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twa sieben Prozent der Menschen in Deutschland leiden an einer chronisch obstruktiven Lungenerkran- kung (COPD). Im Jahr 2020 werde diese Atemwegserkran- kung voraussichtlich die dritt- häufigste Erkrankung mit tödlichem Ausgang sein, pro- phezeit Prof. Helgo Magnus- sen (Großhansdorf). Eine weltweit einheitliche Defini- tion für die COPD gibt es nicht. Die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Diseases (GOLD) definiert das Krankheitsbild als „eine Lungenerkrankung, bei der eine nicht vollständig reversi- ble Einschränkung des Atem- flusses vorliegt (Tabelle). Die Einschränkung des Atemflus- ses ist fortschreitend und geht mit einer abnormen entzünd- lichen Reaktion auf inhalati- ve Noxen einher“.Diagnostische Abgrenzung zu Asthma
Der typische COPD-Patient ist in der Regel älter als 40 Jah- re und starker Zigarettenrau- cher. An Asthma erkranken hingegen alle Altersstufen.
Auch kann eine direkte Korre- lation zum Rauchen bei Asth- ma-Patienten nicht hergestellt werden. Darüber hinaus erlei- den Asthma-Patienten meist nur in Zusammenhang mit ei- nem Anfall Atemnot; der Hu- sten zeigt sich als unprodukti- ver Reizhusten, der auch nachts auftreten kann.
Die Spirometrie mit Be- stimmung der Einsekunden- kapazität und Prüfung der Reversibilität der Obstrukti- on ist deshalb für die COPD- Diagnose unerlässlich. Typi- sche Ergebnisse bei COPD sind FEV1/FVC-Werte unter 70 Prozent. Bei Asthma-Pati- enten verhalten sich diese Pa- rameter hingegen meist un- auffällig.
Vor jeder medikamentösen Therapie steht zunächst die Raucherentwöhnung. Zur medikamentösen Behand- lung der COPD waren bis- her nur kurz oder lang wirk- same Beta-2-Sympathomime- tika und kurz wirksame An- ticholinergika verfügbar. Die
Therapiemöglichkeiten erwei- tert der lang wirksame cholin- erge Muscarinrezeptor-Ant- agonist Tiotropium, der se- lektiv nur den M3-Rezeptor blockiert.
Tiotropium (Spiriva®) ist ein Bronchodilatator, der sei- nen Effekt über 24 Stunden ausübt und eine etwa zehn- fach höhere Affinität zum Muscarinrezeptor zeigt als Ipatropium. Auch die diffe- renzielle Dissoziation aus der Rezeptorbindung geschieht sehr viel langsamer, sodass für die Substanz eine maximale Bronchodilatation über 15 Stunden nachweisbar ist, ehe der Effekt langsam nachlässt.
Daher genüge eine einmal täg- liche inhalative Applikation von Spiriva für eine 24-Stun- den-Wirkung, sagte Prof. Mar- tin C. Michel (Essen).
Die therapeutische Überle- genheit von Tiotropium ge- genüber den bisher verfügba- ren Medikamenten wurde in klinischen Studien bewiesen.
Vier Studien dauerten zwölf Monate, zwei Studien sechs Monate. Tiotropium sei mit Placebo, Ipratropium und Sal- meterol verglichen worden, be- richtete Magnussen. Es konn- te im Einzelnen belegt wer- den, dass Tiotropium
>im Vergleich zu Placebo, Ipratropium und dem lang wirksamen Beta-2-Sympatho- mimetikum Salmeterol eine Verbesserung der Lungen- funktion in der Langzeitthe- rapie bewirkt, ohne dass es zur Toleranzentwicklung kommt;
>gegenüber Placebo, Ipra- tropium und Salmeterol die Dyspnoe der Patienten stär- ker reduziert sowie Anzahl und Dauer von Exazerbatio- nen senkt;
>die Lungen-Überblähung reduziert und die Belastbar- keit der Patienten nachhaltig verbessert;
>die zusätzliche Einnah- me von kurz wirksamen Beta- 2-Sympathomimetika redu- ziert;
> sich in allen Studien als sicher und gut verträglich er- wiesen hat, mit dem einzigen unerwünschten Nebeneffekt der Mundtrockenheit.
„Hervorzuheben ist der in allen Studien nachgewiesene günstige Effekt auf die Le- bensqualität, die Belastbarkeit und die Kurzatmigkeit. Mit dem neuen Medikament wird ein neuer Standard in der COPD-Therapie gesetzt“, be- urteilt Magnussen das Arznei- mittel.
Spiriva wird zusammen mit dem speziellen Inhalations- system HandiHaler®angebo- ten. Mit diesem Gerät wird das mikronisierte Tiotropium appliziert. Die Substanz ist zu- sammen mit Laktose in einer Kapsel eingeschlossen. Jede Kapsel entspricht einer Dosis.
Die Kapsel wird in den Han- diHaler eingeführt, mit einem Knopfdruck durchlöchert und ihr Inhalt anschließend inha- liert. Dabei reiche eine mini- male inspiratorische Flussrate von 20 l/min aus, die auch von schwer kranken Patienten auf- gebracht werden kann, erläu- terte Dr. Jürgen Nagel (Ingel- heim). Siegfried Hoc
Einführungspressekonferenz für Spiriva® der Firmen Pfizer und Boehringer Ingel- heim in Hamburg
V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 3713. September 2002 AA2435
COPD-Therapie
Tiotropium verbessert die Lungenfunktion
Unternehmen
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Die neuen GOLD-Richtlinien: Diagnostischer und therapeutischer Stufenplan bei COPD
Stufe Schweregrad Diagnostische Kriterien Empfohlene Therapie
alle Meidung von Risikofaktoren, Grippeschutzimpfung
0 COPD-Risiko Normale Ruhespirometrie, Risikofaktoren meiden dennoch COPD-Symptome
1 Leichte COPD FEV1> 80 % Soll, Wie untere 0, zusätzlich: kurz wirksame inhalative aber FEV1/FEC < 70% Soll Bronchodilatatoren (2-Mimetika und/oder Anticholin-
ergika) bei Bedarf
2 Mäßige COPD FEV130–80 % Soll und Wie unter 0, zusätzlich: regelmäßig lang und/oder FEV1/FEC < 70 % Soll kurz wirksame inhalative Bronchodilatatoren
(2-Mimetika und/oder Anticholinergika), inhalative Glu- cocorticoide bei Ansprechen erwägen, Rehabilitation 3 Schwere COPD FEV130 % Soll und Wie unter 0, zusätzlich: regelmäßig lang und/oder
FEV1/FEC 70 % Soll oder kurz wirksame inhalative Bronchodilatatoren FEV150 % Soll und klinisch (2-Mimetika und/oder Anticholinergika), inhalative Rechtsherzinsuffizienz oder Glucocorticoide bei Ansprechen oder wiederholten respiratorische Insuffizienz Exazerbationen erwägen, Rehabilitation
ggf. 02-Langzeittherapie ggf. nichtinvasive Beatmung ggf. chirurgische Therapie