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Elektromyographische Untersuchungen an Kniegelenksmuskeln bei Hunden mit und ohne Kreuzbandruptur

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Elektromyographische Untersuchungen an Kniegelenksmuskeln bei Hunden mit und ohne Kreuzbandruptur

INAUGURAL – DISSERTATION

zur Erlangung des Grades einer Doktorin der

Veterinärmedizin (Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

vorgelegt von Almuth Chilla aus Freiburg

Hannover 2009

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: Univ. Prof. Dr. F.-J. Kaup PD Dr. S. Neumann

1. Gutachter: Univ. Prof. Dr. F.-J. Kaup

2. Gutachter: Univ. Prof´in Dr. A. Meyer-Lindenberg

Tag der mündlichen Prüfung: 04.05.2009

(3)

Meinen Eltern

(4)
(5)

Inhaltsverzeichnis

I. EINLEITUNG 11

II. LITERATURÜBERSICHT 13

1 Anatomie des Kniegelenkes 13

1.1 Die Knochen des Kniegelenkes 13

1.2 Die Menisken des Kniegelenkes 14

1.3 Die Bänder des Kniegelenkes 14

1.4 Die Muskeln des Kniegelenkes 16

2 Biomechanik des gesunden Knies 19

3 Biomechanik des kranken Knies 27

4 Ruptur des kranialen Kreuzbandes 34

4.1 Ätiologie und Pathogenese 34

4.2 Klinisches Bild und Diagnose 37

5 Elektromyographie 41

5.1 Grundlagen 42

5.2 Apparatur 43

5.3 Methodik 45

5.4 Befunde 46

5.4.1 Einstichaktivität 46

5.4.2 Spontanaktivität 47

5.4.3 Ableitung motorischer Einheitsaktionspotentiale 53

5.5 Beurteilung 54

5.6 Elektromyographie bei Ruptur des kranialen Kreuzbandes 55 6 Histologie des gesunden und des pathologischen Muskels 56

6.1 Histologie des gesunden Muskels 56

6.2 Histologie des pathologischen Muskels 61

6.2.1 Abnormale Verteilung der Muskelfasern 61

6.2.2 Veränderung der Fasergröße 61

6.2.3 Degeneration und Regeneration 62

6.2.4 Veränderungen in der Muskelfaser 64

(6)

6.3 Histologie der Kniegelenksmuskeln bei Ruptur des kranialen Kreuzbandes 69

III. EIGENE UNTERSUCHUNGEN 70

1 Material und Methoden 70

1.1 Patienten 70

1.2 Klinische Allgemeinuntersuchung und orthopädische Untersuchung 70

1.3 Vorbereitung des Patienten 72

1.4 Elektromyographische Untersuchung 72

1.5 Muskelproben 74

1.6 Kreuzbandrissoperation 79

1.7 Nachbehandlung 80

1.8 Statistisches Modell 80

2 Ergebnisse 82

2.1 Patienten 82

2.1.1 Gruppe 1 82

2.1.2 Gruppe 2 82

2.2 Elektromyographische Untersuchung 82

2.2.1 Elektromyographische Veränderungen bei Hunden der Gruppe 1 83 2.2.2 Elektromyographische Veränderungen bei Hunden der Gruppe 2 93

2.2.3 Vergleich Gruppe 1 mit Gruppe 2 104

2.3 Statistische Auswertung der elektromyographischen Untersuchung 118 2.3.1 Einfluss der Gliedmaße auf die elektromyographische Untersuchung 118 2.3.2 Einfluss der Chronizität des Kreuzbandrisses auf die elektromyo-

graphische Untersuchung 121

2.4 Ergebnisse der Muskelpathologie 125

2.4.1 Muskelpathologie der Hunde der Gruppe 1 125

2.4.2 Muskelpathologie der Hunde der Gruppe 2 129

2.4.3 Statistische Auswertung der histologischen Untersuchungen 131

2.4.4 Zusammenfassung 143

2.5 Korrelation zwischen elektromyographischer Untersuchung und

Muskelpathologie 144

2.5.1 Gruppe 1 144

(7)

2.5.2 Gruppe 2 144

IV. DISKUSSION 146

1 Patienten 147

2 Elektromyographische Befunde 148

3 Muskelpathologie 158

4 Vergleich der elektromyographischen mit den histologischen Befunden 162

5 Schlussfolgerungen 164

V. Zusammenfassung 166

VI. SUMMARY 168

VII. VERZEICHNISSE 170

1 Literaturverzeichnis 170

2 Abbildungsverzeichnis 204

3 Tabellenverzeichnis 210

VIII. ANHANG 214

1 Patientendaten 214

2 Untersuchungsergebnisse 216

3 Elektromyographische Veränderungen Gruppe 1 226

4 Elektromyographische Veränderungen Gruppe 2 230

5 Histopathologische Veränderungen 235

(8)

Abkürzungsverzeichnis

A Ampere

Aqua dest. Aqua destillata ATP Adenosintriphosphat bzw. beziehungsweise

C Celsius

ca. circa

cm Zentimeter

EMG Elektromyogramm et al. et alii

Fib Fibrillationen

g Gramm

ggr. geringgradig

HCl Chlorwasserstoff (Salzsäure) HE Hämatoxylin-Eosin

hgr. hochgradig Hrsg. Herausgeber

Hz Hertz

i.m. intramuskulär

K Kalium

KBR Kreuzbandruptur

kg Kilogramm

kHz Kiloherz Lig. Ligamentum Ligg. Ligamenta

LSQ Least Square Means

mg Milligramm

mgr. mittelgradig

M. Musculus

min Minuten

(9)

ml Milliliter Mm. Musculi

mm Millimeter

ms Millisekunden

mV Millivolt

µV Mikrovolt

µm Mikrometer

N. Nervus

Na Natrium

NAD Nicotinamid-adenin-dinucleotid (oxidierte Form) NADH Nicotinamid-adenin-dinucleotid (reduzierte Form)

NADH-TR Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid-Tetrazolium-Reduktase n.s. nicht signifikant

PSW Positive scharfe Welle

s Sekunden

SigN Signifikanzniveau

SR Sarkoplasmatisches Retikulum T-System transversales tubuläres System

u. und

z.B. zum Beispiel

(10)
(11)

I. Einleitung

Die Ruptur des kranialen Kreuzbandes im Kniegelenk des Hundes ist eine der häufigsten Lahmheitsursachen der Hintergliedmaße des Hundes. Sie wird zum ersten Mal von CARLIN (1926) beschrieben. Seitdem wurden zahlreiche Behandlungsmethoden im Laufe der Jahre entwickelt (PAATSAMA 1952, BRUNNBERG 1990, ALLGOEWER et al. 2000). Die Ruptur des kranialen Kreuzbandes führt zu einer veränderten Biomechanik des Kniegelenkes.

Dies äußert sich vor allem in der verminderten kraniokaudalen Stabilität sowie einer verminderten Rotationsstabilität (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977).

Als Agonisten des kranialen Kreuzbandes wirken die kaudalen Oberschenkelmuskeln der kranialen Subluxation und der Innenrotation der Tibia bei Kniegelenken mit Kreuzbandruptur entgegen. Im Gegensatz dazu führt die Kontraktion des M. quadriceps zu einer vermehrten kranialen Verschiebung und Innenrotation der Tibia. Untersuchungen in der Humanmedizin ergeben, dass Patienten mit Ruptur des kranialen Kreuzbandes deutlich erhöhte elektromyographische Aktivität während der Kniegelenksbewegungen in den kaudalen Oberschenkelmuskeln aufweisen, während die elektromyographische Aktivität im M.

quadriceps vermindert ist. Es wird vermutet, dass die veränderte Aktivität der Kniegelenksmuskeln bei Ruptur des kranialen Kreuzbandes einen Versuch der Muskulatur darstellt, das kranke Kniegelenk zu stabilisieren (GERBER et al. 1985, SOLOMONOW et al.

1987, BERCHUCK et al. 1990, ANDRIACCHI u. BIRAC 1993, WEXLER et al. 1998).

Histologische Untersuchungen des M. quadriceps bei Menschen mit Ruptur des kranialen Kreuzbandes zeigen, dass es vor allem zur Atrophie der Typ I Muskelfasern kommt, während andere Kniegelenksverletzungen, wie z. B. Verletzungen der Kollateralbänder, eher zu einer Atrophie der Typ II Muskelfasern führen. Die Atrophie der Typ II Fasern wird hier als unspezifischer Befund infolge Inaktivität der Muskulaturen gesehen, während vermutlich die Typ I Faseratrophie auf die Ruptur des kranialen Kreuzbandes zurückzuführen ist (EDSTRÖM 1970, NAKAMURA et al. 1986). In anderen Studien der Humanmedizin wird eine selektive Atrophie der Typ II Muskelfasern im M. vastus mediales bei Patienten mit kranialer Kreuzbandruptur gefunden (BAUGHER et al. 1984). GERBER et al. (1985) und OKADA (1989) dagegen finden keine spezifische Atrophie einer Muskelfaserart sondern eine Atrophie aller Faserarten.

(12)

Ziel dieser Arbeit ist daher die Untersuchung, ob sich auch bei Hunden die veränderte Biomechanik von Kniegelenken mit Kreuzbandriss auf die Muskelphysiologie und Muskel–

morphologie auswirkt. In diesem Zusammenhang werden Beuge- und Streckmuskeln des Kniegelenkes bei Hunden mit Kreuzbandriss elektromyographisch und histologisch untersucht. Um die Auswirkungen der Kreuzbandruptur auf die kontralaterale Gliedmaßenmuskulatur zu untersuchen, werden die Muskeln des stabilen Kniegelenkes ebenfalls einer elektromyographischen Untersuchung unterzogen.

(13)

II. Literaturübersicht

1 Anatomie des Kniegelenkes

Das Kniegelenk, Articulatio genus, ist ein komplexes synoviales Gelenk, das aus dem Kniekehlgelenk, Articulatio femorotibialis, und dem Kniescheibengelenk, Articulatio femoropatellaris sowie der proximalen Articulatio tibiofibularis besteht (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

1.1 Die Knochen des Kniegelenkes

Das Kniegelenk wird aus den Kondylen des Femurs, der Gelenkfläche der Tibia und der Patella gebildet (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Der Femur besitzt zur Bildung des Kniegelenkes drei Gelenkflächen. Bei der ersten handelt es sich um die Trochlea, die mit der Patella artikuliert (NICKEL et al. 1992, MILLER u.

EVANS 1993). Die Patella stellt das größte Sesambein des Kniegelenkes dar und ist in die Endsehne des M. quadriceps eingebettet (DRAHN 1925). Die Trochlea setzt sich nach distal in die Kondylen des Femurs fort, welche axial mit dem Plateau der Tibia und abaxial mit den Menisken artikulieren. Dabei ist der mediale Kondylus kleiner als der laterale (NICKEL et al.

1992, MILLER u. EVANS 1993). Sie werden durch die Fossa intercondylaris voneinander getrennt, welche unter anderem als Ansatzstelle für die Kreuzbänder dient (FITCH et al.

1995).

Die dritte Gelenkfläche gilt dem medialen bzw. dem lateralen Vesalischen Sesambein des M.

gastrocnemius und befindet sich distal der medialen bzw. lateralen Tuberositas, die als Ursprung der beiden Köpfe des Gastrocnemius dient (RENDANO u. DUELAND 1978, NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993). Außerdem befindet sich hier das Sesambein des M. popliteus, das mit dem kaudalen Teil des lateralen Kondylus des Femurs artikuliert (NICKEL et al. 1992, HOULTON u. NESS 1993, MILLER u. EVANS 1993).

(14)

1.2 Die Menisken des Kniegelenkes

Um die Inkongruenz der beiden Gelenkflächen auszugleichen sind dem Kniekehlgelenk sowohl ein lateraler als auch ein medialer Meniskus als faserknorpelige Zwischenscheiben eingeschoben (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993). Der mediale Meniskus ist durch eine kräftige Verbindung mit dem medialen Seitenband und der Gelenkkapsel in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt. Im Gegensatz dazu hat der laterale Meniskus keine Verbindung zum Seitenband, da die Ursprungssehne des M. popliteus zwischen dem Außenrand und dem Seitenband entlang läuft. Nur im kranialen Bereich besteht eine Verbindung zur Gelenkkapsel (ARNOCZKY u. MARSHALL 1993).

1.3 Die Bänder des Kniegelenkes

Bei den Bändern des Kniegelenkes werden im Speziellen die Bänder der Menisken von den Bändern des Kniekehlgelenkes und der Patella unterschieden. Die Menisken werden mit kaudalen und kranialen Bändern an der Tibia und durch das Ligamentum transversum genus untereinander befestigt (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Die Knochen des Kniekehlgelenkes werden durch die Kreuzbänder und durch die Kollateralbänder miteinander verbunden. Die Kreuzbänder sind für die Stabilität des Kniegelenkes von herausragender Bedeutung. Sie befinden sich zentral im Gelenk und sind von Synovialis überzogen.

Das vordere Kreuzband nimmt seinen kreisförmigen Ursprung im kaudalen Bereich der interkondylären Fläche das lateralen Kondylus des Femurs, um kraniomediodistal verlaufend flächenartig an der Area intercondylaris cranialis tibiae anzusetzen (ARNOCZKY u.

MARSHALL 1977). An diesem Band kann ein kraniomedialer spiraler Teil von einem kaudolateralen Teil unterschieden werden (HEFFRON u. CAMPBELL 1978).

Das hintere Kreuzband entspringt kranial an der Innenseite des medialen Kondylus des Femurs. Es zeigt einen kaudodistalen Verlauf und inseriert medial der Incisura poplitea tibiae an der Tibia (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977).

(15)

Die Ligg. collateralia verbinden die Bandhöcker des Femurs mit denen der Tibia bzw. der Fibula. Das laterale Seitenband wird durch den M. popliteus vom lateralen Meniskus getrennt, während das mediale Seitenband in enger Verbindung zum medialen Meniskus steht (VASSEUR u. ARNOCZKY 1981).

Die Bänder des Kniescheibengelenkes sind die Retinaculae patellae und das Ligamentum patellae. Das letztere stellt die Endsehne des M. quadriceps femoris dar, in die die Patella als Sesambein eingelagert ist (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993). Die Bänder des Kniegelenkes sind in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Dorsale Ansicht der Tibia in Anlehnung an ARNOCZKY und MARSHALL (1993)

(16)

1.4 Die Muskeln des Kniegelenkes

Bei den kaudalen Muskeln des Oberschenkels beeinflussen der M. biceps femoris, der M.

abductor cruris caudalis, der M. semitendinosus und der M. semimembranosus die Bewegungen des Kniegelenkes.

Der M. biceps femoris nimmt seinen Ursprung mit zwei ungleich großen Köpfen an dem Lig.

sacrotuberale und dem Tuber ischiadicum. Er teilt sich in einen kranialen, mittleren und in einen kaudalen Ast, wobei der mittlere und der kaudale Ast miteinander verschmelzen und an dem Margo cranialis der Tibia enden. Der kraniale Ast des M. biceps strahlt mit seiner Endaponeurose von lateral in das Periost der Patella und in das gerade Kniescheibenband ein.

Ein weiterer Sehnenstrang endet über die Fascia cruris an dem Tuber calcanei. Die Wirkung des Biceps auf das Kniegelenk ist sowohl die Streckung als auch die Beugung (ZIETZSCHMANN 1934). Die Innervation des M. biceps femoris erfolgt durch den N.

gluteus caudalis und den N. tibialis (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Unter dem M. biceps femoris liegt der M. abductor cruris caudalis. Er entspringt an dem Lig. sacrotuberale und verschmilzt mit dem M. biceps. Weiterhin strahlt er in die Fascia cruris aus. Er unterstützt den Biceps als Auswärtsführer der Gliedmaße und als Beuger des Knies. Er wird durch den N. fibularis innerviert (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Der M. semitendinosus bildet einen großen Teil der hinteren Kontur der Hinterbacke. Er entspringt am äußeren Sitzbeinwinkel. Mit einer platten Sehne verschmilzt er mit der Aponeurose des M. gracilis und der Fascia cruris und findet an der medialen Fläche der Tibia sowie am Margo cranialis Ansatz. Weiterhin bildet sich aus dem hinteren Rand eine Fersenbeinsehne, welche mit der Fersenbeinsehne des Biceps und der Unterschenkelfaszie den Tendo accessorius bildet. Am Knie führt der M. semitendinosus im Hangbein zur Beugung und im Standbein zur Streckung des Gelenkes. Die Innervation erfolgt durch den N.

tibialis (MOORE et al. 1981, NICKEL et al. 1992, CAPELLO et al. 1993, MILLER u.

EVANS 1993).

Der M. semimembranosus hat seinen Ursprung an der Unterseite des Sitzbeinhöckers. Er spaltet sich, nachdem er den M. semitendinosus medial gekreuzt hat, in zwei Bäuche. Der kraniale Bauch endet mit einer platten Sehne an dem Labium mediale und am medialen

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Kondylus des Femurs sowie an der Ursprungsaponeurose des M. gracilis. Der kaudale Bauch inseriert dagegen unter dem medialen Seitenband an dem medialen Kondylus der Tibia und ist damit im Gegensatz zum kranialen Bauch zweigelenkig und kann das Kniegelenk beugen, während der kraniale Bauch das Kniegelenk streckt. Die Innervation erfolgt durch den N.

tibialis (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Zu den kranialen Muskeln des Oberschenkels gehören der M. quadriceps femoris und der M.

articularis genus.

Der M. quadriceps femoris ist in vier Köpfe trennbar. Der M. rectus femoris entspringt von einem Schleimbeutel unterlagert am Darmbein. Mit seiner Endsehne, in die die Patella als Sesambein eingelagert liegt, inseriert er als gerades Kniescheibenband proximal an der Tuberositas tibiae. Der M. vastus medialis entspringt proximal an der kraniomedialen Fläche und am Labium mediale des Femurs und strahlt direkt oberhalb der Patella in den M. rectus femoris ein. Der M. vastus lateralis hat seinen Ursprung an der kraniolateralen Fläche des Femurs und strahlt ebenfalls in den M. rectus femoris ein. Die schwächste Portion des M.

quadriceps femoris ist der M. vastus intermedius. Er entspringt zusammen mit dem M. vastus lateralis und liegt direkt auf dem Femur. Er strahlt mit seinen Fasern in den M. vastus medialis ein. Der M. quadriceps femoris ist der stärkste Strecker des Kniegelenkes und wird durch den N. femoralis innerviert (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Bei 82% der Hunde ist der M. articularis genus vorhanden. Er liegt auf der dorsalen Fläche des distalen Femurdrittels dem Periost auf und inseriert im suprapatellaren Fettpolster oder in der Faserschicht der Gelenkkapsel (SCHREIBER u. HOFMANN 1949, KINCAID et al.

1996). Bei der Unterschenkelstreckung bewirkt er somit eine Spannung der Kapsel, um deren Verfangen zwischen Patella und Trochlea während der Bewegung des Kniegelenkes zu verhindern (KINCAID et al. 1996). Die Innervation erfolgt ebenfalls durch den N. femoralis (SCHREIBER u. HOFMANN 1949, KINCAID et al. 1996).

Von den medialen Muskeln des Oberschenkels beeinflussen der M. sartorius und der M.

gracilis die Bewegungen des Kniegelenkes.

Der M. sartorius besteht aus zwei Muskelbäuchen, wobei der kraniale Bauch oberhalb des Tuber coxae entspringt und proximal der Patella in die Fascia genus und die Fascia cruris

(18)

übergeht (BAUM u. ZIETZSCHMANN 1936). Der kaudale Bauch hat seinen Ursprung an der Spina iliaca ventralis cranialis und endet mit einer Aponeurose, die mit dem M. gracilis und der Fascia cruris verschmilzt, und inseriert somit am Vorderrand der Tibia. Über die Fascien kann der kraniale Teil des M. sartorius das Kniegelenk strecken. Der kaudale Teil dagegen beugt das Kniegelenk. Er wird durch Muskeläste des N. saphenus innerviert (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Der M. gracilis bildet eine breite Muskelplatte, die die Oberfläche des hinteren inneren Oberschenkels bildet. Er hat seinen bogenförmigen Ursprung am Tendo symphysialis. Als flache Sehne schiebt er sich unter den M. sartorius und endet am Margo cranialis der Tibia.

Außerdem strahlt die Endaponeurose in die Fascia cruris ein. Weiterhin wird noch ein Verstärkungsband zu der Fersenbeinsehne des M. semitendinosus abgegeben.

Der M. gracilis ist ein kräftiger Adduktor und kann über die Faszien neben dem Hüftgelenk und dem Tarsalgelenk auch das Kniegelenk strecken. Die Innervation erfolgt über den N.

obturatorius (NICKEL et al. 1992, CAPELLO et al. 1993, MILLER u. EVANS 1993).

Zu den Muskeln des Unterschenkels, die das Kniegelenk umlagern, gehören: der M. extensor digitalis longus, der M. gastrocnemius, der M. flexor digitalis superficialis und der M.

popliteus.

Der M. extensor digitalis longus liegt kraniolateral am Schienbein unterhalb des M. tibialis cranialis. Er entspringt mit einer Sehne in der Fossa extensoria des Femurs und passiert den Sulcus extensorius der Tibia, in dem er von der Aussackung der Gelenkkapsel unterlagert wird. Es wird kein Effekt auf die Bewegung oder die Stabilität des Kniegelenkes erwähnt (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Der M. flexor digitalis superficialis ist proximal fest mit dem lateralen Gastrocnemiuskopf verwachsen und entspringt mit diesem an der Tuberositas supracondylaris lateralis des Femurs und am lateralen Vesalischen Sesambein. Er entwickelt sich zur oberflächlichen Beugesehne, die am Tuber calcanei die von einem Schleimbeutel unterlagerte Fersenbeinkappe bildet. Mit vier Endschenkeln endet die Sehne des M. flexor digitalis superficialis plantar am Zehengrundgelenk. Der M. flexor digitalis superficialis spielt eine

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begrenzte Rolle bei der Beugung des Knies. Die Innervation erfolgt durch den N. tibialis (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Der M. gastrocnemius entspringt mit einem medialen und einem lateralen Kopf am Labium mediale und laterale des distalen Endes des Femurs. In beiden Ursprungssehnen ist jeweils ein Vesalisches Sesambein eingelagert. Es entwickeln sich aus den Muskelbäuchen zwei Eigensehnen, die zu einer einheitlichen Achillessehne verschmelzen und von einem Schleimbeutel unterlagert am Tuber calcanei inserieren (BAUM u. ZIETZSCHMANN 1936).

Der M. gastrocnemius hat eine begrenzte Rolle bei der Beugung des Kniegelenkes. Aber er bewirkt durch seine Kontraktion einen Zug des Femurs nach kaudodistal. Dieses führt zu einer kranialen Verschiebung der Tibia in Relation zum Femur während des Tibia- Kompressionstests (HENDERSON u. MILTON 1978). Die Innervation erfolgt durch den N.

tibialis (NICKEL et al. 1992, MILLER u. EVANS 1993).

Der M. popliteus ist ein Hilfsstrecker des Knies. Aufgrund seines Verlaufes von lateral über kaudal nach medial führt er zu einer Pronation des Unterschenkels während der Beugung des Kniegelenkes (MANN u. HAGY 1977, FUSS 1989). In seiner Ursprungssehne, die in der Fossa musculi poplitei des lateralen Condylus ossis femoris entspringt, ist ein Sesambein eingelagert. Mit fächerförmiger Verbreiterung unter dem M. gastrocnemius führt der M.

popliteus, direkt auf der Kapsel aufliegend, von kaudal nach medial, um an dem medialen Tibearand an der Linea musculi poplitei zu inserieren (NICKEL et al. 1992, MILLER u.

EVANS 1993).

2 Biomechanik des gesunden Knies

Im normalen Stand besteht in der Achse zwischen Femur und Tibia im Knie ein Winkel von 130-140°. Die Bewegung des Kniegelenkes verläuft physiologischerweise über einen Winkel von 110° (RUDY 1974).

Das Kniegelenk ist durch drei Bewegungsebenen gekennzeichnet. Die Extensions- und die Flexionsbewegung verläuft um eine durch die beiden Femurkondylen in mediolateraler Richtung projizierte Querachse (X-Achse) und dominiert im Standbein. Während der Beugung und Streckung im Hangbein findet sowohl eine Innen- als auch eine Außenrotation

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statt, welche sich um eine parallel zur Tibia liegende und durch das mediale Femurkondylenpaar verlaufende Längsachse (Y-Achse) bewegt. Weiterhin kann eine Bewegung in kraniokaudale Richtung entstehen, welche aber physiologischerweise durch die beiden Kreuzbänder verhindert wird (Z-Achse) (RUDY 1974, ARNOCZKY 1985). Die verschiedenen Bewegungsachsen zeigt Abbildung 2.

Im Kniegelenk finden bei Beugung und Streckung Roll- und Gleitbewegungen zwischen den Kondylen der Tibia und des Femurs statt. Im Übergang von der Extension zur Flexion und zu Beginn der Flexion rollt der Kontaktpunkt der beiden Gelenkflächen nach kaudal. Bei fortgeschrittener Beugung geht die Roll- in eine Gleitbewegung über. In dieser Phase gleitet der Kontaktpunkt der beiden Gelenkflächen am Femur weiter kaudal, während er an der Tibia stationär bleibt (RUDY 1974). Die gleitende Bewegungsrichtung am Kontaktpunkt der beiden Gelenkflächen ist dabei tangential zu der Gelenkoberfläche (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977).

Die Bewegungen der beiden Kondylen beeinflussen auch das Verhalten der beiden in das Kniegelenk eingeschobenen Menisken. Sie dienen der Herstellung einer kongruenten Gelenkfläche und haben als elastische Puffer, die die Gelenkflächen vergrößern, eine stoßdämpfende Wirkung (SCHREIBER 1947). Die Menisken bewirken eine Energieabsorption und eine Übertragung von 65% der Gewichtskraft in der Standposition (KRAUSE et al. 1976). Sie bremsen die extreme Streckung bzw. die extreme Beugung des Gelenkes und verhindern zusätzlich, dass sich die Gelenkkapsel in den Gelenkspalt einklemmt (SCHREIBER 1947, DYCE et al. 1952). Weiterhin dienen sie der Verteilung der Synovialflüssigkeit sowie dem Auffangen von Rotationsbewegungen (RUDY 1974, FLO et al. 1983, STROBEL u. STEDTFELD 1991).

Die Menisken gleiten in der Extension nach kranial und während der Beugung an den kaudalen Gelenkflächenrand, wobei sich der laterale Meniskus weiter bewegt als der besser befestigte mediale. Werden die Menisken an ihrer Bewegung gehindert, so führt dies zu einer totalen Gelenksperre (SCHREIBER 1947, DYCE et al. 1952).

Die das Kniegelenk umgebenen Weichteilstrukturen sorgen während der Bewegung für dessen Stabilität.

(21)

Die Kreuzbänder dienen als passive Führungselemente der Kniebewegungen. Bei Beugung des Knies ist das kraniale Kreuzband bis auf den gespannten kraniomedialen Teil locker. Das kaudale Kreuzband ist im Gegensatz dazu in der Beugung vorwiegend gespannt. Allerdings bleibt auch hier ein kranialer Teil entspannt (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977). Damit wird durch den kraniomedialen Teil des vorderen Kreuzbandes die kraniale Verschiebung der Tibia in Bezug auf den Femur verhindert (FURMAN et al. 1976, FUKUBAYACHI et al.

1982). Der kaudale Teil des hinteren Kreuzbandes stabilisiert das Kniegelenk in kaudale Richtung.

Abbildung 2: Die drei Bewegungsachsen der Articulatio femorotibialis nach ARNOCZKY (1985)

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Da sich die Kreuzbänder im Moment der Flexion umeinander verdrillen, wird eine übermäßige Innenrotation verhindert (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977, FUKUBAYACHI et al. 1982).

Im gestreckten Kniegelenk ist das gesamte vordere Kreuzband gespannt. Im Gegensatz dazu bleibt das hintere Kreuzband bis auf einige straffe kaudale Fasern locker. Auch hier wird für eine Stabilisierung in kraniokaudale Richtung aber auch gegenüber Hyperextension gesorgt.

Die Bänder verdrillen sich allerdings nicht umeinander, daher kann eine übermäßige externe Rotation nicht verhindert werden (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977).

Abbildung 3 und Abbildung 4 zeigen das Verhalten des kranialen und des kaudalen Kreuzbandes bei der Beugung und der Streckung des Kniegelenkes.

Abbildung 3: Kraniales Kreuzband in Extension und Flexion in Anlehnung an ARNOCZKY und MARSHALL (1977). Bei Beugung ist das kraniomediale Band fest (Pfeil) und der kaudolaterale Teil locker.

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Abbildung 4: Kaudales Kreuzband in Extension und Flexion in Anlehnung an ARNOCZKY und MARSHALL (1977). Bei Streckung ist nur der kaudale Anteil fest (Pfeil).

Bei Beugung ist der größte und vordere Anteil des kaudalen Kreuzbandes fest, während sich der kaudale Anteil lockert.

Da sich die Ansatzpunkte der Kollateralbänder während der Beugung einander annähern, lockert sich das laterale Kollateralband deutlich, während das mediale bis auf einige Fasern im kaudalen Rand gespannt bleibt (siehe Abbildung 5). Damit wird eine leichte Varus- und Valgusbewegung aber auch ein Kaudalgleiten des lateralen Kondylus des Femurs ermöglicht.

Dies führt während der Beugung zu einer Innenrotation der Tibia.

In der Extension sind beide Kollateralbänder gespannt und stabilisieren somit das Kniegelenk gegenüber Rotationsbewegungen. Durch das Anspannen des in der Beugung lockeren lateralen Kollateralbandes gleitet der laterale Condylus ossis femoris zurück nach kranial.

Dies bewirkt, dass sich die in der Beugung nach innen rotierte Tibia wieder nach außen dreht („screw-home-Mechanismus“) (siehe Abbildung 6).

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Weiterhin verhindern die angespannten Kollateralbänder eine Varus- und Valgusbewegung (VASSEUR u. ARNOCZKY 1981).

Abbildung 5: Kraniale Ansicht des Kniegelenkes in Flexion in Anlehnung an ARNOCZKY und MARSHALL (1993)

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Abbildung 6: Kraniale Ansicht des Kniegelenkes in Extension in Anlehnung an ARNOCZKY und MARSHALL (1993)

Auch die Muskeln des Kniegelenkes sind für die Stabilität des Kniegelenkes von besonderer Bedeutung. Nur ein kleiner Anteil der Muskulatur widmet sich der Bewegung des Kniegelenkes (RUDY 1974).

Neben der Hauptfunktion als Strecker des Kniegelenkes ist der M. quadriceps femoris ein dynamischer Partner des hinteren Kreuzbandes. Durch die Mm. vasti medialis und lateralis bildet er eine zügelähnliche Rotationssicherung (STROBEL u. STEDTFELD 1991). Innen- und Außenrotation im Kniegelenk erhöhen den Tonus der Mm. vasti. Weiterhin kann er durch seine Verbindung zu den Retinacula den Bandapparat vorspannen und ihn so vor einer abrupten Krafteinwirkung schützen (RUDY 1974, STROBEL u. STEDTFELD 1991).

Bei 100-180° Beugung, wobei 180° die vollständige Extension darstellt, kommt es durch den M. quadriceps zu einer kranialen Verschiebung der Tibia gegenüber dem Femur

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(HIROKAWA et al. 1992). Dies führt zu einer Spannungserhöhung des kranialen Kreuzbandes während das kaudale Kreuzband locker bleibt (DÜRSELEN et al. 1995). Im Gegensatz dazu schiebt der M. quadriceps die Tibia bei deutlicherer Beugung, also bei einem Winkel von 60-100°, nach kaudal und das kraniale Kreuzband wird nicht gespannt (HIROKAWA et al. 1992).

Weiterhin führt eine isolierte Kontraktion des M. quadriceps zu einer Innenrotation der Tibia (HIROKAWA et al. 1992). Eine Ko-Kontraktion des M. quadriceps mit den kaudalen Muskeln des Oberschenkels stabilisiert das Kniegelenk vor Varus- und Valguskräften (LLOYD u. BUCHANAN 2001).

Bei der Extension des Kniegelenkes wirkt der M. gastrocnemius als Antagonist des kranialen Kreuzbandes, da er die Tibia bei seiner Kontraktion nach kranial verschiebt. Dies erhöht die Spannung des kranialen Kreuzbandes, die sich zusätzlich bei der Ko-Kontraktion des M.

quadriceps mit dem M. gastrocnemius steigert. In dieser Phase dient der M. gastrocnemius nicht als kaudale Stütze, und es ist einfach für die Extensoren, das Knie in eine extreme Streckung zu bringen (FLEMING et al. 2001).

Aufgrund des Insertionspunktes am Femur bewegt sich der M. gastrocnemius in der Beugung nach kaudal, so dass die spannende Kraft auf das kraniale Kreuzband nicht mehr so ausgeprägt wird (FLEMING et al. 2001). Er gleicht somit die Wirkung des M. quadriceps und der Fascia lata aus und dient als kaudale Stütze des kranialen Kreuzbandes (RUDY 1974).

Dabei erhöht er aber die Spannung des kaudalen Kreuzbandes (DÜRSELEN et al. 1995).

Der M. popliteus rotiert die Tibia nach innen und ist somit ein starker Antagonist gegenüber Kräften, welche die Tibia nach außen drehen. Durch seine Kontraktion sorgt er somit für Rotationsstabilität (RUDY 1974). Zusätzlich schützt er in der Beugung vor Varuskräften.

Weiterhin kontrolliert er den lateralen Meniskus und sichert diesen vor Einklemmung, indem er ihn in der Beugung zurückzieht (MANN u. HAGY 1977, STROBEL u. STEDTFELD 1991).

Der M. biceps femoris vermindert die axiale Rotation der Tibia (RUDY 1974). Zusammen mit dem M. semimembranosus und dem M. semitendinosus hat er eine protektive Funktion

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für das kraniale Kreuzband, indem sie durch Beugung des Kniegelenkes eine kaudale Kraft auf die Tibia ausüben (FLEMING et al. 2001).

Allerdings erhöhen die kaudalen Muskeln des Oberschenkels somit auch den Zug auf das kaudale Kreuzband (DÜRSELEN et al. 1995).

In der Extension stabilisieren sie das Kniegelenk durch ihren Antagonismus gegenüber dem M. quadriceps. Bei exzessiver Streckung reagieren sie mit Kontraktion und schützen somit das kraniale Kreuzband vor Überbelastung (SOLOMONOW et al. 1987, GOMEZ- BARRENA et al. 1997, FLEMING et al. 2001).

Der M. gracilis, der M. sartorius und der M. tensor fasciae lata schützen das Knie vor Varus- und Valguskräften. Sie reduzieren in der Extension den Stress auf die Bänder des Kniegelenkes (LLOYD u. BUCHANAN 2001).

3 Biomechanik des kranken Knies

Die Kreuzbänder sind die passiven Führungselemente des Kniegelenkes, und daher hat deren Ruptur eine herausragende Bedeutung für die Biomechanik des Kniegelenkes (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977).

Besondere Auswirkung hat der Riss des kranialen Kreuzbandes. Dieses Band ist vor allem wichtig für die kraniokaudale und die Rotationsstabilität des Gelenkes. Weiterhin begrenzt es die Hyperextension (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977). Bei der Biomechanik muss aber zwischen einem vollständigen und einem partiellen Riss unterschieden werden.

Wenn das gesamte kraniale Kreuzband gerissen ist, erhöht sich die kraniokaudale Instabilität des Kniegelenkes insofern, dass nun eine deutliche kraniale Verschiebung der Tibia in Bezug auf den Femur möglich ist (FURMAN et al. 1976, ARNOCZKY u. MARSHALL 1977, FUKUBAYACHI et al. 1982, JONSSON et al. 1989, OSTGAARD et al. 1991, MAITLAND et al. 1998). Dieses kraniale Schubladenphänomen ist vor allem in 30° und 75° Beugung deutlich, während es in der Extension nicht so ausgeprägt wird (ARNOCZKY u.

MARSHALL 1977, FUKUBAYACHI et al. 1982).

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Kommt es allerdings nur zu einer partiellen Ruptur des kranialen Kreuzbandes, so ist weiterhin bei Riss des kraniomedialen Teils eine kraniale Verschiebung der Tibia in Bezug auf den Femur möglich (siehe Abbildung 7). Eine Verschieblichkeit kann fehlen, wenn nur der kaudolaterale Anteil des Bandes rupturiert (siehe Abbildung 8) (ARNOCZKY u.

MARSHALL 1977).

Abbildung 7: Riss des kraniomedialen Teiles (A zu A‘ und B zu B‘) des kranialen Kreuzbandes produziert keine Instabilität in Extension (c) solange der kaudolaterale Teil (C zu C‘) intakt ist. In Flexion (d) ist eine kraniale Verschiebung der Tibia in Bezug auf den Femur möglich (ARNOCZKY u.

MARSHALL 1993)

Solange das kaudale Kreuzband intakt bleibt, ist beim kranialen Kreuzbandriss keine kaudale Verschiebung der Tibia zu beobachten (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977, FUKUBAYACHI et al. 1982).

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Abbildung 8: Ein Riss des kaudolateralen (C zu C‘) Teiles des kranialen Kreuzbandes führt zu keiner Instabilität in Extension (a) oder Flexion (b) (in Anlehnung an ARNOCZKY und MARSHALL 1993)

Auch für die Rotationsstabilität ist das kraniale Kreuzband von Bedeutung. Zusammen mit dem kaudalen Kreuzband verhindert es durch die Verdrillung umeinander die Innenrotation der Tibia. Bei der Ruptur kann nun eine deutliche Zunahme dieser Rotation vor allem in der Beugung beobachtet werden (FURMAN et al. 1976, ARNOCZKY u. MARSHALL 1977, JONSSON et al. 1989, MAITLAND et al. 1998). FUKUBAYACHI et al. (1982) beschreiben allerdings, dass bei einem kranialen Zug auf die Tibia diese weniger nach innen rotiert. Diese Rotation wird von KÄRRHOLM et al. (1988) bestätigt und mit dem Verhalten der Kondylen des Femurs begründet. In einem intakten Knie bewegt sich der laterale Kondylus unter Zug der Tibia nach kranial ebenfalls nach vorne, während der mediale Kondylus nach kaudal gleitet. Bei einem Riss des kranialen Kreuzbandes gleiten nun beide Kondylen aufgrund des kranialen Zuges nach vorne. Dieses bewirkt eine mediale Verlagerung der Drehachse und es

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resultiert eine verminderte innere Rotation der Tibia (KÄRRHOLM et al. 1988). Weiterhin beobachten KÄRRHOLM et al. (1988), dass die Außenrotation der Tibia bei einem kranialen Kreuzbandriss zunimmt, wenn die Tibia einer kaudal gerichteten Kraft ausgerichtet wird.

Wird das kranke Knie nun einer Kraft ausgesetzt, die das Knie in die Valgusstellung führt, steigt die Abduktionsbewegung, das Verschieben der Tibia nach kranial und die innere Rotation der Tibia an (OSTGAARD et al. 1991).

Weiterhin ist beim kranialen Kreuzbandriss eine gesteigerte Hyperextension zu beobachten (FURMAN et al. 1976, ARNOCZKY u. MARSHALL 1977).

Vier Monate nach der Durchtrennung des kranialen Kreuzbandes vermindern sich die kraniokaudale und die Rotationsinstabilität vermutlich aufgrund der osteoarthrotischen Veränderungen, die das Gelenk versteifen und somit stabilisieren können (MAITLAND et al.

1998).

Der Riss des kranialen Kreuzbandes und die daraus resultierende Instabilität des Kniegelenkes können auch durch vermehrten Druck der Kondylen des Femurs zu einer Schädigung der Menisken führen (FLO et al. 1983, ARNOCZKY 1985, BRUNNBERG 1987). Die schädigende Einwirkung in der Beugung entsteht vor allem auf den medialen Meniskus, der aufgrund seiner Befestigung nicht ausweichen kann. Die verschiedenen Formen der Meniskusverletzungen zeigt Abbildung 9.

Zu einer Schädigung des lateralen Meniskus kommt es nur selten, weil dieser nur locker im Gelenk befestigt ist und deshalb dem Druck der Kondylen ausweichen kann (HULSE u.

SHIRES 1981, ARNOCZKY 1985).

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Abbildung 9: Medialer Meniskus mit transversalem Riss (A), longitudinalem Riss (B),

„bucket handle“-Riss (C) und Abriss des kaudalen Horns mit Vorfall dessen (D) nach ARNOCZKY und MARSHALL (1993)

Die Instabilität des Kniegelenkes mit Kreuzbandriss führt auch zu degenerativen Veränderungen des gesamten Gelenkes sowie umliegender Strukturen. PAATSAMA und SITTNIKOW (1972) beobachten schon drei Wochen nach Durchtrennung des kranialen Kreuzbandes eine Knochenzubildung proximal an der Gelenkoberfläche des Kniekehlgelenkes sowie des Kniescheibengelenkes. LOPEZ et al. (2003) finden nach vier Wochen Erscheinungen einer Osteoarthritis. Bei MARSHALL und OLSSON (1971) werden die Veränderungen in proliferative und degenerative Formen eingeteilt. Proliferative Veränderungen betreffen vor allem das periartikuläre Gewebe, wo die Veränderungen zuerst zu finden sind, und die Synovialis. Degenerative Erscheinungen werden am Knorpel gefunden, und die Menisken sind sowohl degenerativ als auch proliferativ verändert.

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Nach fünf bis sechs Wochen werden auch der proximale Teil der Kondylen und das distale Ende der Patella umgestaltet (ADRIAN u. BRONK 1929, MARSHALL u. OLSSON 1971, PAATSAMA u. SITTNIKOW 1972). Dabei besteht eine enge Korrelation zwischen diesen Veränderungen und der Instabilität des Gelenkes (MARSHALL u. OLSSON 1971).

Das hintere Kreuzband hat geringen Einfluss auf die Stabilität des Kniegelenkes. Es verhindert vor allem die kaudale Verschiebung der Tibia in Bezug auf den Femur in allen Beugungswinkeln (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977, GOLLEHON et al. 1987). Daher ist diese Verschiebung bei einem Riss des kaudalen Kreuzbandes nachzuweisen (GOLLEHON et al. 1987). Eine erhöhte Rotationsinstabilität ist aber im Gegensatz zum kranialen Kreuzbandriss nicht festzustellen (GOLLEHON et al. 1987).

Auch die Muskulatur, die das Kniegelenk umgibt, ist von der veränderten Biomechanik bei einem Riss des kranialen Kreuzbandes beeinflusst.

Die häufigsten Veränderungen werden in der Humanmedizin in den kaudalen Oberschenkelmuskeln gefunden. Sie sind Agonisten des kranialen Kreuzbandes und bewirken durch ihre Kontraktion eine Verschiebung der Tibia nach kaudal. Somit wird der kranialen Subluxation der Tibia durch die Kontraktion des M. quadriceps femoris entgegengewirkt (CICCOTTI et al. 1994, BOERBOOM et al. 2001). Weiterhin vermindert sich durch die kaudalen Oberschenkelmuskeln die Innenrotation der Tibia (BERCHUCK et al. 1990, CICCOTTI et al. 1994, BULGHERONI et al. 1997). Daher ist ihre elektromyographische Aktivität während der Beugung und Streckung des Kniegelenkes sowie während körperlicher Aktivitäten bei einem kranialen Kreuzbandriss deutlich erhöht (GERBER et al. 1985, SOLOMONOW et al. 1987, BERCHUCK et al. 1990, LASS et al. 1991, NOYES et al. 1992, ANDRIACCHI u. BIRAC 1993, WEXLER et al. 1998, BOERBOOM et al. 2001, WILLIAMS et al. 2003). Es folgt eine Hypertrophie vor allem des M. biceps femoris und des M. semitendinosus (LORENTZON et al. 1989).

Zusätzlich wird in der Humanmedizin beobachtet, dass die elektromyographische Aktivität des M. quadriceps femoris bei einem kranialen Kreuzbandriss sinkt (GERBER et al. 1985, BERCHUCK et al. 1990, ANDRIACCHI u. BIRAC 1993, BULGHERONI et al. 1997, WEXLER et al. 1998). Sogar ein Vermeiden der Kontraktion des M. quadriceps femoris und damit einer vollständigen Extension wird erwähnt (BERCHUCK et al. 1990, ANDRIACCHI

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u. BIRAC 1993, WEXLER et al. 1998). Dies führt sowohl beim Menschen als auch bei Kaninchen zu einer Atrophie des M. quadriceps femoris, vor allem seines M. vastus medialis (GERBER et al. 1985, LORENTZON et al. 1989, KILIC et al. 2004).

Begründet wird dies einmal durch die Funktion des M. quadriceps femoris, der einen Antagonisten des kranialen Kreuzbandes darstellt. Durch seine Kontraktion führt er vor allem am Ende der Extensionsphase zu einer kranialen Verschiebung des Tibiakopfes in Relation zum Femur. Sein M. vastus medialis erhöht noch zusätzlich die Innenrotation der Tibia.

Durch eine verminderte Kontraktion des M. quadriceps femoris wird daher auch die - durch den kranialen Kreuzbandriss ermöglichte - kraniale Verschiebung der Tibia und deren Innenrotation verhindert (NOYES et al. 1992, CICCOTTI et al. 1994, WEXLER et al. 1998, BOERBOOM et al. 2001).

Eine weitere Begründung für die verminderte elektromyographische Aktivität ist das fehlende Feedback von Mechanorezeptoren im gerissenen kranialen Kreuzband (LORENTZON et al.

1989, KILIC et al. 2004).

BOERBOOM et al. (2001) finden allerdings keine elektromyographischen Veränderungen im M. quadriceps femoris und sehen die Stabilisierung des Knies mit rupturiertem Kreuzband eher in der Ko-Kontraktion von M. quadriceps femoris und den kaudalen Oberschenkelmuskeln. Dieser stabilisierende Synergismus ist vor allem in der Extension, in der eine hohe nach kranial wirkende Kraft herrscht, zu beobachten (BULGHERONI et al.

1997, WEXLER et al. 1998).

WILLIAMS et al. (2003) sehen allerdings diese Stabilisierung als Folge einer schlechten neuromuskulären Kontrolle, da die Kontraktionen in ihrer Aktionsrichtung weniger spezifisch sind, und nicht Folge eines Kompensationsmechanismus.

Der M. vastus lateralis zeigt bei CICCOTTI et al. (1994) eine erhöhte elektromyographische Aktivität während funktioneller Bewegungen des Kniegelenkes mit Riss des kranialen Kreuzbandes. Dies wird durch den Antagonismus dieses Muskels gegenüber der inneren Rotation der Tibia begründet, die bei einem kranialen Kreuzbandriss vermehrt vorliegt.

Weiterhin beobachten CICCOTTI et al. (1994), dass sich die elektromyographische Aktivität des M. tibialis cranialis in dem kranken Kniegelenk erhöht. Da dieser Muskel durch seine

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Kontraktion die Tibia nach kaudal zieht, kann er ihre kraniale Verschiebung bei dem Riss des kranialen Kreuzbandes kompensieren.

Der M. gastrocnemius zeigt bei dem kranialen Kreuzbandriss eine verminderte elektromyographische Aktivität (LASS et al. 1991). Dies resultiert aus seiner Funktion als Antagonist des kranialen Kreuzbandes (FLEMING et al. 2001).

Bei einem Riss des kaudalen Kreuzbandes dagegen erhöht sich bei konzentrischer isokinetischer Kniebewegung die elektromyographische Aktivität des M. gastrocnemius.

Durch die Kontraktion des M. gastrocnemius bei einem fixierten Gelenkwinkel wird der distale Femur nach hinten gezogen. Dies führt automatisch zu einer kranialen Verschiebung der Tibia und kompensiert die aus dem Riss des hinteren Kreuzbandes resultierende kaudale Instabilität (INOUE et al. 1998).

Die kaudalen Oberschenkelmuskeln und der M. quadriceps femoris zeigen bei einem hinteren Kreuzbandriss allerdings keine elektromyographischen Veränderungen.

4 Ruptur des kranialen Kreuzbandes

4.1 Ätiologie und Pathogenese

Der Riss des vorderen Kreuzbandes zählt zu den häufigsten orthopädischen Krankheiten des Hundes (BRUNNBERG 1987, JOHNSON u. JOHNSON 1993, ALLGOEWER et al. 2000).

Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen mit unterschiedlichen vielgestaltigen und zum Teil unbekannten Ätiologien und Pathogenesen bei weitgehend gleicher Symptomatik (JOHNSON u. JOHNSON 1993, BONATH u. PRIEUR 1998).

Der Riss des kranialen Kreuzbandes hat grundsätzlich zwei verschiedene Ätiologien: zum einen erfolgt eine Ruptur infolge eines akut einwirkenden Traumas, zum anderen reißt das kraniale Kreuzband aufgrund degenerativer Veränderungen sowohl des Kreuzbandes als auch des gesamten Kniegelenkes (PAATSAMA 1952, ZAHM 1965, ARNOCZKY 1980, BRUNNBERG 1987, MOORE u. READ 1996).

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Der Mechanismus des Kreuzbandrisses lässt sich aus der Funktion des kranialen Kreuzbandes herleiten. Da es die Innenrotation und die kraniokaudale Verschiebung der Tibia (ARNOCZKY u. MARSHALL 1993) sowie die Hyperextension des Kniegelenkes (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977) verhindert, können extensiv einwirkende Kräfte während dieser Bewegungen eine Ruptur des Ligamentum cruciatum craniale herbeiführen.

Zum Riss des kranialen Kreuzbandes kommt es, da es im Vergleich zum kaudalen Kreuzband schwächer strukturiert, weniger vaskularisiert, bis auf die kaudolaterale Komponente in allen Bewegungsphasen angespannt und bei nur geringfügiger Beugung in seinen Faserzügen bereits gewunden ist (BRUNNBERG 1987).

Die häufigste traumatische Ursache der Ruptur ist eine plötzliche Rotation des von 20 bis 50°

gebeugten Knies (HOHN u. NEWTON 1975, BRUNNBERG 1987, ARNOCZKY u.

MARSHALL 1993). Da das kraniale Kreuzband in der Extension im gespannten Zustand vorliegt (ARNOCZKY u. MARSHALL 1977), kann es auch im Falle einer Hyperextension zu dessen Ruptur kommen (PAATSAMA 1952, HOHN u. NEWTON 1975, BRUNNBERG 1987, ARNOCZKY u. MARSHALL 1993).

Weiterhin kann es bei einem Sprung aus großer Höhe zu einem Riss des kranialen Kreuzbandes kommen. Hierbei entsteht ein großer kranialer Schub auf die Tibia, der die schützende Kraft des M. biceps femoris, der kaudalen Oberschenkelmuskeln und des kranialen Kreuzbandes überschreitet und somit zu einer Ruptur des Bandes führt (JOHNSON u. JOHNSON 1993, MOORE u. READ 1996).

Bei diesen traumatischen Rupturen entsteht der Riss des Bandes meist nahe der distalen Insertion, oder es kommt zu einer Abrißfraktur der tibialen knöchernen Bandinsertion.

Letztere tritt einseitig und vor allem bei jungen Tieren mit weichem Kochengewebe auf (BONATH u. PRIEUR 1998).

Oft treten bei traumatischen Kreuzbandrissen zusätzlich andere Bandverletzungen auf. Häufig sind dabei die Kollateralbänder betroffen. Dies führt zu Subluxationen oder Luxationen des Kniegelenkes (PAATSAMA 1952, BONATH u. PRIEUR 1998).

Das einmalige Trauma alleine ist aber selten die Ursache der vorderen Kreuzbandruptur.

Wesentlich häufiger sind die von PAATSAMA (1952) als „long-standing-injuries“

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bezeichneten Ursachen. Hierbei spielen die degenerativen Veränderungen eine wesentliche Rolle.

Das Ligamentum cruciatum craniale unterliegt wie jedes Bindegewebe dem Alterungsprozess.

Dieser ist durch Zunahme der Fibrillendicke, Abnahme der Elastizität und Vergrößerung des Abstandes zwischen den Fibrozyten gekennzeichnet. Beim älteren Hund liegen eine Zellarmut und eine Homogenisierung der Fasern vor. Dieser Prozess findet besonders im mittleren Abschnitt des Bandes statt (ZAHM 1965). Hierbei spielt auch die Durchblutung des Bandes eine wesentliche Rolle. Zum einen ist das kraniale Kreuzband schlechter durchblutet als das kaudale (ARNOCZKY et al. 1979, VASSEUR et al. 1985), zum anderen befinden sich in der Mitte des Bandes weniger Gefäße als am Rand (VASSEUR et al. 1985). Diese Durchblutungsstörung nimmt eventuell durch die Verdrillung der Fasern noch weiter zu (ZAHM 1965). Daher liegt bei der degenerativen Ruptur meist ein interligamentärer Riss vor (BRUNNBERG 1987).

Bezüglich des Auftretens von Degenerationserscheinungen, die das Kreuzband sekundär involvieren, lassen sich arthrotische Veränderungen im Bereich des Knie- und des Hüftgelenkes nennen (BRUNNBERG 1990). Diese können aufgrund von Ernährungsstörungen zu einer vorzeitigen Alterung des Bandes führen (PAATSAMA 1952, ZAHM 1965).

Als äußere Faktoren, die die Degeneration beschleunigen, werden statische Besonderheiten außerhalb des Gelenkbereiches, z. B. eine steile Hintergliedmaßenstellung, genannt (PAATSAMA 1952, MOORE u. READ 1996).

Weiterhin spielen gelenkeigene Faktoren eine Rolle. Varusformationen führen zu einer übermäßigen Innenrotation der Tibia und erhöhten damit den Stress auf das kraniale Kreuzband (RUDY 1974, ARNOCZKY 1988, MOORE u. READ 1996).

Auch die mediale Luxation der Patella kann die Belastung des Ligamentum cruciatum craniale erhöhen. Sie bewirkt, dass der Zug des M. quadriceps femoris nach medial verlagert wird. Dies führt zu einer Einwärtsrotation der Tibia und somit zu einer Beanspruchung des kranialen Kreuzbandes (HOHN u. NEWTON 1975, BONATH u. PRIEUR 1998).

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Weiterhin kann eine Immobilisation des Gelenkes eine verminderte mechanische Belastbarkeit der beteiligten Weichteilstrukturen bedingen (NOYES 1977, JOHNSON u.

JOHNSON 1993, MOORE u. READ 1996). Aber auch eine Überbeanspruchung wird von POND und CAMPBELL (1972) als prädisponierender Faktor genannt.

Ein hohes Körpergewicht und Adipositas werden häufig als Ursache angegeben (PAATSAMA 1952, GLYDE et al. 2002). Dies ist aber umstritten, da einer Bewegungseinschränkung durch Kniegelenkschmerzen auch eine Erhöhung des Körpergewichtes folgen kann (BONATH u. PRIEUR 1998).

Im Gegensatz zur vollständigen Ruptur des kranialen Kreuzbandes lässt sich die partielle Ruptur nur selten diagnostizieren (TIRGARI u. VAUGHAN 1975).

Es werden verschiedene Typen der partiellen Ruptur unterschieden: die Ruptur des kraniomedialen Bandes, die Ruptur des kaudolateralen Bandes sowie interstitielle Risse, bei denen das Band intakt ist, aber einige Fasern gedehnt und funktionell inkompetent sind (SCAVELLI et al. 1990). Am häufigsten ist der Riss des kraniomedialen Bandes nahe seines Ansatzes am Femur (STROM 1990, GLYDE et al. 2002).

4.2 Klinisches Bild und Diagnose

Die klinische Diagnose der Ruptur des kranialen Kreuzbandes ergibt sich aus dessen gestörter Funktion.

Das vordere Kreuzband verhindert in allen Bewegungsphasen die Verschieblichkeit von Femur und Tibia in kraniokaudale Richtung und begrenzt die Innenrotation (ARNOCZKY u.

MARSHALL 1977).

Hinweisend für einen Riss ist die im Vorbericht erwähnte mehr oder weniger plötzlich auftretende Lahmheit. Dabei ist nicht immer ein Trauma bekannt (PAATSAMA 1952, BENNETT et al. 1988, BONATH u. PRIEUR 1998). Es kann sich auch um eine schleichend beginnende Lahmheit handeln, die sich auf den Riss eines degenerativ veränderten Kreuzbandes zurückführen lässt. Ein folgendes - vom Besitzer häufig unbemerktes - Mikrotrauma ist schließlich für die Ruptur verantwortlich (PAATSAMA 1952).

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Das klinische Bild zeigt sich in einer moderaten bis schweren gemischten Lahmheit, bei der die Gliedmaße oft schlaff hängen gelassen und im Knie leicht gebeugt wird. Die Zehenspitzen berühren dabei nur leicht den Boden (LOEFFLER 1964, RUDY 1974, HENDERSON u.

MILTON 1978, JOHNSON u. JOHNSON 1993). Bei chronischen Beschwerden kann ein mangelhaftes Vorführen der Gliedmaße und ein schwaches Belasten im Stützbein beobachtet werden (LOEFFLER 1964).

Weiterhin wird bei chronischen Fällen sowohl in der Humanmedizin als auch bei Hunden und Kaninchen eine Atrophie der Oberschenkelmuskulatur, besonders des M. quadriceps femoris, nachgewiesen (PAATSAMA 1952, LOEFFLER 1964, GERBER et al. 1985, LORENTZON et al. 1989, KILIC et al. 2004).

Da eine Gelenkentzündung vorliegt, kann bei der Palpation eine mit Schmerzen verbundene vermehrte Gelenkfülle festgestellt werden (BONATH u. PRIEUR 1998). Die Gelenkkapsel ist meist medial verdickt (JOHNSON u. JOHNSON 1993).

Typisch ist eine vermehrte innere Rotation der Tibia, die vor allem in der Beugung des Gelenkes zunimmt und in dem gestreckten Gelenk nicht so ausgeprägt ist (PAATSAMA 1952, HOHN u. NEWTON 1975, ARNOCZKY 1985, JOHNSON u. JOHNSON 1993).

Das wichtigste Merkmal ist aber die Gelenkinstabilität, die bei starken Schmerzen, bei ausgeprägter Muskulatur und bei Kapselfibrose in chronischen Fällen nur schwer erkennbar ist, und in diesen Fällen unter Vollnarkose kontrolliert werden sollte (PAATSAMA 1952, HOHN u. NEWTON 1975, ARNOCZKY 1985, BRUNNBERG 1987, BENNETT et al. 1988, JOHNSON u. JOHNSON 1993, BONATH u. PRIEUR 1998).

Zur Diagnose der Gelenkinstabilität sind das „Schubladenphänomen“ und der

„Tibiakompressionstest“ von herausragender Bedeutung.

Das vordere Schubladenphänomen ist typisch für den Riss des kranialen Kreuzbandes. Nicht- Vorhandensein des Phänomens bei Kapselfibrose oder partiellen Rissen schließt ihn aber nicht aus (HOHN u. NEWTON 1975, BRUNNBERG 1987, JOHNSON u. JOHNSON 1993).

Bei diesem Test wird das Kniegelenk in leichter Beugung, am besten in einem Kniegelenkswinkel von 150°, gehalten (PAATSAMA 1952, LOEFFLER 1964, JOHNSON u.

JOHNSON 1993). Mit der einen Hand werden die Kondylen des Femurs fixiert und der

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Zeigefinger auf die Patella gehalten. Die andere Hand, mit dem Zeigefinger auf der Tuberositas tibiae, fixiert die Kondylen der Tibia. Die Tibia wird bei gleichem Kniegelenkswinkel nach kranial geschoben (Abbildung 10).

Abbildung 10: Schubladentest bei intaktem (a) und rupturiertem (b) kranialen Kreuzband nach BRUNNBERG (1987)

Eine Instabilität liegt schon vor, wenn ein Instabilitätszuwachs von einem Millimeter festgestellt werden kann (LOEFFLER 1964, ARNOCZKY 1985, BRUNNBERG 1987, JOHNSON u. JOHNSON 1993, BONATH u. PRIEUR 1998).

Da bei jungen Tieren oft eine vermehrte, aber physiologische Instabilität im Kniegelenk vorliegt, muss bei diesen Tieren die Gegenseite zum Vergleich herangezogen werden (BENNETT et al. 1988, JOHNSON u. JOHNSON 1993).

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Bei dem Tibiakompressionstest wird die Kontraktionskraft des M. gastrocnemius imitiert.

Diese erlaubt die Bewegung des Tibiakopfes nach kranial, wenn des kraniale Kreuzband gerissen ist (BRUNNBERG 1987, JOHNSON u. JOHNSON 1993).

Hier wird der distale Femur mit der einen Hand gehalten, während der Zeigefinger gestreckt auf der Crista tibiae liegt und diese nach kaudal presst. Die andere Hand streckt und beugt die Pfote im Sprunggelenk (Abbildung 11). Dieser Test ist bei großen Hunden einfacher durchzuführen als das Schubladenphänomen (HENDERSON u. MILTON 1978, ARNOCZKY 1985, BRUNNBERG 1987, JOHNSON u. JOHNSON 1993, BONATH u.

PRIEUR 1998).

Abbildung 11: Tibiakompressionstest bei intaktem (a) und rupturiertem (b) kranialen Kreuzband nach BRUNNBERG (1987)

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Eine weitere Möglichkeit zur Diagnose ist die radiologische Untersuchung im mediolateralen sowie im kraniokaudalen Strahlengang. Sie ist der palpatorischen Untersuchung allerdings unterlegen (LOEFFLER 1964).

Die radiologische Untersuchung kann multiple Hinweise für das Vorliegen einer Kreuzbandruptur geben. Die infolge der Ruptur auftretende deutlich vermehrte Gelenkfüllung bedingt eine röntgenologisch sichtbare Verlagerung des Corpus adiposum infrapatellare als auch eine Verbreiterung der Gelenkkapsel (PAATSAMA 1952, BRUNNBERG 1987, BENNETT et al. 1988, BONATH u. PRIEUR 1998). Es kann auch eine kraniale Subluxation des Tibiakopfes beobachtet werden (BONATH u. PRIEUR 1998).

Weiterhin wird mit der röntgenologischen Untersuchung das Ausmaß der degenerativen Gelenkveränderungen, resultierend aus der Kreuzbandruptur, beurteilt. Die radiologischen Ergebnisse variieren mit der Chronizität der Beschwerden und haben somit prognostischen Wert (VASSEUR et al. 1985). Erkennbar ist eine periartikuläre Osteophytenbildung, die vor allem an der medialen und lateralen Trochlea des Femurs und am distalen Ende der Patella zu finden sind (LOEFFLER 1964, BRUNNBERG 1987, BENNETT et al. 1988, JOHNSON u.

JOHNSON 1993). In chronischen Fällen ist sie auch an den Kondylen des Femurs und der Tibia (JOHNSON u. JOHNSON 1993) sowie am kaudalen Tibiaplateau zu finden (BRUNNBERG 1987). Die Arthroskopie kann eine unklare klinische Diagnose klären und hat den Vorteil eines geringen Weichteiltraumas (JOHNSON u. JOHNSON 1993, FEHR et al.

1996, HOELZLER et al. 2004, KLOENE 2005). Selten genutzt wird die Magnet-Resonanz- Tomographie, deren Resultat etwa zu 95% den Arthroskopieergebnissen entspricht, im Gegensatz dazu aber nicht invasiv ist (JOHNSON u. JOHNSON 1993).

5 Elektromyographie

Die Elektromyographie ist eine Methode zur Registrierung der spontanen bzw. bei Willkürinnervation auftretenden oder durch elektrische Stimulation provozierbaren Aktionsströme im Muskelgewebe (KIMURA 1989). Sie erlaubt ein nichtinvasives Testen des funktionellen Zustandes spezifischer Teile des Nervensystems und der Skelettmuskeln (HOLLIDAY 1992).

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5.1 Grundlagen

Die Elektromyographie ist eine Technik, die die Aktivität der motorischen Einheit auswertet.

Jede motorische Einheit besteht aus einem Alpha-Motoneuron, seinem motorischen Axon und den Skelettmuskelfasern, die durch die Endaufzweigung dieses Axons innerviert werden (LIDDELL u. SHERINGTON 1925).

Die Verbindung zwischen Nerv und Muskelfasern stellt die motorische Endplatte her, die gewöhnlich etwa in der Mitte zwischen Faserursprung und –ansatz liegen (HECKMANN 1989).

Die motorische Einheit ist damit die kleinste funktionelle Einheit, die willkürlich aktiviert werden kann. Die Zahl der Muskelfasern pro motorische Einheit bestimmt die Innervationsrate des Muskels. Je feiner die Bewegungsabläufe des jeweiligen Muskels sind, desto kleiner sind die motorischen Einheiten (LUDIN 1997).

In einer bestimmten motorischen Einheit sind die Muskelfasern bezüglich ihrer histochemischen, kontraktilen und metabolischen Eigenschaften gleichartig (EDSTRÖM u.

KUGELBERG 1968, KUGELBERG 1973, GARNETT et al. 1979, KUGELBERG u.

LINDEGREN 1979).

Es gibt keine Gruppierung von Muskelfasern innerhalb der gleichen motorischen Einheit (EDSTRÖM u. KUGELBERG 1968, DOYLE u. MAYER 1969, BRANDSTATER u.

LAMBERT 1973). Sie sind über ein großes Areal des Muskelquerschnittes verteilt und durchmischt von Fasern anderer motorischer Einheiten, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (BURKE u. TSAIRIS 1973).

Bei Überschreitung der Reizschwelle in der Motoneuronzelle entsteht im Axon ein Impuls, welcher peripher zu den Nervenendigungen geleitet wird. Trifft der Impuls in der Nervenendigung ein, kommt es zu einer Ausschüttung von Acetylcholin aus der präsynaptischen Membran in den synaptischen Spalt. Dieses führt an der postsynaptischen Membran zu einer Erhöhung der Leitfähigkeit von Na- und K-Ionen. Der Einstrom von Na- Ionen verursacht an der Endplattenmembran eine Depolarisation der Endplatte (Endplattenpotential) und damit der postsynaptischen Muskelfasermembran. Bei

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Überschreiten der Reizschwelle entsteht ein Muskelaktionspotential, welches zu einer Kontraktion der Muskelzelle führt (BOWEN 1987).

Diese Aktionspotentiale bewirken Spannungsveränderungen in der extrazellulären Flüssigkeit, welche mit Hilfe der Elektromyographie in Form von bi- und triphasischen Potentialen extrazellulär erfasst werden können (FARNBACH 1980, AMINOFF 1999).

Gemessen wird die Erregung zwischen einer differenten und indifferenten Elektrode. Wird ein Aktionspotential über die Fasern fortgeleitet, kommt es zu einem Stromfluss vom unerregten zum erregten Bereich. Dadurch wird der Bereich kurz vor dem Aktionspotential positiv gegenüber der Umgebung. Kurz vor dem Eintreffen vom Aktionspotential kommt es somit bei der differenten Elektrode zur Auslenkung des Kathodenstrahls nach unten (positive Potentialänderung gehen daher vereinbarungsgemäß nach unten). Erreicht die Erregung die differente Elektrode, kommt es zur Umpolarisierung durch einströmende Na-Ionen von positiv zu negativ. Die dritte positive Phase entsteht durch einen auswärts gerichteten K- Strom, der zur Repolarisation führt. Biphasische Potentiale bilden sich, wenn die Erregung unmittelbar unter der ableitenden Elektrode entsteht (Endplattenpotentiale) und damit die initial positive Phase fehlt (negativer Abgang von der Grundlinie) (AMINOFF 1999).

5.2 Apparatur

Durch die Elektromyographie wird über Nadel- oder Oberflächenelektroden ein elektrisches Potential aufgenommen, welches die Funktion von Nerv und Muskel reflektiert (CHRISMAN 1981).

Muskel- und Nervenaktionspotentiale werden extrazellulär abgeleitet, indem man zwei Metallelektroden in das elektrische Feld platziert, das durch die Aktionsströme im Gewebe entsteht. Die Potentialdifferenz zwischen diesen zwei Elektroden wird verstärkt. Bei unipolaren Ableitungen liegt die differente Elektrode nahe bei den aktiven Fasern und die indifferente Elektrode wird so gelegt, dass sie nur einen geringen Anteil der Aktivität aufnimmt. Bei der bipolaren Ableitung liegen beide Elektroden nahe bei den aktiven Fasern (HECKMANN 1989).

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Dieses verstärkte elektrische Potential wird durch eine optische (Oszillograph) und eine akustische (Lautsprecher) Wiedergabeeinheit sichtbar bzw. hörbar gemacht (GOODGOLD u.

EBERSTEIN 1977, BOWEN 1978, CHRISMAN 1981, LUDIN 1997). Zusätzlich ist ein Registriersystem und ein Reizgerät integriert (BRAUND 1994).

Bei den Elektroden, die das elektrische Signal aufnehmen, unterscheidet man zwischen Nadel- und Oberflächenelektroden.

Die Oberflächen- oder Hautelektroden bestehen aus zwei Silber- oder Zinnplättchen, die auf der Haut aufgebracht werden (LENMAN u. RITCHIE 1970, GOODGOLD u. EBERSTEIN 1977, LUDIN 1997). Bei ihnen besteht eine große Distanz zwischen der Quelle des elektrischen Signals und der Elektrode und umliegende Muskeln können Störsignale produzieren (GOODGOLD u. EBERSTEIN 1977, STEINBERG 1979, CHRISMAN 1981).

In der Veterinärmedizin sind sie außerdem ungeeignet, da das Fell einen guten Hautkontakt verhindert (CUDDON 2002).

Bei den Nadelelektroden liegt die Nadel extrazellulär im Interstitium des Muskels und ist von interstitieller Flüssigkeit umgeben, die sowohl isoelektrisch als auch ein guter Leiter des elektrischen Stromes ist (STEINBERG 1979, LUDIN 1997).

Als Nadelelektroden werden hauptsächlich konzentrische oder koaxiale Elektroden verwendet.

Die konzentrischen oder koaxialen Nadelelektroden bestehen aus einem feinen Platindraht, der zur Aufnahme des Potentials dient und dessen Spitze die differente Elektrode darstellt. Er liegt in einer Kanüle, von der er durch eine isolierende Schicht getrennt wird. Diese Kanüle stellt die indifferente oder Referenzelektrode dar (LENMAN u. RITCHIE 1970, GOODGOLD u. EBERSTEIN 1977, BOWEN 1978, CHRISMAN 1981, LUDIN 1997, CONRAD 1998).

Aufgrund ihres größeren Umfanges verursachen die konzentrischen Nadelelektroden größere Schmerzen. Sie produzieren aber wenig Hintergrundrauschen und detektieren Fibrillationspotentiale häufiger, da diese eher durch Nadelinsertion als spontan entstehen (CUDDON 2002). Sie werden am häufigsten eingesetzt, da sie als weitere nur noch die Erdelektrode benötigen (LENMAN u. RITCHIE 1970, GOODGOLD u. EBERSTEIN 1977,

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BOWEN 1978, CHRISMAN 1981, LUDIN 1997, CONRAD 1998). Als Reiz- und als Erdelektroden werden meist Oberflächenelektroden verwendet (LUDIN 1997).

5.3 Methodik

Die elektromyographische Untersuchung kann an dem ruhenden und an dem willkürlich aktivierten Muskel durchgeführt werden. Dabei ist zur Messung am ruhenden Muskel eine Anästhesie des Tieres nötig, um willkürliche Aktivität zu vermeiden. Es sollte allerdings die Verwendung von Ketamin, Fentanyl und Droperidol vermieden werden, da diese Substanzen die Muskelaktivität verändern können (CHRISMAN 1981, NIEDERHAUSER u.

HOLLIDAY 1989).

Die differente Elektrode wird bei der Untersuchung senkrecht zu der Oberfläche und senkrecht zur Muskelfaserrichtung möglichst in der Mitte des Muskels eingestochen. Die Erdung sollte in der Nähe angebracht werden (LUDIN 1997, CONRAD 1998).

Es werden mehrere Stellen am Muskel untersucht. Dabei wird die Nadel nach dem Einstich durch die Haut fächerförmig vorgeschoben, um viele Positionen im Muskel verbunden mit wenig Hautpenetrationen zu erhalten (CONRAD 1998). Weiterhin wird die Nadel mit einem Abstand von mindestens 10 mm und in Querrichtung des Faserverlaufes zur vorherigen Untersuchungsstelle versetzt, um auch eventuelle nur fokal vorhandene Veränderungen zu entdecken. Sollte die Elektrode in Längsverlauf der Fasern eingestochen werden, besteht die Gefahr, dass dieselbe motorische Einheit ein weiteres Mal untersucht wird (LUDIN 1997, CONRAD 1998).

Das Potential der motorischen Einheit ist aufgrund der fehlenden Kooperation des Tieres schwer zu messen, daher hat beim Tier die Beurteilung der Spontanaktivität des Muskels eine größere Bedeutung und Verbreitung erlangt.

Am wachen Tier kann der Flexorreflex genutzt werden, um das Potential in den Flexoren zu messen. Zur Messung des Potentials in den Extensoren kann man das Tier provozieren, das bestimmte Bein zu belasten. Oder man übt einen nach unten gerichteten Druck auf dieses Bein aus (BINZEGGER u. HECKMANN 1977, CHRISMAN 1981). Weiterhin lässt sie sich

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durch elektrische Reizung peripherer Nerven auslösen, die die Muskelaktivität provoziert (BINZEGGER u. HECKMANN 1977).

Bei einem narkotisierten Tier kann durch keine Aktivierungstechnik ein Interferenzmuster erreicht werden. Die Muskeln können nur reflektorisch durch passive Dehnung (HECKMANN 1989), Vibrieren der Muskulatur (WIESENDANGER 1972) oder durch den Flexorreflex aktiviert werden (HECKMANN 1989).

Wenn eine Muskelbiopsie zusätzlich zur elektromyographischen Untersuchung durchgeführt werden soll, so sollte diese nicht an der Stelle entnommen werden, an der die Elektrode eingestochen wurde. Hier liegt eine so genannte fokale „Nadel-Myopathie“ vor, welche das Biopsieergebnis verfälschen kann (ENGEL 1967, LUDIN 1997).

5.4 Befunde

5.4.1 Einstichaktivität

Am ruhenden Muskel wird zunächst die Einstichaktivität gemessen. Bei jeder Lageveränderung und jedem Einstich der Elektrode wird eine hochfrequente Salve niedrigamplitudiger Potentiale ausgelöst. Ihre Ursache liegt in der mechanischen Reizung der Membranen einzelner Muskelfasern, aus der ihre Depolarisation resultiert.

Endet die Bewegung der Nadel, so klingt die elektrische Aktivität sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin nach 300 ms ab (GOODGOLD u. EBERSTEIN 1977, BOWEN 1978, CHRISMAN 1981, SIMS 1994, RÖDER 1996, LUDIN 1997, CONRAD 1998).

Die Einstichaktivität besteht beim Hund aus einer größeren Zahl unterschiedlich geformter Potentiale ungleicher Amplitude mit vorwiegend negativem Grundlinienabgang oder seltener aus einer Serie von 4-20 formal gleichen Signalen (HECKMANN 1989). Abbildung 12 zeigt die Einstichaktivität beim Menschen bei konstanter Nadelbewegung.

Bei übererregbaren denervierten Muskeln kann als unspezifischer Befund eine verlängerte Einstichaktivität vorliegen (GOODGOLD u. EBERSTEIN 1977, BOWEN 1978, VAN NES 1986, RÖDER 1996, CONRAD 1998).

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Eine diagnostische Bedeutung hat allerdings das Ausbleiben der Einstichaktivität. Dies tritt beim Menschen bei akuter ischämischer Muskelnekrose und bei chronischem, atrophischem und bindegewebigem Umbau des Muskels auf (RÖDER 1996, CONRAD 1998).

Abbildung 12: Einstichaktivität nach LUDIN (1997)

5.4.2 Spontanaktivität

Bei stabiler Elektrodenlage kann aus dem völlig entspannten gesunden Skelettmuskel keine elektrische Aktivität abgeleitet werden. In dieser Phase wird auf die Spontanaktivität als Anzeichen einer neuromuskulären Erkrankung geachtet (LENMAN u. RITCHIE 1970, BOWEN 1978, CHRISMAN 1981, RÖDER 1996).

Endplattenpotentiale und Endplattenrauschen

Ohne Aktivierung des unteren motorischen Neurons ist Spontanaktivität nur in Bereichen zu finden, in denen eine hohe Konzentration von motorischen Endplatten vorliegt. Hier kann durch spontane Abgabe von Neurotransmitterpaketen ein nicht fortgeleitetes Potential entstehen (SIMS 1994). Diese Potentiale werden Endplattenrauschen und Endplattenpotential genannt (LENMAN u. RITCHIE 1970, WIEDERHOLT 1970, BOWEN 1978, CHRISMAN 1981, RÖDER 1996, LUDIN 1997, CONRAD 1998). Sie bewirken keine Depolarisation der gesamten Muskelfaser und können daher nur nachgewiesen werden, wenn die Elektrode in Nähe einer Endplatte positioniert wird (CUDDON 2002).

Das Endplattenrauschen ist durch eine Unruhe der Grundlinie gekennzeichnet, die Endplattenpotentiale dagegen sind mono- und diphasisch mit negativem Abgang von der Grundlinie (Abbildung 13) (LUDIN 1997).

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