A 1918 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 44|
31. Oktober 2014COMPAMED 2014
Viele Optionen durch 3-D-Druck
Die Zulieferfirmen der Medizintechnikbranche blicken optimistisch in die Zukunft.
Mit innovativen Fertigungstechniken wie dem 3-D-Druck scheinen sie allen Grund dazu zu haben.
D
ie scheinbar simple, aber ebenso geniale Idee, im Ink- jet-Verfahren dreidimensional zu drucken, beflügelt die Fantasie der Forscher und Entwickler unterschied- lichster Branchen. Der 3-D-Drucker als Fertigungsanlage im Schreib- tischformat findet schließlich im kleinsten Labor noch einen Platz.Experten des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmens In- ternational Data Corporation gehen davon aus, dass in diesem Jahr mehr als doppelt so viele 3-D-Drucker verkauft werden wie im vergange- nen Jahr. Ein Einsatzgebiet mit großem Potenzial sehen sie im medizinischen Bereich. So wird das Thema bei der diesjährigen COMPAMED in Düsseldorf eben- falls eine wichtige Rolle spielen.
„Der 3-D-Druck stellt in der Tat eine spannende Kombination aus Material- und Prozesstechnik dar.
Auf die Fortschritte in diesem Ge- biet darf man sehr gespannt sein“, erklärt Horst Giesen, Director COMPAMED und MEDICA. Die Messe Düsseldorf hatte hierfür be- reits im vergangenen Jahr zusammen mit dem Verband Deutscher Maschi- nen- und Anlagenbau e.V. ein eige- nes Label kreiert: „3D fab + print“
kennzeichnet alle Aussteller mit Angeboten zum 3-D-Druck auf der Fachmesse.
Fertigung auf den Punkt genau
Eine Stärke des 3-D-Drucks ist die kostengünstige Herstellung von Prototypen, die eine individuel- le und komplexe Struktur erhal- ten sollen. Verschiedenste Materia- lien können mit unterschiedlichen 3-D-Druckverfahren verarbeitet werden wie Metall, Keramik oder Kunststoff. Ein Anwendungsfeld für solch individuell gedruckte Formen ist die Orthopädietechnik.
3-D-Druckmethoden für die Her- stellung passgenauer Prothesen und Orthesen erforscht die Fraun- hofer-Projektgruppe für Automati- sierung in der Medizin und Bio- technologie (PAMB) in Mannheim (Halle 10/G05). Ziel ist die Ent- wicklung eines besonders kosten- günstigen Verfahrens zur Produk - tion von individuellen Fuß- und Beinprothesen. Die Mannheimer setzen für ihre digitalen Maßan - fertigungen auf das sogenannte Fused Deposition Modelling, auch Schmelzschichtung genannt. Ihr Drucker verfügt über eine frei be-
wegliche Heizdüse, die einen schmelzfähigen Kunststoff Schicht für Schicht aufträgt. Mit dem 3-D-Druckverfahren hat der Gips- abdruck des Stumpfes ausgedient.
Schneller und für den Patienten deutlich bequemer werden die Da- ten für das 3-D-Modell anhand ei- nes Scans erfasst und punktgenau in die Kunststoffform umgesetzt.
Individuelle Trainingsmodelle aus dem 3-D-Drucker
Die operative Korrektur von Kra- niostenosen bei Kindern erfordert von den chirurgischen Teams äu- ßerst präzise Arbeit. Die Erfolgs- chancen eines derart sensiblen Ein- griffs steigen, wenn die Chirurgen die notwendige Schädelkorrektur an einem möglichst realitätsgetreu- en Modell erproben können. Dipl.
Biol. Daniel Seitz koordiniert an der Universität Bayreuth ein Ver- bundprojekt, bei dem die Konstruk- tion und der 3-D-Druck solch indi- vidueller Schädelmodelle erprobt werden soll (Halle 03/E83).
Als Partner konnte Seitz zwei Chirurgen gewinnen, Priv.-Doz. Dr.
med. Camilo Roldán, Hamburg, und Priv.-Doz. Dr. med. Jan Gliem- roth, Lübeck, die seit vielen Jahren Erfahrungen bei operativen Eingrif- fen zum Ausgleich von Schädel- fehlbildungen gesammelt haben.
„Wir freuen uns sehr, dass wir diese namhaften Spezialisten für eine enge Zusammenarbeit gewinnen konnten. So können aktuelle Erfah- rungen aus der chirurgischen Praxis unmittelbar in das Design der benö- tigten Schädelmodelle einfließen“, erklärt Seitz.
Basis für die Kopie eines fehlge- bildeten kindlichen Schädels bilden computertomographische Aufnah- men, die bei den Kleinkindern mit besonders niedriger Strahlenbelas- tung angefertigt werden. Für die di- Daniel Seitz, Uni-
versität Bayreuth, leitet die Modellie- rung und den 3-D-Druck von Schädelmodellen
Foto: Daniel Seitz, Universität Bayreuth
T E C H N I K
Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 44|
31. Oktober 2014 A 1919 gitale Rekonstruktion des dreidi-mensionalen Schädelmodells rei- chen diese Daten jedoch nicht aus, da die Computertomographie nicht alle Schädelpartien mit der gleichen Präzision abbildet. Hier müssen be- stimmte Knochenregionen noch in Rücksprache mit dem Arzt über die Software ergänzt werden. Darüber hinaus fließt weiteres biologisch- medizinisches Wissen in die Mo- dellierung ein, denn das individuel- le Krankheitsbild des Kindes, sein Alter sowie die voraussichtliche Entwicklung seiner Knochen sind für die Konstruktion des individuel- len OP-Trainingsmodells von Be- deutung.
Wenn alle relevanten Daten zu- sammen sind, kann der 3-D-Dru- cker loslegen. Die Maschine von Seitz druckt in ein Pulverbett, das aus einer besonderen Gipsmi- schung besteht. Damit erhält das fertige Modell eine ähnliche Kon- sistenz und Farbe wie echtes Kno- chenmaterial. „Anhand der Modelle konnten wir aufwendige Operatio- nen schneller und sicherer durch- führen und teilweise sogar Verbes- serungen in der Operationstechnik erarbeiten“, erläutert Roldán. An den Schädelmodellen kann gesägt und geschnitten werden, auch las- sen sich neuartige Osteosynthese- platten realitätsnah erproben. Wenn komplizierte Eingriffe auf diese
Weise vorbereitet werden, lassen sich Operationsrisiken senken, so die Hoffnung der Beyreuther Ar- beitsgruppe um Seitz.
Regenerative Medizin mit dem 3-D-Drucker
Sozusagen im 3-D-Biodruck-Ver- fahren wollen Forscher von der Technischen Universität Berlin und dem Deutschen Herzzentrum Ber- lin künstliche Herzklappen mit vita- len humanen Zellen generieren. Die Vision von Prof. Dr. rer. nat. Hart- mut Schwandt, Leiter des 3-D-La- bors an der TU Berlin: „Basierend auf einer Computertomographie könnte maßgeschneidert für den je- weiligen Patienten ein Herzklap- pengerüst gedruckt werden, das an- schließend mit körpereigenen Zel- len besetzt wird.“ Für das Gerüst ist ein spezieller Kunststoff vorgese- hen, der vom Körper abgebaut wird, zunächst aber die Konstrukti- on in der richtigen Form hält. Nach Angaben von Schwandt wird das benötigte Zellmaterial aus einer Ge- webespende generiert und über ei- nen Tissue-Engineering-Prozess in einem Bioreaktor über mehrere Monate herangezüchtet. Anschlie- ßend steht es für die Besiedlung des Herzklappengerüstes bereit.
Einen 3-D-Bioplotter® für com- putergestütztes Tissue Enginieering hat die Firma EnvisionTEC im
Programm (Halle 08a/S18). Der 3-D-Biodrucker kann anhand von dreidimensionalen CAD-Modellen Grundgerüste für die Besiedlung mit lebenden Zellen aufbauen. Für den Aufbau von solchen Scaffolds kann das Gerät verschiedene Mate- rialien wie Soft Hydrogel Polyme- re, Keramiken und Metalle zu drei- dimensionalen Objekten formen und das alles auch unter sterilen Be- dingungen. Dabei erweist sich das Systemals Multitalent: Eskann au- tomatisch sein Werkzeug wechseln, um verschiedene Materialien in ei- nem Druckvorgang zu verarbeiten.
Während der 3-D-Bioplotter haupt- sächlich seinen Einsatz in forschen- den Einrichtungen findet, hält das Unternehmen eine ganze Palette an 3-D-Druckern für biomedizinische Anwendungen vor, beispielsweise für die maßgeschneiderte Produkti-
on von Hörhilfen.
▄
Dr. rer. nat. Lisa Kempe
LINKS
1. COMPAMED 2014 High tech solutions for medical technology Fachmesse für die Zu- lieferer der Medizintechnik-Industrie vom 12. – 14. November parallel zur MEDICA 2014: www.compamed.de
2. Fraunhofer-Projektgruppe für Automatisie- rung in der Medizin und Biotechnologie:
http://pamb.ipa.fraunhofer.de/
3. 3DLab der TU Berlin: www.math.tu-berlin.
de/3dlabor/3d-labor
4. 3-D-Bioplotter: http://envisiontec.com
Die Medica Education Conference vom 12. bis 15. Novem- ber während der MEDICA in Düsseldorf wendet sich fachüber- greifend an Ärzte, Wissenschaftler, Hersteller und Kranken- hausentscheider. In Symposien, Seminaren und Kursen vermit- telt die gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) konzipierte Fortbildungsveranstaltung, von wel- chen Innovationen Patienten profitieren können und inwieweit medizinische Erkenntnisse die Technik beeinflussen.
Die vier Konferenztage widmen sich jeweils einem Schwerpunkt: Infektion und Entzündung, Telemedizin und Robotik, gastrointestinale Onkologie und Interventionelle Medizin. Kongresspräsident ist Prof. Dr. med. Hendrik Lehnert, Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (Lübeck).
In den Themenblöcken „Telemedizin und Robotik“ sowie
„Interventionelle Medizin“ erfahren Ärzte beispielsweise, wie die medizinische Versorgung mit neuen Informationstechno-
logien schneller, zuverlässiger und oft auch kosteneffizienter möglich ist.
Bei Rekonstruktionen in der plastischen Chirurgie etwa operieren Ärzte zunehmend computerassistiert. 3-D-Simula- tionen am Computer unterstützen sie dabei, verletztes Gewe- be im Gesicht oder an anderen Körperstellen möglichst origi- nalgetreu wieder aufzubauen. Ähnliche Entwicklungen gibt es in anderen medizinischen Fächern.
Immer mehr Fachärzte wie Radiologen oder Kardiologen arbeiten heute außerdem „interventionell“ – Techniken wie der Herzkatheter werden nicht nur zur Diagnostik, sondern auch für die Therapie genutzt, etwa wenn eine Gefäßveren- gung durch einen Stent aufgedehnt oder ein Blutgerinnsel
„herausgezogen“ werden soll. EB