forces and subject matter of Thiele’s score almost qualified it to be seen as the main work. A “normal” subscription concert opened and closed with premieres:

the Symphony for Two Worlds by the Japanese composer Minoru Miki and a work by the Berlin composer Jürgen Buttkewitz, inspired by the images of the Japanese painter Kaii Higashiyama. Richard Strauss’s seldom-heard Japanische Festmusik

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same time, he lectured – from 1984 as professor – at the Leipzig College of Music, where after the reunification of Germany he held the position of rector until 1997.

The models and sources of inspiration for his composing changed with time. At the beginning it was Carl Orff, then came composers like Debussy, Bartók, Webern, Lutoslawski and Guillaume de Machaut (c. 1300-1377), the master of ars nova.

Grounded in Leipzig traditions as Thiele was, however, his supreme affinity was for Johann Sebastian Bach,3 with Anton Bruckner running a close second.

Although Siegfried Thiele was very successful with his works at an early stage, he was always rather underestimated in GDR music circles. The fact that renowned conductors like Kurt Sanderling and Rudolf Kempe premiered works of his did no more to alter that fact than did performances of, for example, his Piano Concerto in London and Zurich. Thiele was suspect to the regime not only because of his non- conformist composing aesthetics but more particularly by virtue of his ideology:

confessing himself both a Christian and an anthroposophist, he belonged to the Leipzig Christian Community congregation and composed liturgical works for it.

Kurt Masur was therefore not exactly toeing the party line when he gave the commission for the “act of state” to Siegfried Thiele in the summer of 1978. The conductor of the Leipzig Gewandhaus Orchestra had previously premiered Thiele’s Sinfonietta alla Ciaconna and Hommage à Machaut, later performing the latter work again for a NOVA recording. Masur was therefore well aware that the Gesänge an die Sonne would lack any expression of the loyal affirmation officially desired on such occasions.

Offence was caused not least by the texts Thiele had set. That seems grotesque today, especially since Goethe and Schiller were a treasured part of the humanistic heritage of the “Workers’ and Peasants’ State”. As Peter Horst Neumann wrote in a eulogy in 2004, even the line “The sun adds his ancient song to the concert of broth- (Japanese festival music) came in between. Kurt Masur had conducted nine world

premieres by the end of the year, among them works by Giya Kancheli and Alfred Schnittke, both of whom had battled with restrictions in the Soviet Union.1

A quick look at the programmes is enough to show that the allocation of com- posing commissions transcended aesthetic and political boundaries – whatever the preferences of East Germany’s “Socialist Unity Party”. Instead of prescribing a cer- tain style, a wide range of works was offered that was as pluralistic as possible in order to open new horizons.

The heaviest burden of expectation inevitably rested on Siegfried Thiele. His music was to mark the “consecration of the house”, which under the conditions prevailing in the GDR was more than just opening a building. The attention of the music-loving public, the critics and naturally the musicians was centred on Thiele, but understanding the impenetrable ways of the authorities was still more difficult for him. Kurt Masur helped him in this.

Born in Chemnitz in 1934, Siegfried Thiele studied composition with Wilhelm Weismann and Johannes Weyrauch at the Leipzig College of Music from 1953 to 1958. He had sung in the studio choir of the Volksbühne in Chemnitz during his youth, and his present teachers again put him “very much in contact with vocal music”.2 He also deepened his knowledge of the potential of orchestral sound in that period by additionally studying conducting with Franz Jung and Heinz Rögner.

On the basis of this in-depth academic training – he had also studied the piano with Rudolf Fischer and Amadeus Webersinke – Thiele developed astonishingly wide-ranging interests. In addition to his compositional work, he taught music in Radeberg and Wurzen in Saxony before becoming a star pupil of Leo Spies at the Academy of the Arts in East Berlin (1960-62). In 1963 he established the Leipzig Youth Symphony Orchestra, which he conducted for one-and-a-half decades; at the

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the sun, to freedom’ in the proletarian Internationale, he answered: What do you mean, misinterpret?”4 Anyone who is aware of the symbolic, spiritual significance of the sun in anthroposophy can hardly understand the choice of texts as anything but a demonstrative denial of “dialectic materialism”.

The guardians of officially sanctioned culture were not oblivious to those views.

After one of the final rehearsals, Ursula Ragwitz, responsible as head of a depart- ment in the Central Committee, took a score of the suspicious work back to the capital, “obviously not to study my music ...”, as Siegfried Thiele recalled: “I then heard that there was resistance there and that it had been proposed to present only Beethoven’s Ninth ... Masur then put his foot down, saying that the work had been commissioned and would be performed.”5 Kurt Masur had “intuitively and intel- lectually understood my purpose”, Thiele concluded. They both also agreed to give the organ prominence in the composition. Masur even gave the organist Matthias Eisenberg, “who would play the solo passages in the Gesänge, detailed registration indications”6.

The symphony by Minoru Miki, who was born in Tokushima in 1936 and died in Tokyo in December 2011, was another issue that was close to Kurt Masur’s heart.

Masur’s biographer Johannes Forner says that “bringing different cultures together in a single work” was one of the conductor’s “favourite ideas”, his concern being

“simultaneous communication in different musical languages.”7 His desire to include Miki in the series of premieres at the Gewandhaus was aroused by a guest performance in Leipzig on traditional Japanese instruments by Pro Musica Nippo- nia,8 conducted by Miki, the group’s founder. He had learnt to handle European orchestral music whilst studying at the Tokyo National University of Fine Arts and Music in the early 1950s,9 but his native cultural tradition did not lose its impor- tance to him. He wanted it to be more than just a stylistic quotation in art music of erly spheres ...”, which the archangel sings in praise of God at the beginning of Faust I,

ran counter to what the state expected: “When I expressed my fear that his Gesänge an die Sonne might be misinterpreted as a vocal challenge to the line ‘Brothers, to

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ment to contemporary music. During his term of office, he brilliantly countered the stereotype of the Gewandhaus as conservative and backward-looking in its pro- gramme compilation.

Dirk Stöve

1 | Programme details are taken from Johannes Forner’s biography of Kurt Masur (Berlin/Munich, second edition, 2002), pp. 269-70.

2 | “An interview with Prof. Siegfried Thiele”, in Journal No 17, summer semester 2004 (published by the Felix Mendelssohn Bartholdy College of Music in Leipzig);

see also footnotes 3 and 4 below.

3 | Johannes Forner, “Encounters, memories, the personal”, in Journal No 17.

4 | Peter Horst Neumann, “Message of words, message of sounds. The composer Siegfried Thiele” (lecture), in Journal No 17.

5 | Johannes Forner, Kurt Masur (see f.n. 1), p. 212.

6 | loc. cit., p. 211.

7 | loc. cit., p. 216.

8 | loc. cit.

9 | Biographical details from: MGG Vol. 12, 2004, Col. 192/193; Author: Kazushi Ishida.

10 | Introductory text to the LP release.

11 | loc. cit.

Translation: J & M Berridge European origin and set out to integrate it fully. He accordingly composed his first

work for Japanese instruments in 1962 and in 1964 formed the ensemble with which he would later perform at the Gewandhaus. In 1990 Miki pursued his idea of building an intercultural bridgehead by forming the Yui ensemble, which combines Asian and European instruments. In Kurt Masur he found a kindred spirit who had had personal connections to the Far East since the mid-1970s, when he married his Japanese wife Tomoko.

Kyo-no-Kyoko (Symphony for two worlds) is the final work in Minoru Miki’s Eur- asian Trilogy, the parts of which are named after central elements of the Nõ Thea- tre: Jo of 1969 is the prelude, Ha of 1974 (“tearing, bursting”) seems to function as the antithesis of the preceding part and Kyo is the “concluding, lively résumé” (Udo Klement).10 A large symphony orchestra (strings, triple woodwinds, 13 brass and three percussionists) is opposed to a sixteen-strong ensemble of traditional Japa- nese wind, stringed and percussion instruments; the flute and plucked instruments in particular enrich the sound characteristically. Miki did not however use the tra- ditional Japanese orchestral resources merely to add a striking colour to conven- tional German or European orchestral writing while otherwise proceeding in the usual way in terms of formal processes and the hierarchy of the instrumental groups. The interaction between the various spheres of tradition and their instru- ments can therefore truly be experienced as a cultural dialogue. In view of the sen- sual beauty of the music, it might be denied that Miki’s orchestral utopia of a con- structive exchange with foreign culture is coolly calculated. Nonetheless, the intro- duction already “constitutes all the essential elements of the entire work”11, includ- ing the sequence B-A-C-H in homage to the great Thomaskantor.

The fact that the opening of the new Gewandhaus also marked the 200th anni- versary of the Gewandhaus Concerts revealed the dimension of Masur’s commit-

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a Portrait of kurt Masur

Kurt Masur is not a politician; he is actually one of the most outstanding conduc- tors in the world. And yet he decisively influenced world politics in 1989 by playing an active part in ensuring that a peaceful revolution in East Germany did in fact remain peaceful. On October 9, the crucial day of the Monday demonstrations in Leipzig, Masur was one of six prominent Leipzig citizens who instituted the “No violence!” calls put out on loudspeakers during the demonstration.

Kurt Masur is a man and artist who acts politically – a species that is unfortu- nately encountered all too seldom. He intervened in politics even when he was still conductor of the Leipzig Gewandhaus Orchestra; the building of the new (third) Gewandhaus, which opened in 1981, was in large part the result of his commit- ment.

Born in 1927 in the Prussian town of Brieg (now Brzeg in Poland), Masur stud- ied music in Breslau (Wroclaw) from 1942 to 1944 and then in Leipzig after the war.

He was first engaged to conduct opera in Halle and Erfurt in 1951. Between 1953 and 1964 he was principal conductor in Leipzig (two years), conductor of the Dres- den Philharmonic (three years), general music director in Schwerin (two years) and general music director at the Komische Oper, Berlin (four years). He once again conducted the Dresden Philharmonic from 1964 to 1972, becoming its principal conductor in 1967.

Kurt Masur was appointed conductor of the Gewandhaus Orchestra in Leipzig in 1970. With this, some say “his” orchestra, which he continued to conduct for over a quarter of a century until 1997, he gave more than 900 concerts on tour! Masur’s direction and training gave rise to the “Gewandhaus sound” which distinguishes the

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Thus the reasoning of the Federation of the German Music Industry. Kurt Masur himself helped to bring that “new era” about in Leipzig in 1989.

Ulf Brenken Translation: J & M Berridge orchestra and has brought it international standing. He was given official acknowl-

edgement in the form of the National Prize of the GDR in 1982 for the part he had played in the rebuilding of the Gewandhaus, which had been destroyed by an the Allied bombing raid in 1943. But the true extent of the esteem in which Leipzig holds him was shown by the fact that he was the first person to be given the free- dom of the city in 1989, just after the collapse of the Communist regime.

Kurt Masur made guest appearances with the New York Philharmonic Orchestra as early as 1981 - most successfully, since he then became its principal conductor from 1991 to 2002. Masur was director of music of the London Philharmonic Orchestra from 2000 to 2005 and from the Orchestre National de France in Paris from 2002 to 2008.

Notable among the very many projects Kurt Masur supports is his committed chairmanship of the International Mendelssohn Foundation, which researches the life and works of Felix Mendelssohn-Bartholdy and in particular ensures the main- tenance of the Mendelssohn House in Leipzig’s city centre. Masur’s special love of Mendelssohn is no coincidence if one considers the following quotation from a Mendelssohn letter of 1829 in relation to Masur’s own biography: “Life and art are not two different things.”

The Federal Republic of Germany conferred the Distinguished Service Cross on him in 1995, the Large Distinguished Service Cross with Star in 2002. That same year saw the publication of his biography Zeiten und Klänge (times and sounds) (Johannes Forner, Propyläen publishers, Berlin).

2010 brought another highlight: “Whichever composer Kurt Masur turns his attention to, for him music is a question of heart, understanding and emotions. He embodies the tradition, the experience and the eternal changeability of classical music in a new era. He is now being awarded the ECHO Klassik for his life’s work.”

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SieGfried thiele · Gesänge an die Sonne Johann wolfGanG

von Goethe aus: Prolog im himmel (»faust«)

Raphael:

Die Sonne tönt nach alter Weise, In Brudersphären Wettgesang, Und ihre vorgeschriebne Reise Vollendet sie mit Donnergang.

Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke, Wenn keiner Sie ergründen mag;

die unbegreiflich hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag.

Küsse gab sie uns und Reben, Einen Freund, geprüft im Tod;

Wollust ward dem Wurm gegeben, Und der Cherub steht vor Gott.

Froh, wie seine Sonnen fliegen Durch des Himmels prächt’gen Plan, Laufet, Brüder, eure Bahn, Freudig, wie ein Held zum Siegen.

Seid umschlungen, Millionen!

Diesen Kuß der ganzen Welt!

Brüder, überm Sternenzelt Muß ein lieber Vater wohnen.

Ihr stürzt nieder, Millionen?

Ahnest du den Schöpfer, Welt?

Such’ ihn überm Sternenzelt!

Über Sternen muß er wohnen.

Seid umschlungen, Millionen!

Diesen Kuß der ganzen Welt!

Brüder, überm Sternenzelt Muß ein lieber Vater wohnen.

Seid umschlungen, Diesen Kuß der ganzen Welt!

Freude, schöner Götterfunken Tochter aus Elysium,

Freude, schöner Götterfunken, Götterfunken.

ludwiG van Beethoven · Sinfonie nr. 9

friedriCh SChiller (Bearbeitet von Ludwig van Beethoven) ode an die freude

O Freunde, nicht diese Töne!

Sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere.

Freude! Freude!

Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligthum!

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng geteilt;

Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt.

Wem der große Wurf gelungen, Eines Freundes Freund zu sein;

Wer ein holdes Weib errungen, Mische seinen Jubel ein!

Ja, wer auch nur eine Seele Sein nennt auf dem Erdenrund!

Und wer’s nie gekonnt, der stehle Weinend sich aus diesem Bund!

Freude trinken alle Wesen An den Brüsten der Natur;

Alle Guten, alle Bösen Folgen ihrer Rosenspur.

friedriCh SChiller an die Sonne

Preis dir, die du dorten heraufstrahlst, Tochter des Himmels!

Preis dem lieblichen Glanz

Deines Lächelns, der alles begrüßet und alles erfreuet!

Trüb in Schauern und Nacht

Stand begraben die prächtige Schöpfung: tot war die Schönheit Lang dem letzenden Blick:

Aber liebevoll stiegst du früh aus dem rosigen Schoße Deiner Wolken empor,

Wecktest uns auf die Morgenröte; und freundlich Schimmert’ diese herfür,

Über die Berg und verkündete deine süße Hervorkunft.

Schnell begann nun das Graun

Sich zu wälzen dahin in ungeheuern Gebürgen.

Dann erschienest du selbst,

Herrliche du, und verschwunden waren die neblichte Riesen!

Ach! wie Liebende nun

Lange getrennt liebäugelt der Himmel zur Erden, und diese Lächelt zum Liebling empor;

Und es küssen die Wolken am Saume der Höhe die Hügel;

Süßer atmet die Luft;

Alle Fluren baden in deines Angesichts Abglanz Sich; und es wirbelt der Chor

Des Gevögels aus der vergoldeten Grüne der Wälder Freudenlieder hinauf;

Alle Wesen taumeln wie am Busen der Wonne:

Selig die ganze Natur!

Und dies alles o Sonn! entquoll deiner himmlischen Liebe.

Vater der Heilgen vergib,

O vergib mir, daß ich auf mein Angesicht falle Und anbete dein Werk! –

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Aber nun schwebet sie fort im Zug der Purpurgewölke Über der Könige Reich,

Über die unabsehbarn Wasser, über das Weltall:

Unter ihr werden zu Staub

Alle Thronen, Moder die himmelaufschimmernden Städte;

Ach! die Erde ist selbst

Grabeshügel geworden. Sie aber bleibt in der Höhe, Lächelt der Mörderin Zeit

Und erfüllet ihr großes Geschäft, erleuchtet die Sphären.

O besuche noch lang,

Herrlichstes Fürbild der Edeln! mit mildem freundlichem Blicke Unsre Wohnung, bis einst

Vor dem Schelten des Ewigen sinken die Sterne Und du selbsten erbleichst.

Michael:

Und Stürme brausen um die Wette Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer, und bilden wütend eine Kette

Der tiefsten Wirkung rings umher.

Da flammt ein blitzendes Verheeren Dem Pfade vor des Donnerschlags.

Doch deine Boten, Herr, verehren Das sanfte Wandeln deines Tags.

Zu Drei

Der Anblick gibt den Engeln Stärke Da keiner sie ergründen mag Und alle deine hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag friedriCh hölderlin

dem Sonnengott

Wo bist du? trunken dämmert die Seele mir Von aller deiner Wonne; denn eben ists, Daß ich gesehn, wie, müde seiner Fahrt, der entzückende Götterjüngling

Die jungen Locken badet’ im Goldgewölk;

Und jetzt noch blickt mein Auge von selbst nach ihm;

Doch fern ist er zu frommen Völkern, Die ihn noch ehren, hinweggegangen.

Dich lieb’ ich, Erde! trauerst du doch mit mir!

Und unsre Trauer wandelt, wie Kinderschmerz, In Schlummer sich, und wie die Winde Flattern und flüstern im Saitenspiele,

Bis ihm des Meisters Finger den schönern Ton Entlockt, so spielen Nebel und Träum’ um uns, Bis der Geliebte wiederkömmt und Leben und Geist sich in uns entzündet.

Johann wolfGanG von Goethe aus: Prolog im himmel (»faust«) Raphael:

Die Sonne tönt nach alter Weise, In Brudersphären Wettgesang, Und ihre vorgeschriebne Reise Vollendet sie mit Donnergang.

Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke, Wenn keiner Sie ergründen mag;

die unbegreiflich hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag.

Gabriel:

Und schnell und unbegreiflich schnelle Dreht sich umher der Erde Pracht;

Es wechselt Paradieseshelle Mit tiefer, schauervoller Nacht.

Es schäumt das Meer in breiten Flüssen Am tiefen Grund der Felsen auf, Und Fels und Meer wird fortgerissen Im ewig schnellem Sphärenlauf.

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Recording: 08.10.1981 (Beethoven, Thiele) · 13.11.1981 (Miki) Leipzig, Neues Gewandhaus Recording Producer: Horst Kunze (Beethoven, Thiele) · Günther Neubert (Miki) Balance Engineer: Lothar Hübner (Beethoven, Thiele)

Editing: Thomas Albrecht (Beethoven, Thiele) · Eberhard Richter (Miki) Photos: Hansjoachim Mirschel, Gert Mothes · Appaloosa (p. 35) P 1981 (Beethoven, Thiele) · 1985 (Miki) VEB Deutsche Schallplatten Berlin

ed in Germany · 0300439BC

das neue Gewandhaus in leipzig

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