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Vergleich von RIII-Reflexschwelle und Bispektralem Index als Monitore der Vorhersage motorischer Reaktionen auf Schmerzreize unter Propofolmononarkose

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Academic year: 2021

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Aus der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin

DISSERTATION

Vergleich von RIII-Reflexschwelle und Bispektralem Index als Monitore der Vorhersage motorischer Reaktionen auf Schmerzreize

unter Propofolmononarkose

zur Erlangung des akademischen Grades Doctor medicinae (Dr. med.)

vorgelegt der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin

von

Kirstin Barbara Send aus Göttingen

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Gutachter: 1. Prof. Dr. med. B. Rehberg-Klug 2. Prof. Dr. Dr. B. Ebeling

3. Prof. Dr. med. S. Kreuer

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INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...7

1 EINLEITUNG...9

1.1 Hintergrund...9

1.1.1 Monitoring von Hypnose und Bewusstlosigkeit...12

1.1.2 Monitoring von Analgesie und chirurgischer Immobilität...15

1.2 Zielsetzung der Arbeit...19

2 METHODIK...21

2.1 Probanden...21

2.2 Propofol...22

2.3 Die Messungen...24

2.3.1 Aufbau der Messungen...24

2.3.2 Ablauf der Messungen...24

2.3.3 RIII-Reflexstimulation und -ableitung...25

2.3.4 Automatisierte RIII-Schwellenbestimmung (threshold tracking)...26

2.3.5 Propofolnarkose - Steuerung über Target Controlled Infusion...29

2.3.6 Überwachung der Vitalparameter...30

2.3.7 BIS-Monitoring...30

2.3.8 Kontrolle der Wachheit und des Schmerzempfindens...31

2.3.9 Datenaufzeichnung...32

2.4 Datenanalyse und statistische Auswertung...33

2.4.1 Pharmakokinetische und -dynamische Analyse...33

2.4.2 Verhältnis der individuellen Werte von RIII-Reflexschwelle, Bispektralem Index und Propofoleffektkompartimentkonzentration zu stattfindenden und ausbleibenden Reaktionen...34

2.4.3 Vorhersagewahrscheinlichkeiten - PK-Werte individuell...35

2.4.4 Normalisierung...35

2.4.5 Gesamt-PK-Werte der RIII-Schwelle, des BIS und der Propofolkonzentration...36

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3 ERGEBNISSE...37

3.1 Allgemeine Ergebnisse...37

3.1.1 Probandenkollektiv...37

3.1.2 Zeitlicher Verlauf der Messungen...38

3.1.3 Einfluss von Propofol auf die Vitalparameter...38

3.2 Konzentrationsabhängige Wirkung von Propofol...39

3.2.1 Verlust von Bewusstsein und motorischer Reaktion...39

3.2.2 PKPD-Korrelation von Propofoleffektkompartimentkonzentration und RIII-Reflexschwelle bzw. Bispektralem Index...40

3.3 Verhältnis der RIII-Reflexschwelle, des Bispektralen Indexes und der Propofoleffektkompartimentkonzentration zu stattfindenden und ausbleibenden Reaktionen...42

3.3.1 Individuelle Mittelwerte der einzelnen Parameter gegenüber positiven und negativen Reaktionen...42

3.3.2 Individuelle Vorhersagewahrscheinlichkeiten der RIII-Reflex-schwelle und des Bispektralen Indexes...44

3.3.3 Gesamtvorhersagewahrscheinlichkeiten für die normalisierte RIII-Reflexschwelle, den Bispektralen Index und die Propofoleffektkompartimentkonzentration...45

4 DISKUSSION...47

4.1 Konzentrationsabhängige Wirkung von Propofol...48

4.2 Pharmakokinetische und -dynamische Analyse des abhängigen Einflusses von Propofol auf die RIII-Reflexschwelle...49

4.3 Vorhersagewahrscheinlichkeiten von RIII-Schwelle und BIS für stattfindende und ausbleibende Reaktionen...52

4.4 Mögliche Einschränkungen der Anwendbarkeit...55

5 FAZIT UND AUSBLICK...60

6 ZUSAMMENFASSUNG...61

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LEBENSLAUF...78

DANKSAGUNG...80

SELBSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG...81

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ASA American Society of Anesthesiologists BIS Bispektraler Index

Ce Effektkompartimentkonzentration Civ intravenöse Konzentration

Cp50/EC50 Konzentration eines iv-Anästhetikums (im Plasma: Cp; am Wirkort: EC), die zum Ausbleiben einer Reaktion bei 50% der Patienten führt

E0 Ausprägung des beobachteten Effekts bei Anästhetikakonzentration = 0 Emax Ausprägung des beobachteten Effekts bei max. Anästhetikakonzentration EEG Elektroenzephalogramm

EKG Elektrokardiogramm EMG Elektromyogramm

FFT Fast Fourier Transformation GABA Gamma-Aminobuttersäure H-Reflex Hoffmann-Reflex

HWZ Halbwertszeit iv intravenös

keo Konstante 1. Ordnung, die die Konzentrationsäquilibration zwischen den Effektkompartimenten bestimmt

LOC Loss of Consciousness (Bewusstseinsverlust) LOR Loss of Reaction (Reaktionsverlust)

m männlich

M. Musculus

MAC Minimal Alveolar Concentration N. Nervus

NFR Nozizeptiver Flexorenreflex NMDA N-Methyl-D-Aspartat

NONMEM NON-linear Mixed Effect Modelling

OAA/S Oberserver’s Assessment of Alertness/Sedation Score pEEG processed EEG

PKPD Pharmakokinetik und -dynamik

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SF Standardfehler

TCI Target Controlled Infusion TOF Train of Four

VNS Vegetatives Nervensystem ZNS Zentrales Nervensystem

Anm.: In der vorliegenden Arbeit werden Standard-SI-Maßeinheiten der Physik sowie die Richtilinien der IUAPC für die Abkürzungen chemischer Substanzen verwendet.

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1 EINLEITUNG

1.1 HINTERGRUND

Für die Durchführung eines invasiven Eingriffs werden Patienten vorübergehend in eine Allgemeinanästhesie versetzt. Der umgangssprachlich auch als Vollnarkose bezeichnete Zustand wird erreicht durch den Einsatz verschiedener Anästhetika. Er ist charakterisiert durch das gleichzeitige Vorliegen mehrerer Komponenten, denen einzelne pharmakolo-gische Wirkungen, vorrangig in Gehirn und Rückenmark, zugrunde liegen. Das Spektrum dieser Anteile reicht von Analgesie über Amnesie und Bewusstlosigkeit bis hin zur Unter-drückung somatomotorischer, kardiovaskulärer und hormoneller Reaktionen auf chirurgi-sche Reize (Kissin 1993).

Die essentiellen Komponenten der Allgemeinanästhesie sind die Abwesenheit von Be-wusstsein und Schmerzfreiheit (Bischoff et al. 2008). Um diese Hauptendpunkte zu er-reichen, sind zwei Gruppen von Anästhetika entscheidend: Hypnotika, wie das intravenös applizierte Propofol oder inhalative Narkotika, bewirken im Wesentlichen den Verlust des Bewusstseins. Analgetika, in erster Linie Opiate, führen zur Reduzierung bzw. Auslöschung von Schmerz. Da Schmerz per definitionem ein bewusstes Erleben darstellt, kann er vom bewusstlosen Patienten nicht als solcher empfunden werden (Antognini & Carstens 2002). Dennoch bestehen auch unter Narkose die neuronalen Mechanismen fort, die nach Appli-kation eines schädigenden Reizes beim wachen Menschen zu Schmerzempfinden führen. Diese Vorgänge der Signalkodierung und -prozessierung auf Ebene der nervalen Verschal-tung werden als Nozizeption bezeichnet und finden zunächst ohne bewusste Wahrnehmung statt (Loeser & Treede 2008). Nozizeption durch einen Schmerzreiz kann verschiedene physiologische Reaktionen des Körpers auslösen. Dazu gehören im bewusstlosen Zustand besonders Antworten des autonomen vegetativen Nervensystems (VNS) und Bewegungen des Patienten. Im Kontext der Narkose können Analgetika als Antinozizeptiva betrachtet werden, die in erster Linie diese Reaktionen des Körpers auf schmerzhafte Stimuli unter-drücken (Shafer & Stanski 2008). Dass besonders das Ausbleiben von Bewegungen als In-dikator für adäquate Antinozizeption gewertet wird, spiegelt sich in der „Minimal Alveolar Concentration“ (MAC) wieder, dem Standardmaß der Potenz inhalativer Anästhetika: Der MAC-Wert gibt diejenige Konzentration eines Narkotikums wieder, der es bedarf, um bei 50% der Patienten eine Reaktion zu vermeiden und wird an der Unterdrückung motorischer

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Reaktionen auf einen Hautschnitt ermittelt (Eger et al. 1965). Das Korrelat des MAC-Wertes für intravenöse Anästhetika ist der Cp50- bzw. der EC50-Wert (Smith et al. 1994).

In einem als erstes von Glass beschriebenen und später von Shafer und Stanski weiterent-wickelten Modell zu den Mechanismen von Allgemeinanästhesie wird eine hierarchische Interaktion von Hypnotika und Analgetika als grundlegend für den Verlust des Bewusstseins und die Unterdrückung körperlicher Reaktionen auf schmerzhafte Stimuli angegeben. Als Voraussetzung für den Zustand der Allgemeinanästhesie nennt Glass die durch Hypnotika im Gehirn hervorgerufene Bewusstlosigkeit. Nozizeptive Stimuli sind diesem Modell nach in der Lage, je nach Intensität und in Abhängigkeit der Konzentration der Hypnotika, den Zu-stand der Bewusstlosigkeit zu beenden, werden sie nicht vor Erreichen der zerebralen Ebene geschwächt. Dies ist Aufgabe der Analgetika: Sie bewirken, dass entweder in der Peripherie durch Lokalanästhetika oder auf Ebene des Rückenmarks und des Thalamus durch Opiate bzw. volatile Anästhetika in MAC-Konzentration die Weiterleitung von Reizen teilweise bis vollständig inhibiert wird (Glass 1998). Werden keine Analgetika eingesetzt, bedarf es einer exzessiv hohen Konzentration des jeweiligen Hypnotikums, um bei 50% der Patienten eine Reaktion auf einen Stimulus, beispielsweise einen Hautschnitt, zu vermeiden (entsprechend MAC für volatile und Cp50 für intravenöse Anästhetika). Die jeweilige Konzentration kann deutlich gesenkt werden, wenn zusätzlich ein Opiat verabreicht wird. Dieser Synergieeffekt beider Anästhetikagruppen für die Unterdrückung von Reaktionen ist in mehreren Studien eingehend untersucht worden (Smith et al. 1994; Kazama et al. 1997; Katoh & Ikeda 1998). Die Ergebnisse demonstrieren, dass es zwar möglich ist, allein durch Hypnotika in hohen Konzentrationen Reaktionen auf chirurgische Stimuli zu unterdrücken, jedoch deren Bedarf vermindert und ihre Dosierung optimiert werden kann, wenn zusätzlich Schmerzmittel ver-abreicht werden. Der Gesamteffekt der Analgetika besteht folglich darin, die Weiterleitung schmerzhafter Empfindungen zum Kortex abzuschwächen und somit die Menge an Hypnotika zu reduzieren, die notwendig ist, die Bewusstlosigkeit aufrecht zu erhalten und Reaktionen zu unterdrücken (Shafer & Stanski 2008).

Die Tiefe der Narkose ist, allgemein gesprochen, abhängig vom Gleichgewicht zweier an-tagonistischer Faktoren: Der anästhetischen Dosis und dem chirurgischen Stimulus (Kent & Domino 2009). Optimale Narkosetiefe bedarf einer ausreichenden Menge an Anästhetika, um Bewusstlosigkeit aufrecht zu erhalten und awareness, d.h. intraoperative Wachheit mit Erinnerung, zu vermeiden, ohne jedoch durch zu hohe Dosen die Funktion von Organen zu beeinträchtigen oder Nebeneffekte wie verzögertes Aufwachen und postoperative

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kog-nitive Dysfunktion zu riskieren (Kent & Domino 2009). Speziell die inadäquate Gabe von Analgetika kann zu Komplikationen führen: Zu niedrige Dosierung birgt die Gefahr des Auf-kommens chirurgischer Stressreaktionen (Kehlet & Wilmore 2002) oder der Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses (Sentürk et al. 2002), bei zu hohen Dosen hingegen droht die Entstehung von akuter Opiattoleranz mit postoperativer Hyperalgesie (Guignard et al. 2000). Nicht selten entsteht jedoch ein kritisches Ungleichgewicht zwischen dem Bedarf und der Verabreichung der Anästhetika. Dies ist u.a. auf eine sich im Verlauf des Eingriffs verändernde Intensität der operativen Stimuli zurückzuführen (Bruhn et al. 2006). Um die Narkosetiefe den Umständen der Operation kontinuierlich anzupassen, bedarf es einer ver-lässlichen Beurteilung derselben, genannt Monitoring. Primäres Ziel des Monitorings ist die verbesserte Versorgung des Patienten, daneben sind auch ökonomische Faktoren von zentraler Bedeutung (Pomfrett 1999).

Es ist eine in der Anästhesie zunehmend vertretene Meinung, dass das Monitoring von Nar-kose jedoch weniger die Gesamtheit anästhetischer Tiefe, als vielmehr einzelne Komponenten erfassen kann (Kissin 1993; Glass et al. 1997; Kissin 2000; Kent & Domino 2009). Da die zentralen Narkoseanteile Bewusstlosigkeit und Analgesie nicht direkt messbar sind (Eger & Sonner 2006), bedient man sich für die Einschätzung der hypnotischen und analgetischen Effekte der Anästhetika indirekter klinischer Merkmale als Surrogatmerkmale der jeweiligen anästhetischen Wirkung. Der Verlust des Bewusstseins bei Induktion der Narkose wird häufig gleichgesetzt mit dem Ausbleiben einer Reaktion auf Ansprache und milde, nicht-schmerz-hafte physische Stimuli oder der Unfähigkeit zur Befolgung einfacher Befehle; das gleiche gilt andererseits für die Rückkehr aus der Bewusstlosigkeit bei Beendigung der Anästhesie (Bischoff et al. 2008; Palanca et al. 2009). Als Surrogat von Analgesie gelten fehlende Re-aktionen auf Schmerzreize: Zum einen hämodynamische und respiratorische Veränderungen sowie Tränen und Schwitzen, sofern ihr Ausbleiben nicht durch medikamentöse Blockierung des VNS erreicht ist, zum anderen motorische Reaktionen, wenn ihrem Wegfall nicht die Anwendung von Muskelrelaxantien zugrundeliegt. Die klinische Bedeutung besonders der motorischen Reaktionen wurde bereits anhand der Erläuterungen zum MAC-Wert dargestellt. Da die kontinuierliche Testung von Reaktionen auf Stimuli zur Überprüfung von Hypnose und Analgesie jedoch wenig praktikabel ist, bedarf es in der Praxis stellvertretender Mess-instrumente, d.h. Surrogatparameter für die klinisch beobachteten Surrogatmerkmale, die widerspiegeln, wie der Patient reagieren würde, wenn in diesem Moment die Reaktion auf Ansprache oder einen Schmerzreiz untersucht würde (Shafer & Stanski 2008).

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1.1.1 Monitoring von Hypnose und Bewusstlosigkeit

Noch immer ist nicht vollständig aufgeklärt, welche physiologischen Prozesse zur Be-wusstlosigkeit führen, wo die für diesen Zustand verantwortlichen anatomischen Struk-turen lokalisiert sind und an welchen Stellen Anästhetika hierfür angreifen (Antognini & Carstens 2002). Verschiedene Anteile des zentralen Nervensystems (ZNS) sind am Zu-stand des Bewusstseins beteiligt. Dazu gehören der Kortex, der Thalamus und die For-matio reticularis (Steriade 1996). All diese Strukturen werden durch die Anwendung von Anästhetika beeinflusst (Shimoji et al. 1984; Berg-Johnsen & Langmoen 1987; Angel & LeBeau 1992). Alkire stellte die Annahme auf, dass ein essentieller neurophysiologischer Mechanismus für die durch Anästhetika induzierte Bewusstlosigkeit der Hyperpolarisati-onsblock thalamokortikaler Neurone ist (Alkire et al. 2000). So bestand lange die Vorstel-lung, dass die Unterdrückung thalamischer Aktivität durch Anästhetika zur Bewusstlosig-keit führt (Alkire et al. 2008). Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Unterdrückung thalamischer Aktivität durch Anästhetika später erfolgt als die des Kortex (Velly et al. 2007). Diese Ergebnisse könnten gegen eine führende Rolle des Thalamus für den Verlust des Bewusstseins interpretiert und dahingehend gedeutet werden, dass dieser Vorgang hauptsächlich den Kortex des Gehirns involviert (Velly et al. 2007).

Das klassische Instrument für das Monitoring der hypnotischen Anteile der Narkose ist das spontane Elektroenzephalogramm, kurz EEG. Es ist die graphische Darstellung der summierten elektrischen Potentialschwankungen, die kontinuierlich zwischen exzitatori-schen und inhibitoriexzitatori-schen Zellen des Kortex generiert und an der Oberfläche des Kopfes abgeleitet werden. Veränderungen des EEGs unter Anästhetika wurden als erstes unter der Verwendung von Chloroform erkannt (Berger 1931). Seitdem wird die Beurteilung spon-taner EEG-Aktivität als eine Form der Narkoseüberwachung angewendet (Faulconer et al. 1949; Schwilden et al. 2005). Die Interpretation des EEGs durch einen erfahrenen Neuro-physiologen ist eine wesentliche Referenz beim zerebralen Monitoring unter Anästhesie (Mahon et al. 2008). Er kann qualitative Einschätzungen über die Aktivität des Gehirns anhand der Deutung der Rohsignale vornehmen. Jedoch können Trends der Narkose nur vage beschrieben werden, und es mangelt an quantitativen Ausdrücken für die Beschrei-bung der Veränderungen ihrer Tiefe (Todd 1998).

Für die Anwendung als anästhesistisches Monitoring eignen sich die in der Neurologie verwendeten Elektroenzephalographen mit bis zu 128 Kanälen daher kaum, zumal die

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Aus-wertung der EEG-Signalspuren ein hohes Maß an Erfahrung erfordert und im OP-Kontext wenig zweckmäßig erscheint: Die Beurteilung beansprucht viel Zeit und Aufmerksamkeit und erschwert es, auf Ereignisse zügig zu reagieren (Daunderer & Schwender 2001). Auch der Messaufbau gestaltet sich umfangreich und zeitintensiv.

Es wurden daher in den letzten Jahren unterschiedliche Systeme entwickelt, welche auf EEG-Technik basieren, jedoch in ihrer Handhabbarkeit als Monitoring verschiedene Vor-teile aufweisen. Die mittels EEG registrierten Potentialschwankungen werden nach Digita-lisierung über unterschiedliche Methoden durch einen Computer aufbereitet. Aus diesem Grund spricht man auch von „processed EEGs“ (pEEGs). Die pEEG-basierten Monitore erfordern zumeist lediglich einen einzigen Stirnklebestreifen, in dem eine Multielektrode integriert ist, und neben der singulären EEG-Signalspur wird zusätzlich ein Index ausge-geben, der mit der Hypnosetiefe des Patienten korreliert.

Für die digitale Aufbereitung und Quantifizierung des EEGs spielt die Analyse der Fre-quenzbereiche eine zentrale Rolle. Die Fast-Fourier-Transformation (FFT) ist hierfür ent-scheidend: Sie ermöglicht die quantitative Erfassung der Frequenzverteilung des EEGs durch Bestimmung des Leistungsspektrums. Dies zeigt an, wie die sich im EEG über-lagernden Wellenlängen einzelnen Frequenzen zugeordnet werden können und veran-schaulicht deren mengenmäßige Verteilung in der analysierten EEG-Epoche. Die Eignung von Parametern der Frequenzanalyse für das Narkosemonitoring ist unter anderem damit zu begründen, dass eine Erhöhung der Anästhetikakonzentration zu einer Abnahme der schnellen und einer Zunahme der langsamen Frequenzen führt (s. Übersichten in: Bischoff et al. 2008; Schmidt et al. 2008). Die Berechnung der Narkose-Indizes unterliegt komple-xen Algorithmen und Subkomponenten, von denen die FFT nur einen Anteil darstellt. Ihre Kalkulation basiert zudem auf der Auswertung beträchtlicher klinischer Datenbanken, in denen die EEG-Messungen mit klinischen Endpunkten der Narkose korreliert wurden. Die Indizes basieren demnach auf statistischen und mathematischen Methoden sowie nicht-physiologischen Parametern. Sie sind folglich kein physiologisches Maß, sondern ein statistisches Konstrukt (Bischoff et al. 2008).

Das in Deutschland am weitesten verbreitete System ist der Bispektrale Index, der BIS®, der von der Firma Aspect Medical Systems (Framingham, MA, USA) entwickelt wurde und seit 1992 kommerziell angeboten wird. Von allen Systemen ist er der am meisten unter-suchte und evaluierte EEG-basierte Anästhesiemonitor (Kent & Domino 2009). Neben der FFT sind zwei weitere Komponenten zentraler Bestandteil der BIS-Berechnung: Die

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Burst-Suppression-Erkennung und die Bispektralanalyse. Burst-Suppression-Muster beschrei-ben die partielle Unterdrückung kortikaler Prozesse im Wechsel mit hochfrequenter EEG-Aktivität, die bei höheren Narkotikakonzentrationen auftreten und ein Kennzeichen tieferer Stadien der Hypnose sind (s. Übersicht in: Schmidt et al. 2008). Die Bispektralanalyse erweitert die Frequenzanalyse, indem sie die Phasenbeziehungen der Frequenzkomponen-ten integriert, die als zusätzliche Information zur Einschätzung der Narkosetiefe genutzt werden können (Rampil 1998).

Der Index, den das Instrument ausgibt, ist eine dimensionslose Zahl zwischen Null und 100. Wache Patienten zeigen einen BIS-Wert von 90 bis 100, und bei abnehmendem Level von Bewusstsein, d.h. bei steigendem Grad der Hypnose, sinkt der BIS-Index kontinu-ierlich ab. Ein BIS von Null bedeutet die komplette Suppression kortikaler elektrischer Aktivität. BIS-Werte unterhalb von 60 sind mit einer geringen Wahrscheinlichkeit von Be-wusstsein assoziiert (Rampil 1998; Schneider et al. 2003). Der Hersteller empfiehlt Werte von etwa 40 - 60 für operative Eingriffe.

Eine Fülle von Studien untersuchte den BIS als Monitoringverfahren für Narkose. Die Er-gebnisse sind abhängig von den jeweils untersuchten Endpunkten sowie den applizierten Anästhetika. Der anhand klinischer Scoringverfahren getestete Zusammenhang zwischen dem BIS und unterschiedlichen Graden der Sedierung bis hin zum Bewusstseinsverlust konnte für Narkosen unter den gängigsten Hypnotika wie Propofol, Isofluran, Sevofluran und Midazolam gezeigt werden (Glass et al. 1997; Doi et al. 2005; Zhong et al. 2005; Jen-sen et al. 2006; Revuelta et al. 2008). Insgesamt konnte das Problem der intraoperativen Wachheit unter BIS-geführter Narkose signifikant reduziert werden, und eine Steuerung der Anästhesie in dem empfohlenen BIS-Bereich von 40 - 60 führte zu einer Verbesserung der Anästhetikagabe sowie der postoperativen Erholung nach tiefer Narkose (Punjasawad-wong et al. 2007).

Die Vorhersage motorischer Reaktionen auf Schmerzreize anhand des BIS zeigte nicht im-mer verlässliche Ergebnisse (Katoh et al. 1998; Struys et al. 2002; Velly et al. 2007; Alkire et al. 2008). Dies ist eventuell auf die anatomische und pharmakodynamische Trennung der neuronalen Schaltkreise zurückzuführen, die zum einen für die Bewegungsantwort und zum anderen für die Generierung des EEG-Signals zuständig sind (Rampil 1998). Hierbei muss bedacht werden, dass aktuellere Versionen des BIS nicht speziell für die Vorhersage von Bewegung entwickelt wurden (Kissin 2000).

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1.1.2 Monitoring von Analgesie und chirurgischer Immobilität

Als Standardmaß der Potenz inhalativer Anästhetika gilt der MAC-Wert. Er gibt diejeni-ge Konzentration des jeweilidiejeni-gen Wirkstoffes an, der es bedarf, um bei 50% der Patienten eine Unterdrückung von Bewegung als Reaktion auf einen Hautschnitt zu erreichen (Eger et al. 1965). Die Entwicklung des MAC-Wertes mit der chirurgischen Immobilität im Zent-rum verdeutlicht die klinische Bedeutung dieses Endpunktes als Ergebnis der Narkose. Die Unterdrückung von Reaktionen des Körpers auf schmerzhafte Stimuli geschieht in erster Linie durch die Applikation von Analgetika (Shafer & Stanski 2008). Daraus folgt, dass das Ausbleiben motorischer Reaktionen infolge schmerzhafter Stimuli als Surrogatmerkmal ausreichender Analgesie bzw. Antinozizeption gedeutet werden kann, vorausgesetzt, dass nicht medikamentöse Muskelrelaxation der Immobilität zugrunde liegt. Wenn Immobilität als Surrogatmerkmal von Analgesie interpretiert wird, würde ein Monitor, der diese Immobilität vorhersagen kann, eine Anpassung der Narkose ermöglichen, noch bevor eine motorische Reaktion überhaupt eintritt.

Tierexperimentelle Untersuchungen zeigten, dass die Unterdrückung von Bewegung auf ei-nen schädigenden Reiz unter Narkose in erster Linie auf spinaler Ebene vermittelt wird: An Ziegen wurde die getrennte Wirkung von Anästhetika auf Gehirn und Rückenmark ermittelt. Bei separater Perfusion beider Effektorgane zeigte sich, dass die Konzentration des Anäs-thetikums im Cerebrum deutlich gesenkt werden konnte, wenn es gleichzeitig spinal appli-ziert wurde (Antognini & Schwartz 1993; Borges & Antognini 1994). An Ratten beobachtete man, dass keine Änderungen des MAC-Wertes infolge Dezerebration oder Spinalisierung erfolgte. Hieraus wurde geschlossen, dass die Supprimierung von Bewegungen auf nozi-zeptive Reize weitgehend von kortikalen und bulbären Effekten der Anästhetika unabhängig ist (Rampil et al. 1993; Rampil 1994).

Damit vereinbar sind Studien, in denen sich die Vorhersage motorischer Reaktionen auf Schmerzreize anhand der Verwendung prozessierter EEG-Signale als nicht erfolreich zeigte (Drummond 1983; Katoh et al. 1998; Doi et al. 1999; Struys et al. 2002; Velly et al. 2007). Teilweise werden jedoch auch hierfür bislang Verfahren wie der BIS verwendet, da einige Studien durchaus eine Korrelation etablieren konnten (Sebel et al. 1995; Vernon et al. 1995; Dutton et al. 1996; Leslie et al. 1996; Doi et al. 2005). Den genannten Erkenntnissen nach scheint es sinnvoll, für die Erfassung des analgetischen Anteils der Narkose einen Surrogatparameter zu verwenden, der nicht kortikale, sondern spinale Prozesse analysiert.

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Es ist denkbar, dass auf diese Weise eine bessere Evaluation von Antinozizeption und eine Vorhersage über Immobilität auf einen Schmerzreiz möglich sein könnten.

Für die Untersuchung der spinalen neuronalen Aktivität und die Messung der durch Anäs-thetika induzierten Aktivitätsänderung eignet sich unter anderem die Untersuchung moto-rischer Reflexe. Sie sind das sicht- und messbare Korrelat eines nervalen Schaltkreises, dessen synaptisches Zentrum auf spinaler Segmentebene liegt. Einige dieser Reflexe ge-ben in erster Linie Aufschluss über die Erregbarkeit der Motoneurone. Andere ermögli-chen, durch die intersegmentale Verschaltung zwischen Schmerzafferenz und Motoneuron über Interneurone, auch den extraspinalen Effekt von Anästhetika auf das Rückenmark durch übergeordnete Strukturen evaluieren zu können.

Primär für die Evaluation der Erregbarkeit spinaler Motoneurone eignen sich die Parame-ter Hoffmann-Reflex (H-Reflex) und F-Welle. Beide werden im Elektromyogramm (EMG) registriert. Der H-Reflex ist ein Muskeleigenreflex, der an unterschiedlichen Muskeln durch elektrokutane Stimulation des zugehörigen Nervens ausgelöst werden kann. Häufig erfolgt die Reizung des N. tibialis in der Kniekehle, die zu einer Kontraktion des Waden-muskels M. soleus führt. Eine muskuläre Spätantwort auf die Reizung ist die F-Welle. Ihrem Auftreten liegt die direkte Stimulation von α-Motoneuronen zugrunde: Die anti-drome Weiterleitung der Impulse in Richtung Rückenmark und Nervenwurzel führt ohne synaptische Zwischenschaltung zu einer Rückleitung der Erregungswelle über dasselbe Motoneuron zum Muskel und ergibt ein wellenförmiges Signal im EMG.

Studien über die Eignung dieser beiden elektrophysiologischen Parameter für die Vorher-sage motorischer Reaktionen auf Schmerzreize im Vergleich zu EEG-basierten Verfahren ergaben, dass lediglich der H-Reflex unter Narkose mit Sevofluran eine bessere Voraussa-ge als der BIS treffen konnte (Rehberg et al. 2004b). Die Prüfung der F-Wellen unter Se-voflurannarkose zeigte eine Unterdrückung bei Konzentrationen weit unterhalb des MAC-Äquivalents (Baars et al. 2005). Auch unter Propofolnarkose wurden sowohl H-Reflex als auch F-Wellen bereits bei sehr niedrigen Konzentrationen ausgelöscht, obgleich die Pati-enten noch Spontanbewegungen zeigten (Kakinohana et al. 2002; Baars et al. 2006a; Baars et al. 2006b). Diese frühe Supprimierung macht beide Parameter ungeeignet als Monitor der Vorhersage chirurgischer Immobilität unter der entsprechenden Narkose.

Neben H-Reflex und F-Wellen eignet sich die Untersuchung nozizeptiver Beugerreflexe, um das spinale Erregungsniveau abzubilden. Hierbei ist die Erforschung des nozizepti-ven Flexorenreflexes (NFR) seit Beginn des letzten Jahrhunderts Gegenstand zahlreicher

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Studien gewesen (Sherrington 1910; Sandrini et al. 2005). Der NFR ist ein spinaler, po-lysynaptisch verschalteter physiologischer Schutzreflex, der ausgelöst wird durch einen schmerzhaften Reiz bzw. im experimentellen Kontext durch elektrokutane Stimulation des dem Muskel zugehörigen Nervens (Mylius et al. 2005). Die Fortleitung der neuronalen Impulse gen Rückenmark erfolgt in erster Linie über nozizeptive Aδ-Afferenzen (Wiesen-feld-Hallin et al. 1984). Die durch diesen Fasertyp hervorgebrachte zeitliche Komponente des NFR wird auch als RIII-Komponente bezeichnet; eine Namensgebung, die sich auf die Klassifizierung der Fasertypen nach Lloyd bezieht (Hugon 1973). Sie folgt im EMG auf die klinisch weniger bedeutungsvolle RII-Antwort, deren Zustandekommen den schneller leitenden Aβ-Fasern zugeschrieben wird. Von einigen Autoren wird der NFR daher auch als RIII-Reflex bezeichnet.

Der NFR kann verhältnismäßig einfach nicht-invasiv am Menschen studiert werden. Ob-wohl seine Messung soOb-wohl am Arm als auch am Bein möglich ist, wird in der Mehrzahl der Studien der Reflex der unteren Extremität untersucht. Dies ist dadurch zu begründen, dass die durch die Reizung aktivierten Nerven der oberen Extremität gegenüber den hier-für am Bein stimulierten rein sensiblen Nerven auch motorische Fasern enthalten. Durch die kutane Stimulation werden diese direkt angesprochen und lösen eine nicht-reflexhafte Kontraktion der zugehörigen Muskelgruppen aus. Dies erschwert bei der Analyse des EMG eine Isolierung desjenigen Signals, das allein dem Reflex zugeordnet werden kann. An der unteren Extremität wird der Reflex mittels transkutaner Stimulation des N. suralis an der Außenseite des Fußknöchels evoziert. Nach Fortleitung zum Rückenmark erfolgt eine polysynaptische Verschaltung des Impulses auf das α-Motoneuron. Die Reflexantwort wird aufgezeichnet anhand eines EMG des M. biceps femoris, der für die Rückzugsbewe-gung als primärer Muskel verantwortlich ist. Gemessen werden kann zum einen die Ampli-tude der Reflexantwort im EMG, zum anderen die RIII-Reflexschwelle. Letztere bezeichnet diejenige Stimulationsstromstärke, die mindestens appliziert werden muss, um bei einer untersuchten Person den Reflex in der Hälfte der angewendeten Stimuli auszulösen. Der NFR erlangte Ende der 1970er Jahre durch zwei Studienergebnisse besondere Be-deutung für die Erforschung der Schmerzphysiologie. Zum einen konnte eine Beziehung zwischen Reflexamplitude und subjektiver Schmerzintensität nachgewiesen werden, zum anderen wurde festgestellt, dass die Schwelle des Reflexes im Wachzustand mit der no-zizeptiven Schwelle des jeweils untersuchten Individuums korreliert (Willer 1977). Wil-ler bezeichnete den NFR daraufhin als ein zuverlässiges und objektives Werkzeug der

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Schmerzbestimmung. Neuere Studien konnten diese Ergebnisse bestätigen (Chan & Dal-laire 1989; Sandrini et al. 2005; Micalos et al. 2009).

In der Anästhesie beobachtet man das Verhalten der Amplitude des NFR bzw. RIII-Reflexes unter Veränderung der Anästhetikakonzentration, zumeist bei Stimulation mit konstanter Stromstärke. Unter hohen Dosierungen kann es - in Abhängigkeit des untersuchten Wirk-stoffs - zu einer kompletten Unterdrückung des Reflexes und damit einem gänzlichen Ver-schwinden der Amplitude kommen (Chabal et al. 1989). Um die vollständige Suppression des Reflexes unter Narkose zu vermeiden, bedarf es daher einer maximalen Stimulation bereits im Wachzustand, die jedoch für den Probanden bzw. den Patienten unangenehm bis tatsächlich schmerzhaft ist. Da anders als über den Vergleich mit Stimulation bei identischer Stromstärke aber keine Aussage über die Amplitudenveränderung während unterschiedli-cher Anästhetikakonzentrationen möglich ist, wurde in der vorliegenden Studie von diesem Verfahren abgesehen und statt der Amplitude die Schwelle des RIII-Reflexes gemessen. Das in dieser Studie verwendete Hypnotikum Propofol führt neben der Hemmung des Be-wusstseins auch zur Reduzierung der motoneuronalen Erregbarkeit (Kakinohana et al. 2002; Baars et al. 2006b; Baars et al. 2006a; Baars et al. 2009; von Dincklage et al. 2010). Dieser Zusammenhang entspricht dem zu Beginn vorgestellten hierarchischen Modell von Glass, demzufolge für die Unterdrückung von Bewegung nicht allein Analgetika, sondern auch Hypnotika verantwortlich sind (s. Abb. 1). Ein effizientes Anästhesiemonitoring der chirurgischen Immobilität sollte danach die Wirkung beider Anästhetikagruppen darstellen können, zudem im operativen Kontext Hypnotika und Analgetika so gut wie immer mitein-ander kombiniert werden.

Abb.1: Das hierarchische Modell der Interaktion von Hypnotika und Analgetika für die Unterdrückung von

Modifiziert nach: Shafer SL & Stanski DR. Modern Anesthetics 2008; S. 413

keine

Abschwächung

maximale

Opiat (und Hypnotikum)

Abschwächung nozizeptiver

Stimulus

nozizeptive Erfassung

Hypnotikum (und Opiat)

Reaktion

Reaktion keine

(19)

1.2 ZIELSETZUNG DER ARBEIT

Der Einfluss verschiedener analgetischer Präparate auf den NFR ist in zahlreichen Studien belegt worden (Piletta et al. 1990; Sandrini et al. 1992; Arendt-Nielsen et al. 1995; Bos-sard et al. 2002; Paradiso et al. 2002; Escher et al. 2007). Willer beobachtete eine starke, konzentrationsabhängige Steigerung der NFR-Schwelle unter verschiedenen intravenösen Dosierungen von Morphin, parallel hierzu die Zunahme der subjektiven Schmerzschwelle (Willer 1985; Willer et al. 1985). Diesen Studien ist zu entnehmen, dass der NFR bzw. RIII-Reflex als Monitor grundsätzlich geeignet ist, die antinozizeptive Wirkung von Opia-ten abzubilden.

Die Eigenschaft der Analgetika, motorische Reaktionen zu unterdrücken und parallel die NFR-Schwelle anzuheben, lässt die Frage aufkommen, ob auch primär hypnotisch wirkende Anästhetika einen ähnlichen Effekt ausüben, da sie ebenfalls Bewegungen supprimieren. Der Einfluss sedativer Medikamente auf den NFR ist im Vergleich zu dem analgetischer Wirkstoffe bislang jedoch wenig untersucht worden. Gezeigt werden konnte, dass die Wir-kung subanästhetischer Konzentrationen von Isofluran und Propofol die Schwelle des NFR signifikant anheben (Petersen-Felix et al. 1995; Petersen-Felix et al. 1996). Die generelle Empfindlichkeit der NFR-Schwelle gegenüber Propofol, dem am weitesten verbreiteten in-travenösen Hypno-Anästhetikum, konnte in diesen Studien belegt werden. Jedoch wurde die Sensibilität der Schwelle lediglich für niedrige Konzentrationen gezeigt, weit unterhalb von Dosierungen, die für operative Eingriffe notwendig sind. Fraglich ist, ob die Schwelle auch in einem Konzentrationsbereich höherer, klinisch relevanter Narkotikadosierungen noch messbar ist, oder ob die Suppression des NFR bei tieferer Propofolnarkose sich da-hingehend bemerkbar macht, dass auch eine maximale Stimulation zu keiner Auslösung des Reflexes mehr führt und die Schwelle sich deswegen bei solch hohen Konzentrationen als nicht mehr messbar darstellt. Ist letzteres der Fall, wäre dieser Parameter als Monitor der Vorhersage motorischer Reaktionen im klinischen Kontext nicht geeignet. Daher soll im Rahmen dieser Arbeit folgende Hypothese geprüft werden:

Hypothese 1: Eine Bestimmung der RIII-Reflexschwelle ist auch bei höheren, klinisch

relevanten Konzentrationen von Propofol noch möglich, und das messbare Maximum der RIII-Schwelle liegt in einem Konzentrationsbereich oberhalb klinisch relevanter Dosierun-gen des angewendeten Narkotikums.

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Auch wenn die konzentrationsabhängige Veränderung der RIII-Reflexschwelle als eine Vor-aussetzung dafür angesehen werden kann, den Wert als Surrogatparameter der Vorhersage chirurgischer Immobilität auf schmerzhafte Stimuli verwenden zu können (von Dincklage et al. 2010), sagt dieser Zusammenhang alleine noch nichts über die tatsächliche Fähigkeit der RIII-Schwelle zur Prädiktion motorischer Reaktionen aus.

Für die Beurteilung der Fähigkeit eines bzw. mehrerer Parameter, bestimmte Reaktionen unter Narkose vorherzusagen, wurde die „prediction probability“, der sogenannte PK-Wert entwickelt (Smith et al. 1996). Der PK-Wert beschreibt die Wahrscheinlichkeit, mit der die Vorhersage einer Reaktion durch das untersuchte Instrument korrekt getroffen wird. Er er-möglicht die Erstellung einer Korrelation zwischen dem klinischen Surrogatparameter und der beobachteten Reaktion ohne Integration der Konzentrationsabhängigkeit (von Dincklage et al. 2010). Besonders geeignet ist der PK-Wert für den Vergleich der Vorhersagefähigkeit unterschiedlicher Parameter innerhalb einer Studie.

Da der Bispektrale Index vor allem als Maß der Propofolwirkung entwickelt wurde, kann er auch als Instrument der maximal erreichbaren Sicherheit in der Vorhersage von Bewegungen betrachtet werden, wenn Propofol als alleiniges Anästhetikum appliziert wird. Aus diesem Grund wurde die RIII-Reflexschwelle als Monitor der Vorhersage chirurgischer Immobilität mit dem Bispektralen Index verglichen. Aufgrund der Tatsache, dass die Unterdrückung von Bewegung ein Prozess ist, der primär auf Höhe des Rückenmarks stattfindet, wird die Vorhersage möglicherweise erfolgreich durch einen Parameter getroffen, der dem spinalen Erregungsniveau unterliegt, wie es beim RIII-Reflex der Fall ist. Daher wurde angenommen, dass die RIII-Schwelle einen mit dem BIS vergleichbaren PK-Wert erzielt. Somit lautet die zweite Hypothese der Studie:

Hypothese 2: Die Vorhersagewahrscheinlichkeit PK für Bewegungen auf Schmerzreize

unter Propofolmononarkose ist für die RIII-Reflexschwelle vergleichbar gut wie für den Bispektralen Index.

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2 METHODIK

Für die zu prüfenden Hypothesen wurden 15 Probanden einer Propofolmononarkose in anstei-genden Konzentrationen unterzogen und parallel die RIII-Reflexschwelle und der Bispektrale Index fortlaufend gemessen. Desweiteren fand in regelmäßigen Abständen die Testung von Reaktionen auf zuvor festgelegte Reize statt, die in ansteigender Intensität appliziert wurden. 2.1 PROBANDEN

Die Durchführung der vorliegenden Studie geschah nach Zustimmung der lokalen Ethik-kommission. An den Messungen nahmen 15 Männer im Alter von 23 bis 29 Jahren teil. Dem Klassifikationsschema der American Society of Anesthesiologists (ASA) nach entsprachen sie alle einer ASA-Klasse von 1, die einen „normalen, gesunden Patienten“ beschreibt. Insbesondere waren bei ihnen keine neurologischen, kardiovaskulären oder endokrinolo-gischen Vorerkrankungen bekannt. Die Probanden nahmen an einem ausführlichen Aufklä-rungsgespräch teil, bei dem ihnen der Zweck der Studie sowie der Ablauf der Messung und der Narkose erläutert wurden. Alle offenen Fragen konnten ebenfalls in diesem Gespräch beantwortet werden.

Die Probanden gaben ihre schriftliche Einwilligung zur Teilnahme an der Studie. Wie es auch im Rahmen geplanter klinischer Narkosen den Patienten vorgegeben wird, wurden die Probanden angeleitet, zu den Studiennarkosen nüchtern zu erscheinen. In erster Linie bein-haltete dies eine sechsstündige Nahrungskarenz vor Beginn der Narkose. Getrunken werden durfte noch bis zwei Stunden zuvor, jedoch nur klare Flüssigkeiten. Desweiteren sollte am Tag der Messung nicht geraucht werden. Zur Verminderung eventueller zentralnervöser Einflüsse auf den RIII-Reflex wurde zudem die Vorgabe ausgesprochen, ab sechs Stunden vor Messung auf Nikotin, koffein- oder teeinhaltige Getränke sowie Kaugummi (Mohri et al. 2005) zu verzichten. Ab 24 Stunden zuvor sollte die Einnahme von Schmerzmitteln unter-lassen werden (Willer & Bathien 1977; Piletta et al. 1990; Sandrini et al. 1992). Darüber hinaus wurden die Probanden angewiesen, am Tag der Messung keiner intensiven körperli-chen Belastung nachzugehen (Guieu et al. 1992). Um innerhalb des kleinen Probandenkol-lektivs eine geringere Variabilität zu erreichen, wurden die Messungen lediglich an männli-chen Teilnehmern durchgeführt. Auf diese Weise konnte der bei Frauen hormonell bedingte zyklische Einfluss auf die RIII-Schwelle ausgeschlossen werden (Tassorelli et al. 2002).

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2.2 PROPOFOL

Propofol ist das in Deutschland gebräuchlichste intravenöse Hypno-Anästhetikum im operativen Kontext. Aus diesem Grund wurde es in der vorliegenden Studie eingesetzt. Der Wirkstoff ist hierzulande unter dem Handelsnamen Disoprivan® (Akronym für Di-isopropyl iv Anesthetic) seit 1996 auf dem Markt.

Das Anästhetikum wirkt in erster Linie hypnotisch. Bereits in subhypnotischen Dosen tritt eine sedierende, anxiolytische und amnestische Wirkung auf (Vanlersberghe & Camu 2008). Fast regelmäßige Verwendung findet das Medikament für Narkoseeinleitungen. Im Rahmen der Aufrechterhaltung der Narkose wird es in Kombination mit Opiaten eingesetzt. Dieses Verfahren mit Verzicht auf inhalative Anästhetika nennt sich „Total Intravenöse Anästhesie“, kurz TIVA. Ein bedeutsamer Vorteil von Propofol gegenüber Narkosegasen wie z.B. dem häufig verwendeten Sevofluran besteht in dem selteneren Auftreten von post-operativer Übelkeit und Erbrechen (Gupta et al. 2004).

Der Mechanismus, durch den das Anästhetikum seine Wirkung auf das ZNS ausübt, ist nicht vollständig geklärt. Verschiedene Strukturen in Gehirn und Rückenmark sind daran beteiligt. Dabei spielt der Einfluss ligandengesteuerter Ionen-Kanäle eine wichtige Rol-le. Ein Hauptmechanismus scheint in der Verlängerung inhibitorischer postsynaptischer Ströme zu liegen, die durch den GABAA-Rezeptor vermittelt werden: Durch die Bindung von Propofol an die β-Untereinheit des Rezeptors findet eine Verstärkung des durch GABA induzierten inhibitorischen Chlorideinstroms statt (Vanlersberghe & Camu 2008). Dane-ben sollen auch präsynaptische Mechanismen in der GABA-Übertragung involviert sein: In-vitro konnte gezeigt werden, dass die Aufnahme von GABA in striatale präsynaptische Nervenendigungen durch Propofol inhibiert wird. Dadurch kommt es zu einer Akkumulati-on vAkkumulati-on GABA im synaptischen Spalt, die wiederum an der anästhetischen Wirkung betei-ligt sein soll (Mantz et al. 1995). GABA-Rezeptoren sind im ZNS ubiquitär vertreten und unter anderem in der Regulierung von Vigilanz, Angst, Erinnerung und Muskelspannung involviert.

Auf Ebene des Hirnstamms und des Rückenmarks sind es vorrangig Glycin-Rezeptoren, die von Propofol angesprochen werden. Ebenso wie GABAA-Rezeptoren vermitteln sie ihren inhibitorischen Einfluss postsynaptisch über die Erhöhung der Leitfähigkeit für Chlorid-ionen. Auch nikotinerge, muskarinerge, sowie Glutamat- und NMDA-Rezeptoren sind an der Vermittlung der Wirkung von Propofol im ZNS beteiligt (Vanlersberghe & Camu 2008).

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Pharmakokinetisch zeichnet sich Propofol – in Abhängigkeit seiner Applikationsform, der Dosierung und des individuellen Patientenprofils – besonders durch einen schnellen Wirkungseintritt und eine kurze Wirkdauer aus. Charakteristisch ist eine mehrphasige Umverteilung des Medikaments innerhalb verschiedener experimentell ermittelter Ver-teilungskompartimente des Körpers. Dabei kann die Zeit bis zum Erreichen des Bewusst-seinsverlustes mittels eines Effektkompartimentmodells berechnet werden. Bei gleichzei-tiger EEG-Analyse konnte ein maximaler Effekt im EEG nach etwa zwei Minuten beobachtet werden (Schnider et al. 1999). Die terminale Halbwertszeit beträgt bis zu 24 Stunden, dennoch kumuliert Propofol im Vergleich zu anderen Substanzen nur gering. Selbst nach lang andauernder Anwendung erfolgt eine relativ zügige Erholung vom klinischen Effekt: Um die Blutkonzentration von Propofol unter 70% der therapeutischen Konzentration zu senken, bedarf es weniger als 30 Minuten. Diese Zeit ist nur geringfügig von der Dauer der Anwendung beeinflusst (Shafer & Varvel 1991; Hughes et al. 1992). Die zügige syste-mische Verteilung und die kurze Wirkdauer von Propofol ermöglichen dem Anästhesisten eine gute Steuerbarkeit der Hypnose.

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2.3 DIE MESSUNGEN

Alle Messungen fanden in den OP-Sälen der Charité Campus Mitte statt und begannen im Verlauf des Vormittags, um tageszeitliche Einflüsse auf die RIII-Schwelle, wie sie von Sandrini et al. herausgearbeitet werden konnten, gering zu halten (Sandrini et al. 1986b). Bei den Messungen waren jeweils der Proband, ein Anästhesist, die Doktorandin und an einigen Tagen noch ein weiterer Assistent zugegen.

2.3.1 Aufbau der Messungen

Gemessen wurden die Probanden in halbsitzender Position in einem Stationsbett, welches auf Höhe der Hüfte um 120° und im Kniegelenk um 130° angewinkelt wurde. Mittels einer Schaumstoffschiene, in der Unterschenkel und Fuß gelagert wurden, konnte im Sprung-gelenk ein Winkel von 90° hergestellt werden. Diese Art der Lagerung des Beins gilt als Standard für die Messung des RIII-Reflexes in halbsitzender Position und soll eine opti-male Vorspannung der Muskeln herstellen (Sandrini et al. 1993).

Die Probanden sollten eine für die Dauer der Messung bequeme und lockere Haltung einnehmen. Sie wurden angewiesen nicht zu reden und die Augen geschlossen zu halten. Während der gesamten Messung herrschte im Operationssaal Ruhe und eine für die Pro-banden angenehme Lufttemperatur. Vor Beginn der Messungen wurden die ProPro-banden an die Monitore für die Überwachung der Vitalparameter angeschlossen.

2.3.2 Ablauf der Messungen

Den Beginn jeder Messung bildete eine je etwa halbstündige Bestimmung der RIII-Schwel-le, des Bispektralen Indexes und der Vitalparameter vor Beginn der Propofolinfusion. Im Anschluss erfolgte die stufenweise erhöhte Zufuhr von Propofol. Auf jeder dieser Narko-sestufen durchlief der Proband drei Testungen seiner Reaktionen auf zuvor festgelegte Reize. Das Studienprotokoll sah vor, in Abhängigkeit der Antwort auf den jeweiligen Sti-mulus eine Verstärkung der Intensität der Reize vorzunehmen.

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2.3.3 RIII-Reflexstimulation und -ableitung

Die Auslösung und Ableitung des RIII-Reflexes verlief nach einem Verfahren, wie es als erstes 1977 von Jean-Claude Willer beschrieben worden ist (Willer 1977). Jeweils am lin-ken Fuß erfolgte durch elektrische, transkutane Reizung die Stimulation des N. suralis. Zu diesem Zweck wurden zwei Selbstklebeelektroden (3M Red Dot Foam Monitoring Elektrode Ag/AgCl, 3M Deutschland GmbH) je 2 cm distal und lateral des Malleolus lateralis über dem anatomischen Verlauf des Nerves angebracht. Der Abstand zwischen den Elektroden betrug in etwa 3 cm. Zur Minimierung des elektrischen Hautwiderstandes und Verbesse-rung der Signalübertragung wurden die entsprechenden Hautstellen zuvor mit Hilfe von sehr feinem Sandpapier (3M Red Dot Trace Prep, 3M Deutschland GmbH) abradiert und mit einem aufrauenden Gel (OneStep EEG-Gel, H+H Medizinprodukte GbR, D) vorberei-tet. Zusätzlich bewirkte eine geringe Menge einer dafür vorgesehenen Creme (Elektroden Creme für EKG, EEG und Kardioversion, ge medical systems information technologies GmbH, D) unter den Stimulationselektroden eine verbesserte Leitfähigkeit.

Die Stimulation erfolgte durch das Gerät Digitimer DS5 Stimulator (DS5, Digitimer Ltd, Welwyn Garden City, UK) alle 8 - 12 s in randomisierten Abständen. Die Abstände wur-den variiert, um die Gewöhnung an wur-den kommenwur-den Reiz bzw. die Erwartung darauf zu reduzieren. Die einzelnen Stimuli bestanden aus jeweils fünf Rechteckimpulsen von 1 ms Dauer in einem zeitlichen Abstand von 4 ms, entsprechend einer Stimulationsfrequenz von 200 Hz (Sandrini et al. 1993). Die Reize wurden von den Probanden je nach Intensität als kaum wahrnehmbares Pieken bis leicht schmerzhaftes Zwicken beschrieben. Die maximale Stimulation war durch den Stimulator auf 80 mA limitiert.

Die auf die Stimulation folgenden Muskelantworten wurden in einem Zeitfenster von 90 - 150 ms post Stimulus (Dowman 1992; Campbell et al. 2008) über dem ipsilateralen M. biceps femoris abgeleitet. Auch dies geschah transkutan mittels EMG. Die hierfür verwen-deten Napfelektroden wurden jeweils wenige Zentimeter oberhalb der Kniekehle, auf der Sehne des Muskels, am Übergang zum Muskelbauch, befestigt. Die Hautstellen wurden zuvor rasiert und dann wie bereits oben beschrieben mit Sandpapier und Elektrodengel präpariert. Für diese Napfelektroden wurde eine Leitpaste der Firma Weaver and Company verwendet (TEN20 conductive paste, Weaver and Company, USA). Eine Erdungselektrode befand sich auf der dem Tibiaknochen aufliegenden Haut.

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Das EMG-Signal wurde 10000fach verstärkt (g.BSamp, g.tec, Schiedlberg, Austria), mit einer Frequenz von 5 kHz digitalisiert (Mikro 1401 MK II, CED Ltd, Cambridge, UK) und an das Notebook gesendet. Die Analyse erfolgte dort durch das Programm Signal 3.10 (CED Ltd, Cambridge, UK).

2.3.4 Automatisierte RIII-Schwellenbestimmung (threshold tracking)

Für die automatisierte, kontinuierliche Bestimmung der RIII-Schwelle wurde ein eigens von der Arbeitsgruppe entwickelter Computer-Algorithmus, das „threshold-tracking“, ver-wendet. Dieses Programm analysiert die auf den Stimulus erfolgte Muskelantwort im EMG und unterscheidet zwischen positiven und negativen, d.h. stattfindenden und ausbleiben-den, Reflexantworten. In Abhängigkeit der Entscheidung passt das Programm die nächst-folgende Stimulationsstärke an (von Dincklage et al. 2009).

Es existieren verschiedene Kriterien, anhand derer ein positiver Reflex im EMG-Signal identifiziert werden kann. In der vorliegenden Arbeit wurde der NFR-interval-peak-z-score verwendet, der in einer Studie von Rhudy & France als zuverlässigstes Kriterium für die Unterscheidung stattfindender und ausbleibender Reflexe herausgearbeitet worden ist (Rhudy & France 2007).

Abb. 2: Illustriert ist der Messaufbau mit Darstellung der Platzierungsorte der Elektroden für die

Stimu-lation am N. suralis, die EMG-Ableitung über dem M. biceps femoris und für den Potentialausgleich über der Tibia. Potentialausgleich Stimulation des Nervus suralis EMG-Ableitung des Musculus biceps femoris

(27)

Der Wert beschreibt einen geschehenen Reflex mathematisch wie folgt:

Intervall = Zeitraum von 90 -150 ms nach Stimulation

Rauschen = Zeitraum von 90 ms vor Stimulation bis direkt vor Stimulation

Der Algorithmus verwendet den ermittelten z-score in einem up-down-staircase-Verfah-ren (Levitt 1971): Nimmt der z-score im Zeitraum von 90 - 150 ms nach Stimulation einen Wert kleiner 10.32 ein, wird die Antwort vom Programm nicht als Reflex bewertet und die Stärke des folgenden Stimulus erhöht. Liegt der z-score oberhalb von 10.32, wird ein stattgehabter Reflex festgestellt und die Stimulation für den nächsten Reiz reduziert (Abb. 3). Die Schrittweite der Veränderungen der Stimulationsstärke erfolgt dabei in Abhängigkeit von der Stabilität der RIII-Schwelle während der letzten Reize und liegt im Bereich von 0.25 - 4 mA.

Abb. 3: Gezeigt ist die elektromyographisch aufgezeichnete Muskelantwort nach Applikation des Reizes. Im

Zeitfenster von 90 -150 ms post Stimulus findet die Berechnung des z-scores statt. RIII-Reflex 8 mA 7 mA 9 mA 8 mA 7 mA > > > > Stimulusintensität Stimulationsartefakt 90 ms 150 ms 25 µV 25 ms (NFR Intervall Peak - Mittelwert des Rauschens)

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Dieses Programm lief kontinuierlich während der gesamten Messung. Anhand einer lo-gistischen Regression der letzten zwölf Reflexantworten wurde fortlaufend die Stimulati-onsstärke bestimmt, bei der mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% eine Reflexantwort auf einen Reiz erfolgen würde (Abb. 4). Diese Stimulationsstärke wurde als jeweils aktuelle RIII-Reflexschwelle definiert (Levitt 1971).

Abb. 4: Dargestellt ist die Ermittlung der NFR-Reflexschwelle anhand einer logistischen Regression der

letzten zwölf Stimulationsintensitäten. Das Programm berechnet die Stimulationsstromstärke, bei der mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% ein NFR auftritt (gepunktete Linie): in diesem Fall liegt die Reflexschwel-le bei 7.75 mA. „RefReflexschwel-lexantwort positiv“: Stimulationsstärke, die einen NFR auslöst (y = 1). „RefReflexschwel-lexantwort negativ“: Stimulationsstärke, auf die kein NFR folgt (y = 0). Die Datenpunkte bei 5 mA und 9 mA sind iden-tisch; sie sind zum leichteren Erkennen nebeneinander und nicht einander überlagernd abgebildet.

Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines NFR

Reflexantwort negativ Reflexantwort positiv Regressionskurve Stimulationsstromstärke [mA] Stimulationsstromstärke am 50%-Wahrscheinlichkeitspunkt: 7.75 mA 1.0 0.5 0.0 0 2 4 6 8 10 12

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2.3.5 Propofolnarkose - Steuerung über Target Controlled Infusion

Zu Beginn einer Messung bekam jeder Proband am Arm eine periphervenöse Verweilka-nüle gelegt, über die das Propofol infundiert wurde. In dem Bestreben, eine möglichst genaue und an den Probanden adaptierte Dosierung von Propofol zu erreichen, kam die zielgesteuerte Applikation über ein TCI-System (Target Controlled Infusion) zum Einsatz. TCI-Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Dosierung eines Pharmakons der Vorgabe einer Soll-Konzentration des Wirkstoffs am Zielort anpassen. Unter Berücksich-tigung individueller Patientendaten wie Größe, Gewicht, Alter und Geschlecht sowie auf Grundlage pharmakokinetischer Modelle wird die Konzentration der applizierten Substanz für ein Zielkompartiment kontinuierlich berechnet und die Infusionsrate dieser Berech-nung folgend fortwährend angepasst. Das theoretische Verhältnis von Verteilung, Umver-teilung und Elimination eines Wirkstoffs in verschiedenen Kompartimenten des Körpers bildet dabei die pharmakokinetische Grundlage der TCI-Berechnung. Je nach Modell wer-den zwei bis drei (oder mehr) Kompartimente beschrieben, wobei zwischen zentralen und peripheren sowie Verteilungs- und Effektkompartimenten unterschieden wird (Bischoff et al. 2008; Schraag et al. 2008; Absalom et al. 2009). Die Kompartimente sind über den Blutfluss miteinander verbunden. Die in dieser Studie verwendete ETCI (effect-site TCI) steuert die Anästhetikadosierung nach Berechnung der Effektkompartimentkonzentration (Ce) im ZNS und basiert auf dem pharmakokinetischen Modell von Schnider (Schnider et al. 1998). Eine mit dem Rechner verbundene Infusionspumpe (Base primea, Fresenius, Bezins, Frankreich) führte die wechselnden Infusionsraten von Propofol aus.

Das Narkoseprotokoll sah eine Staffelung der Zielkonzentrationen vor: Stufenweise wurde alle 15 min die Effektkompartimentkonzentration von Propofol um 1 µg/ml erhöht. In An-lehnung an Forschungsergebnisse, die unter Propofolmononarkose eine Cp95 (Ausbleiben einer Reaktion bei 95% der Patienten) für einen starken Reiz (Einführung einer Larynx-maske) bei 6 µg/ml feststellen konnten (Casati et al. 1999), wurde im Vorfeld eine Beendi-gung der Narkose bei Erreichen einer Konzentration von 7 µg/ml festgelegt. Es konnte an-genommen werden, bei dieser Konzentration bei den meisten Probanden eine Auslöschung ihrer Reaktionen zu erreichen. Ein dreifaches Ausbleiben auf den maximalen Schmerzreiz bereits bei niedrigeren Konzentrationen stellte die Alternative für die erfolgreiche Been-digung einer Messung dar. Die Dauer der Propofolkonzentrationsstufen von mindestens 15 Minuten wurde gewählt, um einer ausreichenden Äquilibrierung der RIII-Schwelle

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so-wie des BIS Rechnung zu tragen und um genügend Zeit für die anschließende dreifache Testung einzuräumen. Aufgrund der stark atemdepressiven Wirkung von Propofol war es teilweise notwendig, die Probanden mittels einer Maske unterstützend zu beatmen. Nach Bewusstseinsverlust (Verlust der Reaktion auf Ansprache und sanftes Schütteln) wurde allen Probanden eine Beatmungsmaske durchgehend am Kopf adaptiert. In einigen Fällen half ein Guedel-Tubus bei der Sicherung der Atemwege.

2.3.6 Überwachung der Vitalparameter

Zur Überwachung der Vitalparameter wurden alle Probanden während der Narkosemessung an den anästhesiologisch üblichen Monitoren angeschlossen. Dazu zählten ein Pulsoxy-meter zur kontinuierlichen Bestimmung der 02-Sättigung des Blutes, eine Blutdruckman-schette mit Intervallmessung alle fünf Minuten und eine 3-Kanal-Ableitung des EKGs, welche gleichzeitig der Überwachung der Herz- und Atemfrequenz diente. Zusätzlich wurde der endtidale CO2-Partialdruck beobachtet und protokolliert. Dies geschah mittels einer Beatmungsmaske, die den Probanden vor Beginn der Propofolinfusion etwa alle fünf bis zehn Minuten für einige Expirationsphasen vorgehalten und ihnen während der Propo-folinfusion kontinuierlich am Kopf fixiert wurde. Auf diese Weise konnte ein konstantes Niveau des endtidalen CO2 gewährleistet und eine Retention von CO2 vermieden werden: Die Folge von Hyperkapnie besteht u.a. in einer vorübergehenden Azidose, welche wie-derum mit einer temporären Hyperkaliämie einhergeht. Da eine Hyperkaliämie sich als negatives Feedback für die Erregbarkeit des Sarkolemms auswirken kann (Marcos & Ribas 1995), hätte unbeachtete CO2-Retention zu einer Verfälschung der Messergebnisse führen können.

Alle Monitore wurden an einen eigenen Laptop angeschlossen, der die gesamten Vitalpa-rameter für den Verlauf der Messung digital dokumentierte. Dieses Verfahren ermöglichte im Nachhinein eine unkomplizierte Synchronisierung und Auswertung der Daten.

2.3.7 BIS-Monitoring

Jeder Proband bekam für die Dauer der Messung eine BIS-Klebeelektrode, Modell „Quat-ro“, der Firma Aspect Medical Systems (Newton, MA, USA) auf der Stirn befestigt. Zuvor wurde die Haut an dieser Stelle mit Sterilium entfettet, um eine bessere Leitfähigkeit

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herzustellen und um das Haften der Elektroden zu erleichtern. Der elektrische Widerstand zwischen Haut und Sensoren wurde durch die automatische Sensorkontaktprüfung nach Angaben des Herstellers bei < 7.5 kΩ gehalten. Die vom Monitor (Modell A2000) regist-rierten Daten wurden durchgehend aufgezeichnet.

2.3.8 Kontrolle der Wachheit und des Schmerzempfindens

Die Kontrolle des Bewusstseins und der Immobilität der Probanden wurde anhand eines abgestuften Ansprache- und Schmerzreiztests durchgeführt. Dieser Test stellt eine abge-wandelte Form des OAA/S dar (Observers Assessment of Alertness and Sedation) (Chernik et al. 1990). Getestet wurden die Reaktionen der Probanden auf verschiedene Reize, die in ansteigender Intensität appliziert wurden. Die niedrigste Intensitätsstufe bildeten ver-bale Stimuli: Unterschieden wurde hierbei zwischen einer prompten und einer verzögerten Reaktion auf Ansprache mit Namen, sowie einer Reaktion auf laute und/ oder wiederholte Ansprache. Es folgte die Testung eines leichten physischen Reizes, genauer eines sanften Rüttelns des Probanden. Blieb auf diesem Stimulationsniveau eine Reaktion aus, schlos-sen sich stärkere Reize an: ein zehnsekündiger „Trapeziussqueeze“ (ein Kneifen in den M. trapezius) und als Steigerung davon die elektrokutane tetanische Stimulation am rechten Unterarm im Bereich des N. ulnaris. Sie wurde mit einem handelsüblichen Nervenstimu-lator durchgeführt. Auch hier erfolgte eine Steigerung der Stimulationsintensität: von 30 über 60 auf 80 mA. Stimuliert wurde für maximal 30 Sekunden. Die elektrokutane teta-nische Stimulation wurde in mehreren Studien als non-invasiver Stimulus anstelle der Hautinzision verwendet (Hornbein et al. 1982; Kopman & Lawson 1984; Jones et al. 1990), obwohl wichtige Parameter wie Stromstärke und Elektrodenplatzierung dabei bislang noch nicht systematisch evaluiert worden sind. Eine Stimulation mit 50 mA wurde jedoch als ausreichend für eine supramaximale Stimulation beschrieben (Kopman & Lawson 1984) und konnte als non-invasiver Stimulus identifiziert werden, der der Intensität eines Haut-schnitts am nächsten kommt (Zbinden et al. 1994).

Wichtig bei der Beurteilung der Reaktionen auf die Schmerzreize war, dass sie gezielte Ab-wehrreaktionen darstellen sollten. Schwache Bewegungen der Extremitäten sollten nicht als positive Antwort interpretiert werden (Zbinden et al. 1994). Jeder Testzyklus wurde entweder nach Erhalt einer Reaktion auf einer beliebigen Stufe, oder aber nach Ausbleiben einer Reaktion auf die maximale tetanische Stimulation beendet.

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Zur Auswertung erfolgte eine Klassierung in drei Stufen: 0 = Reaktion auf Ansprache

1 = keine Reaktion auf normale, bzw. laute und/ oder wiederholte Ansprache; entspricht Bewusstseinsverlust: LOC = Loss of Consciousness

2 = keine gezielte, bzw. gar keine Reaktion auf den Trapeziussqueeze oder die 30sekündige Tetanusstimulation; entspricht Verlust der Reaktion und Immobilität auf Schmerzreiz: LOR = Loss of Reaction

Auf jeder Konzentrationsstufe wurde dieser Testzyklus alle fünf Minuten durchgeführt. Dies entspricht einer dreimaligen Testung pro Propofolkonzentrationsstufe. Wenn bei al-len drei Tests innerhalb einer Stufe keine Reaktion auf den maximaal-len Tetanusreiz beob-achtet werden konnte, wurde die Propofolzufuhr eingestellt und somit die Narkose been-det. Stimuliert und getestet wurde anschließend während der Aufwachphase noch bis zum Erreichen einer prompten Reaktion auf Ansprache.

2.3.9 Datenaufzeichnung

Es erfolgte eine kontinuierliche digitale Aufzeichnung sämtlicher studienrelevanter Daten: der RIII-Reflexschwellenbestimmung, des Bispektralen Indexes, der Propofolinfusionsra-ten und der berechnePropofolinfusionsra-ten Effektkompartimentkonzentrationen sowie aller Vitalparameter. Die Datensätze wurden zur Auswertung im Nachhinein synchronisiert.

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2.4 DATENANALYSE UND STATISTISCHE AUSWERTUNG 2.4.1 Pharmakokinetische und -dynamische Analyse

Um zwischen der nach dem pharmakokinetischen Modell von Schnider errechneten intra-venösen Konzentration von Propofol und den gemessenen Parametern RIII-Reflexschwelle und Bispektraler Index eine Konzentrations-Wirkungs-Beziehung zu erstellen, wurde das Programm NONMEM (University of San Francisco, San Francisco, USA) angewendet (Ak-ronym für NON-linear Mixed Effects Modelling). Mit NONMEM wurden jeweils für den BIS und die RIII-Reflexschwelle die Populationswerte der Modellparameter, sowie die individuellen Abweichungen von diesen für die im Folgenden beschriebenen Modelle be-rechnet. Diese Berechnung erfolgte mittels bayesianischer Methoden auf Grundlage der individuellen Messwerte. Es wurde angenommen, dass die Individuen normalverteilt von den Populationsmittelwerten abweichen.

Um das Hystereseverhalten der Dosis-Wirkungsbeziehung von intravenöser Propofolkon-zentration und dem anhand der elektrophysiologischen Indikatoren RIII-Reflexschwelle und BIS gemessenen Eintritt der Wirkung bei Kombination von Anflutungs- und Abflu-tungsdaten evaluieren und eliminieren zu können, wurde ein Effektkompartiment in das Modell für beide Parameter eingeführt und die Austauschkonstante ke0 jeweils für die RIII-Reflexschwelle und den BIS ermittelt.

Civ = intravenöse Konzentration von Propofol, Ce = Effektkompartimentkonzentration von Propofol, ke0 =

Kon-stante erster Ordnung, die die Geschwindigkeit des Eintritts der Wirkung im Effektkompartiment bestimmt; ist proportional der Konzentration im Ursprungskompartiment Plasma

Die pharmakokinetische Konstante ke0 determiniert die Geschwindigkeit der Konzentrati-onsäquilibrierung zwischen dem Plasmakompartiment und dem Effektkompartiment. Sie bestimmt somit die Zeit bis zum Eintritt eines gemessenen Effekts und damit einhergehend der pharmakodynamischen Werte Emax und EC50 (Bischoff et al. 2008). Die Halbwertszeit der Effektkompartimentäquilibrierung kann angegeben werden als t1/2ke0 = ln2/ke0. Kleine ke0-Werte stehen dabei für einen späteren Gipfel der Konzentration in einem Effektkompar-timent und vice versa (Absalom et al. 2009).

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Die Beziehung zwischen Effektkompartimentkonzentration und der RIII-Reflexschwelle bzw. dem BIS wurde jeweils mit einem sigmoidalen Emax Modell ermittelt (Bischoff et al. 2008).

Für die RIII-Reflexschwelle:

Für den BIS:

E0 = individuell gemessener Basiseffekt bei Propofolkonzentration gleich Null, Ce =

Effektkompartimentkon-zentration von Propofol, EC50 = Konzentration, die 50% des maximalen Effekts hervorruft, λ = Exponent des

Anstiegs des Konzentrations-Wirkungs-Verhältnisses um den Punkt EC50

Um die inter-individuelle Variabilität (η) der Parameter zu beschreiben, wurde ein expo-nentielles Fehlermodell gewählt. Die intra-individuelle Variabilität (ε) wurde anhand eines additiven Fehlermodells errechnet. Gesamtwerte der Parameter für das Kollektiv wurden mit der Methode der first-order conditional estimation (FOCE) ermittelt, wobei Interaktionen zwischen inter- und intra-individueller Variabilität (η-ε-Interaktion) Berücksichtigung fan-den. Ein Vergleich der bayesianischen Schätzungen für ke0 erfolgte anhand eines gepaarten t-Tests.

2.4.2 Verhältnis der individuellen Werte von RIII-Reflexschwelle, Bispektralem Index und Propofoleffektkompartimentkonzentration zu stattfindenden und ausbleibenden Reaktionen Um festzustellen, ob die individuellen Werte der Parameter RIII-Reflexschwelle, Bispektraler Index sowie der Propofoleffektkompartimentkonzentration sich zum Zeitpunkt noch stattfin-dender Reaktionen signifikant von den Werten des jeweiligen Probanden bei ausbleibender Reaktion auf einen Schmerzreiz unterscheiden, wurde ein Vergleich der Werte dieser beiden Antwortgruppen für alle Probanden und alle Parameter durchgeführt. In die Antwortgruppe „stattfindende Reaktion“ wurden alle Werte der RIII-Schwelle und des BIS bei Testung mit stattfindender Reaktion ab dem Bewusstseinsverlust bis zum ersten Ausbleiben einer Reak-tion einbezogen. Für die Antwortgruppe „ausbleibende ReakReak-tion“ wurden dementsprechend die Werte ab dem Zeitpunkt gewertet, nach dem bis zum Ende der Messung keine weitere Reaktion auf die tetanische Stimulation erfolgte. Die individuell gemittelten Werte von RIII-Schwelle, BIS und der Propofolkonzentration für stattfindende und ausbleibende Reaktionen

(35)

2.4.3 Vorhersagewahrscheinlichkeiten - PK-Werte individuell

Um die Präzision der beiden Messparameter RIII-Reflexschwelle und Bispektraler Index hinsichtlich der Vorhersage motorischer Reaktionen auf einen Schmerzreiz für jeden ein-zelnen Probanden beurteilen und vergleichen zu können, wurden Vorhersagewahrschein-lichkeiten (PK-Werte) für jede Methode und jeden Studienteilnehmer ermittelt. Die Vor-hersagewahrscheinlichkeit (prediction probability) ist ein von Smith et al. entwickeltes Maß für die Assoziation einer stetigen und einer ordinalen Variablen, in diesem Fall die Assoziation von RIII-Schwelle bzw. BIS und stattfindender bzw. ausbleibender Reaktion (Smith et al. 1996). Der PK-Wert nimmt Werte zwischen 0.5 und 1 an. Ein PK-Wert von 0.5 bedeutet, dass die Vorhersage, wenn sie durch einen so bewerteten Parameter getroffen wird, zu 50% zuträfe. Ein PK-Wert von 1 steht für eine fehlerfreie Vorhersage einer Reak-tion durch einen Parameter.

Für die PK-Berechnung wurden für beide Parameter, RIII-Schwelle und BIS, jeweils der letzte Wert vor Beginn einer neuen OAA/S-Testung verwendet. Auf diese Weise konnte eine Beeinflussung der Werte durch die Testung selbst minimiert werden. Die Berechnung der individuellen PK-Werte wurde mit PKMACRO durchgeführt, einem Makro für Tabellenkal-kulation. Sie folgte der Beschreibung durch Smith et al. (Smith et al. 1996). Standardfeh-ler wurden mittels der Jackknife Methode berechnet.

2.4.4 Normalisierung

Um die hohe interindividuelle Variabilität der RIII-Reflexschwellen zu berücksichtigen, wurde eine Normalisierung der Werte vorgenommen, um anschließend die PK -Wertbe-rechnung für das Kollektiv durchführen zu können. Da es für die klinische Durchführ-barkeit von Vorteil ist, die Messung erst nach Bewusstseinsverlust zu beginnen, wurde als Referenzwert für die Normalisierung der erste RIII-Schwellenwert nach LOC definiert. Alle Folgewerte nach Bewusstseinsverlust wurden als Differenz zu diesem Referenzpunkt bestimmt. Auf Basis der normalisierten Werte konnte die Gesamtvorhersagewahrschein-lichkeit für die RIII-Schwelle berechnet werden.

(36)

2.4.5 Gesamt-PK-Werte der RIII-Schwelle, des BIS und der Propofolkonzentration

Um die Genauigkeit der RIII-Schwelle und des BIS bezüglich der Differenzierung zwischen einer stattfindenden und einer ausbleibenden Reaktion für alle Studienobjekte bewerten zu können, wurden die Gesamtvorhersagewahrscheinlichkeiten PK für den BIS, für die nor-malisierte RIII-Schwelle und für die Propofoleffektkompartimentkonzentration berechnet. Die hier verwendete PK-Statistik basiert auf der Annahme unabhängiger Daten, da keine vergleichbare statistische Methode für nicht-unabhängige Daten existiert. So wurde die PK-Statistik verwendet, obgleich die Annahme unabhängiger Daten durch den Einschluss multipler Stimuli für die einzelnen Probanden verletzt wurde. Es wurde jedoch auch in an-deren Untersuchungen gleich verfahren, da kein alternatives Verfahren existiert (Hung et al. 1992; Katoh et al. 1998; Leslie et al. 1996; Rehberg et al. 2004b). Dies hat zur Folge, dass die Standardfehler in der Analyse eventuell unterschätzt wurden.

Die statistische Testung der Vorhersagewahrscheinlichkeiten wurde anhand des Makros für Tabellenkalkulation PKDMACRO durchgeführt, wie es von Smith et al. (Smith et al. 1996) beschrieben wurde.

(37)

3 ERGEBNISSE

3.1 ALLGEMEINE ERGEBNISSE 3.1.1 Probandenkollektiv

Für die hier vorgestellte Studie wurden insgesamt 15 gesunde, männliche Probanden im Alter zwischen 23 und 29 Jahren unter einer Mononarkose mit Propofol untersucht. Es wurden zwölf der 15 durchgeführten Messungen ausgewertet. Drei Datensätze mussten von der Auswertung ausgeschlossen werden. Dies geschah bei einem Probanden aufgrund un-kontrollierter Miktion unter dem Einfluss von Propofol, woraufhin die Messung vorzeitig abgebrochen wurde. Zwei weitere Datensätze wurden aus der Auswertung ausgeschlossen, da beide Probanden unter der maximalen Propofoleffektkompartimentkonzentration von 7 µg/ml noch immer positive Reaktionen auf den maximalen nozizeptiven Stimulus - die 30sekündige tetanische Stimulation mit 80 mA am kontralateralen Unterarm - zeigten. Sie erreichten somit nicht die für die Untersuchung relevante Immobilität auf Schmerzreiz. In Tabelle 1 sind die demographischen Details des Probandenkollektivs der zwölf Proban-den aufgeführt, deren Messdaten der Auswertung zugrunde liegen.

Tabelle 1: Das Probandenkollektiv

Proband Geschlecht Alter [a] Größe [cm] Gewicht [kg] ASA-Klasse

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 m m m m m m m m m m m m 27 29 27 24 27 23 24 23 28 25 27 26 174 175 177 183 184 192 174 188 186 185 178 185 68 68 85 75 84 85 60 80 85 72 70 80 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

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3.1.2 Zeitlicher Verlauf der Messungen

Die Dauer der Messungen betrug im Mittel etwa 150 Minuten (Bereich: 100 – 200 min). Folgende Abbildung demonstriert exemplarisch den Messverlauf eines Probanden.

3.1.3 Einfluss von Propofol auf die Vitalparameter

Unter dem Einfluss von Propofol gab es keine relevanten Änderungen der Herzfrequenz und des arteriellen Blutdrucks. Alle Probanden waren während der Messungen durchge-hend hämodynamisch stabil und ihr endtidaler CO2 wurde mittels adaptierter nicht-inva-siver Maskenbeatmung konstant gehalten. Die Sauerstoffsättigung zeigte ebenfalls keine nennenswerten Änderungen.

Abb. 5: Überblick über den zeitlichen Verlauf einer exemplarisch gewählten Messung: Dargestellt sind der

abgestufte Anstieg der Propofoleffektkompartimentkonzentration bis 4 µg/ml (durchgezogene Linie), sowie der Verlauf der RIII-Reflexschwelle (grau) und des Bispektralen Indexes (schwarz) über die Zeit.

Propofoleffektkompartimentkonzentration [µg/ml]

RIII-Reflexschwelle [mA]

Zeit [min]

BIS (Bispektraler Index)

0 4 3 2 1 5 0 20 0 60 40 80 100 120 0 20 20 40 60 50 40 30 10 80 100

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3.2 KONZENTRATIONSABHÄNGIGE WIRKUNG VON PROPOFOL 3.2.1 Verlust von Bewusstsein und motorischer Reaktion

Der Reaktionsverlust auf laute und/ oder wiederholte Ansprache (Bewusstseinsverlust) erfolgte im Median bei einer Effektkompartimentkonzentration von 3 µg/ml Propofol, mit einer Spanne der einzelnen Probandenwerte, die von 2 - 4 µg/ml reicht. Der Reaktions-verlust auf den maximalen nozizeptiven Stimulus konnte bei einer medianen Propofolkon-zentration von 5 µg/ml festgestellt werden. Es wurden hier individuelle Werte von 4 - 7 µg/ml verzeichnet. Zwei Probanden mussten, wie bereits weiter oben beschrieben, von der Auswertung ausgeschlossen werden, da sie selbst bei der zuvor festgelegten maximalen Propofolkonzentration von 7 µg/ml noch positive Reaktionen auf die nozizeptiven Stimuli zeigten. Abbildung 6 demonstriert diese Ergebnisse.

Abb. 6: Propofoleffektkompartimentkonzentrationen, die einen Verlust der Reaktion auf Ansprache und auf

den maximalen nozizeptiven Stimulus bei den zwölf Probanden bewirkten. LOC: Loss of Consciousness = Bewusstseinsverlust; LOR: Loss of Reaction = Reaktionsverlust auf die 30sekündige tetanische Stimulation mit 80mA. Propofoleffektkompartimentkonzentrationen [µg/ml] Probanden LOC LOR 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

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