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Archiv "Vom frühen Mittelalter bis zur Neuzeit: deutsch-türkische Beziehungen in der Medizin" (26.03.1981)

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen GESCHICHTE DER MEDIZIN

Die deutsch-türkischen Beziehun- gen in der Medizin kann man bis ins 12. und 13. Jahrhundert zurückver- folgen. Die Niederschläge der isla- mischen Institutionen der seldschu- kischen Türken kann man schon in den sogenannten Assisen Rogers II.

von Sizilien (1140) sowie in den Me- dizinalverordnungen des deutschen Kaisers Friedrich II. von Hohenstau- fen finden.

Ein berühmter türkischer Arzt na- mens Hekim Yaqübi, der am Hofe des türkischen Seldschuken Sultan Alä ed-Din in Konya tätig war, soll später am Hofe Friedrichs II. von Ho- henstaufen in Sizilien gearbeitet ha- ben, wie Bar Hebraeus darüber be- richtet.

Frühe medizinische Werke islamischer Gelehrter ins Lateinische übersetzt

Nicht nur in Spanien, sondern auch unter dem deutschen Hohenstaufen- kaiser Friedrich II. in Sizilien, wur- den die medizinischen und philoso- phischen Werke der islamischen Ge- lehrten Ibn Sin —a (Avicenna, gestor- ben 1037) und al-Farabi (Alphara- bus), die in Turkestan geborene Tür- ken waren, in die lateinische Spra- che übersetzt.

Das berühmte medizinische Werk, Avicennas Qanon (al-Qanun fit- Tibb), wurde als Lehrbuch an den europäischen und darunter auch an den deutschen medizinischen Fa- kultäten bis ins 17. Jahrhundert be- nutzt.

den viele türkisch-islamische Ein- flüsse nach Deutschland. Bei den Burgen des Deutschen Ritterordens des 13. Jahrhunderts, wie zum Bei- spiel Marienburg, kann man diese seldschukisch-islamischen Einflüs- se feststellen.

Das im Jahre 1190 in Akkon errichte- te Feldspital des Deutschen Ordens, welches meistens als die älteste uns überlieferte kriegsmedizinische Ein- richtung des Abendlandes bezeich- net wird, muß nach dem Muster der Feldspitäler der seldschukischen Ar- mee gegründet worden sein, da die Armee der seldschukischen Türken schon im 11. Jahrhundert, zur Zeit des Meli4ah'S- und des Sultan Mah- muds (1082-1094), sogar Feldspitä- ler hatte.

Im 14. und 15. Jahrhundert:

deutsche Reiseberichte über türkische Krankenhäuser Da später das St.Jacobs-Spital in Dresden aus dem Jahre 1526 eine verblüffende Grundrißähnlichkeit mit dem früheren osmanischen Yil- dirim-Bayezid-Krankenhaus in Bur- sa aus dem Jahre 1390-94 hat und dieses türkische Krankenhaus von dem Deutschen Johannes Schiltber- ger aus München, der als 16jähriger Knabe vom osmanischen Sultan Yil- dirim Bayezid in der Schlacht bei Nicopolis am 30. September 1396 gefangengenommen wurde, in sei- ner handschriftlich überlieferten Reisechronik u. a. beschrieben wur- de, waren die Gesundheitseinrich- tungen der osmanischen Türken in Deutschland auch nach dem 14.

Jahrhundert bekannt. Reinhold Lu- benau aus Königsberg, der als Apo- theker mit einer Gesandschaft Kai- ser Rudolfs II. im Jahre 1587 Edirne und Istanbul besuchte, berichtet mit einer großen Begeisterung über die türkische Medizin und über die 115 türkischen Krankenhausgründun- gen in Istanbul.

Alberto Bobovio, der aus einer adli- gen Familie aus Lemberg stammte

Vom frühen Mittelalter

bis zur Neuzeit: deutsch-türkische Beziehungen in der Medizin

Arslan Terzieu

Noch früher kamen während der Abbildung 1: Emil von Behring während seines Besuches in Istanbul mit seinen Kreuzzüge durch die deutschen Or- türkischen Kollegen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 13 vom 26. März 1981 637

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Deutsch-türkische Beziehungen

Abbildung 2: Prof. Dr. Robert Rieder Pa- scha (1861-1913), Generalinspektor der Kaiserlich Ottomanischen Medizinschu- len und Direktor des Krankenhauses Gül- hane in Istanbul

und nach seiner Gefangenschaft in jungen Jahren in der osmanischen Hofuniversität in Istanbul unter dem Namen AH Ufqi Beg ausgebildet wur- de, hat über die Organisation des osmanischen Topkapi-Palastes in Istanbul ein italienisches Werk ge- schrieben, welches auch über das Hofkrankenhaus und das Gesund- heitswesen dieses Palastes berich- tet. Dieses als einziges Handschrif- tenexemplar im British Museum exi- stierende Werk von Alberto Bobovio aus dem Jahre 1665, welches von mir zum ersten Mal bei einem inter- nationalen Kongreß im Jahre 1973 mit einer Mitteilung der Fachwelt be- kannt gemacht wurde, enthält auch einen Plan dieses Hofkrankenhau- ses. Da diese italienische Abhand- lung im Jahre 1667 von einem Deut- schen aus Meßkirchen, Nicholas Brenner, ins Deutsche übersetzt und mit einem Privileg des Kaisers Leo- pold in Wien gedruckt wurde, kann das als ein Beweis dafür angesehen werden, daß man im deutschen Kul- turbereich noch im 17. Jahrhundert für die türkischen Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen gro- ßes Interesse zeigte.

Im 16. Jahrhundert:

deutsche Arzneien in türkischen medizinischen Werken

Andererseits wurden schon im 16.

Jahrhundert in den türkischen medi- zinischen Werken die deutschen Ar.neien erwähnt. Der Hofarzt des Sultan Süleyman des Prächtigen, Moses Hamon, der 1526 nach der Eroberung von Ungarn durch diesen türkischen Kaiser das Gesundheits- wesen dort organisierte, hat über die Zahnheilkunde eine bemerkenswer- te Monographie geschrieben, wo er auch über die deutschen Arzneien berichtet.

Diese türkische Monographie von Moses Hamon, die von mir vor ei- nem Jahr als Faksimile mit einer deutschen Einleitung herausgege- ben wurde, zählt wie die zahnmedi- zinischen Werke in deutscher Spra- che, das Artzney Büchlein aus dem Jahre 1530 oder Zene Artzney aus dem Jahre 1532, zu den ältesten zahnmedizinischen Werken in Euro- pa überhaupt und kann als ein wich- tiger Beweis für die deutsch-türki- schen Beziehungen in der Medizin im 16. Jahrhundert angesehen werden.

Leonhard Rauwolfs Berichte über türkische Medizin

Einer der ersten deutschen Orient- reisenden und namhaften Ärzte, Le- onhard Rauwolf aus Augsburg, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahr- hunderts die südöstlichen Provinzen der damaligen osmanischen Türkei besuchte, berichtet in seiner im Jah- re 1583 in Lauingen erschienenen Reisechronik über die türkische Me- dizin, über Heilpflanzen und Bäder.

Wegen seiner Verdienste für die Bo- tanik nannte der französische Mino- rit Charles Plumier (1646-1704) in seinem kurz vor seinem Tode er- schienenen Werk „Nova plantarum americanarum genera" eine Familie der Apozynazeen nach seinem Na- men „Rauwolfia", welche seit 1952 für die Herstellung des Heilmittels Reinalkaloid Reserpin gegen Hyper- tonie verwendet werden.

Abbildung 3: Prof. Dr. Georg Deycke Pa- scha

Beschreibung

der Pockeninokulation eines Istanbuler Arztes

Einige deutsche Ärzte und Chir- urgen kamen nach dem schwedisch- russischen Kriege Anfang des 18.

Jahrhunderts in die Türkei. Als der schwedische König Karl XII. nach der Niederlage gegen Zar Peter den Großen bei Pultava (1709) sich in Bender aufhielt, hatte der französi- sche Reisende Aubry de la Motray ihm über die Pockeninokulation im osmanischen Reich berichtet. Nach- dem die Türken den russischen Zar Peter den Großen im Jahre 1711 in Prut geschlagen hatten, wurde der schwedische König Karl XII. im Jah- re 1713 im osmanischen Palast in Edirne im Demirtas-K4k mit seinen Leibärzten Samuel Skragge und Melchior Neumann eine Zeitlang un- tergebracht.

Auf Wunsch des schwedischen Kö- nigs schickte der Istanbuler Arzt Emanuel Timonius die Beschrei- bung der Pockeninokulation, die in der Türkei seit früheren Zeiten ange- wendet wurde, nach Edirne. Der Leibarzt des schwedischen Königs, Samuel Skragge, hatte im Jahre 1715 in Breslau diese Beschreibung DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 13 vom 26. März 1981 639

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Spektrum der Woche, Aufsätze • Notizen

Deutsch-türkische Beziehungen

von Timonius an den bekannten deutschen Arzt Gottfried Klanning gegeben. Klanning hatte diese Ar- beit von Timonius im Jahre 1717 in der Veröffentlichungsreihe der Aka- demie der deutschen Naturforscher Academie Naturae Curiosorum her- ausgegeben. Der andere Leibarzt Karls XII., der deutsche Chirurg Mel- chior Neumann (1670-1741), hatte diesen Bericht von Timonius nach seiner Rückkehr in Schweden im Jahre 1720 in die deutsche Sprache übertragen. Diese Übersetzung blieb aber unveröffentlicht. Zur Zeit befin- det sich diese deutsche Überset- zung als Handschriftenexemplar in der Universitätsbibliothek in Upp- sala.

Eine andere deutsche Übersetzung der Schrift von Emanuel Timonius über die türkische Art der Pocken- inokulation, die von dem preußi- schen Hofapotheker Caspar Neu- mann im Jahre 1745 gemacht wurde, wurde von mir in der Bayerischen Staatsbibliothek in München ent- deckt.

Im 17. Jahrhundert:

Osmanische Hofärzte richten sich nach dem Abendland

Die osmanische Medizin richtete sich vom 17. Jahrhundert an nach dem Abendland. Dabei haben die os- manischen Hofärzte eine große Rol- le gespielt. Der berühmte türkische Oberhofarzt Salih bin Nasrullah bin Sellum (gestorben 1669), der ver- mutlich bei europäischen Ärzten und Missionaren Latein lernte, hatte eine medizinische Abhandlung von Paracelsus schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts aus dem Lateini- schen ins Arabische übersetzt. Diese Übersetzung von Paracelsus in die arabische Sprache wurde später vom Oberhofarzt des Sultans Abdul- Hamid I. (1774-1789), Gevrekzade Hasan Efendi (gestorben 1801), in die türkische Sprache mit dem Titel:

„Müridül Etibba fi Tercemeti Espa- giria" übersetzt.

Dem Sultan Mustafa III. war beson- ders daran gelegen, daß die berühm- ten Werke der europäischen Medizin

in die türkische Sprache übersetzt werden. Für die Übersetzungen eini- ger abendländischer medizinischer Abhandlungen hatte er seinen Ober- hofarzt Subhizade Abdulaziz Efendi beauftragt. Der österreichische Orientalist Joseph von Hammer hat in seinem berühmten Werk „Die Ge- schichte des Osmanischen Reiches"

behauptet, daß der Österreichische kaiserliche Dolmetscher in Istanbul, Herr Herbert, für die Übersetzung der Aphorismen von Boerhaave in die türkische Sprache große Hilfe

Abbildung 4: Prof. Dr. Julius Wieting Pa- scha (1868-1922)

geleistet hatte, da er die lateinische sowie türkische Sprache gut be- herrschte. Als der Hofarzt Abdülaziz im Jahre 1766 mit der Übersetzung der Aphorismen von Boerhaave vom Sultan Mustafa III. (regierte von 1757-1774) beauftragt wurde, war der Italiener Caro als Hofarzt am os- manischen Palast tätig.

Bevor Abdülaziz diese Übersetzung im Jahre 1768 fertigstellte, war der Deutsche Ghobis als Nachfolger des neapolitanischen Arztes Caro als Hofarzt am Hofe des Sultans Musta- fa III. tätig. Da dieser deutsche Arzt Ghobis am 28. Dezember 1767 die an der Gliedersucht leidende erste Frau des Sultans in der Haremsab- teilung des Palastes behandelte, ge-

noß er großes Vertrauen des Sul- tans. Es ist durchaus denkbar, daß diese Hofärzte Caro und Ghobis bei der Übersetzung der Aphorismen von Boerhaave diesem türkischen Hofarzt Abdülaziz geholfen haben, der außerdem eine französische me- dizinische Abhandlung und ein Buch über die Geschichte Italiens in die türkische Sprache übersetzte.

Die italienische Ausgabe Anton von Stoercks (1731-1803) bekannter Ab- handlung „Medizinisch-praktischer Unterricht für die Feld- und Land- wundärzte der österreichischen Staaten (Wien 1776)" hat der türki- sche Arzt 5anizäde im Jahre 1812 (1225 H.) mit dem Titel „Miyär al- Etibbä" in die türkische Sprache übertragen. Durch diese Überset- zung der medizinischen Werke der deutschen Ärzte hat die deutsche Medizin die türkische Medizin seit dem 17. Jahrhundert maßgeblich be- einflußt.

Schon nach der letzten Wien-Bela- gerung im Jahre 1683 wurde im os- manischen Reich nach zahlreichen verlorenen Schlachten bewußt, daß sich die osmanische Gesellschafts- struktur der neuen wissenschaftli- chen und technischen Entwicklung in Europa anpassen mußte. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts beginnt unter Sultan Selim III. in der türki- schen Geschichte die Reformpe- riode.

Türkische Medizinschule nach Wiener Modell

Mit der im Jahre 1839 fortgesetzten Reformbewegung Tanzimat hat man versucht, die osmanische Gesell- schaftsstruktur der europäischen anzupassen.

Wird fortgesetzt

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Dr. A. Terziojlu

Istanbul Universitesi Tip Fakultesi Tip Tarihi Kürsüsü

Istanbul-Bayezit Türkei

642 Heft 13 vom 26. März 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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