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Für die Schule nicht mehr zumutbar

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Academic year: 2022

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Explorationen 54

Für die Schule nicht mehr zumutbar

Der Schulausschluss als behördliche Reaktion auf abweichendes Schülerverhalten im 20. Jahrhundert in Schweizer Volksschulen

von

Werner Hürlimann

1. Auflage

Für die Schule nicht mehr zumutbar – Hürlimann

schnell und portofrei erhältlich beibeck-shop.deDIE FACHBUCHHANDLUNG

Peter Lang Bern 2007

Verlag C.H. Beck im Internet:

www.beck.de ISBN 978 3 03911 292 0

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1. Einleitung

Eigentlich hätte an dieser Stelle eine Arbeit über Bildungstheorien entstehen sollen. Als Weiterentwicklung meines Lizentiatsthemas hätte ich mich damit auseinandergesetzt, welche bestimmten Umstän- de den Menschen zur Bildung verhelfen. Die Anfrage einer Forscher- gruppe im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 51 eine Arbeit zum disziplinarischen Schulausschluss in der Schweiz zu ver- fassen, bewog mich indes, meine ursprünglichen Pläne zu verwerfen und mich quasi mit der Gegenseite, also der Verhinderung, der Ver- unmöglichung von Bildung – wenigstens der Schulbildung – zu befas- sen.

Entgegen meiner ersten Annahme musste ich schnell feststellen, dass dieses Thema im deutschsprachigen Raum kaum erforscht ist und mich daher ein unbearbeitetes Gebiet erwartete. Dass dabei auch Irr- wege beschritten wurden, gehört wohl zur unvermeidlichen Begleiter- scheinung eines solchen Unterfangens. Die klärenden und unterstüt- zenden Rückmeldungen durch mein Umfeld verhalfen mir hingegen immer wieder, das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Allererster Dank gebührt an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Jürgen Oelkers. Er ermöglichte mir nicht nur die Mitarbeit an diesem For- schungsprojekt, sondern liess mir die dafür nötige Betreuung zukom- men. Die Gespräche mit Dr. Alois Suter, Dr. Daniel Tröhler und Dr.

Mortiz Rosenmund haben mir massgeblich weiter geholfen. Darüber hinaus sorgte auch der informelle, aber auch kritische Austausch in- nerhalb des Forschungsteams mit Dr. Belinda Mettauer, Christopher Szaday M.Ed.Psych., Andreas Hausheer sowie Dr. iur. Daniel Kettiger ebenfalls für wichtige Anregungen. Ihnen sei dafür ebenfalls gedankt.

Nicht möglich gewesen wäre diese Arbeit ohne die sachdienlichen Hinweise der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der verschiedenen Archive. In erster Linie meine ich damit das Stadtarchiv Zürich, aber

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auch die Staatsarchive der Kantone Zürich und Zug sowie die ver- schiedenen Gemeindearchive.

Der abschliessende Dank gehört aber meiner Familie und hier ins- besondere meiner Frau. Sie trugen die Hauptlast, indem sie mir Ge- duld und Verständnis entgegenbrachten. Ihnen möchte ich daher das Buch widmen.

1.1 Begründung

Die als ansteigend wahrgenommenen Disziplinkonflikte in der Volksschule1 führten in den vergangenen Jahren immer wieder zu Schulausschlüssen. Erstaunlicherweise sind zu diesem letzten Akt innerhalb der schulischen Disziplinarmassnahmen im deutschsprachi- gen Raum kaum Fakten bekannt und zwar nicht nur für die aktuelle, sondern auch für die vergangene Ausschlusspraxis. Dieses Wissensde- fizit war Anlass, im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 51 „Integration und Ausschluss“ ein Forschungsprojekt zum disziplinarischen Schulausschluss zu lancieren.2 Das Ziel des For- schungsprojektes bestand in einer systematischen Aufarbeitung der aktuellen Ausschlussprozesse in Schweizer Volksschulen. Die Aus- wertung und Analyse der dabei gewonnenen Daten sollten dazu bei- tragen, künftige Schulausschlüsse wenn möglich zu verhindern oder zu überwinden. Dazu wurden Fallstudien von Schülerinnen und Schü- ler angelegt, die Gefahr liefen, aufgrund ihres störenden Verhaltens von der Schule verwiesen zu werden oder die dies bereits wurden. Um die gewonnen Erkenntnisse zu vervollständigen, sollten die bereits bestehenden Daten für die Schweiz aber auch international gesammelt

1 Die intensivierte mediale Berichterstattung lässt diesen Schluss jedenfalls ver- muten. Vgl. u. a. Facts Nr. 18 v. 5.3. 2001, Aargauer Zeitung v. 8.1. 2002, Be- obachter Nr. 11 v. 30.5.2003, NZZ v. 31.3.2005, Zuger Zeitung vom 18.8.2005 2 Initiiert wurde das Forschungsprojekt durch C. Szaday. Vgl. <http://

www.nfp51.ch> (27.4.2006)

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13 und für das Forschungsprojekt nutzbar gemacht werden. Die Aufar- beitung des disziplinarischen Schulausschlusses in der Schweiz aus historischer Sicht war dabei jener Teil des Projektes, den man mir übertrug.3

Der Schulausschluss, markiger und medial eher bekannt als Raus- schmiss, ist ein Phänomen, welches wohl mit der Entstehung von Schule als geschlossene Lehrveranstaltung unausweichlich verbunden ist. Wer diese Institution durchlief – also praktisch alle – kam im Ver- laufe seiner Schulzeit mit diesem Begriff mit Bestimmtheit in Kontakt – in den überwiegenden Fällen wohl nur passiver Art. Man hörte oder erzählte von Mitschülern, dass ihnen ein Ausschluss angedroht wurde, oder dass sie die Schule aufgrund ihres Verhaltens gar endgültig ver- lassen mussten.

Ich nahm daher an, dass dieses Thema reichlich mit Literatur und schulstatistischen Angaben abgedeckt ist und es lediglich gelte, diese zu verarbeiten und systematisieren. Eine erste Sondierung lehrte mich jedoch eines anderen. Im gesamten deutschsprachigen Raum waren weder fachwissenschaftliche Arbeiten, noch verlässliches Datenmate- rial der einzelnen Länder oder Kantone zu finden. Es ist nicht bekannt, wie viele Schüler und Schülerinnen jährlich jeweils davon betroffen sind, es herrscht keine Klarheit, welche Vergehen bei welcher Intensi- tät zu einem Schulausschluss führen, noch gibt es Angaben darüber, was mit den Schülern nach dem Ausschluss geschah. Darüber hinaus sucht man umsonst nach einem einheitlichen Verständnis, Verfahren und Gesetz zum Schulausschluss. Nicht erstaunlich war in der Folge auch die vergebliche Suche nach einer historischen Aufarbeitung die- ser Thematik. Der Schulausschluss, so schien es mir alsdann, hatte Züge eines Phantoms. Jeder glaubte ihn zu kennen, niemand wusste hingegen Konkreteres darüber.

Mir wurde klar, dass ich mich in ein völlig unbearbeitetes Gebiet begebe, welches keinerlei Anhaltspunkte bot. In einem ersten Schritt

3 Die Vermittlung des Auftrags geschah über Prof. Dr. J. Oelkers, Pädagogisches Institut der Universität Zürich. Er gab mir den Anstoss, die Thematik im Rah- men einer Dissertation zu bearbeiten.

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galt es daher, erste Spuren aufzudecken, um darauf das weitere Vor- gehen planen zu können.

1.2 Verlauf der Untersuchung

Um mir einen ersten Überblick verschaffen zu können, untersuchte ich das Schularchiv meiner Wohngemeinde Zug nach ersten Hinweisen.

Da nach Schulgesetz die Ausschlüsse dort in der Kompetenz der Schulkommission liegen, vermutete ich die Protokolle dieser Behör- denstelle als Hauptdatenquelle meiner Arbeit. Im Archiv waren die Akten in Bogen mit dem Titel: „Primar- Sekundarschule: Entlassun- gen. Ausschliessungen.“ aufbewahrt.

Von den rund 170 Schriftstücken im Zeitraum von 1882 bis 1936 wiesen lediglich vier auf Schulausschlüsse hin. Viel zahlreicher waren hingegen die Belege, welche die Schwierigkeit der Umsetzung des Schulobligatoriums bezeugten. Die überwiegende Mehrzahl der archi- vierten Korrespondenz bezog sich nämlich auf Gesuche von Eltern, die ihr Kind vorzeitig aus der Schule nehmen wollten, damit dieses zu Hause mithelfen oder auswärts einer Arbeit nachgehen konnte. Aus der Überlegung heraus, dass Ausschlüsse aus der Schule gesellschaft- lich erst dann relevant werden, wenn sich diese auf ein allgemeines Schulobligatorium beziehen, verknüpfte ich meine Untersuchungszeit mit jenem Zeitraum, in welchem der Schulbesuch nicht mehr den All- tag nur Vereinzelter prägte, sondern zur dominanten Tagesstruktur aller wurde. Denn erst wenn der Besuch der Schule zum Normalfall wird, kann sich der Schulausschluss zu jenem Sonderfall entwickeln, welcher nachfolgend ein besonderes Interesse auf sich zieht. Aus ver- schiedenen Untersuchungen4 lässt sich dieser Zeitpunkt für die Deutschschweiz auf das Ende des 19. Jahrhunderts hin verorten. „Erst nach 1870 stiess die gesetzliche Schulpflicht in der Bevölkerung auf

4 vgl. Annen 2005, S. 223f., Bloch 1999, S. 129f, Kost 1985, S. 196f.

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15 breite Akzeptanz.“5 Ich setzte daher den Beginn meiner Untersu- chungszeit auf den Beginn des 20. Jahrhunderts fest. Wie die erste Voruntersuchung zeigte, schien es sich beim Schulausschluss um kein häufiges Phänomen zu handeln. Damit dennoch eine genügend breite Datenbasis geschaffen werden konnte, wollte ich den Untersuchungs- zeitraum relativ breit bemessen. Ich dehnte ihn daher bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hin aus. Nach dem zeitlichen Aspekt galt es dar- auf den geografischen Raum abzugrenzen. Da durch die Voruntersu- chungen in der Stadt Zug bereits ein erster Schritt gemacht wurde, lag es auf der Hand, die Recherchen anschliessend flächendeckend auf die restlichen zehn Zuger Gemeinden auszudehnen. Kontrastierend zum ehemals kleinen katholisch-konservativen Landkanton anerbot sich der grosse Nachbar Zürich, welcher schulgeschichtlich andere Wege beschritten hat. Die Grösse dieses Kantons zwang mich aber auch hier zu einer Einschränkung. Die Bestimmung der Vergleichsgemeinden im Kanton Zürich erforderte zunächst einige grundsätzliche Überle- gungen. Die ursprüngliche Absicht, nicht nur rein deskriptiv zu arbei- ten, sondern über die differentielle Darstellung der einzelnen Untersu- chungsgebiete etwas über die Entwicklung der Ausschlussproblematik aussagen zu können, bewog mich zunächst, die Vergleichsgemeinden über strikte demografische Parameter festlegen zu wollen. Die prakti- sche Umsetzung zeigte hingegen, dass sich dieses Vorhaben nicht so einfach umsetzen liess. Definierte ich nämlich in einem ziemlich auf- wändigen Prozess einige Gemeinden aufgrund von statistischen Ver- gleichsdaten aus dem Jahre 1990, so entpuppen sich diese um 1900 wiederum als völlige verschiedene Grössen, die einen Vergleich nicht als sinnvoll erscheinen liessen. Der diachronische Charakter meiner Untersuchung relativierte in der Folge Vergleiche über strikte geogra- fische Stichproben. Ein Untersuchungsdesign mit zeitlich bestimmten Stichproben hätte den Nachteil, dass allfällig interessante Entwicklun- gen nicht erfasst werden könnten, darüber hinaus müsste riskiert wer- den, dass sich in einzelnen Vergleichsgemeinden just für den zuvor bestimmten Zeitpunkt keine Ausschlussfälle ermitteln lassen. Ich ent-

5 Bloch 1999, S. 138

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schied mich abermals für ein pragmatischeres Verfahren. Als Grund- grösse bestimmte ich die Gemeinden des Kantons Zug, in welchen eine mehr oder weniger lückenlose Recherche möglich war.6 Für ei- nen späteren Vergleich von typischen Landgemeinden anerboten sich Neuheim und Menzingen. Als verwandte Einheit für den Kanton Zü- rich bestimmte ich mit Hilfe des Indikators Bevölkerungswachstum die Gemeinden Hausen am Albis sowie Obfelden / Ottenbach. Beide Gemeinden liegen an der Grenze zum Kanton Zug in ländlicher Um- gebung. Als Vergleichsgrösse der früh industrialisierten Zuger Ge- meinden Baar, Cham und Unterägeri anerbot sich auf Zürcher Seite Bauma an. Um allfällige Stadt-Land-Differenzen aufzeigen zu kön- nen, entschied ich mich zudem, den Schulkreis I (heute Zürichberg) mit einzubeziehen. Stellvertretend für Gemeinden mit einem hohen Bevölkerungswachstum in den letzten 30 Jahren sollten nochmals Baar sowie Regensdorf analysiert werden. Diese Gemeinden bildeten denn auch die Grundlage meiner Datenerhebung.

Dass ein aufwändigeres Bestimmungsverfahren sich nicht ausbe- zahlt hätte, stellte ich kurz nach Beginn meiner Recherche im Kanton Zürich fest. So konnte ich in Hausen a. A. trotz vorbildlicher Archiv- führung keinen einzigen wirklichen Ausschlussfall feststellen. Somit schien das ganze Konzept ins Wanken zu geraten. In Obfelden / Ot- tenbach und Bauma stiess ich wohl auf einige Ausschlussverfahren, diese waren anzahlmässig aber so unbedeutend, dass sich daraus nie ein aussagekräftiges Bild hätte zeichnen lassen. Selbst in Regensdorf, welches mit seinem grossen Bevölkerungswachstum und einem be- deutenden ausländischen Bevölkerungsanteil nach meinen Vorannah- men eigentlich prädestiniert für hohe Ausschlussquoten schien, war die Ausbeute relativ gering. Ertragreicher war wenigstens die Recher- che im Stadtarchiv Zürich für den Schulkreiskreis Zürichberg. Als eigentlicher Glücksfall stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Akten für den Schulkreis Zürichberg nur bis zum Jahre 1979 verfüg- bar waren. Das Angebot, die fehlenden Jahre über die Dokumente

6 Zu den besonderen Umständen der Archivrecherche siehe weiter unten: „Zur Quellenlage“

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17 Schulkreises Limmattal abzudecken, eröffnete mir mit einem Schlag eine äusserst ergiebige Fundstelle. Das Bemühen der Behörden, im damaligen Arbeiterquartier Ordnung und Disziplin sicherzustellen, führte bis nach 1945 zu einer beträchtlichen Anzahl von Ausschluss- fällen.7

1.2.1 Zur Datenlage

Die ersten Abklärungen in den verschiedenen Zuger Gemeinden erga- ben, dass im Kanton Zug keine lückenlose Erhebung zu erwarten war.

Dies hatte mehrere Gründe. Zum einen waren die Gemeinden im Kan- ton Zug bis anhin an kein Archivgesetz gebunden und konnten ihre Daten folglich nach einer Frist von 10 Jahren vernichten. Kleinere Gemeinden wiesen ausserdem darauf hin, dass sie gar kein Archiv hätten, welches über die gewünschte Zeit Daten liefern könnte. Die fehlenden gesetzlichen Bestimmungen zur Aktenrecherche im Kanton Zug verhinderte zudem, dass ich meine Recherchen zügig vorantrei- ben konnte. In vielen Gemeinden reagierte man nämlich mit grosser Unsicherheit auf mein Gesuch um Dateneinsicht und verwies mich an den kantonalen Datenschutzbeauftragten. Dieser erklärte sich hinge- gen auf gemeindlicher Ebene als nicht zuständig und könne daher höchstens Empfehlungen abgeben. Über mein Vorhaben zeigte er sich dennoch besorgt, da diese nach seiner Ansicht das Datenschutzgesetz verletzen könnten. Auch die Recherche im Staatsarchiv in Zug zeigte sich umständlicher als erwartet. In meinen Gesprächen mit dem Staatsarchivar beklagte sich dieser über die unbefriedigende Situation im Kanton Zug. Das fehlende Archivgesetz, welches die Handhabung

7 Bedingt durch die grosse Schülerzahl erfuhr der Schulkreis III (später Limmat- tal) relativ früh einen hohen Professionalisierungs- und Bürokratisierungsgrad, welcher sich in breit ausgebauten Schulverwaltungsstrukturen sowie fürsorgeri- schen Institutionen erkennen liessen. Dieser Umstand führte dazu, dass dieser Schulkreis in den letzten Jahren zum Forschungsobjekt einiger schul- und sozi- alhistorischer Studien wurde. Vgl. Kost 1985, Lenke 1990, Ramsauer 2000 und Imboden 2003

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der archivierten Daten gerade für meinen Fall regeln würde, sorge jetzt dafür, dass der Umgang mit Informationen zu einseitig nur aus der Perspektive des bestehenden Datenschutzgesetzes betrachtet wür- de. Das Offenlegen von Behördenhandeln sei so praktisch nicht mehr möglich. Zu hoffen sei nur, dass die seit geraumer Zeit im kantonalen Parlament vorliegende Gesetzesvorlage zur Archivierung angenom- men würde. Die parlamentarische Behandlung des neuen Archivgeset- zes hatte zwischenzeitlich stattgefunden. In der Diskussion wurde unter anderen auch mein Forschungsvorhaben als Begründung für eine Annahme herangezogen. Der Entscheid ging nach intensiver Debatte knapp zu Gunsten des neuen Gesetzes aus.8

Nach den ersten gemeindlichen Archivrecherchen im Kanton Zug stellte sich mir in Bezug auf die Aktenlage ein äusserst heterogenes Bild dar. So verfügte beispielsweise die Gemeinde Unterägeri über ein vorbildlich geführtes Archiv mit lückenloser Präsenz der gesuchten Akten sowie über einen eigenen Archivar mit grosser Erfahrung. An- dere Gemeinden kannten im Gegensatz dazu kein eigentliches Schul- archiv. Nach Auskunft ihres Schulsekretärs wurden die Akten nach der im Schweizerischen Obligationenrecht vorgeschriebenen Aufbe- wahrungspflicht vernichtet. Wo sich der Aufbewahrungsort der alten Protokolle und Chroniken befand, konnte zum Teil nicht mehr eruiert werden.

Ganz anders verlief die Quellenrecherche im Kanton Zürich. Meine Anfrage im Staatsarchiv wurde umgehend behandelt und nach Ein- gang meines schriftlichen Gesuches konnte ich sogleich mit der Arbeit beginnen. Da der Kanton Zürich schon seit längerem ein Archivgesetz kannte, war für sie der Umgang mit dieser Situation nichts Ausserge- wöhnliches.

Als Datenquellen im Kanton Zürich dienten mir die Protokolle der Schulpflegesitzungen. Mit Ausnahme des Schulkreises III wurden diese bis um 1930 handschriftlich in grossen gebundenen Büchern geführt. Nach 1950 schien sich die Protokollführung mit Schreibma- schinen überall durchgesetzt zu haben. Wie im Kanton Zug war auch

8 http://www.datenschutz-zug.ch/pdf/ZG_Archivgesetz.pdf

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19 in Zürich die Aktenführung nicht immer lückenlos zu rekonstruieren.

Nicht selten fehlten nicht nur einzelne Jahre, sondern gleich ganze Jahrzehnte. Die Akten der Kreisschulpflege Zürichberg waren nur bis 1984 im Stadtarchiv einsehbar. In der Kreisschulpflege Limmattal fehlten die Jahrgänge 1973–1976 und 1980 bis 1985.

Was nach Beenden meiner Archivrecherche nicht erwartet werden kann, ist wie eingangs erwähnt eine fundierte quantitative Analyse.

Das Untersuchungsmaterial war dafür zu lückenhaft und die Akten- führung zu uneinheitlich, so dass mit Sicherheit angenommen werden kann, dass nicht alle Ausschlüsse erfasst wurden. In Regensdorf fand ich neben weit ausholenden Beschreibungen zu einzelnen Fällen auch einen knappen Hinweis auf einen Ausschluss, bei welchem Namen, Klasse, Alter und Grund fehlten. In einigen Fällen zeigte sich auch, dass wohl von Versorgung oder Ausschluss geschrieben wurde, diese aber später an Rekursen der Eltern scheiterten und dadurch effektiv gar nicht vollzogen wurden. Andererseits stellte ich aus Akten von Rekursfällen fest, dass diese sich auf Ausschlüsse bezogen, die in den entsprechenden gemeindlichen Akten nicht vorzufinden waren.

Ferner ging aus Gesprächen mit Schulleitern hervor, dass man in Fällen von Verhaltensschwierigkeiten vor allem um pragmatische Lösungen bemüht ist, die auch ausserhalb des offiziellen Instanzen- wegs verlaufen können. Wollte man diese Ungenauigkeiten bereini- gen, so müssten die Akten über jeden einzelnen Schüler herangezogen werden, sofern diese überhaupt existierten.

Die bruchstückhafte Datenlage zwang mich letztlich, von der Ab- sicht einer lückenlosen und damit statistisch einwandfreien Erhebung zu verabschieden und stattdessen den Schwerpunkt auf eine eher de- skriptive Darstellung des Phänomens zu verlagern. Bedingt durch die Herkunft der Akten – es handelt sich praktisch ausschliesslich um von Schulbehörden verfasste Schriftstücke – ist die Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand ebenfalls bestimmt. Anstatt aus der Sicht der verfügenden Behörden hätte man die Untersuchung ebenso gut aus jener der ehemals betroffenen Schüler angehen können. Nur wäre es in diesem Fall noch viel schwerer gewesen, relevante und aussagekräfti- ge Quellen ausfindig machen zu können.

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Eine eigene Arbeit wert wäre die Analyse der Aktenführung. Ge- schieht diese in einzelnen Gemeinden bis heute unsystematisch – ein- zelne Protokolle sind drei und vierfach abgelegt, andere fehlen dafür gänzlich, von einer systematischen Nummerierung und Erfassung der Quellen ist ganz zu schweigen – so bestechen gerade die Protokolle des Arbeiterschulkreises III, heute Limmattal bereits seit 1915 durch eine beispielhafte Transparenz. Welche Auswirkungen eine zur Per- fektion reichende Bürokratisierung jedoch auf den Schulausschluss haben konnte, wird ein Teil der Analyse dieser Arbeit sein.

1.3 Beschreibung des Datensatzes

Nach der Recherche in den erwähnten Zürcher und Zuger Gemeinden konnte ich insgesamt 687 Fälle ausfindig machen, in welchen ein Schulausschluss thematisiert wurde. Mit erfasst habe ich nicht nur die effektiv durchgeführten Schulausschlüsse, sondern bereits auch schon die schriftlich verfassten Androhungen auf Schulausschluss. Die Überlegungen rund um die Definition des Begriffes Schulausschluss werden zeigen, dass es nicht einfach war, diesen klar zu bestimmen und in der Recherche anzuwenden. So galt es je nach Fall abzuwägen, ob die Heimplatzierungen oder Umteilungen zur Sonderschulung nun bereits als Schulausschluss zu werten seien oder nicht. Die recher- chierten Fälle verteilten sich über das untersuchte Gebiet wie folgt:

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Abbildung 1: Überblick über die Herkunft der recherchierten Fälle.

Zürich Stadt:

Zürichber

1 g Zürich Stadt:

Limma

1 ttal Regens dorf

Bauma Obfelden / Ottenb ach

Hausen a.

A.

Total Kt. Zürich Stadt Zug Baar Cham Steinh ausen

Risch Hünen berg

Walch wil

Oberäg eri

Unte räge ri

Menzi ngen

Neuhei m

Total Kt. Zu g

Gesamttotal

1900- 1910 14229 1 1 2 11 1911- 1920

97231103 4 1 1 1 7 110 1921- 1930 567164 1 5 1 1 2 1 11 75 1931- 1940

2261285 2 3 1 1 7 92 1941- 1950 19381159 1 5 1 1 8 67 1951- 1960

17449272 3 2 1 1 7 79 1961- 1970 6244236 2 1 3 39 1971- 1980

142061142 4 8 2 2 1 1 18 60 1981- 1990 3271714153 7 5 2 14 67 nach 1990

416855 5 8 5 6 3 2 3 32 87 Total 824125019132578 14 39 22 6 2 7 3 6 2 7 1 109 687 1 Vor der Reorganisation 1933 hiess der Schulkreis Zürichberg Schulkreis I und der Schulkreis Limmattal Schulkreis III

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Sofern es die Quellenlage erlaubte, wurden neben den demografischen Grunddaten wie Wohnort, Alter, Geschlecht und Schultypus vor allem die Gründe für den Ausschluss, die Ausschlussformen, die Initiatoren des Ausschlusses sowie die auf den Ausschluss folgenden Massnah- men erhoben. Mit den spezifischen Ausschlussdaten wurden gleich- zeitig auch aussagekräftige Korrespondenzen, Protokollvermerke und Geschäftsberichte erfasst, die mir in der Auswertung zur weiteren Illustration des Geschehens dienen sollten. Als Hauptquelle entpupp- ten sich dabei die vielen Verfügungen der Kreisschulpflegen Zürich- berg und Limmattal. Aus ihnen heraus liessen sich nicht nur die ge- wünschten Ausschlussdaten entnehmen, sondern auch die wertvollen Hinweise auf das Verständnis, welches die Behörden von ihren Klien- ten hatten. Um sich ein Bild dieser Datenquelle machen zu können, wird ein Auszug aus einer solchen Verfügung vorgestellt (vgl. Abbil- dung 2).

Die hohe Sensibilität der Akten bewog mich dazu, die Namen der betroffenen Schüler und Eltern über die ganze Untersuchungsperiode hinweg nur mit Anfangsbuchstaben von Vor- und Nachname zu ano- nymisieren. Wie die Analyse der Daten noch zeigen wird, waren von Schulausschlüssen Jungen viel mehr betroffen als Mädchen. Wenn in meinen Texten nachfolgend von Kindern, die zur Schule gehen, ge- sprochen wird, so nenne ich diese der besseren Lesbarkeit halber ver- einheitlicht „Schüler“. Sind hingegen in gewissen Fällen explizit Mädchen betroffen, so werde ich diese mit „Schülerinnen“ ebenfalls erwähnen.

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Abbildung 2: Beispiel einer Verfügung der Kreisschulpflege III9

9 SAZ, V.H. a. 45.:29, Nr. 617: Verfügung des Präsidenten der Kreisschulpflege III, 27.12.1915

Verfügung des Präsidenten der Kreisschulpflege III

vom 27. Dezember 1915.

617. B. G., II. Sekundarklasse des Herrn E. Walter, M. J., II. Sekundarklasse des Herrn Ed. Zürcher K. F., 7. Klasse des Herrn Emil Bossard, M. F., 6. Klasse des Herrn Hermann Huber

mussten lt. Rapport 5597 der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 24. November 1915 wegen einer Reihe von Metalldiebstählen in Untersuchung gezogen werden. Im Monat September 1915 tat sie sich zu einem Komplott zusammen zu dem Zwecke, in ihrem Quartier in die Häuser einzudringen und in Kellern, auf Winden und Dächern Messing, Zink und Kupfer zusammen zu suchen. Die Sachen wurden rechtswidrig in Besitz genommen, jeweilen verkauft und der Erlös verteilt [...] bis zwei von ihnen erwischt wurden. [...] Die Schüler B. G. und K. F.

wurden [...] bereits strenge verwarnt und bestraft. Herr Sekundarlehrer teilte über das Betragen mit, dass er auch für die Moralität seiner Mitschüler eine stete Gefahr bilde und ein sehr schwacher Schüler sei, weshalb der Lehrer die Wegweisung von der Sekundarschule verlangt.

K. F. wurde von seiner früheren Lehrerin als unfolgsamer Schüler bezeichnet und auch sein jetziger Lehrer [...] ist mit seinem Betragen nicht zufrieden. Der Lehrer hat den Eindruck, dass es dem Knaben an der nötigen häuslichen Aufsicht fehlt. Der Schüler muss unbedingt versorgt werden, wozu sich seine Eltern bereit erklären.

Der Schüler soll zu Verwandten nach M. gebracht werden.

[...]

Alle vier Knaben waren Kinobesucher und eifrige Leser von Schundliteratur.

Es wird verfügt:

1. B. G. wird wegen verschiedener Diebstähle im Wiederholungsfalle und wegen schlechtem Betragen nach § 66 des Gesetztes betr. die Volksschule von der Sekundarschule weggewiesen und dem

Kinderfürsorgeamt zu weiterer Behandlung übergeben. Er hat vorläufig die 8. Klasse zu besuchen.

2. M. J. wird wegen Teilnahme an verschiedenen Diebstählen bedingt von der Sekundarschule weggewiesen, das heisst die Strafe tritt bei der nächsten Klage über schlechtes Verhalten in oder ausserhalb der Schule sofort in Kraft. Der Schüler erhält ausserdem an vier freien Nachmittagen Arrest mit schriftlicher Beschäftigung unter Aufsicht eines Lehrers. Die schriftlichen Arbeiten sind zwischen 1-2 Uhr vorzuweisen.

3. M. F. erhält an vier freien Nachmittagen Arrest mit schriftlicher Beschäftigung unter Aufsicht eines Lehrers; die Arbeiten sind vorzuweisen. Bei weiterem schlechtem Verhalten wird Versorgung eingeleitet.

4. Von der Versorgung des K. F. nach M. zu Schneidermeister J. G. wird Notiz genommen.

5. Mitteilung an Herr A. M. (Besorger von B. G.), an Frau Sch., Frau K. M., Herrn F. K., an die Lehrer E.

Walter, Ed. Zürcher, E. Bosshard und H. Huber, an die Hausvorstände Feldstrasse und Ämtlerstrasse A zur Durchführung des Strafvollzuges und an das Kinderfürsorgeamt mit dem Ersuchen, die Versorgung des Schülers B. G. einzuleiten.

Der Präsident der Kreisschulpflege III:

J. Briner

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1.4 Fragestellung und Ziel

Anlass der Studie war das fehlende Wissen zu Schulausschlüssen aus disziplinarischen Gründen in der Schweiz. Das Ziel dieser Untersu- chung besteht in der Folge darin, diese Wissenslücken wenigstens für die definierte Raum- und Zeiteinheit zu schliessen. Aufgrund der lan- gen Untersuchungsperiode wird es möglich sein, nicht nur Hinweise zu einzelnen Problemlagen zu geben, sondern immer auch die Verän- derung der spezifischen Problembewältigung im Auge zu behalten, um so allfällige Typologisierungen und Kodifizierungen offen legen zu können.

In einem Ausschlussprozess sind verschiedene Bereiche der Insti- tution Schule beteiligt. Neben den direkt involvierten Akteuren wie Schüler, Eltern, Lehrer und Schulbehörden ist zu vermuten, dass vor allem die vorhandenen Rahmenbedingungen eine gewisse Gestal- tungsmacht haben. Unter diesen schreibe ich den gesetzlichen Rege- lungen zum Schulausschluss eine besonders prägende Rolle zu. In einem ersten Schritt gilt es daher zu fragen, ob ein vollzogener Schul- ausschluss gesetzlich überhaupt vorgesehen war. Daraus lassen sich die ersten Fragen ableiten:

– Wie sahen die gesetzlichen Bestimmungen zum Schulausschluss zu Beginn der Untersuchungsperiode aus und wie haben sie sich bis heute verändert?

– Welche Einflussfaktoren wirkten wie auf die Schulgesetzgebung zum Schulausschluss?

– Lassen sich daraus allenfalls Prognosen zur weiteren Entwicklung der gesetzlichen Bestimmungen machen?

Richtet man den Fokus auf die in Ausschlussfragen involvierten Per- sonen, so interessieren hier bestimmt zuerst die Angaben zu den aus- geschlossenen Schülern. Folgendes Fragebündel lässt sich in diesem Zusammenhang zusammenstellen:

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25 – Wer wurde wann ausgeschlossen?

– Aus welchen Schultypen wurden am ehesten Ausschlüsse vollzo- gen?

– Wie hat sich das Profil der Ausgeschlossenen verändert?

Eng damit verflochten ist die Frage nach den Auslösern für Schulaus- schlüsse. Dazu lassen sich die weiteren Fragen ableiten:

– Aus welchen Gründen wurden die Schüler ausgeschlossen?

– Unterlagen die Gründe einem Wandel und wenn ja,

wann hatten allenfalls welche Gründe besondere Konjunkturen?

Zum Schluss gilt es die Aufmerksamkeit auf die Sanktion selber sowie auf die Schulbehörden, welche für die Verfügung und Umsetzung verantwortlich waren, zu richten. Damit verbunden ergibt sich die letzte Fragegruppe:

– Gab es verschiedene Formen von Schulausschlüssen?

– Wann wurden welche Formen vor allem angewendet?

– Wie wurde ein Ausschluss vollzogen?

– Wer war daran beteiligt?

– Welches waren allenfalls die Reaktionen der Eltern?

– Was passierte nach einem Ausschluss mit den Jugendlichen?

1.5 Methodik

Was ist eigentlich ein Schulausschluss? Bereits nach den ersten Ab- klärungen im Rahmen meiner Voruntersuchung zeigte sich, dass die- ser Begriff äusserst unterschiedlich bewertet wurde und es bis anhin dafür keine eigentliche Definition gab. Dieser Umstand bewog unsere Forschergruppe, für unser NFP 51-Projekt zunächst eine einheitliche Begriffsbestimmung vorzunehmen. Diese bildete auch für meine Ar-

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beit den eigentlichen Ausgangspunkt. Ein erster Teil gilt daher der Definition dieses und weiterer zentraler Begriffe für mein Untersu- chungsfeld. Vor allem im Sinne der Arbeit von Kost10 wurden die ordnenden und kontrollierenden Interventionen der Behörden im sozi- alwissenschaftlichen Diskurs gerne als Sozialdisziplinierung gewertet.

Die durch das Schulobligatorium institutionalisierte Volksbildung betrachtete er nicht nur als Befreiung, sondern auch als ein „Element staatlicher und gesellschaftlicher Herrschaftssicherung“ in einem kapi- talistischen System. Behördenhandeln wurde in der Folge als ein ge- zieltes und beabsichtigtes Eingreifen in Richtung Zivilisierung und Rationalisierung der Unterschichten betrachtet. Ramsauer11 relativierte in ihrer Arbeit zur Verwahrlosungsfrage diese behördliche Handlungs- logik. Als theoretische Grundlegung möchte ich für meine Untersu- chung die Einwände Ramsauers aufnehmen und diese in ein Konzept überführen, welches die je nach Situation ändernden Handlungsmodi berücksichtigt. Pfister/Haas12 weisen im Zusammenhang mit For- schungen zur Verwaltungsgeschichte auf die Politikfeldanalyse hin.

Diese soll geprüft und die daraus entstehende These zur Charakterisie- rung des Behördenhandelns am Schluss meiner Untersuchung beant- wortet werden.

Ziel der Untersuchung ist bekanntlich nicht nur Klarheit in Bezug auf die demografischen oder personenbezogenen Kennwerte wie Al- ter, Geschlecht und besuchter Schultyp der Ausgeschlossenen zu er- halten, sondern auch die das Behördenhandeln beeinflussenden Rah- menbedingungen zu erwähnen, sofern diese rekonstruiert werden können. Der diachronische Charakter meiner Erhebung erlaubt es zudem, einige Aspekte des Schulausschlusses als Prozess darzustellen.

10 Kost, F.: Volksschule und Disziplin. Die Disziplinierung des inner- und ausser- schulischen Lebens durch die Volksschule, am Beispiel der Zürcher Schulge- schichte zwischen 1830 und 1930. 1985

11 Ramsauer, N.: «Verwahrlost». Kindswegnahmen und die Entstehung der Ju- gendfürsorge im schweizerischen Sozialstaat 1900–1945. 2000

12 Haas, St., Pfister, U.: Verwaltungsgeschichte – eine einleitende Perspektive. In:

Pfister, U., de Tribolet, M. (Hrsg.): Sozialdisziplinierung – Verfahren – Büro- kraten. Entstehung und Entwicklung der modernen Verwaltung. 1999

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27 Die Ausschlüsse wurden je nach Zeitpunkt unter ganz bestimmten situativen Bedingungen vollzogen. Neben den wirtschaftlichen und politischen Begleitumständen können zweifellos die gesetzlichen Be- stimmungen zum Schulausschluss sowie der schulorganisatorische Ausdifferenzierungsgrad als prägende Gestaltungsfaktoren vermutet werden. Als weitere, wohl nur indirekte Einflussgrösse betrachte ich den pädagogischen Diskurs zu Disziplin und Strafe in der Schule. In einem zweiten Schritt werden daher diese Rahmenbedingungen für den definierten Untersuchungsraum Zug und Zürich nachgezeichnet.

Im dritten Teil gelangen darauf die grundlegenden Fakten zum Pro- fil der Ausgeschlossenen sowie die Gründe für einen Ausschluss zur Darstellung. Danach sollte es möglich sein, den typischen Schüler zu kennzeichnen, welcher sich durch sein Verhalten immer wieder in Ausschlussprozesse manövrierte. Die Erfassung einer längeren Zeit- spanne ermöglicht es auch hier, allfällige Konjunkturen in Bezug auf wahrgenommenes Fehlverhalten offen zu legen.

Die Tatsache, dass die Ausschlussfälle ausschliesslich über Akten der Schulbehörden rekonstruiert werden, schlägt sich unmittelbar auf meine Forschungsperspektive nieder. Es sind die Vertreter der Schule, welche Verhalten als problematisch definierten und es entsprechend ahndeten.

Das problematische Verhalten der Schüler zwang die Behörden zu Gegenmassnahmen. Diese waren in hohem Masse gekennzeichnet durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Im vierten und sogleich Hauptteil meiner Untersuchung gehe ich den verschiedenen praktizierten Ausschlussformen nach und bringe diese mit dem Kon- text in Verbindung. Zugleich kann hier auch ein Blick auf die Umset- zung der Sanktionen sowie auf die darauf folgenden Reaktionen der Eltern geworfen werden. Einige wenige Hinweise geben zudem Aus- kunft darüber, was mit Jugendlichen nach einem Ausschluss geschah.

Den Abschluss bildet ein zusammenfassender Überblick, in wel- chem es auch darum geht, die eingangs gestellten Fragen zu beantwor- ten um daraus allenfalls gewisse Tendenzen für die zukünftige Fallbe- handlung ableiten zu können.

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