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Archiv "Histokompatibilität und Autoimmunerkrankungen" (19.03.1987)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT '

DAS EDITORIAL

Histokompatibilität

und Autoimmunerkrankungen

Rudolf Gross

Autoimmunerkrankungen

Im Deutschen Ärzteblatt 1985 hatten wir zu diesen viel bearbeiteten und unsere pathogeneti- schen Vorstellungen ständig erneuernden Krankheiten bereits in einem Editorial Stellung genommen (1). An der dort vorgenommenen Aufzählung „sicherer", „wahrscheinlicher`

„möglicher" Autoimmunopathien hat sich, wie eine neueste Übersicht (2) erkennen läßt, zwischenzeitlich nicht allzu viel verändert.

Immerhin hat der Begriff der Autoimmunität die früher so häufigen Bezeichnungen wie „pri- mär" (daß heißt nicht einer bekannten Grund- krankheit zuzuordnenden), „essentiell", „au- tochthon" (aus sich selbst heraus entstehend) zusammenschrumpfen lassen. Mag sein, daß in diesem Trend die Autoimmunerkrankungen, vor allem die ohne den oft schwer zu führenden Nachweis eines Autoantikörpers, etwas über- schätzt werden; das ändert aber nichts am pathogenetischen Prinzip als solchem. Wie schon 1985 möchten wir mit Roitt (3) die wich- tigsten Arten nochmals hervorheben, indem Autoantikörper

■ erstens sowohl in der klinischen Manifesta- tion wie im Nachweis streng organspezifisch sind,

III zweitens nicht organspezifisch, aber nur an einem Organ pathogen sind,

■ drittens weder an Organen noch in den Nach- weismethoden irgendeine Organspezifität er- kennen lassen.

Zwei Erkenntnisse haben in der Zwischen- zeit Gültigkeit bekommen: Neben dem Träger der Immunität, dem retikulo-histiozytären Sy- stem (RHS) und den damit bevorzugten Gewe- ben der Hämatopoese und Lymphozytopoese — beim Erwachsenen also Knochemark oder lym- phatische Organe — sind besonders häufig die endokrinen Organe befallen, isoliert oder in Kombinationen oder als polyglanduläres Auto- immunsyndrom (4). Allerdings sind die Wech- selbeziehungen viel komplexer, als es bisher an- genommen wurde, wie zum Beispiel Federlin (5) für den Diabetes Typ I gezeigt hat. Auch zwi-

schen dem Zentralnervensystem und der Pro- duktion von Autoantikörpern bestehen überra- schende Beziehungen (6).

Weshalb gerade entwicklungsgeschichtlich so verschiedene Gewebe (Mesothel vs. Endo- thel!) in den Antigen-Antikörper-Reaktionen eine so hohe wechselseitige Affinität, haben ist meines Wissens bisher unbekannt.

Differentialdiagnosen

Für die Differentialdiagnostik bedeutet dies alles, daß bei ähnlichen klinischen Erscheinun- gen vor allem paraneoplastische Syndrome aus- zuschließen sind. Dies gilt in erster Linie, aber nicht ausschließlich, für Bronchial- und Magen- karzinome. Umgekehrt werden heute manche Defekte, wie zum Beispiel das aplastische Syn- drom, immunsuppressiv behandelt, ohne daß für die Mehrzahl Antikörper nachgewiesen wur- den. Das ist zugegebenermaßen eine schwere Entscheidung: Autoantikörper sind mit unseren heutigen Methoden nicht oder nur temporär nachweisbar. Bei der mit jeder immunsuppressi- ven Behandlung mehr oder minder verbunde- nen Gefährdung durch opportunistische Infek- tionen oder sekundäre Neoplasien (Leukosen, Lymphome, Karzinome) ist meines Wissens oh- ne eindeutigen Zusammenhang Zurückhaltung geboten. Dies gilt vor allem für Zytostatika, in geringerem Maße für die (dann allerdings in mittleren bis höheren Dosen zu versuchenden) Kortikosteroide. Zu bedenken ist schließlich, daß Immundefekte zu ganz ähnlichen Erschei- nungen führen können wie Autoantikörper (zum Beispiel [6]).

Histokompatibilitätskomplex

Schon Roitt (3) hatte neben anderen darauf hingewiesen, daß „eine gewisse familiäre Häu- fung" von Autoimmunphänomenen unverkenn- bar ist. Dies gilt mit oder auch ohne manifeste Krankheitserscheinungen. Dafür spricht auch, daß zwischenzeitlich Tierstämme gezüchtet wer- den konnten, die spontan eine hohe Rate von

Dt. Ärztebl. 84, Heft 12, 19. März 1987 (55) A-733

(2)

Autoimmunerkrankungen entwickeln, bei de- nen die Autoimmunität sozusagen genetisch programmiert ist.

Nach zahlreichen neueren Untersuchungen bestehen kaum noch Zweifel, daß diese geneti- sche (multifaktorielle) Disposition eng mit dem sogenanten „human major histocompatibility complex" (MHC) mit seinen Hauptklassen und seinen zahlreichen Untergruppen verbunden ist (umfangreiche Lit. u. a. bei 2 sowie bei 8).

Neben der in dieser Zeitschrift schon mehr- fach besprochenen (Deutsches Ärzteblatt 83, Heft 27, 1986, Seite 2024) T-B-Cell-Koopera- tion spielen die ebenfalls (zum Beispiel im Zu- sammenhang mit AIDS) (Deutsches Ärzteblatt 83, Heft 8, 1986, Seite 472) schon mehrfach er- wähnten T-Helfer-Zellen (T 4) auch bei der Au- toimmunität eine entscheidende Rolle. Neuer- dings wird angenommen, daß für eine Antigen- Antikörper-Reaktion nicht nur eine Bindung der genannten Bestandteile erforderlich ist, son- dern auch passende MHC-Subtypen („dualer Bindungsmechanismus" — siehe auch die Arbeit von Schroten und Uhlenbruck in diesem Heft).

Diese doppelte Bindung mindert zugleich die Wahrscheinlichkeit von Autoimmunerkrankun- gen und Immunreaktionen auf Arzneimittel. Bi- gazzi und andere (Literatur bei 2) nehmen an, daß kreuzreagierende Anti-Idiotypen bei Auto- immunerkrankungen eine wesentliche Rolle spielen. Sie konnten zwar keine Auto-Anti-Idio- typen in den von ihnen untersuchten Modellen nachweisen, wohl aber bei Tieren mit Autoim- munerkrankungen veränderte Idiotypen und Anti-Idiotypen in deren Lymphozyten.

Monoklonale Antikörper bei Autoimmunerkrankungen

Als Milstein und Köhler mit ihrer Nobel- preisarbeit (siehe Deutsches Ärzteblatt, Heft 44, 1984, Seite 3227) die Herstellung der heute sicher mehr als 10 000 monoklonalen Antikör- per einleiteten, meinte man, damit insofern den

„Stein der Weisen" gefunden zu haben, als ein einheitlicher Antikörper auf ein einheitliches Antigen und Zielorgan gerichtet sei. Nach den neuesten Arbeiten von Notkins und Prabhakar (Lit. bei 2) trifft dies offensichtlich nicht zu. Die mit multiplen Organen reagierenden monoklo- nalen Antikörper (MOR) sind vielleicht ein es- sentieller Bestandteil verschiedener Lymphozy- ten; auch sollen nach diesen Autoren MOR-Au- toantikörper zum „normalen Repertoire" der B-Lymphozyten gehören.

Ausblick

1

Die immer mehr sich ausbreitende Charak- terisierung von Krankheiten als Autoimmunopathien läßt die Zahl der ursäch- lich nicht definierbaren „essentiellen" Formen zusammenschrumpfen.

2

Neben der allgemeinen Bindung an T-Lym- phozyten spielt bei den Interaktionen der Major Histokompatibilitäts Complex (MHC) ei- ne entscheidende Rolle und erklärt — bisher aus- reichend — die gesicherte genetische Häufung.

3

In kaum einem anderen Gebiet der Medizin klafft zur Zeit ein derartiger Unterschied zwischen den (noch dazu in sich unterschied- lichen) Versuchsansätzen an Nagern (z. B. 2, 9) und einem einheitlichen Konzept für den Men- schen.

4

Unverändert bleiben verschiedene pathoge- netische Induktoren wie Virusinfekte, Tu- moren oder unbekannte Ursachen.

5

Bei anerkannt schwierigem und oft nur zweitweilig möglichem Nachweis zirkulie- render Antikörper oder veränderter Lymphozy- ten bleibt es vorläufig bei den konventionellen Behandlungsmethoden, besonders bei einem Versuch mit Kortikosteroiden. Ohne ausrei- chende Hinweise auf den Autoimmuncharakter einer Erkrankung muß einer langfristigen Be- handlung mit Zytostatika widersprochen wer- den.

Prof. Dr. G. Uhlenbruck/Köln danke ich für die Durchsicht des Manuskriptes.

Literatur

1. Gross, R. (Editorial): Autoimmunerkrankungen, Dtsch.

Ärzteblatt 82, (1985) 2402

2. Schwartz, R. S., Roser, N. R. (Edit.): Autoimmunity. Experi- mental and Clinical Aspects (mit vielen Beiträgen), Am. N. Y.

Acad. Sci. Vol. 475 (1986)

3. Roitt, J. M.: Leitfaden der Immunologie, deutsch bei Stein- kopp, Darmstadt, 1984

4. Barkan, A. L., Kelch, R. P., Marschall, I. L.: Isolated gona- dotrop failure in the polyglandular autoimmune Syndrom. New Engl. J. Med. 312, (1985) 1535 (dort weitere Literatur) 5. Federlin, K.: Diabetes mellitus und Immunologie — eine vielfäl-

tige Wechselbeziehung. Immun. Infekt. 13, (1985) 193 6. Barnes, D. C. (Ref.): The immune system and neurological di-

sorders. Science 232, (1986) 160

7. Gross, R., Kalden, I. R. (Edit.): Immunopathien. Internist 25, Heft 1, 1984 (mit mehreren Beiträgen)

8. Pernis, B., Vogel, H.: Cell Biology of the Major Histocompati- bility Complex. New York, Academ. Press, 1985

9. Annual Report 1985: Basel Institute for Immunology. (mit vie- len Beiträgen)

Professor Dr. med.

Rudolf Gross

Herbert-Lewin-Str. 5 5000 Köln 41

A-734 (56) Dt. Ärztebl. 84, Heft 12, 19. März 1987

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