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Archiv "Experimentelles Verfahren auf Kosten der Allgemeinheit" (27.04.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 17

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27. April 2012 311

M E D I Z I N

DISKUSSION

Pseudoqualitätssicherndes Feigenblatt

In dem Artikel werden beeindruckende Ergebnisse der renalen Denervation in einer Übersichtsarbeit darge- stellt und somit suggeriert, dass dieses Verfahren schon annähernd Standard sein könnte.

Ebenso beeindruckend ist jedoch, dass sich dieses Ver- fahren nach nur einer kontrollierten Studie (1) mit be- schränkter Patientenzahl in Deutschland rasend schnell verbreitet, obwohl bei dieser Studie über die durch psy- chische Faktoren stark beeinflussbare Erkrankung des Bluthochdrucks (Phänomen des Weißkittel-Hochdrucks) keine Placebo-Prozedur durchgeführt wurde und zur Blut- druckkontrollen noch nicht mal der gegenwärtige Stan- dard der Hypertonusdiagnostik eingehalten wurde, son- dern normale „office“-Blutdruckmessungen. Der Schluss der Autoren ist daher falsch: Ein Register wäre gegenwär- tig ein pseudoqualitätssicherndes Feigenblatt, nützen wür- de vielmehr die Durchführung weiterer kontrollierter Stu- dien mit Placebo-Prozeduren im Vergleichskollektiv und adäquater Standards der Blutdruckmessung bevor diese Verfahren zur Anwendung bei dem riesigen Kollektiv der bis zu 22 % therapierefraktären Hypertonien (2) kommt.

Leider ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0311a

LITERATUR

1. Esler MD, Krum H, Sobotka PA, Schlaich MP, Schmieder RE, Böhm M: Renal sympathetic denervation in patients with treatment-resis- tant hypertension (the Symplicity HTN-2 Trial): a randomised con- trolled trial. Lancet 2010; 376: 1903–9.

2. Lowel H, Meisinger C, Heier M, Hymer H, Alte D, Volzke H: Epidemio- logy of hypertension in Germany. Selected results of population-re- presentative cross-sectional studies. Dtsch Med Wochenschr 2006;

131: 2586–91.

3. Mahfoud F, Himmel F, Ukena C, Schunkert H, Böhm M, Weil J: Treat- ment strategies for resistant arterial hypertension. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(43): 725–31.

Dr. med. Akhil Chandra, Lüneburg, AChandra@t-online.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Angst als wichtiger Faktor

Bei den sekundären Hypertonieursachen bleibt ein wichtiger Faktor unerwähnt: die Angst. Angststörungen manifestieren sich häufig körperlich – auch ohne mani- feste Angst – in Form von Tachykardie, Luftnot, Herz- schmerz, Schwindel, multilokalen Schmerzen, erhöhter

Temperatur und arterieller Hypertonie (1). Im somati- sierten Angstanfall können Werte von systolisch 300 und diastolisch 120 mmHg erreicht werden.

Dies lässt sich so erklären: Das latente Angstgefühl bringt das Vegetativum, den Muskeltonus (Schmerzen) und die Schilddrüse (Hyperthyreose) auf „Hochtou- ren“. Bei jedem resistenten Bluthochdruck sollte des- halb an Angst gedacht werden, vor allem, wenn weitere Angstäquivalente wie nächtliches Erwachen mit Schweißausbruch und Heißhunger eruiert werden. Mit der „Weißkittelhypertonie“ verknüpfen die Autoren selbst Bluthochdruck mit Angst .

Bei diesen Patienten sinken die Blutdruckwerte meist deutlich, wenn über ihre – zuvor unbewusste – Angst und die biografischen Hintergründe gesprochen werden konnte. Mit der Angst können auch Wut oder Trauer verbunden sein. Entscheidend ist das Benennen („Ihr Hochdruck ist Angst … ist Wut …“) und Verste- hen des Affekts.

Erst wenn der affektiven Dimension der Hypertonie diagnostisch und therapeutisch Rechnung getragen wurde und die rezeptiven Methoden ausgeschöpft sind, sollte das invasive Verfahren der renalen Denervation erwogen werden. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0311b

LITERATUR

1. Kütemeyer M: Das chronische Müdigkeitssyndrom: eine Form der somatisierten Angstneurose. In: Berg PA (ed.) Chronisches Müdig- keits- und Fibromyalgiesyndrom. 2nd revised edition; Berlin: Springer 2003: 77–87.

2. Mahfoud F, Himmel F, Ukena C, Schunkert H, Böhm M, Weil J: Treat- ment strategies for resistant arterial hypertension. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(43): 725–31.

Dr. med. Mechthilde Kütemeyer

Fichtenstraße 52, 68535 Neckarhausen, kuete@arcor.de

Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Experimentelles Verfahren auf Kosten der Allgemeinheit

Zwei Aspekte der Ablation von Nierennerven sollten angesprochen werden. Eine faszinierende Methode, die schon vor 30 Jahren in Tierversuchen extrem erfolg- reich war und möglicherweise für Patienten hilfreich sein wird.

Die Ablation betrifft potenziell Millionen von Pa- tienten alleine in Deutschland. Für eine solch breite Anwendung ist eine einzige kontrollierte Studie (Simplicity 2) von 102 Patienten über sechs Monate unzureichend, um eine weit gefaßte Empfehlung an die Deutsche Ärzteschaft abzugeben. Symplicity 2 schloss keine Placebogruppe mit Scheinbehandlung ein und der Endpunkt, also der Blutdruck, wurde nicht von unabhängigen Untersuchern geprüft. Die- se unzuverlässsige Methodik erklärt möglicherwei- zu dem Beitrag

Behandlungsstrategien bei therapierefraktärer arterieller Hypertonie

von Dr. med. Felix Mahfoud, Dr. med. Frank Himmel, Dr. med. Christian Ukena, Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Prof. Dr. med. Michael Böhm, Prof. Dr. med.

Joachim Weil in Heft 43/2011

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312 Deutsches Ärzteblatt

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27. April 2012

M E D I Z I N

se, warum durch die Ablation der systolische Pra- xisblutdruck um 32 mmHg, der 24h-Blutdruck nur um 11 mmHg gesenkt wurde. Die von den Autoren ebenfalls diskutierte Arbeit zur Barorezeptor-Stimu- lation zeigt eindrucksvoll, welche markanten Blut- druckeffekte auch eine Scheinbehandlung bei Pa- tienten mit therapierefraktärer Hypertonie haben kann. Die US-amerikanischen Behörden, im Ge- gensatz zu den deutschen, haben daher die Ablation von Nierennerven unseres Wissens nicht zugelassen und eine besser kontrollierte Studie gefordert.

Es ist bedauerlich, dass in unserem Gesundheitssys- tem eine experimentelles Verfahren auf Kosten der Allgemeinheit und nicht der Produzenten entwickelt wird, ganz im Gegensatz zu Pharmaka, die erst nach viel intensiverer Prüfung zugelassen werden. Ein freiwilliges Register unkontrollierter Daten ist keine Lösung, um den klinischen Wert der Ablation fest- zustellen; dazu dienen angemessene randomisierte klinische Studien von adäquater Dauer, das heißt bezogen auf die Indikation Hypertonie genügen nicht ein paar Monate. In welchem Ausmaß unkon- trollierte Daten die Wirksamkeit von Interventionen in der Behandlung der Hypertonie überschätzen können, zeigt beispielhaft die Geschichte der Dila- tation atherosklerotischer Nierenarterienstenosen.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0311c

LITERATUR

1. Mahfoud F, Himmel F, Ukena C, Schunkert H, Böhm M, Weil J: Treat- ment strategies for resistant arterial hypertension. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(43): 725–31.

Prof. Dr. med. Johannes Mann

Städt. Klinikum München-Schwabing, prof.j.mann@googlemail.com

Prof. Dr. med. Karl Hilgers, Prof. Dr. med. Roland Veelken Universitätsklinik Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. med. Friedrich Luft, Universitätsklinik Charité, Berlin

Interessenkonflikt

Prof. Hilgers erhielt Honorare für Beratertätigkeiten im Advisory Board von Daiichi Sankyo. Des Weiteren erhielt er Erstattung von Teilnahmegebühren, Reise- und Übernachtungskosten sowie Honorare für Vorträge von Novartis.

Prof. Veelken erhielt Erstattung von Teilnahmegebühren für Kongresse sowie Reise und Übernachtungskosten von Novartis. Für Vorträge erhielt er Honorare von Novartis und Roche.

Prof. Mann und Prof. Luft erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Stress: Aspekte der endokrinen Hypertonie

Mit einem weltweiten Anstieg der insulinresistenten Adipositas (eine kleine Anzahl von adipösen Menschen ist insulinsensitiv!) ist eine Zunahme der endokrinen Hy- pertonie zu erwarten (1). Mechanismen beziehungsweise Biomarker dafür sind ein Mangel der anabolen Hormone Wachstumshormon und Testosteron sowie eine Erhö- hung von Leptin, dem katabolen Stresshormon Cortisol, und der Ruheherzfrequenz (2). Ein zusätzlich obstrukti- ves Schlafapnoesyndrom kann dabei weiter aggravie- rend/verschlechternd wirken. Bei einem Teil der Patien- ten mit Androgenmangel und Schlafapnoesyndrom kann durch Wiederherstellung von erholsamen REM-Schlaf- phasen mittels CPAP eine Normalisierung der Testoster-

onspiegel erreicht werden. Prinzipiell sind jedoch Life- style-Modifikationen therapeutisch und in der Präventi- on („erst gar nicht dick werden“) entscheidend, wobei in individuellen Fällen eine zeitlich begrenzte Therapie mit Wachstumshormon oder Testosteron quasi als Kickstart für die Dauer von drei bis sechs Monaten hilfreich sein kann (3, 4). Die adipositasassoziierte Ruhetachykardie weist nicht nur auf eine Dekonditionierung, sondern auch auf eine Belastung der Herzvorhöfe/-kammern hin, im Stresszustand einer Daueraktivierung des sympathi- schen Nervensystems. Hier können in ausgewählten Pa- tienten die perkutane renale Denervation beziehungswei- se Baroreflexstimulation des Karotissinus hilfreich sein mit Verbesserung der Insulinsensitivität analog zur The- rapie von Patienten mit einem katecholaminsezernieren- den Phäochromozytom vor und nach Entfernung des Tu- mors. Unter den sogenannten typischen Patienten mit en- dokriner Hypertonie sollen auch die kongenitale adrena- le Hyperplasie (CAH) aufgrund eines Mangels der 11be- ta-Hydroxylase oder der 17alpha-Hydroxylase nicht un- erwähnt bleiben, wenngleich die meisten Patienten mit CAH einen Mangel der 21-Hydroxylase aufweisen und einen Hypertonus (erst) dann entwickeln können, wenn eine Übersubstitution mit Dexamethason oder Hydro- kortison (exogener Hyperkortisolismus/Cushing’s-Syn- drom) erfolgt, und/oder im Zusammenhang mit einem polyzystischen Ovarialsyndrom eine Insulinresistenz vorherrscht. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0312a

LITERATUR

1. Koch CA, Wofford M, Ayala AR, Pacak K: Chapter 26 – Overview of Endocrine Hypertension. in: Chrousos GP, De Groot L: Adrenal Phy- siology and Diseases. www.endotext.org/adrenal/adrenal26/adren alframe26.htm

2. Lanfranco F, Motta G, Minetto MA, et al.: Neuroendocrine alterations in obese patients with sleep apnea syndrome. Int J Endocrinol. 2010;

2010: 474–518.

3. Ullah MI, Washington T, Kazi M, Tamanna S, Koch CA. Testosterone deficiency as a risk factor for cardiovascular disease. Horm Metab Res 2011; 43(3): 153–64.

4. Widdowson WM, et al.: The effect of GH replacement on exercise ca- pacity in patients with growth hormone defiency: a meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab 2008; 93: 4413–7.

5. Mahfoud F, Himmel F, Ukena C, Schunkert H, Böhm M, Weil J: Treat- ment strategies for resistant arterial hypertension. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(43): 725–31.

Prof. Dr. med. habil. Christian A. Koch, FACP, FACE Mississippi, USA, ckoch@umc.edu

Interessenkonflikt

Prof. Koch unterhält persönliche Beziehungen zu Merck. Er erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von Novo Nordisk. Für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen erhielt er Honorare von Ipsen. Für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien erhielt er Honorare von Corcept Therapeutics.

Unausgewogene Schlussfolgerung

Die Autoren schreiben: „Der gefäßchirurgische Eingriff an der A. carotis in Vollnarkose, die häufigen Aggregatwech- sel und die Implantation eines Devices mit möglichen In- fektionsfolgen schränken die klinische Anwendung jedoch ein“ und schätzen im Folgenden diese Therapie als nur experimentellen Ansatz für eine Hochrisikopopulation

Referenzen

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