Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 107|
Heft 28–29|
19. Juli 2010 A 1415 VIBRATIONSSPEKTROSKOPIEVerbesserte Darmkrebsdiagnostik
Mit den am Lehrstuhl für Biophysik der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entwickelten infrarot- und raman- spektroskopischen Verfahren lassen sich komplementär zur Fluoreszen- spektroskopie sehr viel detailliertere Aussagen über die Interaktion von Proteinen treffen – insbesondere zur Charakterisierung von Körperflüs- sigkeiten und Gewebeschnitten. In bisherigen Ansätzen müssen Ge - webeproben aufwendig angefärbt werden. Mit der Vibrationsspektro-
skopie kann man die Proben direkt biochemisch charakterisieren und so zum Beispiel Tumorzellen identifi- zieren. Die Spektren sind dabei ein charakteristischer „Fingerabdruck“.
Diesen wollen die Forscher um Prof.
Dr. Klaus Gerwert als systemische Biomarker zur Charakterisierung von Darmerkrankungen, insbeson- dere Krebs, nutzen.
Darüber hinaus soll auf dem Ge- sundheitscampus NRW in Bochum ein Center for Vibrational Micro - Mehr als eine Million Menschen im
Jahr erhalten ein künstliches Hüftge- lenk. Doch die Prognosen in der OP- Vorbereitung sind noch immer oft unzureichend. Ein hoher Prozentsatz der Patienten leidet deshalb an Spät- folgen des Eingriffs. Bereits geringe Abweichungen von der optimalen Form und Position der Prothese können zu einer Belastung des Knochens führen, die Entzündungen hervorruft oder langfristig Knochen- schwund bewirkt. Ein interdiszipli- näres Team aus Ingenieuren, In - formatikern und Medizinern an der fachübergreifenden International Graduate School of Science and En- gineering der Technischen Universi- tät München (TUM) hat eine Metho- de entwickelt, um diese Risiken zu minimieren: ein virtuelles Prothese- Knochen-Modell.
Das Verfahren soll es künftig er- möglichen, exakte räumliche CT- Bilder der Knochen jedes Patienten in ein Rechenmodell einzuspeisen und dann am Bildschirm zu testen:
Welches Implantat passt optimal?
Wie trägt der Knochen das Körper- gewicht am besten? Und wie sollte die Prothese, dazu passend, ange- bracht werden? „Mit der neuen Si- mulationsmethode können wir
Knochen und Prothese am Bild- schirm nach Belieben mit Gewicht belasten und ihre Stellung zueinan- der verändern“, erläutert der Pro- jektleiter Dr. Martin Ruess, Inge- nieur am TUM-Lehrstuhl für Com- putation in Engineering.
Bislang arbeiten Ärzte bei der Vorbereitung solcher Operationen mit Röntgenbildern oder in Ausnah- mefällen mit Styropormodellen der
Knochen, die sie auf der Grundlage von CT-Bildern fräsen. An diesen Modellen lassen sich die realen Kräfteverhältnisse jedoch weder ab- lesen noch testen. Kraftflüsse wer- den zwar auch heute schon am Com- puter berechnet, allerdings nur für Entwicklungszwecke, wenn zum Beispiel ein neuer Typ eines künstli- chen Hüftgelenks entwickelt werden soll. Eine rechnergestützte optimale Prothesenanpassung scheitert daran, dass allein die Aufbereitung der Da- ten aus dem Computertomogramm für eine einzelne Berechnung viele Stunden beansprucht.
Anhand der Computermodelle der TUM-Wissenschaftler dagegen lässt sich eine Kräfteverteilung di- rekt nach der Tomographie in Sekun- denschnelle berechnen. Damit das virtuelle Modell der Informatiker der physischen Realität entspricht, wird die Software mit Daten aus realen Knochenbelastungstests ge- füttert. Diese steuert ein Team um Priv.-Doz. Dr. Rainer Burgkart, dem Leiter der orthopädischen For- schung und Lehre am Klinikum rechts der Isar, bei. Für die ver- ständliche Darstellung der Simula- tionsergebnisse sorgen Mitarbeiter des Lehrstuhls für Computer-Grafik und Visualisierung. EB
Ansprechpartner: Dr.-Ing. Martin Ruess, Lehrstuhl Computation in Engineering, Technische Universität München, Arcisstraße 21, 80290 München, E-Mail: ruess@tum.de
scopy entstehen, in dem mittels der sogenannten ATR(attenuated total reflection)-Technik die Medika- mentenwirkung auf die krank - machenden „defekten“ Proteine er- forscht werden soll. Bisher konnte man die Wirkung nur indirekt mit langen Reporter-Protein-Signalket- ten überprüfen. Die neue Technik soll es ermöglichen, gezielter wir- kende Medikamente mit weniger Nebenwirkungen für eine persona- lisierte Medizin zu entwickeln.
Das nordrhein-westfälische Ge- sundheitsministerium fördert das Projekt für drei Jahre mit 1,2 Mil- lionen Euro. Informationen unter
www.bph.rub.de. EB
HÜFTGELENKOPERATIONEN
Planung mit virtueller Prothese
Das virtuelle Modell zeigt die Hauptspannungs - linien nach einer simulierten Hüft - gelenkoperation.
Foto: TU München