• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Krebsvorsorgeuntersuchungen und Frühdiagnose des Krebses" (14.08.1980)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Krebsvorsorgeuntersuchungen und Frühdiagnose des Krebses" (14.08.1980)"

Copied!
6
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die wirkungsvollste Behandlung des gastrointestinalen Karzinoms ist nach wie vor die chirurgische oder, wo möglich, die endoskopische Re- sektion des Tumors im Gesunden.

Dies setzt eine effektive Krebsvor- sorge und Frühdiagnose voraus, da eine Verbesserung der Prognose al- lein durch die Früherkennung oder präventive Diagnostik und Therapie zu erwarten ist.

Ziel der Früherkennung ist das Auf- finden von kurablen Anfangsstadien maligner Veränderungen mit der Möglichkeit der Dauerheilung. Unter Prävention verstehen wir die Erken- nung und Beseitigung von Vorsta- dien maligner Erkrankungen, also echter Präkanzerosen oder Erkran- kungen mit einem gehäuften Karzi- nomrisiko.

Der Wunsch, ein malignes Wachs- tum a priori zu verhindern, wird erst dann erreichbar sein, wenn die Ätio- pathogenese, also die Karzinogene- se, bekannt ist.

Wenngleich die auslösenden Fakto- ren des gastrointestinalen Karzi- noms bislang nur in Ansätzen ge- klärt werden konnten, so scheint doch ein multifaktorielles Gesche- hen wahrscheinlich. Neben chemi- schen und physikalischen Noxen ge- winnen nutritive Karzinogene und Kokarzinogene zunehmend an Be- deutung (2). Solange die Ursachen und Zusammenhänge der Karzino- gene nicht näher geklärt sind, ste-

hen Prävention und Früherkennung im Vordergrund der diagnostischen und therapeutischen Bemühungen.

Mit verfeinerten radiologischen und endoskopisch-bioptischen Untersu- chungsverfahren scheint eine prak- tikable und effektive Frühdiagnose technisch durchführbar. Da sich die- se Methoden jedoch aus personel- len und finanziellen Gründen derzeit nicht bei Massenuntersuchungen einsetzen lassen, bedarf es einer Se- lektion von Risikogruppen. Unter zu- sätzlicher Berücksichtigung der Häufigkeitsverteilung des gastroin- testinalen Karzinoms ist eine wir- kungsvolle Früherkennung, im Ein- zelfall eine Vorsorge, möglich (3).

0

Ösophaguskarzinom

Die Frühdiagnose eines Ösophagus- karzinoms ist noch immer selten, da charakteristische Frühsymptome fehlen. Wie mehrere Kasuistiken zei- gen, kommt insbesondere bei den erosiven Formen des Frühkarzinoms der Ösophagoskopie die größte Be- deutung zu. Wie im Magen, so ist das Frühkarzinom des Ösophagus als ein Karzinom definiert, dessen infiltratives Wachstum auf die Muko- sa und Submukosa beschränkt ist.

Wenngleich symptomlose Formen (20 Prozent) bekannt sind, so klagt die überwiegende Zahl der Patien- ten mit einem Frühkarzinom des Ösophagus über ein anhaltendes oder intermittierend auftretendes re-

Die wirkungsvollste Behand- lung des gastrointestinalen Karzinoms ist nach wie vor die chirurgische oder, wo mög- lich, die endoskopische Re- sektion des Tumors im Gesun- den. Dies setzt eine effektive Vorsorge und Frühdiagnose voraus, da eine Verbesserung der Prognose allein durch die Früherkennung oder eine Präventivdiagnostik und -the- rapie zu erwarten ist. Krebs- vorsorgeuntersuchung und Frühdiagnose sind aus gastro- enterologischer Sicht bei den Malignomen dieses Bereiches in unterschiedlicher Weise möglich, wobei die zum Ein- satz kommenden Methoden technisch, personell und fi- nanziell praktikabel sein müs- sen. Eine positive Korrelation zwischen der möglichen Früh- erkennung und einer kurati- ven Behandlung ist insbeson- dere am Beispiel der Karzino- me des Magens sowie des ko- lorektalen Bereiches zu bele- gen. Neben Screeningunter- suchungen stehen als Aus- wahlkriterien für die diagno- sesichernden direkten und in- direkten Untersuchungsver- fahren Risikogruppen zur Ver- fügung, wie sie für den größ- ten Teil der gastrointestinalen Karzinome bekannt sind. Da- bei wird deutlich, daß es ein Krebsproblem schlechthin nicht gibt. Vielmehr bedürfen die Malignome und deren Vor- stadien aus der Sicht des Ga- stroenterologen einer diffe- renzierten Betrachtungswei- se.

trosternales Fremdkörpergefühl, über dysphagische Beschwerden oder retrosternale Schmerzen.

Da selbst der makroskopische Aspekt während der endoskopi- schen Untersuchung nicht in jedem Fall eine Karzinomdiagnose ermög- licht, muß diese durch die biopti- sche Gewebeentnahme erbracht

Krebsvorsorgeuntersuchungen und Frühdiagnose des Krebses

Dargestellt aus der Sicht des Gastroenterologen

Peter Frühmorgen, Wolfgang Rösch und Ludwig Demling

Medizinische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg

(Direktor: Professor Dr. med. Ludwig Demling)

1974 Heft 33 vom 14. August 1980

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

der beschriebenen Frühkarzinome im Ösophagus lag zwischen 1 und 5 Zentimeter. Diese Angabe kann ebenso wie der makroskopische Aspekt (polypoid, flach im Schleim- hautniveau oder ulzerös) nur als in- direkter Hinweis für ein Karzinom gelten.

Wird die Diagnose „Karzinom"

durch die Biopsie gesichert, so kann die Diagnose eines Frühkarzinomes definitionsgemäß nur am Resektat gestellt werden.

Alle Patienten, die über die genann- ten Beschwerden klagen, sollten un- mittelbar einer intensiven weiteren Diagnostik zugeführt werden. Dies gilt insbesondere für jene Patienten, deren Beschwerden länger als 3 Wo- chen anhalten. Zur Personengruppe mit erhöhtem Karzinomrisiko zählt, wer eines der in Tabelle 1 aufgeführ- ten, meist seltenen Krankheitsbilder aufweist. Diese Patienten müssen entsprechend ihrem Karzinomrisiko regelmäßig endoskopisch in 1 bis 2jährigen Intervallen untersucht werden.

Magenkarzinom

Die größten Erfahrungen in der Frühdiagnose des gastrointestina- len Malignoms konnten zweifellos bei der Erkennung von Frühstadien des Magenkarzinoms gesammelt werden. Die Japaner haben auf die- sem Gebiet Pionierarbeit geleistet.

Definiert ist das Frühkarzinom des Magens als ein die Submukosa nicht überschreitendes karzinomatöses Wachstum, wobei eventuell vorlie- gende Lymphknotenmetastasen, ei- ne hämatogene Streuung, die peri- toneale Aussaat oder der Grad der flächenhaften Ausdehnung unbe- rücksichtigt bleiben. Dies ist eine willkürliche Klassifikation. Sie scheint jedoch berechtigt, da das so definierte Frühkarzinom des Ma- gens eine Fünf-Jahre-Überlebensra- te von etwa 90 Prozent aufweist. Wie wirkungsvoll die Früherkennung dieser Formen tatsächlich -ist, wird deutlich, wenn man neben dieses

bensrate des operierten invasiven Karzinoms von 10 bis 20 Prozent stellt, wobei nur knapp 50 Prozent der bei uns diagnostizierten Magen- karzinome noch operabel sind. Daß es sich beim Frühkarzinom des Ma- gens nicht um ein nur in Japan häu- fig diagnostiziertes Karzinom mit ei- ner äußerst günstigen Prognose handelt, konnte mittlerweile anhand größerer deutscher und europä- ischer Statistiken bewiesen werden.

So konnten auch wir in etwa 18 Pro- zent aller resezierten Magenkarzino- me, die zuvor endoskopisch-biop- tisch untersucht worden waren, ein Frühkarzinom diagnostizieren.

Die zur Verfügung stehenden Un- tersuchungsverfahren wie Röntgen, Endoskopie mit Biopsie. und Ga- strokamerauntersuchung haben bei optimaler Untersuchungstechnik ei- ne Treffsicherheit, die zwischen 90 und 98 Prozent liegt.

Da die diagnosesichernden Untersu- chungsverfahren wiederum aus ap- parativen, personellen und ökono- mischen Gründen nicht als Scree- ningmethoden einsetzbar sind, wird man auch hier Risikogruppen bilden müssen, die den die Diagnose si- chernden Verfahren zugeführt wer- den können und so eine eng maschi- ge Überwachung von Personen mit einem erhöhten Karzinomrisiko möglich machen.

Die Tatsache, daß auch das Magen- frühkarzinom Beschwerden macht und offenbar eine langsame Wachs- tumstendenz zeigt, wobei Einzelbe- obachtungen von bis zu 10 Jahren vorliegen erleichtert die Selektion und Früherkennung. Es scheint un- erläßlich, alle Patienten mit un- charakteristischen Oberbauchbe- schwerden, welche länger als 4 Wo- chen anhalten, sofort radiologisch oder endoskopisch zu untersuchen -.

Wenn primär eine röntgenologische Untersuchung des Magens durchge- führt wurde und diese die Beschwer- den ursächlich nicht klären konnte, so sollte der behandelnde Arzt auf eine endoskopische Untersuchung drängen. Darüber hinaus müssen je-

ne Magenulkus und jede umschrie- bene Schleimhautläsion unverzüg- lich endoskopisch-bioptisch unter- sucht werden. Diese Forderung er- gibt sich insbesondere aus der Tat- sache, daß selbst Ulzera mit abhei- lender Tendenz, polypoide Läsionen und Narben mit radiologisch und en- doskopisch benignem Aspekt ein Frühkarzinom darstellen können.

Die Forderung nach einer morpholo- gischen Sicherung der Diagnose wird weiter dadurch unterstrichen, daß 70 Prozent aller malignen Ulzera eine passagere Heilungstendenz zei- gen und bis zu 10 Prozent der radio- logisch als benigne eingestuften Ul- zera bereits Malignome darstellen.

Eine weitere Selektion kann durch die Untersuchung und Überwa- chung von Risikogruppen (3) erfol- gen (Tabelle 2).

Eine gehäufte Magenkarzinominzi- denz findet sich beispielweise nach Magenteilresektion, bei der chro- nisch-atrophischen Gastritis und der perniziösen Anämie, bei bestimmten Magenpolypen sowie beim Morbus Mänötrier und in sehr seltenen Fäl- len beim chronisch-kallösen Ulkus.

Zur Früherkennung eines Magen- stumpfkarzinoms scheint vom 15.

postoperativen Jahr an eine jährli- che endoskopische Überwachung indiziert. Zur Erfassung eines Rezi- divs im resezierten Magen befürwor- ten wir in den ersten 2 postoperati- ven Jahren endoskopische Kontroll- untersuchugen in dreimonatigen Abständen. Inwieweit die chronisch- atrophische Gastritis die Entstehung eines Magenkarzinoms begünstigt, ist noch nicht abschließend geklärt.

Den Beobachtungen von Siurala (5), der während einer 15jährigen Ver- laufsbeobachtung bei 116 Patienten mit einer chronisch-atrophischen Gastritis in 10 Fällen, bei 93 Patien- ten mit einer Oberflächengastritis je- doch nur in einem Fall eins Magen- karzinom fand, stehen Untersuchun- gen von Rösch (4) gegenüber, der bei dem häufigsten Typ, dem exulze- rierten Frühkarzinom, in tumorfer- ner Schleimhaut praktisch nie eine atrophische Gastritis nachweisen konnte. Da vom 50. Lebensjahr an

1976 Heft 33 vom 14. August 1980

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Tabelle 1: Ösophaguskarzinom

Risikopatienten Inzidenz der

Malignomentwicklung Tylosis palmaris et plantaris bis 95%

Achalasie 0,5 — 29%

Plummer-Vinson-Syndrom 4 —16%

Barrett-Ösophagus bis 9%

Zustand nach Laugenverätzung 0,2 — 5%

Strikturen, benigne 1,2 %

Normalbevölkerung 0,5 %

Tabelle 2: Magenkarzinom

Risikopatienten Inzidenz der

Malignomentwicklung

Magenteilresektion 2 —13%

Gastritis, chronisch-atrophische 0 —13%

Perniziöse Anämie 0,5 — 12%

Magenpolypen

Adenome 3 — 70%

hyperplasiogen < 1%

Morbus Mänätrier 8 — 40%

Ulkus, chronisch-kallös 1 — 2%

Normalbevölkerung 0,5 — 2%

Aktuelle Medizin Krebsvorsorgeuntersuchung

etwa die Hälfte der Bevölkerung an einer chronisch-atrophischen Ga- stritis leidet, scheidet dieses Krank- heitsbild, jugendliche Gastritis-Pa- tienten ausgenommen, ohnehin zur Selektion für Screeninguntersu- chungen aus.

Das gehäufte Auftreten von Magen- karzinomen bei Patienten mit einer perniziösen Anämie ist seit langer Zeit bekannt, wobei Patienten mit einer Perniziosa dieselben Zellrei- fungsstörungen in der Magenmuko- sa zeigen, wie sie beim Karzinom auffindbar sind. Die gehäufte Karzi- nominzidenz bei diesem Krankheits- bild bezieht sich dabei nicht auf das Antrum, sondern auf den Korpusbe- reich. Da sich bei den Patienten mit einer perniziösen Anämie in der Kor- pusschleimhaut gleichhäufig auch benigne hyperplasiogene Magenpo- lypen entwickeln, sollte eine konse- quente jährliche endoskopische Überwachung• auch dieser Patien- ten, namentlich im jugendlichen Al- ter, angestrebt werden.

Adenome des Magens stellen im Ge- gensatz zu ihrer Häufigkeit im kolo- rektalen Bereich seltene Befunde dar. Eine Überwachung und Ver- laufsbeobachtung dieser sowie aller anderen Polypen scheint nicht mehr vertretbar, da die polypoiden Läsio- nen zunächst aus rein diagnosti- schen Überlegungen ektomiert wer- den müssen, wobei in aller Regel hierbei zugleich die adäquate thera- peutische Konsequenz gezogen wird. Eine Sonderstellung nehmen die hyperplasiogenen Polypen ein, die zwar selbst keine echten Neopla- sien sind, jedoch offensichtlich eine Indikatorfunktion für gehäufte Mali- gnominzidenz im polypentragenden Magen haben. Die Empfehlung zu endoskopischen Kontrolluntersu- chungen nach Ektomie dieser Poly- pen in 1- bis 2jährigen Intervallen scheint sinnvoll.

Auch der Morbus Mön6trier, eine durch foveoläre Hyperplasie beding- te Riesenfaltenbildung der Korpus- schleimhaut, stellt eine Erkrankung mit einer etwa zehnmal höheren In- zidenz der Malignombildung dar. In einer prospektiven Studie konnten

wir bei 4 von 10 in 6- bis 12monati- gen Intervallen röntgenologisch und endoskopisch-bioptisch überwach- ten Patienten eine Karzinoment- wicklung während eines Beobach- tungszeitraumes von 8 Jahren nach- weisen, wobei sich in den Resekta- ten ein zum Teil multizentrisches Karzinomwachstum zeigte. Es muß jedoch betont werden, daß es sich in all diesen Fällen bei der Diagnose- stellung um ein bereits fortgeschrit- tenes Malignomwachstum handelte, und daß eine echte Frühdiagnose schwierig und selten sein dürfte.

Die Entwicklung eines Malignoms auf dem Boden eines primär beni- gnen Ulkus wird zunehmend bestrit- ten, wobei nur noch geringe Entar- tungsraten, zuletzt von 1 bis 2 Pro-

zent, angegeben werden. In der Re- gel darf man davon ausgehen, daß es sich bei kleinen ulzerösen Karzi- nomen primär um ein Frühkarzinom vom ulzerösen Typ gehandelt hat.

Wie bereits erwähnt, spricht auch eine passagere Heilungstendenz nicht gegen diese Annahme. Ausge- hend von der Tatsache, daß jedes 20. röntgenologisch diagnostizierte benigne Ulcus ventriculi in Wirklich- keit bereits ein Karzinom ist, müssen wir die konsequente endoskopisch- bioptische Untersuchung jedes Ma- gengeschwürs fordern. Für die Pra- xis bedeutet dies, daß jedes Ulcus ventriculi zum Zeitpunkt der Diagno- sestellung sowie nach 4- bis 6wöchi- ger konservativer Therapie gastro- skopiert und biopsiert werden muß. >

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft

33 vom

14. August 1980

1977

(4)

Tabelle 3: Dünndarmkarzinom

Risikopatienten lnzidenz der

Malignomentwicklung

Glutenenteropathie 14,3 — 18%

Gardner-Syndrom 12%

Peutz-Jeghers-Syndrom 2 — 3%

Morbus Crohn Kasuistiken

Dermatitis herpetiformis Einzelkasuistiken

Normalbevölkerung 0,1%

Tabelle 4: Pankreaskarzinom

Risikopatienten Inzidenz der

Malignomentwicklung Disposition, familiär-beruflich

Umwelt (z. B. Raucher) Pankreatitis, akut-chronisch Alkoholismus

Diabetes mellitus

Normalbevölkerung 0,3-0,75%

Aus dieser Sicht stellt das chro- nisch-kallöse Ulcus ventriculi kaum ein Risiko dar.

Im Hinblick auf ulzeröse Magenlä- sionen muß das gehäufte Vorkom- men von multizentrischen Magen- karzinomen (0,6-3,4 Prozent aller Magenkrebse) besonders hervorge- hoben werden und eine sorgfältige und lückenlose Inspektion und hi- stologische Untersuchung des Ma- gens induzieren.

Dünndarmkarzinom

Im Dünndarm sind nur etwa 0,5 Pro- zent aller gastrointestinalen Karzi- nome lokalisiert. Etwa die Hälfte der Dünndarmkarzinome finden sich wiederum im Duodenum, was die endoskopische Diagnose erleich- tert. Nicht selten handelt es sich da- bei nicht um ein primäres Duodenal-

karzinom, sondern um ein Papillen- malignom oder ein in das Duode- num penetrierend wachsendes Pan- kreaskopfkarzinom.

Die Diagnose zu einem prognostisch günstigen Zeitpunkt ist selten, weil die Symptome wie Blutung und Ileus bereits ein fortgeschrittenes Sta- dium anzeigen.

Eine bessere Prognose haben allein die Papillenkarzinome, da sie relativ frühzeitig zu Abflußbehinderungen im Bereich der Gallenwege und des Pankreasganges führen und somit Anlaß zu einer weiterführenden Dia- gnostik geben.

Unter dem Aspekt der Vorsorgeun- tersuchung in bestimmten Interval- len sind Risikopatienten zu nennen, die Erkrankungen mit einer erhöh- ten Karzinominzidenz aufweisen (Tabelle 3).

Karzinome von Pankreas, Leber und ableitenden Gallenwegen Da selbst uncharakteristische Früh- symptome fehlen, gehört die Früh- diagnose eines Pankreaskarzinoms wie auch die Früherkennung eines Malignoms der Leber und der ablei- tenden Gallenwege in kurablem Zu- stand noch immer zu den seltenen Befunden. Die Fahndung nach Früh- formen dieser Karzinome wird da- durch erschwert, daß die Risiko- gruppen für das Pankreaskarzinom (Tabelle 4) und das primäre Leber- zellkarzinom (Tabelle 5) in ihrer Se- quenz noch nicht allgemein verbind- lich zu definieren sind. Darüber hin- aus gibt es keine gesicherten Zah- len, die etwas über die lnzidenz ei- ner Malignomentstehung bei nach- gewiesenen oder vermuteten Noxen aussagen. Glücklicherweise ist die Inzidenz der Malignomentstehung in der Normalbevölkerung für das Le- berzellkarzinom mit 1 bis 2 Prozent und für das Pankreaskarzinom mit 0,3 bis 0,75 Prozent im Vergleich zur Häufigkeit des Magen- und Dick- darmkarzinoms gering. Zusammen- fassend ist festzuhalten, daß es so- wohl für das Pankreaskarzinom wie auch für das primäre Leberzellkarzi- nom bis heute keine im Rahmen von Screeninguntersuchungen anwend- bare Vorsorgemaßnahme gibt, die eine Frühdiagnose im kurablen Sta- dium ermöglichen.

Dies gilt auch für den Nachweis des Tumorantigens Alpha-Fötoprotein, das relativ spezifisch für den Leber- zellkrebs ist.

(1)

Kolonkarzinom

Krebsvorsorgeuntersuchungen im kolorektalen Bereich kommen we- gen der zunehmenden Morbidität — mit fast 23 000 Todesfällen pro Jahr ist das Dickdarmkarzinom das häu- figste gastrointestinale Malignom — eine besondere Bedeutung zu (1).

Ähnlich dem Magenfrühkarzinom haben frühe Stadien kolorektaler Karzinome eine äußerst günstige Prognose. So beträgt die Fünf-Jah- re-Überlebensrate bei dem nach

(5)

Tabelle 5: Leberzellkarzinom

Risikopatienten lnzidenz der

Malignomentwicklung

Zirrhose 5% (10-15%)

primäre Hämochromatose ca. 20%

Disposition, familiär 9

Umwelt (Vinylchlorid, Arsen,

Thorotrast, Mykotoxine, 9

Cycasin)

chronische Infekte

(Hepatitis B, Amöbiasis usw.)

Normalbevölkerung (Europa, USA) 1 — 2%

Tabelle 6: Dickdarmkarzinom

Risikogruppen Inzidenz der

Malignomentwicklung

Adenomatosis coli bis 100%

Adenome (tubulo-villös) 3 — 70%

Colitis ulcerosa totalis (10 J.-30 J.) 3 —43%

Morbus Crohn (10 J.-20 J.) 0,3 — 3%

Normalbevölkerung 5°A

Aktuelle Medizin Krebsvorsorgeuntersuchung

Dukes benannten Stadium A (Karzi- nomwachstum innerhalb der Darm- wand, aber nicht über die Serosa hinaus) etwa 90 Prozent.

Weltweite epidemiologische Studien sowie tierexperimentelle, patholo- gisch-anatomische und klinische Untersuchungen zur Karzinogenese konzentrieren sich aus ätiologischer Sicht zunehmend auf nutritive Fak- toren (Fette, Steroide, faserarme Kost, Nitrosamine, sekundäre Gal- lensäuren usw.) und haben pathoge- netisch die Entstehung der Dick- darmkarzinome aus adenomatösen Polypen nahezu bewiesen (2).

Eine Prävention hinsichtlich geän- derter Ernährungsformen müßte je- doch bereits in der Kindheit begin- nen, da die kanzerogene Phase etwa 30 Jahre vor der klinischen Manife- station eines kolorektalen Karzi- noms beginnt.

Praktische Konsequenzen haben sich aus diesen Befunden für eine echte Karzinomprävention insofern ergeben, als eine konsequente Ekto- mie aller Darmpolypen das erhöhte Karzinomrisiko dieser Patienten si- gnifikant senkt.

Zur Frühdiagnose des kolorektalen Karzinoms stehen direkte Methoden (Endoskopie mit Biopsie bezie- hungsweise Polypektomie) und indi- rekte Methoden (Radiologie) zur Verfügung. Biochemische (zum Bei- spiel Nachweis von okkultem Blut im Stuhl) und immunologische (zum Beispiel Bestimmung von Tumoran- tigenen) Untersuchungsverfahren können nur indirekt auf das Vorlie- gen eines Tumors hinweisen. Wäh- rend durch die rektal-digitale Austa- stung lediglich 20 Prozent aller kolo- rektalen und etwa ein Drittel aller Rektumkarzinome erfaßbar sind, können durch die Rekto-Sigmoido- skopie 60 bis 70 Prozent aller kolo- rektalen Karzinome und Polypen nachgewiesen werden.

Der Doppelkontrasteinlauf und die hohe Koloskopie eignen sich nicht als Screening-Methoden und müs- sen selektierten Patientengruppen vorbehalten bleiben.

Die Suche nach okkultem Blut im Stuhl, seit dem 1. Januar 1977 in das kostenlose Vorsorgeprogramm der Sozialen Krankenversicherung inte- griert, hat sich durch hohe Selektion pathologischer Befunde bewährt. Es darf jedoch nicht unerwähnt blei- ben, daß mit etwa 10 Prozent falsch- positiver und im Hinblick auf das kolorektale Karzinom mit 20 bis 30 Prozent falsch-negativer Testreak- tionen zu rechnen ist.

Der immunologischen Bestimmung des karzino-embryonalen Antigens (CEA), eines Tumorantigens, das in bis zu 70 Prozent beim Kolonkarzi- nom gefunden werden kann, kommt im Rahmen der Früherkennung des Kolonkarzinoms keine Bedeutung zu, da es weder tumor- noch organ- spezifisch ist. Es wird ebenso bei Malignomen anderer Organe, ent- zündlichen Erkrankungen und bei

gesunden Personen gefunden. Die klinische Bedeutung des CEA-Nach- weises liegt darin, daß bei einem An- stieg eines präoperativ nachgewie- senen und postoperativ abgefalle- nen CEA-Spiegels im Serum ein Kar- zinomrezidiv anzunehmen ist.

Ein positives biochemisches oder immunologisches Testergebnis muß ebenso wie eine klinische Tu- morsymptomatik die konsequente Fahndung mit diagnosesichernden Methoden (Kolon-Doppelkontrast- einlauf, Koloskopie) auslösen. Dar- über hinaus sind auch für das Dick- darmkarzinom Risikogruppen, das heißt Träger von Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko zur Mali- gnomentwicklung, bekannt (Tabel- le 6).

So entartet die familiäre Adenoma- tosis coli schicksalsmäßig in jedem

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 33 vom 14. August 1980 1979

(6)

Fall karzinomatös. Therapie der Wahl ist die Kotektomie mit lleo-Rek- tostomie und endoskopischer Ent- fernung der Polypen im Rektum- stumpf. Vorsorgeuntersuchungen bei Familienangehörigen müssen mit dem 10. Lebensjahr begonnen und alle 2 bis 3 Jahre wiederholt werden.

Adenome - sie stellen etwa 70 Pro- zent aller kolarektalen Polypen- zei- gen eine histologie- und größenbe- zögene Entartungstendenz. Die kon- sequente Polypektomie stellt die wirkungsvollste Krebsvorsorge im Gastrointestinaltrakt dar. Die Inter- valle der Nachuntersuchungen rich- ten sich nach der Histologie des ent- fernten Polypen (Tabelle 7).

Das Risiko einer malignen Entartung auf dem Boden einer Colitis ulcero- sa totalis liegt während der ersten 10

Krankheitsjahre bei 3 Prozent und steigt jede weitere Dekade um 20 Prozent. Jährliche koloskopische Kontrolluntersuchungen scheinen ab dem 10. Krankheitsjahr sinnvoll, wobei der bioptische Nachweis von Epitheldysplasien in der Remis- sionsphase Indikatorfunktion hat.

Auch bei einem Morbus Crohn des Dickdarmes muß mit einer erhöhten Karzinominzidenz gerechnet wer- den. Sie wird für die ersten 10 Jahre mit 0,3 Prozent, für 20 Jahre mit 2,8 Prozent angegeben. Nicht zuletzt sind auch die wegen eines kalorek- talen Karzinoms operierten Patien- ten als Risikogruppen anzuspre- chen.

Zur Früherkennung eines lokalen Rezidivs untersuchen wir diese Pa- tienten in den ersten 2 postoperati- ven Jahren vierteljährlich, wenn die

Tabelle 7: Zeitplan der Nachuntersuchungen nach endoskopischer Polypektomie*)

Nachbeobachtung (Jahre) Y4 Vz 1 2 3 5

..". Gastroskopie

hyperplasiogener Polyp X X X

Adenom im Gesunden entfernt X X X

nicht im Gesunden entfernt X X X X

Borderline-lesion X X X X X X

Frühkarzinom (Typ I und II a) X X X X X X

..". Kotoskopie

Adenom gestielt, im Gesunden entfernt X

sessil oder gestielt und X X

nicht im Gesunden entfernt

Adenom mit schwerer Atypie (fok. Ca.)

im Gesunden entfernt X X X

nicht im Gesunden entfernt X X X

Adenom mit invasivem Karzinom

im Gesunden entf., keine Resek. X X X X X X

Nichtneoplastische Polypen

(hyperplastisch, lymphoid, juvenil, X

Peutz-Jeghers)

*) Medizinische Universitäts-Klinik, Erlangen, 1. 11 1979

Anastomose nur rektoskopisch, halbjährlich, wenn die Anastomose nur koloskopisch erreichbar ist.

Zusammenfassung

Krebsvorsorgeuntersuchungen und Frühdiagnosen des Krebses schei- nen aus gastroenterologischer Sicht bei den diskutierten Karzinomen in unterschiedlicher Weise möglich.

Radiologie und Endoskopie sind die effektivsten Methoden. Sie sind we- gen des personellen und finanziel- len Aufwandes jedoch im Rahmen von Massenuntersuchungen nicht einsetzbar. Als wirkungsvolle Alter- native kann somit allein die Selek- tion von Risikogruppen dienen. Ste- hen uns als Auswahlkriterien einer- seits der bereits klinisch manifest Erkrankte beziehungsweise die Überwachung von aufgrund einer bekannten Erkrankung potentiell in erhöhtem Maße krebsgefährdeten Patienten zur Verfügung, so glauben wir andererseits für die Früherken- nung des kolarektalen Karzinomes im Nachweis von okkultem Blut im Stuhl trotz gewisser Einschränkun- gen eine praktikable Screening-Me- thode zur Verfügung zu haben .

Literatur

(1) Goerttler, K. (Hrsg.): Die koto-rektale Krebsvorsorge, Wachholz-Verlag, Schwabach 1978-(2) Grundmann, E. (Hrsg.): Colon-Can- cer. Cancer Campaign, Vol. 2, Gustav Fischer- Verlag, Stuttgart 1978-(3) Rösch, W., Elster, K.: Gastrointestinale Präkanzerosen, Witz- strock-Verlag, Baden-Baden 1977-(4) Rösch, W., Hermanek, P., K. Elster: Gastritis und Ma- genfrühkarzinom, in: Fortschritte der Endo- skopie, Band 5, Schattauer-Verlag, Stuttgart/

New York 1973 - (5) Siurala, M., Varis, K., Wiljasald, M.: Studies of patients with atrophic gastritis: a 1Q-15 year follow-up. Scand. J. Ga- stroent. 1 (1966), 40

Anschrift der Verfasser:

Privatdozent Dr. Peter Frühmorgen Privatdozent Dr. Wolfgang Rösch Professor Dr. Ludwig Demfing Medizinische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12

8520 Erlangen

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

• Hat eine SZK keine eingehenden Kanten, erhält man ihren Wert, indem man die kleinste obere Schranke aller Werte in der SZK berechnet :-). • Gibt es eingehende Kanten, muss

Die reduzierte kontextfreie Grammatik G ist LL ( k ) genau dann wenn die k -Vorausschau-Tabelle für alle benötigten erweiterten Items wohl-definiert

Aktiv wird eine Zelle, indem sie durch Mausklick oder mithilfe der Pfeiltasten angewählt wird. Der Inhalt und die Adresse der aktuellen Zelle werden in der

denen die Wahl oder Anstellung zusteht, ertheilt wird sie von denjenigen,

für den Halbmesser 100 berechneten Längen der Tangenten beziehungsweise Cotangenten als Behelf für die Konstruktion der Winkel von 0° bis 360°...

a) gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten b) gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern c) gegenüber Eltern des Unterhaltspflichtigen.. 2.

Abschläge für Stickstoffnachlieferung aus der Stickstoffbindung von Leguminosen bei Grünland und mehrschnittigem Feldfutter. Quelle: Anlage 4 Tabelle 12

Für Gemüsekulturen sowie Dill, Petersilie und Schnittlauch mit einer Folgekultur der Tabelle 11 im gleichen Jahr gelten die Werte nach Tabelle