Integrationsmethoden – Wie man Integrale berechnet
1. Ziele der Lerneinheit
In der folgenden Lerneinheit lernen Sie
• den Begriff „unbestimmtes Integral“ kennen;
• die Regel der partiellen Integration;
• eine Stammfunktion des natürlichen Logarithmus kennen;
• eine (sehr) einfache Version der Substitutionsregel;
• wie Integrale mithilfe des GTR numerisch berechnet werden können.
2. Das unbestimmte Integral
Nach dem Hauptsatz kann man ein Integral berechnen, indem man eine Stammfunktion F zum Integranden f bestimmt. Um anzudeuten, dass F eine Stammfunktion zu f ist, schreibt man manchmal
( ) ( )
F x =
f x dxund nennt
f x dx( )
auch das unbestimmte Integral von f. Statt zu sagen, dass für f eine Stammfunktion bestimmt wird, sagt man manchmal auch, dass f integriert wird.Mithilfe der Schreibweise als unbestimmtes Integral können wir zum Beispiel 2 1 3 x dx=3x
und
(
5 3)
5 44
x x
x e dx x e
− + = − +
schreiben. Die bekannten Regeln zum Bilden von Stamm- funktionen können mit der neuen Schreibweise so formuliert werden:• Summen werden summandenweise integriert:
(
f x( ) ( )
g x dx)
=
f x dx( )
g x dx( )
.• Multiplikative Konstanten bleiben beim Integrieren stehen:
c f x dx c( )
=
f x dx( )
• Integrieren von Potenzen: 1 1 1
n n
x dx x
n
= +
+ für n −1 und
1xdx=ln( )
x• Integrieren der e-Funktion:
e dx ex = x.Im Folgenden wollen wir weitere Regeln kennen lernen, die uns helfen, Stammfunktionen zu bestimmen, oder – anders ausgedrückt: Funktionen zu integrieren.
3. partielle Integration (Produktintegration)
Wie lautet eine Stammfunktion zu f x
( )
= x ex? Oder anders formuliert: Was ist
xe dxx ?Der Integrand ist hier Produkt von zwei Funktionen. Und da man nicht faktorenweise ableiten darf, darf man auch nicht faktorenweise aufleiten. Was also tun? In vielen Fällen, in denen die zu integrierende Funktion Produkt zweier Funktionen ist, hilft die partielle Integration weiter:
Satz. (Partielle Integration/Produktintegration) Wenn die Funktion g differenzierbar und zur Funktion h eine Stammfunktion H bekannt ist, kann das Integral
g x h x dx( ) ( )
wie folgt berechnet werden:
g x h x dx g x H x( ) ( )
=( ) ( )
−
g x H x dx( ) ( )
.Bei der partiellen Integration wird also einer der Faktoren integriert („aufgeleitet“) und der andere Faktor „abgeleitet“. Dabei wird immer zuerst aufgeleitet, dann zusätzlich abgeleitet.
Partielle Integration kann in zwei Fällen gewinnbringend angewendet werden:
Fall 1. Es ist möglich, das „Restintegral“
g x H x dx( ) ( )
zu berechnen.Fall 2. Das „Restintegral“
g x H x dx( ) ( )
ist ein Vielfaches des Ausgangsintegrals( ) ( )
g x h x dx
.Wir stellen für jeden Fall ein Beispiel vor.
Beispiel 1. Berechne
xe dxx , d.h., bestimme eine Stammfunktion zu f x( )
=xex. Wir wenden partielle Integration an und gehen dabei in drei Schritten vorn.Schritt 1. Festlegen, welcher Faktor des Produkts x e x abgeleitet, welcher „aufgeleitet“
wird. Da der Faktor x beim Ableiten zu 1 wird und zu ex eine Stammfunktion bekannt ist, legen wir fest: x wird abgeleitet, ex wird „aufgeleitet“.
Schritt 2. Anwenden der Regel der partiellen Integration Tipp: Den abzuleitenden Faktor mit einem Ab-Pfeil, den aufzuleitenden Faktor mit einem Auf-Pfeil markieren: x e dxx
. Die Regel der partiellen Integration besagt: zuerst den aufzuleitenden Faktor aufleiten und dann den abzuleitenden Faktor ableiten:x x 1 x
x e dx x e e dx
= −
Schritt 3. Ausrechnen des Restintegrals.
1e dxx =
e dx ex = x. Also insgesamt
x e dx x = −x ex ex=(
x− 1)
ex.Hätte man hier auch anders herum vorgehen können, also x aufleiten und ex ableiten? Da wir eine Stammfunktion zu x kennen, spricht zunächst nichts dagegen:
2 2
1 1
2 2
x x x
x e dx x e x e dx
= −
.Jetzt ist jedoch das Restintegral viel komplizierter als das Ausgangsintegral, wir haben also nicht gewonnen! Beim Anwenden der partiellen Integration kann es also sein, dass man bei
Beispiel 2. Wir wollen 1
(
ln( )
x)
2dxx
, also eine Stammfunktion zu f x( )
1(
ln( )
x)
2= x bestim- men.
Schritt 1. Festlegen, welcher Faktor des Produkts 1
(
ln( )
x)
2x abgeleitet, welcher „aufgelei- tet“ wird. Da zu
(
ln( )
x)
2 keine Stammfunktion bekannt ist, zu 1x dagegen schon, nämlich
( )
ln x , ist es sinnvoll festzulegen, dass
(
ln( )
x)
2abgeleitet und 1x „aufgeleitet“ wird:
( )
21 lnx dx x
Schritt 2. Anwenden der Regel der partiellen Integration. Die Ableitung von g x
( )
=(
ln( )
x)
2 istnach der Kettenregel g x
( )
2 ln( )
x 1 = x. Eine Stammfunktion zu h x
( )
1= x ist H x
( )
=ln( )
x .Wir wenden partielle Integration an und Vereinfachen dann das Restintegral:
( ( ) )
2( ) ( ( ) )
2( ) ( ) ( ( ) )
3( ( ) )
21 1 1
ln x dx ln x ln x ln x 2 ln x dx ln x 2 ln x dx
x x x
= − = −
.Schritt 3. Behandeln des Restintegrals. Wir stellen fest: Das Restintegral kann nicht ausgerech- net werden, es stimmt mit dem ursprünglichen Integral überein. Idee: In der gefundenen Gleichung
( ( ) )
2( ( ) )
3( ( ) )
21 1
ln x dx ln x 2 ln x dx
x = − x
wird das rechte Integral addiert:
( ( ) )
2( ( ) )
3( ( ) )
2( ( ) )
21 1 1
ln x dx ln x 2 ln x dx 2 ln x dx
x = − x + x
( ( ) )
2( ( ) )
33 1 ln x dx ln x
x =Division durch 3 liefert die gesuchte Stammfunktion: 1
( )
ln 2 1( )
ln 3x dx 3 x
x =
Beispiel 3. Stammfunktion des natürlichen Logarithmus f x
( )
=ln( )
x . Wir kennen bereits die Ableitung des natürlichen Logarithmus‘: f x( )
1 =x . Mit Hilfe der partiellen Integration können wir jetzt eine Stammfunktion zu f x
( )
=ln( )
x finden. Aber Moment mal: f ist doch gar kein Produkt! Doch: ln( )
x =ln( )
x 1 (ein einfacher Trick, auf den man gar nicht so leicht kommt!) Jetzt wird festgelegt:( )
ln x 1dx
.Mit partieller Integration ergibt sich
( ) ( ) ( )
1( ) ( )
ln x dx ln x 1dx ln x x x dx ln x x 1dx ln x x x
x
= = − = − = −
.Also:
Satz (Integration des natürlichen Logarithmus).
ln( )
x dx= x ln( )
x −x4. Eine einfache Version der Substitutionsregel
Was ist
2x e dx x2 , wie lautet also eine Stammfunktion zu f x( )
=2x e x2? Hier hilft partielle Integration nicht weiter: Da wir nämlich keine Stammfunktion zu ex2kennen, müssten wir ex2 ableiten und 2x integrieren:2 2 2 2 2
2x e dxx x ex x 2xe dxx
= −
.Hier ist das Restintegral
x22xe dxx2 =
2x e dx3 x2 sehr viel komplizierter als das Ausgangsin- tegral, partielle Integration führt hier also in eine Sackgasse!Schauen wir uns den Integranden des Ausgangsintegrals, also 2x e x2, noch einmal genauer an:
• Der Faktor ex2 ist durch eine Verkettung von h x
( )
=ex mit g x( )
=x2 entstanden:( ( ) )
X2
e =h g x .
• Der Faktor 2x ist die Ableitung der inneren Funktion dieser Verkettung.
Die zu integrierende Funktion ist also von der Form h g x
( ( ) )
g x( )
. Angenommen, man kennt eine Stammfunktion H zu der äußeren Funktion h, dann ist der Integrand H g x( ( ) )
g x( )
,und dies ist nichts anderes als die Ableitung der Funktion H g x
( ( ) )
. Anders formuliert:( ( ) )
H g x ist eine Stammfunktion zu h g x
( ( ) )
g x( )
. Dies ist die Aussage der Substitutionsre- gel:Satz. (Version der Substitutionsregel) Die Funktion g sei differenzierbar und H sei eine Stammfunktion der Funktion h. Dann gilt
h g x( ( ) )
g x dx H g x( )
=( ( ) )
.Der Name „Substitutionsregel“ erklärt sich so: Um
h g x( ( ) )
g x dx( )
zu berechnen, muss man
h u du( )
bestimmen und dann darin u durch g x( )
ersetzen („substituieren“).→ Übung 1
Wir berechnen
2x e dx x2 mit der Substitutionsregel: Mit h x( )
=ex und g x( )
=x2 ist( ) ( ( ) ) ( )
f x =h g x g x . Eine Stammfunktion zu h x
( )
=ex ist H x( )
=ex. Nach der Substituti- onsregel ist
2x e dx H g x x2 =( ( ) )
=ex2.In manchen Fällen muss zunächst die Funktion etwas umgeformt werden, bevor die Substitu- tionsregel angewendet werden kann.
Die Funktion f x
( )
= x ln 1(
+x2)
ist noch nicht von der Form, dass die Substitutionsregel ver- wendet werden kann: Es fehlt der Faktor 2. Lösung: Wir multiplizieren mit 2 und teilen durch 2:(
2)
1(
2)
1(
2)
ln 1 2 ln 1 2 ln 1
2 2
x +x dx= x +x dx= x +x dx
.Jetzt berechnen wir
2 ln 1x(
+x dx2)
mit der Substitutionsregel: Mit h x( )
=ln( )
x und( )
1 2g x = +x ist 2 ln 1x
(
+x2)
=h g x( ( ) )
g x( )
. Eine Stammfunktion zu h x( )
=ln( )
x ist( )
ln( )
H x = x x −x. Nach der Substitutionsregel gilt deshalb
(
2) ( ( ) ) (
2) (
2) (
2)
2 ln 1x +x dx H g x= = +1 x ln 1+x − +1 x
.Also ist
xln 1(
+x dx2)
= 12
2 ln 1x(
+x dx2)
= 12( (1+x2) (
ln 1+x2) (
− +1 x2) )
.
5. Numerische Berechnung von Integralen mit dem GTR
In vielen Fällen ist es nicht möglich, eine Stammfunktion des Integranden zu finden: Nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung hat die durch f x
( )
= 1+e−x gegebenen stetige Funktion eine Stammfunktion, wir können aber keine Stammfunktion direkt bestim- men. Deshalb ist es für uns nicht möglich, das Integral 100 1+e dx−x
mithilfe des Hauptsatzes zu berechnen. Wir könnten stattdessen das Integral mithilfe Riemannscher Summen approxi- mieren. Auch gibt es in der Verfahren, mit denen sich das Integral näherungsweise berechnen lässt, z.B. die Keplersche Fassregel, die Sehnentrapezregeloder die Tangententrapezregel. Glücklicherweise hat der GTR eine Funktion zur numerischen Berechnung von In- tegralen eingebaut. Wir stellen die numerische Berech- nung von Integralen mithilfe des GTR anhand der Berech- nung des Integrals 10
0 1+e dx−x
vor.Wählen Sie b
42
→ Übung 2
Die Vorlage zum Eingeben von Integralen kommt in die Anzeige.
Geben Sie die Integ- ralgrenzen und den Integranden ein.
Zwischen den ver- schiedenen Eingabe- feldern wechseln Sie mit den Pfeiltasten auf dem Touchpad.
Drücken Sie
·
Der GTR berechnet den Wert des Integrals.
→ Übung 3
Übungen zur Lerneinheit
Integrationsmethoden – Wie man Integrale berechnet
Übung 1. Berechnen Sie zu den folgenden Funktionen Stammfunktionen mithilfe partieller Integration. Überprüfen Sie Ihr Ergebnis durch Differenzieren.
a) f x
( )
=2xex b) f x( ) (
= −1 x e)
x c) f x( )
=x e2 xd) f x
( )
=(
3x2 +1)
ex e) f x( )
=xln( )
x f) f x( )
=x2ln( )
xg) f x
( )
=(
x3−2x+1 ln) ( )
x h)( )
2( )
1 ln
f x x
= x i) f x
( )
1ln( )
x=x
Übung 2.
1. Berechnen Sie zu den folgenden Funktionen Stammfunktionen mithilfe mit Hilfe der Substitutionsregel. Überprüfen Sie Ihr Ergebnis durch Differenzieren.
a) f x
( )
=2 1x(
+x2)
10 b) f x( )
=(
1+1x)
2 c) f x( )
=1+1xd) f x
( )
=2 1x(
−x2)
10 e) f x( ) (
= −1 x)
10 f)( )
21 f x x
= x
− g)
( )
(
1 x2)
3f x
x
= + h)
( )
2 510 30
f x x
x x
= +
+ + i) f x
( )
=e−xj)
( )
11
x
f x xe
= e
+ k) f x
( )
=xe2−x2 l) f x( )
=xex2m) f x
( )
1(
ln( )
x)
3= x n) f x
( )
1ln( )
x= x o)
( )
( ( ) )
41 1
1 ln
f x x x
= +
2. Berechnen Sie die folgenden Integrale.
a) 2
( )
30 1−x dx
b)
02(
1+1x)
4dx c) 0( )
101x 1 x dx
− +
d) 1 2
( )
100x 1+x dx
e)( )
0 2
2 1 3 2
x dx
− −x
f) 10
xe dxx
g) 1 2
1
x e dxx
− h)
02(
4x−1)
e dx−x i) 11 2xe dxx
−j)
1 2
2 2
1
xe− x dx
k) 10( ( ) )
21
ln x x dx
l)
ee2ln( )
x (
x(
ln( )
x −1) )
3dx
Übung 3. Berechnen Sie mit dem GTR die folgenden Integrale
a) 1 2
1 1 x dx
− −
b) 010 21
1 dx
+x
c)
−55 11+x2 dxd)
( )
10 1
1
1 ln dx
+ x
d) 051 1 xdx+e
e) 010 2e dx−x