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© 2018 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 17 (2018) Nr. 7 3 M E I N U N G

Meinung von Dr. Oliver Koppel, Senior Economist für Innovatio­

nen und MINT am Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.

W

enn kleine Fußballvereine talentierte Spieler1) ausbilden, riskieren sie, diese an die groß­

en und finanzstarken Vereine zu verlieren. Für die großen Vereine eine einfache Rechnung: Warum für teures Geld eigene Nachwuchs­

kicker heranziehen, wenn sie doch fertig ausgebildet von den kleinen Vereinen zu uns drängen? Viele der großen Vereine meldeten ihre Nachwuchsmannschaften ab und kauften mit dem eingesparten Geld Stars ein. Irgendwann fragten sich die kleinen Vereine: Warum teures Geld in Nachwuchsspieler investie­

ren, wenn diese uns in aller Regel verlassen und wir auf den Ausbil­

dungskosten sitzen bleiben?

Um diese Schieflage zu korrigie­

ren, erhalten Ausbildungsvereine heute eine Kompensation, wenn einer ihrer Spieler den Verein wechselt. Außerdem werden sie an den Transfererlösen bei weiteren Vereinswechseln beteiligt. So verlie­

ren die ausbildungsstarken Vereine zwar weiterhin ihre Talente, erhal­

ten aber eine Entschädigung und somit den Anreiz, auch künftig in den Nachwuchs zu investieren.

Was das mit der Physik zu tun hat? Leider eine ganze Menge!

Denn auch die ausbildungsstarken Bundesländer verlieren in gro ßem Stil Physikabsolventen an die zahlungskräftige Konkurrenz im Süden der Republik – ohne jegliche Ablösesumme. Fakten gefällig? In Deutschland leben gemäß einer DPG­Studie rund 110 000 erwerbs­

tätige Physiker.2) Im Vergleich dazu haben im Studienjahr 2016 gemäß Hochschulstatistik rund 8700 Phy­

siker einen Bachelor­, Master­ oder Promotionsabschluss an einer deutschen Hochschule erworben.

Im Bundesschnitt kommen folglich 79 neue Abschlüsse auf tausend Erwerbs tätige. Daraus lässt sich eine Ausbildungsquote von 3,8 bis 4,0 Prozent ableiten.3)

Demgegenüber steht ein Ar­

beitsmarktbedarf, der sich zum einen daraus speist, dass Physiker in den Ruhestand gehen und er­

setzt werden müssen – aktuell rund 2,4 Prozent jährlich. Zum anderen benö tigt die immer forschungsin­

tensivere deutsche Volkswirtschaft im Zuge von Big Data und Digita­

lisierung auch immer mehr Phy­

siker: Seit dem Jahr 2005 ist deren Erwerbstätigenzahl um rund zwei Prozent jährlich gestiegen. Unter dem Strich bildet Deutschland ge­

rade ausreichend viele Physiker aus, um seinen Bedarf zu decken.

So weit, so gut, wäre da nicht eine gravierende Diskrepanz zwischen den einzelnen Bundes­

ländern. Mit 97 Abschlüssen je tausend Erwerbstätigen nimmt Nordrhein­Westfalen mit Abstand den Spitzenplatz der Flächenlän­

der ein. Dagegen hat Bayern nur unterdurchschnittliche 77, Baden­

Württemberg gar nur 72 Abschlüsse vorzuweisen. Überspitzt formu­

liert wird der Physikerbedarf in Deutschland nur deshalb gedeckt, weil ausbildungsstarke Länder wie Nordrhein­Westfalen oberhalb des eigenen Beschäftigungsbedarfs aus­

bilden – zu eigenen Lasten und zu anderer Bundesländer Gunsten.

Warum halten sich manche Bundesländer bei der Physiker­

ausbildung dezent zurück? Einen Physikabschluss hervorzubringen, kos tet ein Vielfaches im Vergleich zu einem Abschluss etwa in den Geisteswissenschaften. Einerseits halten in der Physik deutlich weni­

ger Studienanfänger bis zum Ab­

schluss durch. Andererseits sind Rechner und Labore deutlich teurer als Bücher und Büros. Die Physik war daher nie das Lieblingskind der Landespolitiker, die – das kommt neuerdings hinzu – mehr an der Gesamtzahl als an Art und Qualität der Abschlüsse in ihrem Bundes­

land gemessen werden.

Benachteiligt das die Physik ge­

genüber den meisten anderen Fach­

richtungen? Ja, aber das ist nicht das Problem an den Unterschieden zwischen den Bundesländern in puncto Physikerausbildung. Das ist vielmehr der innerdeutsche Brain­

drain. Die Ausbildung von Akade­

mikern ist in Deutschland Länder­

sache. Diese entscheiden über Hochschulkapazitäten – mit der Konsequenz, dass beispiels weise der Landeshaushalt Nordrhein­

Westfalens die Kosten der Physiker­

ausbildung trägt, ein Großteil der Erträge aber zusammen mit den Physikern in den Süden der Repu­

blik abwandert.

Um dies zu korrigieren, müssten die ausbildenden Bundesländer eine Kompensation erhalten, bei­

spielsweise in Form fester Beträge pro ausgebildetem Physiker, die aus einem Topf finanziert werden, in den alle Bundesländer einzahlen, oder durch eine separate Verrech­

nung der Akademikerausbildung im Rahmen des Länderfinanzaus­

gleichs. Dazu müsste der Bund die Physikerausbildung als nationale Aufgabe verstehen und die ent­

sprechenden Ausbildungsanreize für die Bundesländer steuern.

Eine grundlegende Reform des Bildungs föderalismus, die hierfür notwendig wäre, dürfte jedoch – wie schon so oft in der Vergangen­

heit – an den Eigeninteressen der Länder scheitern.

Was die Physik vom Fußball lernen kann

Ausbildungsstarke Bundesländer sollten entschädigt werden, wenn Physikabsolventen in andere Bundesländer abwandern.

Oliver Koppel

IW

1) Auf eine geschlechter­

differenzierende Formu­

lierung jeglicher Art wird aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet.

2) Bei einem erwerbs­

tätigen Physiker handelt es sich hier um eine Per­

son, die über einen aka­

demischen Abschluss eines Studiengangs mit Hauptfach Physik ver­

fügt und die unabhängig von der konkreten Tätig­

keit mindestens eine Stunde pro Woche gegen Entgelt arbeitet, in der Regel als Arbeitnehmer.

3) Ein Physiker besitzt in der Regel mehrere mo­

dulare Abschlüsse. Da­

her wird die Ausbil­

dungsleistung in Köpfen gemessen, um sie mit der Zahl der Beschäftigten vergleichbar zu machen.

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