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Positionen und Argumentationen im Rollenspiel

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Obwohl Kunststoffe seit mehreren Jahr- zehnten aus Industrie, Technik und Alltag nicht mehr wegzudenken sind, sind sie Gegenstand gesellschaftlicher Kontrover- sen. Die Diskussionen entzündeten sich vorzugsweise an drei Aspekten: der Res- sourcenfrage, der Entsorgungsproblema- tik sowie der möglichen Gesundheitsge- fährdungen bei der Produktion, während der Nutzung und beim Vebringen in die Umwelt. Mit veränderten Anwendungen, verändertem Sortiment und dem Bemü- hen um eine planvolle Entsorgung änder- te sich im Lauf der Jahrzehnte auch die Bewertung der jeweiligen Aspekte.

Eine bewährte Form der Auseinander - setzung mit komplexen und insbesonde- re "ungelösten" Problemen ist das Rol- lenspiel [1, 2, 3]. Es gestattet nicht nur eine unmittelbare Konfrontation der Ar- gumentationslinien sondern lässt in sei- ner Dynamik auch die Interessenbezo- genheit der jeweiligen Standpunkte erkennen. Methodisch eröffnet es große Spielräume, vom Nachspielen bereits ausgearbeiteter Spielsequenzen [4, 5]

über die spielerische Gestaltung einer Szene mit vorgegebenen Rollenkarten [6, 7] bis hin zur selbstständigen Ausarbei- tung von Rollen auf Basis von Original- materialien [8]. Im letztgenannten Fall ist das Rollenspiel Produkt und Höhepunkt einer in der Regel arbeitsteilig organisier- ten Unterrichtsphase, die anderen For- men [vgl. 9, 10] eignen sich ebenso zum Einstieg in eine komplexe Problematik wie zu deren abschließender Fokussie- rung.

Das Rollenspiel

als Unterrichtsprodukt

Die hier vorgeschlagene Form des Rol- lenspiels als Unterrichtsprodukt stellt er- hebliche Anforderungen an Lernende wie auch die Lehrkraft. Ähnlich wie bei ande- ren Formen offener Unterrichtsansätze (vgl. [11]) wird von den Schülerinnen und Schülern ein hohes Maß an Selbststän- digkeit verlangt, von der Lehrkraft dage- gen die Fähigkeit, die Arbeitsphasen der Lernenden vorzustrukturieren und bera- tend zu begleiten In jedem Fall erscheint eine vorausgehende Beschäftigung mit der Kunststoffthematik unter chemischen Aspekten als notwendig.

Der Ausgangspunkt: Artikel aus einer Tageszeitung, aus der Fachpresse, aus Firmenwerbung oder Verbandsschrift.

Unterricht Chemie'" 14'" 2003'" Nr. 73

Ku nststoffe kontrovers

Positionen und Argumentationen im Rollenspiel

Von Lutz Stäudel Die Startsituation: Es werden unter-

schiedliche Argumentationslinien aus dem Artikel herausgearbeitet und spezifi- schen Interessenträgern zugeordnet.

Nach der Vorstellung der verschiedenen Positionen wird die Anzahl der mög- lichen Rollenträger gegebenenffalls er- weitert oder begrenzt.

Das Thema: Um die Argumente und Standpunkte mögliChst praxis nah wer- den zu lassen, empfiehlt sich die Wahl ei- nes konkreten Themas; ein Beispiel ist die Frage: Kunststoffe auf Erdölbasis oder aus nachwachsenden Rohstoffen? Weite- re Themen sind unten aufgelistet.

Repräsentanten möglicher Interessen- gruppen: Je nach Thema variieren die möglichen Rollenträger (s. Kasten).

Die Ausarbeitungsphase: Die sich um die Rollen bildenden Gruppen werden mit der weiteren Ausgestaltung der Standpunkte beauftragt. Dazu kann vom Lehrer/ von der Lehrerin Originalrnaterial zur Verfügung gestellt werden, oder aber die Schülerinnen und Schüler müssen es

sich mit Hilfestellung selbst beschaffen bzw. ergänzen, z. B. unter Nutzung des Internets.

Das Spiel: Je nach Spielerfahrung (und Thema) eignen sich eine TV-Diskussion, ein Podiumsgespräch oder ähnliche For- men der Pro-und-Contra-Diskussion.

Wichtig sind Zeitbegrenzung und ein souveräner Spielleiter.

Weitere mögliche Themen:

• Der Grüne Punkt und das Duale Sys- tem Deutschland (DSD).

• Energetische versus stoffliche Verwer- tung

• PVC - Altlast oder Werkstoff für Spe- zialanwendungen?

• Getränkeverpackungen: PET oder Glas?

Literatur zum Rollenspiel

[lJ Lehmann, J. (Hrsg.): Simulations- und Planspiele in der Schule. Bad Heilbrunn 1977

[2J Niedermair, G.: Rollenspiel mit Sinn. In:

Pädagogik H. 12/1992, S. 17-21

Rollenträger für eine Diskussion über Kunststoffe

• Der Kunde ... will Qualität zu einem ak- zeptablen Preis und leicht handhabbare Verpackungen. Ökologische Argumente könnten dennoch den Ausschlag für ei- ne Kaufentscheidung geben.

• Der Einzelhändler ... kennt die Vor- und Nachteile verschiedener Verpackungs- varianten, auch für seine Lagerhaltung, die Präsentation und den Verkauf, rea- giert aber flexibel auf Kundenwünsche

• Der radikale Umweltschützer ... sieht sowohl die Ressource Erdöl schwinden, die Verstärkung des Treibhauseffekts bzw. die Konkurrenz um Biomasse als nachwachsendem Rohstoff bzw. als Nahrung.

• Der Landwirtschaftsvertreter ... weist auf die Entlastung der CO2-Bilanz durch Nachwachsende Rohstoffe hin

und die mögliche Nutzung von Bra- chen.

• Der Biobauer ... warnt vor weiterer Technisierung der Landwirtschaft und glaubt, dass bei extensivem Wirtschaf- ten wenig Platz ist für nachwachsende Rohstoffe

• Der Vertreter der Kunststoffhersteller ...

stellt die Funktionalität seiner Produkte heraus, Materialersparnis sowie die mögliche energetische Nutzung am En- de der Lebensdauer.

• Der Leiter eines kommunalen Entsor- gungsbetriebs ... problematisiert die Fähigkeit der Haushalte, unterschiedli- che Kunststoffsorten angemessen zu trennen und befürchtet Probleme bei der Entsorgung.

• usw.

... 37 <4

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ARBEITSBLATT FUR DIE GRUPPENARBEIT

Vom Originaldokument zur Rollenkarte

Arbeitsaufträge zur Vorbereitung der Rollenkarte:

• Arbeitet die Texte, von denen ausgehend ihr eure Rollen- karte entwickeln wollt, gründlich durch. Sucht weiteres Material im Internet!

• Welche Organisation, welche Firma, welche Gruppe hat den Text verfasst (bzw. welcher Organisation, Firma, Gruppe gehört der Verfasser des Textes vermutlich an?)

• Was soll der Text bewirken? Was sind vermutlich die Ab- sichten des Verfassers? Welches Interesse hat er daran, dass seine Meinung übernommen wird?

• Welche Sachargumente benutzt er? Mit welchen Gegenar- gumenten rechnet er? Wogegen setzt er sich zur Wehr?

• Auf welche "Werte" bezieht er sich? Was verspricht er für den Fall, dass jemand sich seiner Argumentation entspre- chend verhält?

• Stellt weitere geeignete Fragen zusammen, mit denen der Text untersucht und umgearbeitet werden kann.

Eure Rollenkarte könnt ihr so aufbauen:

• Beginnt mit der zentralen Aussage, die euren Standpunkt zusa m menfasst.

• Stellt Sachargumente vor, die diese Aussage stützen kön-

nen. Ihr könnt hierzu auch Overhead-Folien benutzen oder Schaubilder.

• Appelliert dann an eure Zuhörer und auch an die Gegner eures Standpunktes, dass sie diese Argumente möglichst übernehmen.

Hinweise zur Vorbereitung auf die Diskussion:

• Mit welchen Gegenargumenten müsst ihr rechnen? Welche Sachargumente werden eure Gegner in der Diskussion womöglich verwenden? Wie lassen sich diese Argumente entkräften I widerlegen I lächerlich machen?

• Welches sind die eigentlichen Motive eurer Gegner? Gibt es wirtschaftliche Interessen (z. B. ein ganz bestimmtes Pro- dukt zu verkaufen)? Ihr könnt diese Motive in der Diskus- sion herausstellen und damit die Position eurer Gegner schwächen.

• Was könnten eure Gegner in der Diskussion euch vorwer- fen? Welche Argumente könnten besonders treffen? Was könnt ihr erwidern?

• Welches eigene Argument könnte immer wieder benutzt werden?

...•...•..

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13] AG Naturwissenschaften sozial: Interes- sen ausloten - Das Rollenspiel als Metho- de zur Klärung umweltpolitischer Konflik- te. In: H. W. Heymann u. a. (Hrsg.):

o o

Rollenkarte Biobauer

Hauptaussage:

Ich bin nicht grundsätzlich gegen Kunst- stoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, aber sehr wohl unter den gegebenen Um- ständen. Der Anbau von ,Industriepflan- zen' verstärkt nur die Intensivwirtschaft!

Sachargumente:

Der biologisch-ökologische Landbau be- müht sich um ein Wirtschaften im Gleich- gewicht mit der Natur; dazu gehört der Verzicht auf intensive Nutzung der Böden, u. a. geben Brachezeiten dem Boden Zeit zum Erholen. Wenn man zwischen den Fruchtfolgen jetzt noch Industriepflanzen als Biomassequelle anbaut, trägt das zur weiteren Intensivierung und Ausbeutung der Böden bei, steht also im Widerspruch zur Philosophie des Biolandbaus. Außer- dem werden an technisch zu nutzende Biomasse nicht so strenge Anforderungen gestellt wie an Pflanzenprodukte für die Ernährung: also noch mehr Dünger und sogenannte Pflanzenschutzmittel!

Eigenes Interesse:

Ich möchte weiterhin hochwertige Pro- dukte erzeugen und verkaufen. Je geringer der Einfluss der Industrie auf die Landwirt- schaft ist, desto besser sind die Entwick- lungsmöglichkeiten. Es könnte auch sein, dass die Möglichkeit zur Biomassenerzeu- gung als Vorwand genommen wird, die Beihilfen und Ausgleichszahlungen an uns zu kürzen.

Erwartete Gegenargumente:

Es ist mir schon klar, dass die Befürworter der Kunststoffherstellung aus nachwach- senden Rohstoffen auch mit dem Umwelt- schutz 'argumentieren: Sie werden sagen, dass diese Produktion den Kohlenstoff- kreislauf entlastet und dem zusätzlichen Treibhauseffekt entgegenwirkt.

Abwehrstrategie:

Nachhaltigkeit muss unser oberstes Ziel bleiben: Für die Produktion von technisch verwerteten Pflanzen müssen die gleichen strengen Regeln gelten wie tür den Bio- landbau sonst auch.

o 0

...

38 ...

Friedrich Jahresheft XVII - Mensch, Na- tur, Technik. Seelze 1999, S. 76-77 14] Hellweger, S.: Chemieunterricht 5-10.

Reihe Praxis und Theorie des Unterrich- tens. München 1981

[5] Hellweger, S.: Nachwachsende Rohstoffe - Chance für die Landwirtschaft? Ein Rol- lenspiel. In: Naturwissenschaften im Unterricht - Chemie, 46. Jg., H. 45 (1998), S.35-38

16] Stäudel, L.: Spiele(n) im naturwissen- schaftlichen Unterricht? In: Pädagogik, 46. Jg., H. 4/1994, S. 26-30

17] Loosen, K.: ChemInfo, Rollenspiele im Chemieunterricht http://home . t-online.

delhome/k.loosenlrollensp.htm

18] Büttner, M., Wagner, G.: Sauberkeit um jeden Preis? - Der Themenkreis Wasch- mittel als Rollenspiel im Chemieunterricht der Sekundarstufe 11. PdN-Chemie 46 (1997), H. 8, S. 37-41

19] Roer, w., Hellweger, S., SChmidtkunz, H.:

Chemie lernen - Chemie spielen. Mül- heim 1989

110] Stäudel, L., Sauer, D.: Rollenspiel zum Thema Verpackungsmaterialien auf Stär- kebasis. In: RAAbits Chemie, 2. Ergän- zungslieferung, Heidelberg 1995, rv/A 1,2 111] Lutz, B., Stäudel, L., Wagner, G. (Hrsg.):

Offene Lernformen. NiU-Chemie Heft 70171(2002)

~ Dr. Lutz Stäudel, wiss. Mitarbeiter in der Chemiedidaktik an der Universität Gh Kassel

Eisenschmiede 76, 34125 Kassel lutzs@uni-kassel.de ...

Unterricht Chemie T 14 T 2003 T Nr. 73

(3)

Warum dann.ein neues Heft dazu? Es ist zu beobachten, dass die unterrichtliche Behand- hmg des Themas sich im AlIgemeirl.enaufdi~

Standardkunststoffe, ihre Herstellung,Efgen;

schaften und Verwendung beschtänltt,Dass dieser Themenkreis wesentlich mehr Facetten hat möchten wir mit diesem Heft zeigfln,weil heute neben den traditionellen KunStstoffen modeme Spezialpolymere und biologisch all- baubare Polymere eine immer gröBere Rolle spielen.

Im Mittelpunkt des Heftes stehen verschiede- ne methodische Ansätze für ein schüler- und handlungsorientiertes Unterrichten. Vorgestellt werden ein Lemzirkel, ein kontextorientierter Ansatz zum Thema Kunststoffabfälle und -re- cycling, eine szenische Darstellung der Poly- merisation, das Entwickeln eines Rollenspiels, der Einbezug außerschulischer Lemorte, neue Experimente und andere Methodenbausteine.

An aktuellen Entwicklungen werden in die- sem Heft die elektrisch leitfähigen Polymere, die facettenreichen Polyacrylsäureabkömmlin- ge und die biologisch abbaubaren Polymere näher beleuchtet sowie ökologische und toxi- kologische Probleme bei den Zusatzstoffen kri- tisch diskutiert.

Viel Freude beim Lesen wünschen Ihnen

J)

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Ihre Service-Nummern im Friedrich Verlag

Abo-Service (05 11) 4 00 04-151 Leserservice (05 11) 40004-188 Redaktion: (0511) 40004-230 www.friedrich-verlag.de

Unterricht ehem ie T 14 T 2003 T N r. 73

Heft 73, Januar 2003, 14. Jahrgang

MODERNE KUNSTSTOFFE

Herausgeber: Prof. Dr. Dietrich Büttner, Dortmund, Günter Wagner, Kassel

,

BASISARTIKEl Dietrich Büttner

Alltäglicher Werkstoff Kun~tstoff

Stefan Grutke und Brigitta Huckestein Moderne Kunststoffe

Innovative Werkstoffe mit Zukunft

UNTERRICHTSPRAXIS

DorotM Christiansen, Heike Huntemann, Silvia Schmidt und Ilka Parchmann

"Müll kann man nicht weg werfen!"

Monika Büttner und Günter Wagner Biologisch abbaubare Polymere Ein Lernzirkel

Christine Wolke-Scheuermann Kunststoffe in Schule und Betrieb

Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit außerschulischen Lernorten Dietrich Büttner, Stefanie Möller und Heinz Schmidkunz

Polyester durch Polykondensation Stefanie Möller und Dietrich Büttner Experimente mit Polyacrylsäurederivaten Thomas Freiman und Günter Wagner Methodenwerkzeuge Kunststoffe Lutz Stäudel

Kunststoffe kontrovers

Positionen und Argumentationen im Rollenspiel Werner Pöpping

Lineare und vernetzte Kunststoffe bilden

Eine szenische Darstellung fördert aktiv das Verstehen Stefan Ibold und Angela Köhler-Krützfeldt

Leitfähige Polymere im Unterricht

MAGAZIN INFORMATIONEN

VERSUCHSKARTElEN

GiselaLück

Kunos coole Kunststoffkiste Matthias Rehahn

Elektrisch leitfähige Kunststoffe Markus Große Ophoff und GÜllter Wagner Zusatzstoffe für Kunststoffe

Ökologische und toxikologische Aspekte Horst Rernane

Ein Blick in die Geschichte der Kunststoffe

Vorschau/Rückschau/Impressum

4

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46 49 51 53

... 3

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L. Stäudel: Kunststoffe kontrovers. Positionen und Argumentationen im Rollenspiel

In: Unterricht Chemie, 14. Jg., H. 74, 2003, S, 37 – 38

Kunststoffe kontrovers - Positionen und Argumentationen im Rollenspiel

von Lutz Stäudel

Trotzdem Kunststoffe seit mehreren Jahrzehnten aus Industrie, Technik und Alltag nicht mehr weg zu denken sind, sind sie Gegenstand gesellschaftlicher Kontroversen. Die Diskussionen entzündeten sich vorzugsweise an drei Aspekten: der Ressourcenfrage, der Entsorgungs- problematik sowie der möglichen Gesundheitsgefährdungen bei Produktion, während der Nutzung und beim Verbringen in die Umwelt - die Literatur hierzu füllt Bibliotheken.

Mit veränderten Anwendungen, verändertem Sortiment und dem Bemühen um eine planvol- len Entsorgung änderte sich im Lauf der Jahrzehnte auch die Bewertung der jeweiligen As- pekte. Wie auch in anderen Fällen technologischen Fortschritts mit noch ungewissen Aus- wirkungen kann die Schule hier kaum endgültige Urteile anbieten, vielmehr muss sie die Schülerinnen und Schüler gemäß ihrem Bildungsauftrag dazu anleiten und befähigen, zu ei- genen Bewertungen auf Basis möglichst umfassender und gesicherter Information zu kom- men.

Eine bewährte Form der Auseinandersetzung mit komplexen und insbesondere “ungelösten”

Problemen ist das Rollenspiel [1, 2, 3]. Es gestattet nicht nur eine unmittelbare Konfrontation der Argumentationslinien sondern lässt in seiner Dynamik auch die Interessenbezogenheit der jeweiligen Standpunkte erkennen. Methodisch eröffnet es große Spielräume, vom Nachspie- len bereits ausgearbeiteter Spielsequenzen [4, 5] über die spielerische Gestaltung einer Szene mit vorgegebenen Rollenkarten [6, 7] bis hin zur selbständigen Ausarbeitung von Rollen auf Basis von Originalmaterialien [8]. Im letztgenannten Fall ist das Rollenspiel Produkt und Höhepunkt einer in der Regel arbeitsteilig organisierten Unterrichtsphase, die anderen Formen [vgl. 9, 10] eignen sich ebenso zum Einstieg in eine komplexe Problematik wie zu deren ab- schließender Fokussierung.

Das Rollenspiel als Unterrichtsprodukt

Die hier vorgeschlagene Form des Rollenspiels als Unterrichtsproduktes stellt erhebliche An- forderungen an Lernende wie auch die Lehrkraft. Ähnlich wie bei anderen Formen offener Unterrichtsansätze (vgl. Themenheft ‚Offene Lernformen’ dieser Zeitschrift [11]) wird von den Schülerinnen und Schülern ein hohes Maß an Selbstständigkeit verlangt, von der Lehr- kraft dagegen die Fähigkeit, die Arbeitsphasen der Lernenden vorzustrukturieren und beraten- de zu begleiten. In jedem Fall erscheint eine vorausgehende grundlegende Beschäftigung mit der Kunststoffthematik unter chemischen Aspekten als notwendig.

Der Ausgangspunkt: Artikel aus einer Tageszeitung, aus der Fachpresse, aus Firmenwer- bung oder Verbandsschrift

Die Startsituation: Es werden unterschiedliche Argumentationslinien aus dem Artikel herausgearbeitet und spezifische Interessenträgern zugeordnet. Nach der Vorstellung der verschiedenen Positionen wird die Anzahl der möglichen Rollenträger ggf. erweitert oder begrenzt.

ergänzend als Text

(5)

L. Stäudel: Kunststoffe kontrovers. Positionen und Argumentationen im Rollenspiel

In: Unterricht Chemie, 14. Jg., H. 74, 2003, S, 37 – 38

Das Thema: Um die Argumente und Standpunkte möglichst praxisnah werden zu lassen, empfiehlt sich die Wahl eines konkreten Themas; ein Bei- spiel ist die Frage: Kunststoffe auf Erdölbasis oder aus nachwach- senden Rohstoffen? Weitere Themen sind unten aufgelistet.

Rollenträger / Repräsentanten möglicher Interessengruppen:

Je nach Thema variieren die möglichen Rollenträger. Die angeführ- ten Beispiele beziehen sich auf die o.g. Thematik.

 Der Kunde ... will Qualität zu einem akzeptablen Preis und leicht handhabbare Verpackungen. Ökologische Argumente könnten dennoch den Ausschlag für eine Kaufentscheidung geben.

 Der Einzelhändler ... kennt die Vor- und Nachteile verschiedener Verpackungsvarianten, auch für seine Lagerhaltung, die Präsenta- tion und den Verkauf, reagiert aber flexibel auf Kundenwünsche.

 Der radikale Umweltschützer ... sieht sowohl die Ressource Erdöl schwinden, die Verstärkung des Treibhauseffekts bzw. die Kon- kurrenz um Biomasse als nachwachsendem Rohstoff bzw. als Nahrung.

 Der Landwirtschaftsvertreter ... weist auf die Entlastung der CO2- Bilanz durch Nachwachsende Rohstoffe hin und die mögliche Nutzung von Brachen.

 Die Biobauer ... warnt vor weiterer Technisierung der Landwirt- schaft und glaubt, dass bei extensivem Wirtschaften wenig Platz ist für nachwachsende Rohstoffe.

 Der Vertreter der Kunststoffhersteller ... stellt die Funktionalität seiner Produkte heraus, Materialersparnis sowie die mögliche energetische Nutzung am Ende der Lebensdauer.

 Der Leiter eines kommunalen Entsorgungsbetriebs ... problema- tisiert die Fähigkeit der Haushalte, unterschiedliche Kunststoff- sorten angemessen zu trennen und befürchtet Probleme bei der Entsorgung.

 usw.

Die Ausarbeitungsphase: Die sich um die Rollen bzw. Interessenpole bildenden Gruppen werden mit der weiteren Ausgestaltung der Standpunkte beauf- tragt (siehe Kasten). Dazu kann vom Lehrer / von der Lehrerin Originalmaterial zur Verfügung gestellt werden, oder aber die Schülerinnen und Schüler müssen es sich mit Hilfestellung selbst beschaffen bzw. ergänzen, z.B. unter Nutzung des Internets.

Das Spiel: Je nach Spielerfahrung (und Thema) eignen sich eine TV-Diskus- sion, ein Podiumsgespräch oder ähnliche Formen der Pro-und- Contra-Diskussion. Wichtig sind Zeitbegrenzung und ein souve- räner Spielleiter (ggf. der Lehrer, die Lehrerin).

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L. Stäudel: Kunststoffe kontrovers. Positionen und Argumentationen im Rollenspiel

In: Unterricht Chemie, 14. Jg., H. 74, 2003, S, 37 – 38

Weitere mögliche Themen

- Der Grüne Punkt und das Duale System Deutschland (DSD).

- Energetische versus stoffliche Verwertung

- PVC – Altlast oder Werkstoff für Spezialanwendungen?

- Getränkeverpackungen: PET oder Glas?

Literatur zum Rollenspiel:

[1] J. Lehmann (Hrsg.): Simulations- und Planspiele in der Schule. Bad Heilbrunn 1977 [2] G. Niedermair: Rollenspiel mit Sinn. In: Pädagogik H. 12/1992, S. 17 - 21

[3] AG Naturwissenschaften sozial: Interessen ausloten – Das Rollenspiel als Methode zur Klärung umweltpolitischer Konflikte. In: H. W. Heymann u.a. (Hrsg.): Friedrich Jah- resheft XVII – Mensch, Natur, Technik. Seelze 1999, S. 76 - 77

[4] S. Hellweger: Chemieunterricht 5 - 10. Reihe Praxis und Theorie des Unterrichtens.

München 1981

[5] S. Hellweger: Nachwachsende Rohstoffe - Chance für die Landwirtschaft? Ein Rollen- spiel. In: Naturwissenschaften im Unterricht – Chemie, 46. Jg., H. 45 (1998), S. 135 - 138

[6] L. Stäudel: Spiele(n) im naturwissenschaftlichen Unterricht? In: Pädagogik, 46. Jg., H.

4/1994, S. 26 – 30

[7] K. Loosen: ChemInfo, Rollenspiele im Chemieunterricht http://home.t-online.de/home/k.loosen/rollensp.htm

[8] M. Büttner und G. Wagner: Sauberkeit um jeden Preis? - Der Themenkreis Waschmittel als Rollenspiel im Chemieunterricht der Sekundarstufe II. Praxis der Naturwissen- schaften-Chemie 46 (1997), H. 8, 37-41

[9] W. Roer, S. Hellweger, H. Schmidtkunz: Chemie lernen - Chemie spielen. Mülheim 1989

[10] L. Stäudel, D. Sauer: Rollenspiel zum Thema Verpackungsmaterialien auf Stärkebasis.

In: RAAbits Chemie, 2. Ergänzungslieferung, Heidelberg 1995, IV/A 1,2

[11] B. Lutz, L. Stäudel, G. Wagner (Hrsg.): Themenheft Offene Lernformen. NiU-Chemie Heft 70/71(2002)

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L. Stäudel: Kunststoffe kontrovers. Positionen und Argumentationen im Rollenspiel

In: Unterricht Chemie, 14. Jg., H. 74, 2003, S, 37 – 38

Rollenkarte Biobauer:

Hauptaussage:

Ich bin nicht grundsätzlich gegen Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, aber sehr wohl unter den gegebenen Umständen. Der Anbau von ‚Industriepflanzen’ verstärkt nur die Intensivwirtschaft!

Sachargumente:

Der biologisch-ökologische Landbau bemüht sich um ein Wirtschaften im Gleichgewicht mit der Natur; dazu gehört der Verzicht auf intensive Nutzung der Böden, u.a. geben Brachezeiten dem Boden Zeit zum Erholen. Wenn man zwischen den Fruchtfolgen jetzt noch Industrie- pflanzen als Biomassequelle anbaut, trägt das zur weiteren Intensivierung und Ausbeutung der Böden bei, steht also im Widerspruch zur Philosophie des Biolandbaus. Außerdem wer- den an technisch zu nutzende Biomasse nicht so strenge Anforderungen gestellt, wie Pflan- zenprodukte für die Ernährung: also noch mehr Dünger und sog. Pflanzenschutzmittel!

Eigenes Interesse:

Ich möchte weiterhin hochwertige Produkte erzeugen und verkaufen. Je geringer der Einfluss der Industrie auf die Landwirtschaft ist, desto besser sind die Entwicklungsmöglichkeiten. Es könnte auch sein, dass die Möglichkeit zur Biomasseerzeugung als Vorwand genommen wird, die Beihilfen und Ausgleichszahlungen an uns zu kürzen.

Erwartete Gegenargumente:

Es ist mir schon klar, dass die Befürworter der Kunststoffherstellung aus nachwachsenden Rohstoffen auch mit dem Umweltschutz argumentieren: Sie werden sagen, dass diese Produk- tion den Kohlenstoffkreislauf entlastet und dem zusätzlichen Triebhauseffekt entgegenwirkt.

Abwehrstrategie:

Nachhaltigkeit muss unser oberstes Ziel bleiben: Für die Produktion von technisch verwer- teten Pflanzen müssen die gleichen strengen Regeln gelten wie für die Biolandbau sonst auch.

(8)

L. Stäudel: Kunststoffe kontrovers. Positionen und Argumentationen im Rollenspiel

In: Unterricht Chemie, 14. Jg., H. 74, 2003, S, 37 – 38

Vom Originaldokument zur Rollenkarte – Arbeitsblatt für die Gruppenarbeit -

Arbeitsaufträge zur Vorbereitung der Rollenkarte:

 Arbeitet die Texte, von denen ausgehend ihr eure Rollenkarte entwickeln wollt, gründlich durch. Sucht weiteres Material im Internet!

 Welche Organisation, welche Firma, welche Gruppe hat den Text verfasst (bzw. welcher Organisation, Firma, Gruppe gehört der Verfasser des Textes vermutlich an?)

 Was soll der Text bewirken? Was sind vermutlich die Absichten des Verfassers? Welches Interesse hat er daran, dass seine Meinung übernommen wird?

 Welche Sachargumente benutzt er? Mit welchen Gegenargumenten rechnet er? Wogegen setzt er sich zur Wehr?

 Auf welche “Werte” bezieht er sich? Was verspricht er für den Fall, dass jemand sich sei- ner Argumentation entsprechend verhält?

 Stellt weitere geeignete Fragen zusammen, mit denen der Text untersucht und umgearbei- tet werden kann.

Eure Rollenkarte könnt ihr so aufbauen:

 Beginnt mit der zentralen Aussage, die euren Standpunkt zusammenfasst.

 Stellt Sachargumente vor, die diese Aussage stützen können. Ihr könnt hierzu auch Over- head-Folien benutzen oder Schaubilder.

 Appelliert dann an eure Zuhören und auch an die Gegner eures Standpunktes, dass sie die- se Argumente möglichst übernehmen.

Hinweise zur Vorbereitung auf die Diskussion:

 Mit welchen Gegenargumenten müsst ihr rechnen? Welche Sachargumente werden eure Gegner in der Diskussion womöglich verwenden? Wie lassen sich diese Argumente ent- kräften / widerlegen / lächerlich machen?

 Welches sind die eigentlichen Motive eurer Gegner? Gibt es wirtschaftliche Interessen (z.B. ein ganz bestimmte Produkt zu verkaufen)? Ihr könnt diese Motive in der Diskussion herausstellen und damit die Position eurer Gegner schwächen.

 Was könnten eure Gegner in der Diskussion euch vorwerfen? Welche Argumente könnten besonders treffen? Was könnt ihr erwidern?

 Welches eigene Argument könnte immer wieder benutzt werden?

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