• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Konjunktur: Das Wachstum macht Pause" (29.08.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Konjunktur: Das Wachstum macht Pause" (29.08.2005)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Staatsanwaltschaft zu unterrichten. Die- se nimmt die Ermittlungen auf und er- stattet Anzeige.

Um in begründeten Verdachtsfällen schneller mit Ärzten, Krankenkassen oder der zuständigen Staatsanwalt- schaft beratschlagen zu können, richtete die KV Saarland einen „Runden Tisch“

ein. „Jetzt kennen wir untereinander die jeweiligen Ansprechpartner mit Namen und können bei Bedarf besser reagie- ren“, betont Dr. med. Gunter Haupt- mann. Der Vorstandsvorsitzende der KV Saarland verweist auf die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Rezeptbe- trug mehrerer saarländischer Ärzte und Apotheker Anfang des Jahres. Das sei ausschlaggebend für das weitergehende Engagement der KV gewesen.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) setzte nicht nur bei den KVen Betrugsbekämpfung auf den Plan:

Auch Krankenkassen – sowohl die Lan- desverbände als auch die Spitzenver- bände – verpflichtete die Ministerin mit In-Kraft-Treten der Gesundheitreform in § 197 a SGB V dazu, „organisatorische Einheiten“ einzurichten, die „Fällen und Sachverhalten nachzugehen haben, die auf Unregelmäßigkeiten oder rechtswid- rige oder zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln“ hindeuten.

Die Kassen betrachten die gesetz- liche Verpflichtung als sinnvoll: „Die Korruptionsbekämpfung wird bei der AOK durch die neue Verankerung noch ernster genommen“, ist sich der Koordi- nator für Fehlverhaltensbekämpfung in- nerhalb der AOK, Dr. Michael Jeschke, sicher. Jeschke, der sich seit mehreren Jahren mit Betrug im Gesundheitswe- sen beschäftigt, gehört auch der Arbeits- gemeinschaft Abrechnungsmanipulati- on der Spitzenverbände der Kranken- kassen an – einer Einrichtung, die sich seit 1998 um Betrugsfälle in allen Lei- stungsbereichen kümmert.Als Reaktion auf die geänderte Gesetzeslage stockte die AOK sowohl innerhalb ihrer 17 re- gionalen Kassen als auch beim Bundes- verband personell auf. Auch in der Zen- trale der Deutschen Angestellten-Kran- kenkasse wurde ein Team eingerichtet, das ausschließlich Verdachtsmomenten nachgeht. Darüber hinaus berief die Kasse in jedem ihrer 15 Vertragsberei- che einen Ansprechpartner für Korrup- tionsfälle. Martina Merten

P O L I T I K

A

A2280 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 34–35⏐⏐29. August 2005

D

ie Hoffnung, dass sich die wirt- schaftliche Lage zum Herbst hin deutlich bessern könnte, hat einen Dämpfer erhalten. Das Bruttoinlands- produkt, also die Wertschöpfung im In- land, ist im zweiten Quartal 2005 nicht mehr gewachsen, nachdem es im ersten Quartal noch um 0,8 Prozent gestiegen war. Das signalisiert wirtschaftliche Stagnation, die sich auf der Einnahmen- seite der Sozialversicherungen nieder- schlägt. Dagegen steht, dass sich die Stimmung in der Industrie in den bei- den letzten Monaten deutlich verbes- sert hat, dass in wichtigen Branchen die Aufträge auch aus dem Inland zuge- nommen haben und dass auch der Ex- port weiter steigt. Das trägt zur Stabili- sierung der Konjunktur bei.

Wirtschaftliche Erholung in Amerika und Asien

Die Stagnation im zweiten Quartal be- stätigt die eher skeptischen Erwartungen der Konjunkturexperten, dass im laufen- den Jahr das Wachstum deutlich weniger als ein Prozent erreichen wird. Wenn der Kanzler und sein Wirtschaftsminister Optimismus verbreiten, so hat das mehr mit dem Wahlkampf als mit den harten Fakten zu tun. Richtig ist wohl nur, dass ein wirtschaftlicher Abschwung nicht zu befürchten ist. In Amerika, Asien und ei- nigen Euro-Ländern beschleunigt sich das Wachstum wieder. Die deutschen Ex- porteure profitieren von der Abwertung des Euro. Auch weckt die Zunahme der Aufträge bei Investitionsgütern aus dem Inland die Hoffnung, dass der Stagnation eine konjunkturelle Erholung folgen könnte. Die Binnennachfrage nach Indu- striegütern scheint sich zu beleben. Vom Konsum gehen aber nach wie vor keine Impulse aus.

Viele Unternehmen haben in den letz- ten Jahren ihre Wettbewerbsfähigkeit

und Rentabilität durch Rationalisierung der Produktion, durch neue Produkte und vor allem durch die Entlassung von Arbeitskräften erheblich verbessert.Was aus unternehmerischer Sicht richtig und notwendig war, führte gesamtwirtschaft- lich zu einer abnehmenden Zahl von Vollzeitarbeitskräften und zum Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Dieser Prozess ist offensichtlich noch nicht beendet.

Kurzfristig kann jedenfalls nicht mit ei- ner Abnahme der Arbeitslosigkeit ge- rechnet werden. Diese würde nicht nur Wachstumsraten von mehr als zwei Pro- zent und die Ausweitung der Produkti- onskapazitäten, sondern auch eine wei- tergehende Flexibilisierung des Arbeits- marktes voraussetzen. Dazu zählen Ein- schränkungen beim Kündigungsschutz und Möglichkeiten für die Unterneh- men, sich zumindest im Fall der existenzi- ellen Gefährdung aus den Tarifbindun- gen zu befreien. Ob es zu solchen Refor- men kommt, hängt auch vom Ergebnis der angestrebten Neuwahl ab, über die das Verfassungsgericht in diesen Tagen entscheidet. Nur die Union und die FDP sind, wie die Wahlprogramme zeigen, zu solchen Reformen bereit.

Belastend für die Konjunktur ist der dramatische Anstieg der Ölpreise. Er treibt die Energiekosten hoch und bindet Kaufkraft.Auch der schwächere Euro be- schleunigt den Preisanstieg. Die Regie- rung wünscht noch niedrigere Zinsen, doch die Europäische Zentralbank hält am Diskontsatz von zwei Prozent fest.Die Stabilität der Währungsunion wird jedoch latent durch die übermäßige Ausweitung der Geldmenge im Euro-Raum und die Schuldenpolitik wichtiger Euro-Länder untergraben.

Die Stagnation im zweiten Quartal könnte zu einer Erhöhung der Defizite in allen öffentlichen Kassen führen und den Zwang zur Konsolidierung ver- schärfen. Das gilt für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen, aber

Konjunktur

Das Wachstum macht Pause

Eine bessere Finanzlage der Sozialversicherung ist nicht in Sicht.

Von der Steuerpolitik kommen kurzfristig keine Impulse.

(2)

auch für die Sozialversicherung. Diese profitiert allerdings von der Entschei- dung, von 2006 an die Zahlung der Beiträge um gut zwei Wochen vorzuzie- hen. Damit werden im nächsten Jahr dreizehn Monatsbeiträge fällig; die Li- quidität der Sozialkassen verbessert sich einmalig um gut 20 Milliarden Eu- ro. Das Geld wird freilich den Betrieben entzogen, was der Konjunktur nicht förderlich sein kann.

Wie schwierig die Lage der So- zialversicherungen bleibt, zeigt sich daran, dass der Bund die Ren- tenversicherung in den nächsten Monaten mit der Vorauszahlung erst später fälliger Zuschüsse oder gar mit Krediten bis zum Jahres- ende zahlungsfähig halten muss.

Im Juli sind die Beitragseinnah- men der Rentenversicherung um 1,5 Prozent gesunken. Die nächste Rentenreform wird damit späte- stens 2007 fällig. Aber schon jetzt steht fest, dass es 2006 zum dritten Mal nacheinander keine Renten- erhöhung geben wird; sie wäre nur über Beitragserhöhungen zu finanzieren. Die Parteien sagen dazu in ihren Wahlprogrammen wenig; sie halten an der Alters- grenze von 65 Jahren fest. Dabei scheint die Erhöhung der Alters- grenze wegen der steigenden Le- benserwartung früher oder später als unabweisbar. Für die Union käme ein solcher Schritt immerhin „infrage“, wenn die Lage am Arbeitsmarkt dies zuließe. Darauf wird der Gesetzgeber aber wohl kaum warten können.

Das Minus bei den Beitragseinnah- men dürfte sich auch bei der Kranken- versicherung und der Arbeitslosenversi- cherung zeigen. Das hat ziemlich überra- schend zu der Frage geführt, ob es zur Stabilisierung der Einnahmen sinnvoll sei, für 2006 höhere Löhne zu vereinba- ren. Stichwortgeber war der „Weise“

Prof. Dr. Bert Rürup. Höhere Löhne brächten nämlich mehr Geld in die Ren- tenkasse und nicht nur in diese. Schröder, Eichel und Clement haben sich diese Empfehlung zu Eigen gemacht.Auch das gehört zum Wahlkampf. Richtig ist, dass eine Reihe der größeren Unternehmen höhere Löhne zahlen könnte, für viele der kleineren und mittleren gilt dies aber nicht. Mit höheren und branchenweiten

Tarifabschlüssen ist weder die Wirtschaft zu mobilisieren noch die Politik aus dem Schuldensumpf zu ziehen, noch die Sozi- alversicherung aus dem Minus zu brin- gen. Das verstärkte nur den Druck, Ar- beitskräfte zu entlassen. Wer den Auf- schwung und den Abbau der Arbeitslo- sigkeit will, muss bei den anstehenden Tarifabschlüssen deutlich unterhalb des

Produktivitätsfortschritts bleiben. Mehr Spielraum für die Lohnpolitik gäbe es nur, wenn sich gefährdete Unternehmen leichter als bisher dem Lohndiktat der Tarifpartner entziehen könnten. Rot- Grün und Linkspartei lehnen dies im Ge- gensatz zu Union und FDP strikt ab.

Von der Steuerpolitik sind kurzfristig keine Impulse für die Konjunktur zu er- warten. Aus den Plänen der Parteien, möglichst rasch die Unternehmen steuer- lich zu entlasten und eine durchgreifende Reform der Einkommensteuer anzustre- ben, wird so schnell nichts. Rot-Grün und die FDP wollen die Körperschaftsteuer auf 19 Prozent senken, die Union gibt ei- nen Satz von 22 Prozent vor. Der Druck nimmt zu, alle Unternehmen, also Kapi- tal- und Personengesellschaften, einheit- lich und deutlich niedriger zu besteuern als die Einkommen der Bürger. Die Par- teien wollen, zumindest vorerst noch, die überholte Gewerbesteuer erhalten. Nur die FDP will sie abschaffen und durch

kommunale Zuschläge zur Einkommen- steuer und einen höheren Mehrwertsteu- eranteil der Gemeinden ersetzen.

Union und FDP streben die grundle- gende Reform der Einkommensteuer für 2007 an. Die FDP bleibt beim Stufen- tarif (15, 25, 35 Prozent), die Union will den Eingangssatz auf 12 Prozent und den Spitzensatz auf 39 Prozent senken.

Den Grundfreibetrag für jedes Fa- milienmitglied, also auch für Kin- der, will die Union auf 8 000 Euro im Jahr festsetzen; die FDP gibt ei- nen Grundfreibetrag von 7 700 Euro vor. Da wird man sich ver- ständigen können. Rot-Grün sieht keine Chance für weitere Entla- stungen, will aber die „Reichen“

mit einem Steuerzuschlag von drei Prozent belasten. Die von der PDS beherrschte Linkspartei will den Spitzensatz auf 50 Prozent anhe- ben, die Vermögensteuer wieder einführen und die Erbschaftsteuer verschärfen. Mehr als 60 Milliar- den Euro soll das bringen.

Die Steuerdiskussion wird von dem Vorschlag der Union be- stimmt, schon 2006 die Mehrwert- steuer um zwei Prozentpunkte auf 18 Prozent zu erhöhen. Das passt zwar nicht so recht zur Konjunk- tur, ist aber die Voraussetzung dafür, dass der Beitrag zur Ar- beitslosenversicherung um zwei Punkte auf 4,5 Prozent gesenkt werden kann.

Die anderen Parteien lehnen die Er- höhung der Mehrwertsteuer ab. Die Union gibt also der Senkung der Lohn- nebenkosten auf unter 40 Prozent Prio- rität; dafür nimmt sie die Mehrbela- stung der Verbraucher in Kauf.

Das Thema Konsolidierung der Staats- und Sozialhaushalte wird von den Parteien weitgehend verdrängt; es wird im Herbst jedoch die politi- sche Diskussion bestimmen. Eichel hat mit seinen „Eckwerten“ für den Bun- deshaushalt 2006 belegt, dass es ihm nicht gelungen ist, das strukturelle De- fizit des Bundes abzubauen. Er bezif- fert es für die nächsten Jahre auf je- weils 25 Milliarden Euro, die Union spricht von mehr als 40 Milliarden Euro.

Die Konsolidierung aller öffentlichen Haushalte muss endlich Vorrang haben, damit der Staat Handlungsspielräume zurückgewinnt. Walter Kannengießer P O L I T I K

A

A2282 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 34–35⏐⏐29. August 2005

Grafik:Globus

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nimmt man hinzu, daß bei einer Preissteigerungsrate von gut einem Prozent von Stabilität gesprochen werden kann und sich auch die Real- einkommen der Bürger deutlich ver-

Haushalte und Unternehmen auf den unterschiedli- chen Beitrag dieser beiden Sektoren in einzelnen Re- zessionsphasen hin: Für 1975 und 1982/83 ist der Ausfall an

Selbst wenn sich ein bescheide- ner Anstieg sowohl bei den Brutto- als auch bei den Nettoeinkommen ergeben sollte, so könnte doch nicht mit einem Zuwachs an Kaufkraft gerechnet

Im Jahr 2016 wurde die Firma für ihre Bemühungen belohnt und erhielt vom Bundesamt für Energie die Auszeichnung für Bestleistungen im.. Energiebereich – den

Diese Schicht deiner Realität wird von allen Bewusstseinssträngen (Seelen) ko-kreiert, die an dem kollektiven Realitätskonstrukt beteiligt sind und wir haben alle darin

Diese Erhöhung haben die DGB-Gewerk schaften in der DGB-Tarifgemein schaft Leiharbeit im Rahmen der letzten Tarifrunde 2013 für Dich erreicht.. Aber dabei soll es

Aber stimmt es, dass Deutschland sich dem Steuersen- kungswettlauf nicht entziehen kann und dass von nied- rigeren Unternehmenssteuern starke Impulse für das

Also sind höhere oder niedri- gere Löhne für Erfolg oder Misserfolg der deutschen Wirt- schaft nicht verantwortlich.. Wichtiger ist hier der Verlauf der Konjunktur auf