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Bewertung von Biotechnologie-Unternehmen Ÿ Der Individual Risk-adjusted Net Present Value-Ansatz und weitere Ansätze zur Verbes- serung des DCF-Verfahrens Ÿ

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Lutz Kaufmann / Christopher Ridder

Bewertung von Biotechnologie-Unternehmen

Ÿ Der Individual Risk-adjusted Net Present Value-Ansatz und weitere Ansätze zur Verbes- serung des DCF-Verfahrens Ÿ

I. Einleitung

Die Bewertung von Biotechnologie- Unternehmen ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. So weisen viele Unternehmen der Bio- technologie-Branche keine Gewin- ne aus und wachsen stark. Darüber hinaus hängt der Unternehmens- erfolg und damit auch der Unter- nehmenswert stark von immate- riellen Werten wie Patenten,Part- nerschaften oder auch Humanka- pital ab1). Die Marktbewertung ba- siert oftmals vollständig auf Erwar- tungen über den Verkauf von Pro- dukten,die noch nicht auf dem Markt sind,sondern sich in ± z.T.

frühen und sehr riskanten Phasen

± der Entwicklung befinden.

Verschiedene Autoren vertreten die Ansicht,dass im Bereich der Bewer-

tung von Wachstums- und damit auch von Bio- technologie-Unternehmen noch erhebliche Me- thodendefizite vorliegen und machen diese Aus- sage beispielsweise an den auûerordentlich star- ken Schwankungen der Unternehmenswerte an den Aktienmärkten fest2). Die extrem hohen Marktkapitalisierungen wie auch die darauf fol- genden Kurskorrekturen könnten nicht mehr mit den allgemein angewendeten Verfahren auf Basis fundamentaler Daten erklärt werden3). Tra- ditionelle Bewertungsmethoden,wie die DCF-Be- wertung,seien hier folglich nicht (immer) ange- messen4).

Allerdings müssen diese Schwankungen nicht auf Schwächen der angewendeten Methoden basieren. Vielmehr kann auch der Mangel an verlässlichen Inputs,die für eine Bewertung mit traditionellen Verfahren,wie dem DCF- Verfahren,erforderlich sind,ursächlich sein:

Sowohl die Prognose der künftigen Cash- flows wie auch die des adäquaten Diskontie- rungsfaktors bereiten hier Probleme. Ferner kann die beobachtbare Volatilität der Markt- werte auch auf die Unsicherheit der Bewerter, also der Anleger,hinsichtlich der richtigen Anwendung der Verfahren zurückgeführt wer- den.

Anstatt neue Ansätze zu entwickeln,ist die zen- trale Zielsetzung dieses Artikels,Möglichkeiten aufzuzeigen,wie die Anwendbarkeit des DCF- Ansatzes für die Bewertung von Biotechnologie- Unternehmen,die in der Produkt- bzw. Wirk- stoffentwicklung aktiv sind,verbessert werden kann. Hierfür werden in einem ersten Schritt Vorschläge beleuchtet,die aktuell in der Litera- tur diskutiert werden. In einem weiteren Schritt wird eine Erweiterung vorgeschlagen,die auch der Relevanz immaterieller Werte Rechnung trägt.

II. Grundlagen zur Einsatzfähigkeit DCF- basierter Ansätze in der Biotechnologie- Branche

Der Entwicklungs- und Zulassungsprozess im Bereich der Biotechnologie setzt sich aus mehre- ren,relativ gut voneinander abgrenzbaren,Pha- sen zusammen. Dieser Prozess ist in Abb. 1 dar- gestellt5):

In der Discovery-Phase suchen Chemiker und Biologen nach potenziellen neuen Wirkstoffen.

Molekulare Verbindungen,die die nächsten Pha- sen erreichen,werden als new molecular enti- ties (NMEs) oder als new chemical entities (NCEs) bezeichnet. Im Rahmen der präkli- nischen Phase wird der neue Wirkstoff dann hinsichtlich seiner pharmakologischen Wirk- samkeit und toxikologischen Eigenschaften im Labor (in vitro) und an Tieren überprüft. Übli- cherweise wird bereits zu diesem Zeitpunkt der Wirkstoff patentiert. Soll der Wirkstoff nun in den klinischen Testphasen weiter entwickelt und geprüft werden,bedarf es mittels einer ¹In- vestigational New Drug Applicationª (IND) der Zulassung durch die zuständige Behörde (z.B.

Prof. Dr. Lutz Kaufmann, MBA, Inhaber des Herbert-Quandt- Stiftungslehrstuhls für Betriebs- wirtschaftslehre, insb. Interna- tionales Management, WHU ± Otto Beisheim Hochschule, Val- lendar. Bevorzugte Forschungs- schwerpunkte: Strategisches Management & Controlling.

Dipl.-Kfm. Christopher Ridder, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Biopharma Management Center (BMC) und dem Herbert-Quandt-Stiftungs- lehrstuhl für Internationales Ma- nagement, WHU ± Otto Beisheim Hochschule, Vallendar. Bevor- zugte Forschungsschwerpunkte:

Strategisches Mangement &

Controlling, Pharma- und Bio- technologie-Branche.

Die Autoren danken ihren Pra- xispartnern und den Gutachtern für ihre konstruktiv-kritische Un- terstützung.

Abb. 1: Entwicklungsprozess für Medikamente (mit durchschnittlichen Entwicklungszeiten)

1) Vgl. Ramanathan, Building on Kellogg and Charnes, An Approach to the Valuation of Biotechnology Companies, Research Paper, 2002, S. 4.

2) Vgl. Hommel, Börsenzeitung, Beilage Biotechnologie 2001 S. B5.

3) Vgl. Krings/Diehm, ST 2001 S. 1133; Keiber/Kronimus/

Rudolf, ZfB 2002 S. 736.

4) Vgl. Schäfer/Schässburger, FB 2000 S. 586.

5) Vgl. zum Entwicklungsprozess z.B. DiMasi/Grabowski/Ver- non, International Journal of the Economics of Business 1995 S. 202 f.; Arojärvi, How to Value Biotechnology Firms: A Study of Current Approaches and Key Value Drivers, Master's Thesis, 2001, S. 30 f.

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Food and Drug Administration). In den kli- nischen Testphasen wird das Medikament nun an Menschen getestet. In der ersten klinischen Testphase an gesunden Menschen,in der zwei- ten und dritten an Patienten. Nach Abschluss dieser Tests wird eine ¹New Drug Applicationª (NDA) an die Zulassungsbehörde übergeben mit dem Ziel der Zulassung. Der Entwicklungspro- zess dauert insgesamt ca. 10-15 Jahre und ver- ursacht Kosten i.H.v. bis zu 800 Mio. $6). Für die einzelnen Entwicklungsstufen sind Wahrscheinlichkeiten bekannt,mit denen ein Produkt letztendlich bis zur Marktreife ent- wickelt wird. So beträgt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit,ein Produkt auf den Markt zu bringen,das am Beginn der ersten klinischen Testphase steht,ca. 20%7).

Eine solche Wahrscheinlichkeit ist allerdings nicht unternehmensspezifisch. Sie ist vielmehr ein Durchschnittswert,der auf Erfahrungswer- ten aus einer sehr groûen Zahl an Medikamen- ten-Entwicklungsprozessen basiert.

Für die Anwendung des DCF-Ansatzes müssen nun zwei Gröûen prognostiziert werden. Zum einen werden die künftigen (erwarteten) Zahlungsüberschüsse benötigt. Deren Bestim- mung ist bei stark wachsenden,jungen Unternehmen mit vergleichsweise groûen Pro- blemen behaftet. Insbesondere das hohe Gewicht des Restwerts,also des Teils des Unternehmenswerts,der auf die nicht mehr

¹genauª schätzbare Planperiode entfällt,stellt ein schwerwiegendes Problem dar. Zudem ist es nicht ausreichend,die absolute Höhe der anfallenden Cash-flows zu schätzen. Vielmehr bedarf es für die Berechnung von Erwartungs- werten zusätzlich einer Prognose der Wahr- scheinlichkeiten,mit denen diese Cash-flows anfallen. Da der Entwicklungsprozess im Biotechnologiebereich äuûerst kostenintensiv ist,und die Fehlschlagrisiken sehr hoch sind, kommt der Approximation der Erfolgswahr- scheinlichkeiten im Entwicklungsprozess eine besondere Bedeutung zu. Auch der hohe Innovationsgrad im Rahmen der Medikamen- tenentwicklung,der von Medikament zu Medikament stark differiert8),erschwert eine Prognose der Erfolgswahrscheinlichkeiten. Eine bloûe Übertragung bereits aus vorangegange- nen Medikamentenentwicklungen bekannter Erfolgswahrscheinlichkeiten kann aus den genannten Gründen keine befriedigende Lösung sein.

Zum anderen wird für die Barwertbestimmung ein Diskontierungsfaktor benötigt. Im Rahmen des DCF-Ansatzes wird dieser i.d.R. mit Hilfe des Capital Asset Pricing Model (CAPM) abgelei- tet. Allerdings setzt das CAPM eine Börsennotie- rung des zu bewertenden Unternehmens vo- raus9). Da jedoch nur ein relativ kleiner Teil der Biotechnologie-Unternehmen börsennotiert ist (in Europa lag im Jahr 2001 der Anteil der bör- sennotierten Biotechnologie-Unternehmen an allen Unternehmen dieser Branche bei knapp 6%10)),ist eine solch direkte,kapitalmarktorien- tierte Ableitung in den meisten Fällen nicht möglich. Ein Ansatz zur Lösung dieses Pro-

blems sieht die Literatur in der Verwendung von Betas vergleichbarer Unternehmen oder Bran- chenbetas11).

III. Weiterentwicklungen des DCF-Ansat- zes auf Basis der Entscheidungsbaum- Methode zur Erhöhung der Bewertungs- genauigkeit

1. Grundlegendes zur Entscheidungsbaum- Methode

Ansätze,wie Erfolgswahrscheinlichkeiten im Entwicklungsprozess in die Bewertung einbezo- gen werden können,finden sich mittlerweile in der Literatur. Diesen Ansätzen ist gemein,dass sie auf dem Gedanken der Entscheidungsbaum- Methode basieren12). Diese Betrachtungsweise bietet sich aufgrund der Beschaffenheit des Me- dikamenten-Entwicklungsprozesses an. Am En- de jeder Phase wird das Projekt entweder fort- gesetzt oder abgebrochen. In Abb. 2 ist ein Ent- scheidungsbaum für den Bereich der Biotech- nologie dargestellt.

Hierbei steht pi für die Wahrscheinlichkeit,die nächste Entwicklungsstufe zu erreichen und (1 ± pi) dafür,die Medikamentenentwicklung abzubrechen bzw. abbrechen zu müssen. Ferner wird in Abb. 2 anhand der ersten klinischen Testphase grafisch verdeutlicht,dass für die ein- zelnen Phasen die Zahlungsströme nicht mit Si- cherheit bestimmt werden können. So können, je nach Entwicklungsfortschritt,Auszahlungen in unterschiedlicher Höhe anfallen. Beispiels- weise kann es erforderlich werden,bei noch nicht ausreichend gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich der Verträglichkeit des in der Ent- wicklung befindlichen Medikaments weitere Studien durchzuführen,was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.

6) Darüber, wie hoch die Kosten der Medikamentenentwick- lung tatsächlich sind, wird in der Literatur heftig diskutiert.

Einen Überblick hierzu geben z.B. der U.S. Congress, Of- fice of Technology Assessment, Pharmaceutical R&D:

Costs, Risks and Rewards, 1993, S. 47 ff.; Pharmaceutical Research and Manufacturers of America, Pharmaceutical Industry Profile, 2002, S. 20 f. oder auch Rudolf/Witt, Be- wertung von Wachstumsunternehmen, 2002, S. 170. Vgl.

hierzu auch die Ausführungen in Abschn. III. 2.

7) Zu Erfolgswahrscheinlichkeiten im Medikamentenentwick- lungsprozess vgl. z.B. Stewart/Allison/Johnson, Nature Biotechnology 2001 S. 6; Pharmaceutical Research and Manufacturers of America, a.a.O. (Fn. 6), S. 20. Eine Über- sicht über Erfolgswahrscheinlichkeiten, wie sie in der Lite- ratur angegeben werden, gibt Arojärvi, a.a.O. (Fn. 5), S . 57 f.

8) So wird das Entwicklungsrisiko von Me-Too-Produkten (bzw. Analogpräparaten), also von Produkten, die auf be- kannten Mechanismen aufbauen, geringer sein als bei- spielsweise von solchen, die auf einer vollständig neuen Technik basieren.

9) Zum CAPM vgl. z.B. Brealey/Meyers, Principles of Corpora- te Finance, 6. Aufl. 2000, S. 195 ff.; Perridon/Steiner, Fi- nanzwirtschaft der Unternehmung, 10. Aufl. 1999, S. 261 10) Vgl. Ernst & Young, Beyond Borders ± The Global Biotech-ff.

nology Report 2002, 2002, S. 10.

11) Vgl. Rudolf/Witt, a.a.O. (Fn. 6), S. 77; Bühner, Der Sharehol- der Value Report ± Erfahrungen, Ergebnisse, Entwicklun- gen, 1994, S. 25; Gorny/Rosenbaum, FB 2002 S. 488 f.

12) Selbst der Realoptionsansatz wird in der Literatur als ver- besserte Entscheidungsbaumanalyse bezeichnet; vgl. hier- zu z.B. Trigeoris, Real Options, Managerial Flexibility and Strategy in Resource Allocation, 1996, S. 152.

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Für die jeweiligen Perioden-Cash-flows gilt:

E(Ci) steht für den Erwartungswert des Cash- flows innerhalb einer Periode i,der sich als ge- wichteter Durchschnitt aller möglichen Cash- flows der betrachteten Periode ergibt. qi,j be- zeichnet hierbei die Wahrscheinlichkeit,mit der ein bestimmter Cash-flow Ci,j in der jeweiligen Periode i anfällt. Die Anzahl möglicher Peri- oden-Cash-flows wird mit n bezeichnet. Der (aus heutiger Sicht) erwartete Cash-flow einer Periode wird in zwei Stufen berechnet. Zunächst wird,wie in (1) dargestellt,ein Erwartungswert des Cash-flows für Periode i berechnet. Formel (1) gilt allerdings nur dann,wenn sich das in der Entwicklung befindliche Produkt gerade am Beginn der Periode i befindet. Daher muss oben stehende Formel in einem weiteren Schritt noch um eine Gewichtung mit der Wahrscheinlichkeit für das Erreichen der zugehörigen Periode in

Abhängigkeit vom aktuellen Entwicklungsstand erweitert werden.

Diese Erreichungswahrscheinlichkeiten pi,kwer- den in Abb. 2 für die Discovery-Phase exempla- risch dargestellt. Für p1,4z.B. gilt13),dass p1,4= p1” p2” p3.

Allgemein gilt für ein Produkt,das sich in der Phase k befindet,dass folgender Cash-flow der Phase i erwartet werden kann:

2. Risk-adjusted Net Present Value-Ansatz Als ein entscheidungsbaumbasierter Ansatz wird von Stewart/Allison/Johnson der Risk-ad-

Abb. 2: Entscheidungsbaum für die Medikamentenentwicklung

13) Eine solche Berechnung der Wahrscheinlichkeiten setzt statistische Unabhängigkeit voraus. Hiervon soll verein- fachend ausgegangen werden. Eine solche Annahme er- scheint vertretbar, da in den verschiedenen Testphasen an unterschiedlichen Personengruppen unterschiedliche Ei- genschaften überprüft werden.

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justed Net Present Value-Ansatz vorgeschla- gen14). Im Rahmen dieses Ansatzes werden die periodenspezifischen Cash-flows mit den zugehörigen Erfolgs- bzw. Eintrittswahrschein- lichkeiten gewichtet. Da,gemäû der Darstel- lung von Stewart/Allison/Johnson,für die Ge- wichtung durchschnittliche und keine unter- nehmensspezifischen (Erfolgs-) Wahrschein-

lichkeiten verwendet werden (vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. II. 4),müsste dieser Ansatz eigentlich ¹Average Risk-adjus- ted Net Present Value-Ansatzª heiûen. Formal lässt sich der Ansatz folgendermaûen darstel- len:

Entwicklungsphase

Symbol/

Berechnung Klinische I Klinische II Klinische III Zulassung

Gesamt- kosten über alle Phasen

Periode 1,2 3,4 5,6 7,8

Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt bis zur Markt-

reife entwickelt wird Ri 20% 30% 67% 81%

Wahrscheinlichkeit für das Erreichen der nächsten

Phase Ri-1/ Ri 67% 45% 83% 81%

Aktuelle Wahrscheinlichkeit für das Erreichen der i-ten

Phase R0/ Ri 100% 67% 30% 25%

Anzahl Testpersonen 70 300 4 500

Kosten pro Person 11 000 12 000 7 000

Einmalkosten 1 500 000

Kosten für Tierversuche 700 000 1 200 000 1 700 000

Gesamtkosten Ci 1 470 000 4 800 000 33 200 000 1 500 000 40 970 000

Risiko-adjustierte Gesamt-

kosten Ci” R0/ Ri 1 470 000 3 200 000 9 910 448 370 370 14 950 818

Barwerte der Risiko-adjus-

tierten Gesamtkosten [Ci” R0/ Ri] /

(1+r)i 1 292 947 2 368 974 6 175 194 194 241 10031 355

Vermarktungsphase

Periode 9 10 11 12 13 14

Cash-flow 5 000 000 7 000 000 9 000 000 14 000 000 20 000 000 22 000 000

Risiko-adjustierte

Cash-flows 1 000 000 1 400 000 1 800 000 2 800 000 4 000 000 4 400 000

Barwert der Risiko-

adjustierten Cash-flows 460 428 591 375 697 559 995 497 1 304 715 1 316 684

Periode 15 16 Gesamt Restwert**

Cash-flow 15 000 000 17 000 000 109 000 000 5 000 000

Risiko-adjustierte

Cash-flows 3 000 000 3 400 000 21 800 000 1 000 000

Barwert der Risiko-

adjustierten Cash-flows 823 614 856 357 7 046 230 2 355 486

Gesamtbetrachtung

Barwert der Entwicklungs-

kosten

Barwert der Cash-flows nach Markt-

einführung Restwert Risk-adjusted NPV

± 10 031 355 7 046 230 2 355 486 ± 629 639

* Alle angegebenen Cash-flows sind erwartete Cash-flows, also die mit Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten, durchschnittlichen Cash-flows.

** Die Cash-flows fallen ab Periode 17 in angegebener Höhe jährlich an und bleiben konstant. Der Restwert ergibt sich dann als ewige Rente dieser periodischen Cash-flows. Ob eine solche Konstanz der Cash-flows realistisch ist, hängt vom Produkt und der Konkurrenzsituation ab.

Tab. 1: Bewertung der BioMed AG mit dem Risk-adjusted Net Present Value-Ansatz nachStewart/Allison/Johnson (BetraÈge inE)*

14) Vgl. Stewart/Allison/Johnson, a.a.O. (Fn. 7).

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Cisteht hierbei für den Cash-flow15)in der Peri- ode i,R0 für die aktuelle Wahrscheinlichkeit, den Entwicklungsprozess erfolgreich abzu- schlieûen und damit letztendlich Umsätze zu er- zielen (entspricht in Abb. 2 der Wahrscheinlich- keit p1,816)). Ri ist hingegen nicht die aktuelle, sondern die in Periode i vorliegende Wahr- scheinlichkeit,das Produkt bis zur Marktreife zu entwickeln (entspräche in obiger Notation pi,8,mit i > 1). R0/Riist die heute vorliegende Wahrscheinlichkeit,die in Periode i anfallenden Cash-flows zu generieren,also die Periode i bzw. diesen Entwicklungsstand zu erreichen (und entspricht damit p1,k). Der Diskontierungs- faktor wird mit r umschrieben17). Mit n wird in diesem Phasenmodell die letzte Periode bezeich- net,für die Kosten bzw. Auszahlungen und Erlö- se bzw. Einzahlungen genau geplant werden. Im Restwert hingegen werden die Cash-flows aller weiteren Perioden erfasst,die mit der konstan- ten Wachstumsrate g wachsen.

Dieser Bewertungsansatz wird im nachstehen- den Beispiel anhand eines fiktiven Biotechnolo- gie-Unternehmens,der BioMed AG,dargestellt.

Hierzu werden folgende Annahmen getroffen:

l Die BioMed AG ist ein Einproduktunterneh- l men.Sie hat aktuell keine Produkte auf dem Markt und hat die präklinische Entwicklung des einzigen Produkts der ¹Pipelineª bereits ab- geschlossen.

l Das fertig zu entwickelnde Produkt befindet sich gerade am Beginn der ersten klinischen Testphase.

l Alle klinischen Testphasen und die Zulas- sungsphase umfassen aus Gründen der Ver- einfachung zwei Jahre.

l Die Kosten der klinischen Testphasen und der Zulassung fallen jeweils hälftig in den beiden Jahren an.

l Alle Zahlungen erfolgen zu Jahresbeginn.

l Ferner werden zur Vereinfachung alle Kosten als auszahlungswirksam und alle Erlöse als einzahlungswirksam angenommen. Daher wird im Folgenden nicht zwischen diesen Be- griffen unterschieden.

l Die BioMed AG liegt hinsichtlich aller bewer- tungsrelevanter Einflussfaktoren im Bran- chendurchschnitt. Damit ± und nur damit ± können die für die Branche im Durchschnitt gültigen Erfolgswahrscheinlichkeiten im Ent- wicklungsprozess auf das Bewertungsobjekt angewendet werden.

Für die Diskontierung wird ein Kapitalkosten- satz von 9% angesetzt,also ein für die Berech- nung von Entwicklungskosten in der Pharma- und Biotechnologie-Branche üblicher Zins- satz18). Für das Anwendungsbeispiel ergibt sich ein negativer Risiko-adjustierter Barwert (der in diesem Fall dem Unternehmenswert entspricht) i.H.v. ± 629 639E(vgl. Tab. 1 auf S. 451). Hier- nach ist die Entwicklung des betrachteten Medi- kaments ökonomisch nicht sinnvoll19). Eine sol- che ökonomische Beurteilung hängt,wie aus

dem vorangegangenen Beispiel ersichtlich,in starkem Maûe von der Höhe der verwendeten Eintrittswahrscheinlichkeiten ab,da diese als Gewichte für die jeweiligen Perioden-Cash-flows herangezogen werden. Allerdings ist eine solche Vorgehensweise kein wirklich innovatives Kon- zept. Auch bei korrekter Anwendung des ¹tradi- tionellenª DCF-Verfahrens muss eine entspre- chende Anpassung der Cash-flows vorgenom- men werden. Daher kann der oben dargestellte Ansatz lediglich als Verdeutlichung der für die Anwendung des DCF-Verfahrens notwendigen Vorgehensweise angesehen werden. Folglich wird der Risk-adjusted Net Present Value-Ansatz auch nicht zu einer höheren Genauigkeit der Unternehmenswertermittlung im Bereich for- schungsintensiver Unternehmen führen,als dies bei korrekter Anwendung des DCF-Ansatzes in seiner Grundform möglich wäre.

3. Expected Net Present Value-Ansatz

VonKelloggundCharneswird ein ähnlicher An- satz zur Bewertung von Biotechnologie-Unter- nehmen vorgeschlagen20). Formal wird der An- satz von den Autoren wie folgt dargestellt:

Hierbei steht i für die Stufen des Entwicklungs- prozesses21), pifür die Wahrscheinlichkeit,den Cash-flow einer bestimmten Entwicklungsstufe i zu erreichen,und T für den Zeitpunkt,ab dem alle zukünftigen Cash-flows null werden. Ferner unterscheiden die Autoren zwischen zwei ver- schiedenen Cash-flows und auch Diskontie- rungsfaktoren. CFDi,t (Discovery Cash-flows) steht für die (erwarteten22)) Cash-flows des Ent-

15) Stewart/Allison/Johnson (a.a.O. [Fn. 7]) gehen nicht da- rauf ein, dass auch für eine Periode verschiedene Cash- flows möglich sind und daher ein Erwartungswert berech- net werden muss.

16) Bei Vergleichen mit der Notation aus Abb. 2 wird im Fol- genden angenommen, dass sich die Medikamentenent- wicklung in der Discovery-Phase befindet.

17) Es handelt sich hierbei um den WACC, den gewichteten Kapitalkostensatz. Dieser sollte nach Möglichkeit mit Hilfe des CAPM ermittelt werden; vgl. hierzu z.B. Brealey/Mey- ers, a.a.O. (Fn. 9) , S. 195 ff. Auf weitere Ausführungen zur Ermittlung des Kapitalkostensatzes wird bewusst verzich- 18) Einen Überblick über die in Studien zu den Kosten des Ent-tet.

wicklungsprozesses verwendeten Kapitalkostensätze gibt der U.S. Congress, Office of Technology Assessment, a.a.O. (Fn. 6), S. 49.

19) Die Gesamtkosten sind im vorliegenden Beispiel im Ver- gleich zu anderen Quellen relativ niedrig, da nur die Kos- ten der klinischen Testphasen I ± III einbezogen wurden (für das Produkt wurde die IND bereits erfolgreich abge- schlossen). Vgl. hierzu auch Fn. 6.

20) Vgl. Kellogg/Charnes, Financial Analysts Journal 5/6 2000.

21) Bei Kellogg und Charnes umfasst der Entwicklungsprozess nur sieben Phasen, da sie das Einreichen der Investigatio- nal New Drug Application (IND) nicht als eigene Phase ansehen.

22) Kellogg und Charnes gehen im Rahmen ihrer Darstellung, wie Stewart/Allison/Johnson (a.a.O. [Fn. 7]) auch, nicht darauf ein, ob es sich bei den angegebenen Cash-flows um Erwartungswerte handelt. Dies wird hier unterstellt.

Vgl. hierzu auch die Ausführung in Fn. 15 zum Risk-adjus- ted Net Present Value-Ansatz.

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(6)

wicklungsprozesses zum Zeitpunkt t,die mit dem Diskontierungsfaktor rdabgezinst werden, CFCj,t(Commercialization Cash-flows) hingegen für die Cash-flows,die nach Kommerzialisie- rung des Medikaments zum Zeitpunkt t mit der Qualität j anfallen. Diese werden mit einem Zinssatz rc (12,9%) diskontiert, wobei dieser oberhalb von rd(9,8%) liegt.KelloggundChar- nesstützen sich hierbei auf Studien vonMyers/

Howe und Myers/Shyam-Sunder23). Für die Cash-flows aus der Kommerzialisierung des Me- dikaments berechnen die Autoren einen Erwar- tungswert E(CFC). Dieser ergibt sich als Durch- schnitt aller (in ihrem Beispiel fünf) möglichen Cash-flows. Hierfür werden die möglichen Cash- flows mit den zugehörigen Eintrittswahrschein- lichkeiten qj gewichtet. Diese Vorgehensweise ist allerdings nur dann vollständig,wenn das Produkt bereits fertig entwickelt wurde. Befindet sich das Medikament hingegen noch im Ent- wicklungsprozess,muss dieser Erwartungswert zusätzlich mit der zugehörigen Eintrittswahr- scheinlichkeit pi gewichtet werden (entspricht in Formel (4) dann E(CFCi)).

Da dieser Ansatz dem Risk-adjusted Net Present Value-Ansatz abgesehen von der Notation in weiten Teilen entspricht,bedarf es an dieser Stelle keines weiteren Zahlenbeispiels.

Das grundlegende Problem bei der Anwendung des ¹traditionellenª,wie auch des Risk-adjusted Net Present Value-Ansatzes und des Expected Net Present Value-Ansatzes ist in der Verwen- dung durchschnittlicher Erfolgs- bzw. Eintritts- wahrscheinlichkeiten zu sehen. Es ist nicht nachvollziehbar,warum ein kleines Biotech- nologie-Unternehmen ohne jegliche Partner- schaften mit der gleichen Wahrscheinlichkeit ein Produkt bis zur Marktreife entwickeln kann wie eines,das verschiedene Partnerschaften mit groûen,finanzstarken und erfahrenen Phar- maunternehmen aufweist. Daher erscheint es notwendig,eine Anpassung der Erfolgswahr- scheinlichkeiten im Entwicklungsprozess an die jeweiligen Besonderheiten des betrachteten Un- ternehmens vorzunehmen. Dies ist auch der dem nachfolgend beschriebenen Ansatz zugrun- de liegende Gedanke.

4. Adjustierung der Fehlschlagwahrscheinlich- keiten im Entwicklungsprozess ± Individual Risk-adjusted Net Present Value-Ansatz

a) Grundlegendes

Der Wert forschungsintensiver Unternehmen hängt entscheidend von der Existenz immate- rieller Ressourcen ab. Solche Werte,wie Partnerschaften,Humankapital u.¾.,sind in hohem Maûe erfolgs- und damit wertentschei- dend. Die Einbeziehung solcher meist qualitati- ver Gröûen erscheint damit auch für den Bereich der Bewertung von Biotechnologie- Unternehmen als wichtiger Baustein. Solch

¹non-financial informationª muss hinsichtlich ihres Einflusses auf die Bewertung analysiert werden,um sie dann entweder eigenständig, besser aber in Kombination mit quantitativen Informationen,zur Bewertung heranziehen zu können24). Insbesondere bei der Bewertung von High-Tech-Unternehmen mit hohen Wachs- tumsraten sollten qualitative Informationen

hinzugezogen werden25),um nicht vollständig von Durchschnittswerten (wie den weiter oben verwendeten Wahrscheinlichkeiten) in Verbin- dung mit prognostizierten Gröûen abhängig zu sein.

b) Ansatz

Eine Möglichkeit der Kombination schlagen die Autoren mit dem Individual Risk-adjusted Net Present Value-Ansatz (IRA-NPV) vor. Dieser An- satz ermöglicht eine Berücksichtigung der im- materiellen Ressourcen des zu bewertenden Un- ternehmens und führt damit zu einer höheren Bewertungsgenauigkeit. Formal kann der An- satz wie folgt dargestellt werden:

Dieser Ansatz ist formal dem (Average) Risk-ad- justed Net Present Value-Ansatz sehr ähnlich. Es wurden jedoch zwei Erweiterungen vorgenom- men: Zunächst wurde der gesamte Betrach- tungshorizont in drei Phasen aufgeteilt. Die Pha- se A umfasst den gesamten Entwicklungszeit- raum. In dieser Phase fallen nur Kosten (bzw.

Auszahlungen) an26). Die Phase B entspricht dem Zeitraum zwischen Fertigstellung des Pro- dukts und Ende des Patentschutzes. Allerdings kann hier nicht der gesamte Zeitraum des Pa- tentschutzes,der oftmals 20 Jahre umfasst,an- gesetzt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Wirkstoff oftmals bereits während der präklinischen Entwicklungsphase patentiert wird. Dies bewirkt,dass sich der effektive Pa- tentschutz (der nach Markteinführung des Me- dikaments) meist auf nur 11-12 Jahre beläuft27). Für diesen Zeitraum müssen die Cash-flows ex- plizit geplant werden. Der Restwert (Phase C), als dritter Bestandteil,beinhaltet alle übrigen Zahlungsströme nach Ablauf des Patentschut- zes. Diese Cash-flows ab Phase C werden aller- dings nicht mehr detailliert für jede Periode ge- plant. Für die Berechnung wird vielmehr ein für alle Phasen konstanter oder ein sich mit kon- stanter Rate g verändernder Cash-flow verwen- det.

Verschiedene Gründe sprechen für diesen Auf- bau. Zum einen ist ein solcher Aufbau ein Ab- bild des Lebenszyklus eines Medikaments und bietet sich daher intuitiv an (vgl. Abb. 3 auf S. 454). Zum anderen sollte der Restwert so

23) Vgl. Myers/Howe, A Life- Cylce Financial Model of Phar- maceutical R&D, Program on the Pharmaceutical Industry, 1997; Myers/Shyam-Sunder, in: Helms (Hrsg.), Competiti- ve Strategies in the Pharmaceutical Industry, 1996.

24) Vgl. Arojärvi, a.a.O. (Fn. 5), S. 69.

25) Vgl. Shevlin, Journal of Accounting & Economics 1996 S. 32.

26) Von möglichen Einzahlungen aus Lizenzverträgen schon vor Fertigstellung des Produkts wird hier bewusst abge- sehen.

27) Vgl. die Ausführungen zum Hatch-Waxman Act bei Phar- maceutical Research and Manufacturers of America, a.a.O. (Fn. 6), S. 30 f.

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klein wie möglich gehalten werden,denn das meist hohe Gewicht des Restwerts am Gesamt- unternehmenswert stellt ein schwerwiegendes Problem bei der Anwendung des DCF-Ansatzes dar28). Zwar ist bereits die Planung der Cash- flows der zweiten Phase mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Allerdings ver- schärft sich dieses Problem noch,wenn der Pa- tentschutz fällt und Konkurrenten Nachahmer- produkte (Generika) anbieten. Daher sollte zu- mindest der Versuch unternommen werden,für die zweite Phase eine Planung der perioden- bezogenen Cash-flows vorzunehmen.

Die zweite Neuerung liegt in der Anpassung der Erfolgswahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit vom Vorliegen spezifischer Werttreiber. Hiermit wird dem starken Einfluss immaterieller Res- sourcen auf die Erfolgswahrscheinlichkeiten im Entwicklungsprozess Rechnung getragen. Der Ansatz stellt explizit die Besonderheiten des je- weils zu bewertenden Unternehmens in den Vordergrund. Diese Besonderheiten liegen im Wesentlichen im Vorhandensein bestimmter im- materieller Ressourcen. Einen positiven Einfluss werden beispielsweise (über den Branchen- durchschnitt hinausgehende) Partnerschaften oder auch besondere Beziehungen zu For- schungsnetzwerken oder Zulassungsbehörden haben. Diese müssen dann,je nach Ausprä- gung,angemessen in der Bewertung berücksich- tigt werden. Anstatt jedoch die Höhe der Cash- flows selbst anzupassen,schlagen wir vor,die Erfolgswahrscheinlichkeiten im Entwicklungs- prozess zu adjustieren.

c) Bewertung der BioMed AG mit dem IRA-NPV- Ansatz

Anhand einer Weiterführung des obigen Bei- spiels wird im Folgenden der IRA-NPV-Ansatz verdeutlicht. Hierzu wird folgende weitere An- nahme getroffen:

Das fiktive Biotechnologie-Unternehmen ging zu Beginn der präklinischen Phase zur Unter- stützung der Forschung eine Partnerschaft mit einem groûen Pharmaunternehmen ein. Im Rah- men dieser Allianz kann das Biotechnologie-Un- ternehmen auf das Wissen (den Humankapital- bestand) des Pharmaunternehmens zugreifen.

Hierdurch sei das fiktive Biotechnologie-Unter- nehmen in der Lage,ein Medikament zu ent- wickeln,das weniger Nebenwirkungen auf- weist,als es ohne den Kooperationspartner möglich gewesen wäre. Dies führt zu einer Erhö- hung der Erfolgswahrscheinlichkeiten (und da- mit zu einer Reduzierung der Fehlschlagwahr- scheinlichkeiten) im Entwicklungsprozess.

Die Adjustierung der Wahrscheinlichkeiten hat unmittelbar ein Ansteigen der erwarteten (Risi- ko-adjustierten) Kosten (Auszahlungen) zur Fol- ge,da diese schlieûlich nun mit einer höheren Wahrscheinlichkeit anfallen29). Allerdings stei- gen nicht nur die Erwartungswerte der Kosten (Auszahlungen),sondern auch die der Erlöse (Einzahlungen). Sowohl der Barwert der Risiko- adjustierten Cash-flows der zweiten Phase B (Restlaufzeit des Patents) wie auch der Restwert (Phase C nach Ablauf des Patentschutzes) wer- den nun aufgrund der höheren Eintrittswahr- scheinlichkeit ansteigen.

Wie Abb. 4 zeigt,reicht bereits eine Anpassung der Erfolgswahrscheinlichkeit Ri um 3% aus, um den IRA-NPV positiv werden zu lassen. Dies

Abb. 3: Cash-flowStruktur der BioMed AG

28) Diese Vorgehensweise führt allerdings dazu, dass auch für relativ weit in der Zukunft liegende Perioden (in dem hier gewählten Beispiel bis zu 16 Jahre) Zahlungsströme prognostiziert werden müssen. Dies wird sich negativ auf die Qualität der Prognose auswirken, da die Schätzung so weit in der Zukunft liegender Cash-flows mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist.

29) Weitere Effekte der Zusammenarbeit, wie beispielsweise geringere Kosten in den klinischen Testphasen oder auch bessere Finanzierungsaussichten, werden nicht berück- sichtigt.

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wiederum macht unmittelbar deutlich,dass eine Berücksichtigung der individuellen Situation des zu bewertenden Unternehmens unabding- bar für eine adäquate Bewertung ist.Ramanat- han kommt in seiner Arbeit,die auf dem Auf- satz von Kellogg/Charnes aufbaut,zu dem Er- gebnis,dass zur Erklärung der am Markt beob- achtbaren Kurse eine Adjustierung der Erfolgs- wahrscheinlichkeiten insbesondere dann wich- tig ist,wenn sich das zu entwickelnde Produkt schon in späteren Entwicklungsphasen befin- det30). Diese Aussage wird auch vonKelloggund Charnes gestützt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für Medikamente,die erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen,keine solche Adjustierung vorgenommen werden muss. Vielmehr zeigt das Ergebnis,dass die Adjustierung für solche jun- gen Projekte vom Markt offenbar nicht durch- geführt wird. Dies dürfte auf das mangelnde Wissen darüber zurückzuführen sein,wie,hin- sichtlich Richtung und Ausmaû,die Anpassung vorgenommen werden muss. Daher ist es wich- tig,diese Informationslücke beispielsweise mit dem hier vorgeschlagenen Ansatz zu schlieûen.

d) Offene Forschungsfragen

Den Verfassern ist bewusst,dass noch erhebli- che Forschungsarbeit zu leisten ist,bis der IRA- NPV-Ansatz ausgereift ist. So wird die Operatio- nalisierung,also die Messbarmachung,oben ge- nannter qualitativer Faktoren und deren Trans- formation in adjustierte Wahrscheinlichkeiten das Hauptproblem darstellen. Es müssen folgen- de Fragen geklärt werden:

l Welche Faktoren beeinflussen die Erfolgs- wahrscheinlichkeiten im Entwicklungspro- zess (z.B. Partnerschaften,Humankapital- bestand,Art und insbesondere Innovations- grad des zu entwickelnden Medikaments)?

l Wie können diese Faktoren gemessen wer- den? Anhand welcher Gröûe(n) kann bei- spielsweise der Humankapitalbestand ermit- telt werden?

l Welche Ausprägung haben die den bekann- ten,durchschnittlichen Erfolgswahrschein- lichkeiten zugrunde liegenden Faktoren? Wie viele Forschungskooperationen beispielswei- se pflegt im Durchschnitt ein Biotechnologie- Unternehmen?

l Wie können diese Faktoren zwischen ver- schiedenen Unternehmen vergleichbar ge- macht werden? Wie sind beispielsweise ver- schiedene Kooperationsformen zu bewerten?

Welche Faktoren spielen hier wiederum eine Rolle (z.B. die Gröûe des Partners,die Erfah- rung der Partner im Bereich des zu ent- wickelnden Produkts)?

IV. Anwendungsbereiche

Der vorgestellte IRA-NPV-Ansatz kann sowohl zur Bewertung von Biotechnologie-Unterneh- men herangezogen werden wie auch zur Bewer- tung von F&E-Projekten der pharmazeutischen Industrie,da sich die Entwicklungsprozesse hin- sichtlich ihres Ablaufs nicht wesentlich unter-

Abb. 4: IRA-NPV der BioMed AG nach Adjustierung der Erfolgswahrscheinlichkeiten (Beträge inEbzw. TE) Adjustierung der Wahr-

scheinlichkeit Ri

Barwert der Entwick-

lungskosten Barwert der Cash-flows nach Markteinführung

Restwert IRA-NPV

±8% ±7 568 019 4 227 738 1 413 292 ±1 926 990

±6% ±8 260 458 4 932 361 1 648 840 ±1 679 257

±4% ±8 896 972 5 636 984 1 884 389 ±1 375 600

±2% ±9 485 237 6 341 607 2 119 937 ±1 023 692

+/±0% ±10 031 355 7 046 230 2 355 486 ±629 639

+2% ±10 540 290 7 750 853 2 591 035 ±198 403

+3% ±10 782 124 8 103 164 2 708 809 29 849

+4% ±11 016 147 8 455 476 2 826 583 265 912

+6% ±11 462 370 9 160 099 3 062 132 759 860

+8% ±11 881 889 9 864 721 3 297 680 1 280 513

30) Vgl. Ramanathan, a.a.O. (Fn. 1), S. 22.

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scheiden. Anwender dieses Ansatzes können zum einen externe Bewerter,zum anderen aber auch die interne Führung sein.

Für die externe Bewertung bietet das vorgestell- te Vorgehen den Vorteil,dass die Bewertung im Rahmen der Gewichtung der Cash-flows mit Wahrscheinlichkeiten nicht mehr allein auf für eine ganze Branche gültige Durchschnittswerte gestützt werden muss. Es kann nun vielmehr die individuelle Unternehmenssituation berück- sichtigt werden. Hierdurch ist eine Erhöhung der Genauigkeit des ermittelten Unternehmens- werts zu erwarten.

Im Bereich der internen Führung kann dieser Ansatz dazu verwendet werden,Investitionsent- scheidungen zu treffen. Gerade für junge Unter- nehmen,die noch nicht auf eigene Erfahrungs- werte zurückgreifen können,kann dieses Vor- gehen einen Mehrwert schaffen. Denn auch die Führung solcher Unternehmen müsste,wie ex- terne Bewerter auch,auf die aus der Vergangen- heit für die ganze Branche gültigen Werte zu- rückgreifen. Dies kann aber zu Fehlentscheidun- gen,auch im Sinne der Fehlallokation von Kapi- tal,führen. Durch Anwendung des IRA-NPV-An- satzes kann folglich eine höhere Planungs- genauigkeit erzielt werden,was wiederum posi- tive Effekte auf den Unternehmenswert haben sollte.

V. Zusammenfassung

Die Bewertung forschungsintensiver Unterneh- men,wie die der Biotechnologie-Branche,ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Ei- nige der genannten Schwierigkeiten,wie die Prognose der periodenspezifischen Cash-flows,

können auch mit Hilfe neuer Bewertungsverfah- ren nicht gelöst werden.

Neben der Schätzung der Cash-flows selbst,ist es erforderlich,deren Erwartungswerte zu berech- nen. Hierfür ist es notwendig,die Wahrschein- lichkeiten,mit denen sie anfallen,zu prognosti- zieren. Es besteht zwar die Möglichkeit,hierfür aus der Vergangenheit bekannte Durchschnitts- werte der gesamten Branche zu verwenden. Al- lerdings kann die Nutzung solcher Gröûen zu fal- schen Ergebnissen führen,da sich die Unterneh- men der Branche zum Teil erheblich unterschei- den. Daher sollten die situationsspezifischen Fak- toren des zu bewertenden Unternehmens ein- bezogen werden,um so die Genauigkeit des zu ermittelnden Unternehmenswerts zu erhöhen.

Eine solche Möglichkeit bietet der von den Ver- fassern vorgeschlagene IRA-NPV-Ansatz. Hier wird,ausgehend von Durchschnittswerten,eine Adjustierung vorgenommen,um der spezi- fischen Situation des Bewertungsobjekts Rech- nung tragen zu können. Richtung und Höhe der Anpassung sind hierbei abhängig von dem Vor- liegen qualitativer Faktoren (im Wesentlichen immaterieller Ressourcen). So können z.B.

(über den Durchschnitt der Branche hinaus- gehende) Kooperationsaktivitäten positiv auf die Erfolgswahrscheinlichkeiten im Entwick- lungsprozess wirken.

Um den vorgestellten Ansatz anwenden zu kön- nen,müssen allerdings noch Forschungsleistun- gen erbracht werden. Insbesondere der Einfluss der verschiedenen Faktoren auf die Bewertung muss bestimmt werden. Denn nur so ist deren quantitativ korrekte Einbeziehung in die Bewer- tung möglich.

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