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Archiv "Bedrohung der Haut durch die Umwelt" (14.11.1991)

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Academic year: 2022

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT KONGRESSBERICHT

Bedrohung der Haut durch die Umwelt

Unter dem sehr einprägsamen Thema The Environmental Threat to the Skin fand vom 14. bis 17. April 1991 an der Hautklinik der Universi- ty of Wales, College of Medicine in Cardiff, United Kingdom, eine inter- nationale Konferenz statt. In 60 Ein- zelvorträgen und 14 Posterpräsenta- tionen versuchten Autoren aus ver- schiedenen europäischen Ländern, den USA und Australien auf die wachsende Gefährdung des Hautor- gans, aber auch des gesamten menschlichen Organismus durch die unterschiedlichsten Faktoren in un- serer Umwelt aufmerksam zu ma- chen. Einflüsse von Sonne, Klima, ultravioletter Bestrahlung, Chemi- kalien, Arzneimittel, Arbeitsplatz, Freizeitbeschäftigungen auf die Epi- dermis und die Hautanhangsgebilde signalisieren die immer komplexer und gefährlicher werdenden Um- weltfaktoren für uns alle.

Epidemiologie, ultraviolette

Strahlung und Hautkrebs

(MacKie, Glasgow)

Alle fünf Jahre steigt die Inzi- denz des malignen Melanoms kon- tinuierlich an und variiert zwischen 5 und 10 Prozent. Die stärksten Melanomzuwachsraten werden aus Australien und Neuseeland gemel- det. In Schottland sind beispielswei- se hellhäutige Menschen mit Ar- beitsplätzen in geschlossenen Räu- men, aber häufigem Aufenthalt draußen während der Freizeit ge- fährdet.

Den überzeugendsten Beweis des direkten Zusammenhanges zwi- schen ultravioletter Bestrahlung und Nicht-Melanom-Hautkrebs (aktini- sche Keratosen als Präkanzerosen, spinozelluläres Karzinom, Basaliom) erbrachte Marks, Australien. Seit Jahren betreiben die Australier eine sehr gut organisierte Anti-Krebs- Kampagne (Anti-Cancer-Council, 1

Rathdowne Street, Carlton South, Victoria 3053, Australien).

Die Prävalenz der Nicht-Mela- nom-Hautkrebse beträgt 2 bis 5 Pro- zent der über Vierzigjährigen. Die Inzidenz liegt bei 820/100 000/Jahr.

Alleine 40 bis 50 Prozent der über 40jährigen Menschen haben aktini- sche Keratosen (in diesem Stadium noch eine Präkanzerose), und zwei von drei Menschen brauchen ärztli- che Hilfe für die Behandlung dieser Hautveränderungen, wenn sie bis zum oder über das 75. Lebensjahr in Australien leben. Mit Aufklärung über Radio, Fernsehen, Poster, An- zeigen, Vorträge, aber auch durch geschickte Einblendung von Melodi- en und Liedern in Rundfunksendun- gen werben die Australier sehr er- folgreich für ein umweltgerechtes Leben mit der Sonne: „Slip — Slop — Slap" sind drei einprägsame Worte, die etwa folgende Empfehlungen be- inhalten: "Slip into the shade" = Su- che den Schatten zwischen 11 und 14 Uhr auf, wenn die Sonne am stärk- sten ist; "Slop on a sun screen" = Tragen Sie ein Lichtschutzmittel mit einem hohen Lichtschutzfaktor auf (SPF = sun protection factor - 15);

und "Slap on a hat" = Setzen Sie ei- nen breitkrempigen Hut in den Som- mermonaten auf, da er bis zu 70 Pro- zent der ultravioletten Bestrahlung der Kopf-Hals-Nacken-Region ab- schirmt. Skeptiker, die noch immer nicht den deletären Einfluß zu inten- siver Sonnenbestrahlung auf unsere Haut erkennen wollen — die Zerstö- rung der genetischen Erbsubstanz DNS kann dann nicht mehr vollstän- dig repariert werden — sollten sich das Erkenntnismaterial der australi- schen Ärztekollegen vorlegen lassen.

Daraus sollte aber keine Hysterie für unsere sonnenärmeren Bereiche er- wachsen, obwohl auch bei uns der Zusammenhang zwischen Haut- krebs, hellhäutiger und lichtemp- findlicher Haut und zuviel Sonnen- bestrahlung nicht zu leugnen ist.

Berufskrankheiten durch ultraviolette Bestrahlung am Arbeitsplatz

(Buslau, Frankfurt)

Es wird erstmalig über die Aner- kennung einer Berufskrankheit bei einer Frau berichtet, die von 1969 bis 1990 etwa acht Stunden am Tag un- ter greller Arbeitsplatzbeleuchtung Metallteile kontrollierte. Von den Leuchten am Arbeitsplatz (Fluores- zenröhren L 58 W/25, universalweiß) wurde überwiegend UV-B und ge- ring UV-C-Strahlung emittiert. Die Frau entwickelte einen subakut ku- tanen Lupus erythematodes mit sy- stemischer Beteiligung. Zumindest die Rechtsprechung ist beachtens- wert.

Ozonloch und das nächste Jahrhundert

(Russel-Jones, London)

Eindrucksvoll berichtete dieser englische Kollege über die Vienna Convention for the Protection of the Ozon Layer, eingerichtet unter der Schirmherrschaft der United Nations Environmental Program (UNEP).

Die Hauptverbraucherorganisatio- nen und industriellen Hersteller tra- fen sich 1987 in Montreal, um Her- stellung und Verbrauch der Ozon- vermindernden Chemikalien zu re- geln; 1990 wurde das Protokoll er- heblich verschärft. Halogenierte CFC, Halone und Kohlentetrachlori- de werden bis zum Jahr 2000, Me- thylchloride bis zum Jahr 2005 von der Herstellung ausgeschlossen. Ein empfindlicher Indikator für die ge- schädigte Ozonhülle ist der Chlo- rinspiegel, der von 0,6 auf 3,0 parts per billion (ppb) innerhalb der letz- ten 50 Jahre gestiegen ist. Konserva- tive Hochrechnungen sprechen von einer jährlichen Zunahme von 150 000 Fällen von Nicht-Melanom- Hautkrebsen in den USA und 7500 in Großbritannien. Sollte bis zum Jahre 2050 die Ozonschicht um 10

Prozent abnehmen, werden

zusätz- lich 2 Millionen Nicht-Melanom- Hautkrebse und 4000 zusätzliche To- desfälle an Melanomen allein für die USA berechnet.

Dt. Arztebl. 88, Heft 46, 14. November 1991 (75) A-4031

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Hautproblem durch

Computer am Arbeitsplatz?

(Berg, Stockholm)

Diese sehr aktuelle Frage wurde in einer sorgfältigen Feldstudie ge- prüft. Glücklicherweise konnte ge- zeigt werden, daß keine objektivier- baren Hautschäden durch Computer (VDU = visual display units) am Ar- beitsplatz auftreten. Vielmehr gab es zahlreiche psychosoziale Probleme dieser Mitarbeiter, die bei der Orga- nisation des Arbeitsplatzes, insbe- sondere, wenn viel Computertätig- keit anfällt, berücksichtigt werden sollten.

Chlorakne und die Seveso-Katastrophe

(Caputo, Mailand)

Die italienische Arbeitsgruppe legte eine aktualisierte Aufarbeitung der schweren Industriekatastrophe vom 10. Juli 1976 vor, bei der 2,3,7,8-Tetra-chlorodibenzo-p-Di- oxin (TCDD) einen größeren geo- graphischen Bereich kontaminierte.

Chlorakne ist der zuverlässigste Pa- rameter einer TCDD-Vergiftung.

Chlorakne, besonders bei Kindern vor der Pubertät, ist der empfindlich- ste Indikator dieser Umweltver- schmutzung. Chlorakne betrifft be- vorzugt Kinder und Jugendliche. Die Akne-auslösende toxische Reaktion auf TCDD dauert etwa zwei Jahre;

die letzten Chloraknefälle wurden 1978 beobachtet. Glücklicherweise wies keiner der Patienten, der zu- nächst nur an Chlorakne der Haut litt, später systemische Zeichen einer Vergiftung auf. Atrophische Haut- narben sind die Spätfolgen dieses In- dustrieunglücks.

Umweltbedrohung durch Pflanzen?

(Rycroft, London)

Nicht über eine Bedrohung, aber über eine potentiale Gefähr- dung durch den Umgang im Beruf und in der Freizeit mit verschiede- nen Pflanzen wurde von diesem Lon- doner Arzt referiert. Aus Landwirt-

schaft, Gartenbaubetrieben, Forst- wesen, Floristenbetrieb etc. kommen beachtliche Meldungen von Berufs- krankheiten durch Pflanzen und Pflanzenprodukte, wobei allergische Kontaktreaktionen und toxische (nicht allergische) Phänomene gese- hen wurden. Giftiger Efeu und gifti- ge Eiche (Anacardiaceae) sind von besonderer Bedeutung in Nordame- rika; Kompositen (Asteraceae) in den USA, Australien, Indien und Euro- pa. Frulania und Moose verursachen beachtliche Berufskrankheiten bei Forstarbeitern. Der „Tulpenfinger"

ist eines der bekanntesten Beispiele der kontaktallergischen Reaktion, vornehmlich bei holländischen Tul- penzwiebelzüchtern. Die Alstrome- ria-Kontaktdermatitis nimmt neuer- dings auch bei uns zu. Für uns exo- tisch, aber in anderen Ländern der Welt ein tägliches Problem sind die schweren allergischen Hautreaktio- nen bei Pflückern von Mangofrüch- ten, oder bei Arbeitern der Cashew- nuß-Ernte und nußverarbeitenden Industrie. Auch bei deutschen Kü- chenchefs können allergische Sensi- bilisierungen auf Knoblauch, Zwie- bel, Lauch und Chicoree auftreten.

Die Abklärung des Zusammenhan- ges einer Hautallergie mit einem pflanzlichen Stoff kann erhebliche diagnostische Probleme machen. Die detektivartige Suche, chemische Identifizierung und der Nachweis durch eine sorgfältige Allergiete- stung mit dem Läppchentest (Patch- test) sind besondere Aufgaben der Berufsdermatologie.

Nesselsucht durch imprägniertes Holz

(Lambert, Antwerpen)

Ähnlich wie Asbest und Forma- lin erlebt jetzt die Gruppe der Holz- schutzmittel eine besondere, aber oft unkritische Diskussion in der Ärzte- schaft und Laienbevölkerung. Die belgische Arbeitsgruppe legte eine überraschende, aber auch überzeu- gende Studie vor, daß die chronische Exposition gegenüber Pentachlor- phenol eine hartnäckige Nesselsucht (Urtikaria) auslösen kann. Penta- chlorphenol (PCP) ist eine weitver- breitete Substanz, die zur Konservie-

rung von Holz eingesetzt wird. Der Gebrauch von Pentachlorphenol für Hölzer in umschlossenen Räumen ist geographisch nicht einheitlich gere- gelt, selbst nicht einmal innerhalb der europäischen Gemeinschaft. Die akute Vergiftung (toxische Effekte auf Phosphorilierungsprozesse) sind dem Toxikologen gut bekannt. Die belgische Arbeitsgruppe berichtete über drei Patienten, bei denen die Emanation von Pentochlorphenol aus imprägnierten Holzbalken, Tür- stöcken, Holzverkleidungen und Mö- beln zu rezidivierender Urtikaria führte. Der PCP-Serumspiegel war hoch. Nach Eliminierung der PCP- kontaminierten Hölzer bildeten sich die Hautveränderungen der Nessel- sucht vollständig zurück, und der PCP-Serumspiegel sank ab. In einem Fall führte eine PCP-Reexposition wieder zur Nesselsucht.

Die internationale Konferenz in Cardiff bot viele weitere Beispiele der Bedrohung unseres Hautorgans, aber auch des ganzen Immunsystems sowie innerer Organe durch vielfälti- ge Bestandteile aus Luft, Arbeits- stoffen, Chemikalien, Kosmetika, Nahrungsmitteln und Medikamen- ten. Nur die Erkennung der Risiko- faktoren, Aufklärung der Gesell- schaft, woher die Bedrohung kom- men kann, geschickte Maßnahmen zur Sicherung gesunder Arbeitsplät- ze, aber auch eine sinnvoll gestaltete Freizeit und Hobbytätigkeit sind er- forderlich, um Krankheiten für die Haut abzuwehren.

Die Ergebnisse dieser interna- tionalen Konferenz werden bis zum Jahresende 1991 in Buchform er- scheinen: Ronald Marks and Gerd Plewig (eds.), The Environmental Threat to the Skin, Martin-Dunitz- Publishers, London, 1991.

Professor Dr. med. Gerd Plewig Direktor der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität Frauenlobstraße 9-11

W-8000 München 2 A-4032 (76) Dt. Ärztebl. 88, Heft 46, 14. November 1991

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