Das Mina im Bericht über die Scliätze der Fatimiden.
Von Kurt Röder.
Minä wird in dem von Maqrizi benutzten Bericht über die
Plünderung des Fätimiden-Schatzes im Jahre 1062 A. D.
siebenmal genannt und jedesmal durch irgendeine, aber stets
andere zusätzliche Aussage näher bestimmt, woraus zu schlie¬
ßen ist, daß eine Mehrzahl verschiedener Arten von Minä
unterschieden wird.
Die erste Erwähnung von Minä erfolgt in § 4, der eine
Übersicht über die verschiedenen Vorratsräume des von der
Hofhaltung benötigten Gebrauchsgeräts gibt. Nach der Er¬
wähnung einer Kristall- und Glaskammer werden Räume
mit Vorräten von zweierlei Minä und bagdädischer Ware
aufgeführt, denen solche für mancherlei hölzernes Gerät, für
Chinaware und sonstige aus fremden Ländern eingeführte
Gebrauchsgegenstände folgen; das Möbel- und Teppich¬
magazin beschließt die Liste, und es ist beachtlich, daß hier
kein Gerät vorkommt, das ausdrücklich als aus Edelmetall
bestehend bezeichnet wird. Ein Überblick zeigt, daß bis auf
das eigentliche Speisegeschirr aller erdenkliche Hausrat be¬
rücksichtigt wurde. Die Chinaware dürfte in mannigfachen
Porzellangefäßen bestanden haben, von denen sicherlich ein
großer Teil dem Tafelgebrauch diente, was aus der Art ihrer
weiteren Erwähnung deutlich wird. Aber wenn die China¬
ware auch an zwei Stellen (§ 19, 32) als Speisegeschirr er¬
scheint, so wird sie dafür dreimal (§ 13, 18, 22) in anderer
Verwendung genannt, als Vorratsgefäß, als Waschkübel und
als Zubehör zu Eisenspiegeln. Auch bestand bekanntlich das
Speisegeschirr im 10. und 11. Jahrhundert in Ägypten nicht
in chinesischem Porzellan, sondern in glasierter Irdenware,
durch die sich der Nahe Osten vor allen anderen Ländern
364 K- Röder, Das Mina im Bericht über die Schätze der Fatimiden.
ebenso auszeichnet, wie China durch sein Porzellan und das
römische Reich durch seine rote terra sigillata.
So liegt es nahe, in dem hier erwähnten Minä das Speise¬
geschirr der Hofhaltung zu vermuten. Aber auch die nähere
Beschreibung dieses Minä deutet darauf, daß es sich hier nur
um glasierte Irdenware handeln kann*). Es werden nämlich
von diesem Minä zwei Arten unterschieden, eine die ,, gold¬
durchzogen" ist und eine andere, die dieser Ausstattung er¬
mangelt. Daß die erste Art keineswegs mit Email verziertes
goldenes Gerät bezeichnen kann, wird deutlich durch den
Vergleich mit einer späteren Erwähnung des Minä (§ 9), wo
mit Minä durchzogene goldene Platten erscheinen. Im vor¬
liegenden Fall ist also der Sachverhalt ersichtlich ein anderer,
indem dieses Mal das Minä als von Gold durchzogen beschrie¬
ben wird. Der angestellte Vergleich macht es zudem wahr¬
scheinlich, daß das Gold das Minä nicht eigentlich durch¬
zogen, sondern vielmehr ganz oder stellenweise überzogen
hat, wie der Emailzierat im anderen Fall das Gold entweder
stellenweise durchzieht oder ganz überzieht. Eine derartig mit
Gold versehene Schmelzware ägyptischer Herkunft ist uns
nun aus dem 11. Jahrhundert in der mit Goldlüster ge¬
schmückten glasierten Irdenware erhalten"). Ein urkundlicher
Beleg über die Herkunft und Verbreitung dieser kostbaren
Ware fehlt indessen bis heute. Es wurde bereits öfters darauf
verwiesen, daß Näsir-i Husrau anscheinend solche gold-
lüstrierte Ware beschreiben wollte, als er von dem Kairiner
1) C. J. Lamm, Mittelalterliche Gläser und Steinschnittarbeiten aus dem Nahen Osten, Bd. I, Berlin 1930, S. 511, findet sich die Über¬
setzung ,,mit Goldornamenten bedeckten oder unverzierten Glaspasten".
Ein unzählbarer Vorrat derartiger Gefäße ist in diesem Zusammenhang nicht recht verständlich. Als eigentliches Gebrauchsgerät sind solche geformten Glaswaren nicht bekannt, im Gegensatz zu der viel benutzten glasierten Irdenware.
2) G. Mioeon, Manuel d'Art Musulman, Arts Plastiques et Indu¬
strieis, Paris 1927, S. 183fL, Fig. 332-337; M. S. Dimand, A Hand¬
book of Mohammedan Decorative Arts, Metropolitan Museum, New
York 1930, S. 168f.; R. L. Hobson, A Guide to the Islamic Pottery
of the Near East, British Museum, London 1932, S. lOff., Pl. II, fig. 6.
K. Röder, Das Mlnä im Bericht über die Schätze der Fatimiden. 365
Geschirr sprach, dessen Farbe gleich der des büqalimün-
Stoffs wechselte, je nach dem man das Gefäß hielt*). Allein
der Umstand, daß solches Geschirr als durchsichtig bezeichnet
wird, bildet ein Hindernis für die Beziehung dieser Urkunde
auf die unleugbar undurchsichtige, goldlüstrierte und glasierte
Irdenware Ägyptens"). Eine erneute Nachprüfung des Tex¬
tes') ergab, daß dieses durchsichtige Geschirr nicht als be¬
malt, sondern als gefärbt bezeichnet wird. Daraus folgt, daß
Näsir-i Husrau, der Kairo zwischen 1046 und 1050 A. D. be¬
suchte, wirklich gläsernes Geschirr beschrieben hat, dessen
Oberfläche entweder durch Anlauffarben zum Irisieren ge¬
bracht war, oder das in der Masse gefärbt wurde und dann
sogar echte Fluoreszenzerscheinungen aufgewiesen haben muß,
worauf die Angabe des Wechsels der Farbe bei verschiedener
Stellung auch besser paßt als auf eine Iridiszenz. Diese Nach¬
richt verliert keineswegs deswegen an Wert, weil bisher keine
derartige Glasscherbe gefunden wurde, denn es ist nur zu
1) E. Hannover, Pottery and Porcelain, London 1925, Bd. I, S. 54;
A. J. Butler, Islamic Pottery, London 1926, S. 40ff. ; G. Wiet, Pr6cis
de l'Histoire d'Egypte, Tome II, L'Egypte Musulmane de la Conquete
Arabe ä la Conquete Ottomane, Le Caire 1932, S. 213.
2) E. Hannover, a. a. O., S. 548: „Specimens of thirteenth-century
pottery have lately been found in Persia, in which lustre painting is
combined with pierced decoration filled in with transparent glaze, as
in the so-called 'Gombroon ware' . . .; it is conceivable that what Khos-
rau saw in Egypt was some such combination of techniques (B. Rack-
ham)"; R. L. Hobson, a. a. O., S. 11: „It has been suggested that this refers not to pottery but to annother produkt of Egypt, semi-opaque glass with lustred decoration"; M. S. Dimand, a. a. O., S. 185: ,, Frag¬
ments of glass of the tenth or eleventh century, with decoration in red
and gold lustre on clear or brown glass, have been found at Fustat in
Egypt".
3) Näsiri Husrau, Sefer-name, Berlin 1341/1922, S. 75, Z. 2L Die
folgende Übersetzung wurde mir von Herrn Professor Kahle zur Ver¬
fügung gestellt. ,,Und in Misr macht man sifällna (Vor: sifllia) von
aller Art, so fein und durchsichtig, daß die Hand, wenn sie von außen
angelegt wird, von innen durch die Wand sichtbar wird, so Pokale
(ka'sa), Becher {qadah), Schalen [tahaq) und anderes; und man färbt es,
so daß es der Büqalemün-Farbe ähnelt, so daß es, von welcher Seite
man es sieht, eine andere Farbe zeigt."
366 K. RöDBB, Das Mlnä im Bericht über die Schätze der Fatimiden.
erwarten, daß die Zeit diesen kostbaren Stoff längst mit der
irisierenden Patina der Verwitterung überzogen hat, die eine
ursprünglich beabsichtigte und künstlich hervorgerufene Iri¬
diszenz der Oberfläche zerstört und eine der Glasmasse etwa
noch anhaftende Eigentümlichkeit solange verbergen wird,
bis ein frischer Bruch sie wieder sichtbar macht. Das von
Näsir-i Husrau in der Mitte des 11. Jahrhunderts zu Kairo
gesehene und beschriebene Geschirr war also keine glasierte
Irdenware mit Goldlüsterschmuck, und alle aus der gegen-
teihgen Annahme abgeleiteten Folgerungen für die Herkunft
und Verbreitung dieser Technik sind damit hinfällig.
Dahingegen erweist sich das golddurchzogene Minä unseres
Berichtes als goldlüstrierte glasierte Irdenware. Dieser Deu¬
tung steht nicht entgegen, daß eine solche Benennung das in
unserer Zeit viel beachtete wechselnde Farbenspiel des Gold¬
lüsters in keiner Weise zum Ausdruck bringt. Das einzige
uns erhaltene Rezept zur Herstellung von Lüsterdekor, das
allerdings erst 1301 A. D. niedergeschrieben wurde und aus
Kä§än stammt*), zeigt, daß damals diese Farberscheinung
ebenfalls nicht berücksichtigt wurde, sondern nur gesagt
wird, daß die beschriebene Technik eine ,, Färbung wie Gold"
liefert, und daß die fertige Ware „glänzt wie rotes Gold und
leuchtet wie das Licht der Sonne". In gleicher Weise haben
die Chinesen nicht sonderlich die Transparenz ihres Por¬
zellans beachtet, die den Fremden an diesem irdenen Er¬
zeugnis vor allem auffiel.
Seitdem die Grabungen von Samarra Scherben des
9. Jahrhunderts mit Lüsterdekor zutage förderten, wurde
Mesopotamien als Heimat dieser Technik") oder wenigstens
1) H. Rittbb, J. Ruska, F. Sabbb u. R. Windbblich, Orientalische
Steinbücher und Persische Fayencetechnik, Istanbul 1935, S. 47, 48;
und S. 58: „Von ganz besonderem Interesse ist der Abschnitt über die
Herstellung der .Glasur mit zwei Feuern', womit unzweifelhaft die
Lüstrierung gemeint ist (F. Sarre)."
2) F. Sabbb, Die Keramik von Samarra, Berlin 1925, S. 37: „Hier
in Mesopotamien und nicht in Ägypten, wie vermutet worden ist, hat
man demnach die Erfindung der Lüstermalerei zu suchen." M. S. Di¬
mand, a. a. O., S. 123: „Many fragments of lustred pottery from Susa
K. RöDBB, Das Mlnä im Bericht über die Schätze der Fatimiden. 367
als der Platz angesprochen, der diese ursprünglich vielleicht
gar in Iran*) heimische Arbeitsweise übernommen und weiter
vermittelt habe, und es wurde deshalb versucht, den für das
10. und 11. Jahrhundert an Hand der Scherbenfunde nach¬
weisbaren Hochstand der Töpferkunst Ägyptens durch meso¬
potamischen Einfluß zu erklären"). Der vorliegende Bericht
bietet für eine solche Annahme keine Stütze. Sowohl das
golddurchzogene als auch das einfache Mlnä der Geschirr¬
kammer werden nicht als ausländisches oder fremdartiges
Erzeugnis kenntlich gemacht. Vielmehr legt gerade der Um¬
stand, daß in der Aufzählung diesen beiden glasierten Irden¬
waren unmittelbar die Bagdädware folgt, den Gedanken nahe,
daß auch diese ein glasiertes Geschirr war'), das neben der
einheimischen Ware aufbewahrt wurde, und von dem als
einem durch die Angabe seiner Herkunft als ausländisch be¬
zeichneten die vorher genannten beiden Irdenwaren ausdrück¬
lich als einheimisches Erzeugnis unterschieden werden soll¬
ten*). Bagdäd war seit seiner Gründung berühmt für seine
Töpferkunst*), ohne daß wir wüßten wie ihre Erzeugnisse
and Rhages are contemporary with the ninth-century ceramics ot Sa¬
marra, but wether the lustred wares of Rhages and Susa were of local
make or were imported from Mesopotamia, is still a matter of contro¬
versy." S. 153f. : „Pezard and other French scholars regard the lustred ware found at Rhages as of Persian manufacture, but Sarre and Kühnel assign it to Mesopotamia."
1) M. S. DiMAHD, a. a. O., S. 152: „P6zard, Vignier and Koechlin attribute the invention to Persia, and in Koechlin's opinion Rhages was
the artistic center whence the technique and early designs spread to
other points in Persia and to Mesopotamia."
2) G. Wiet, a. a. O., S. 164: ,,Ce sent encore des traditions meso- potamiennes qui inspirent la decoration et la technique de la c6ramique de cette 6poque . .. Dans ce domaine s'affirme encore la maitrise des Persans, car l'origine generale de la fabrication de cette serie de c6ra- miques semble devoir etre attribute ä Rhagös."
3) Der Text gestattet ja auch ,,bagdädisches Minä" zu übersetzen.
4) M. S. Dimand, a. a. O., S. 152: ,,A second theory is advanced by Butler (vgl. Anm. 1, S. 365), who holds that lustre is of Egypto-Roman
origin."
5) J. Kababacek, Zur Muslimischen Keramik, Monatsschrift für
den Orient, 1884.
368 K. Röder, Das Minä im Bericlit über die Schätze der Fatimiden.
beschaffen waren. Die Scherben von Samarra beweisen schon
für die Frühzeit der Stadt die Berechtigung dieses bis dahin
nicht ganz verständlichen Lobes und noch nach seiner Er¬
oberung durch die Mongolen wird auf Bagdäds Arbeitsweise
verwiesen*). Es wäre also nur zu verständlich, wenn die
Fatimiden bei ihrem Verlangen, es den 'Abbäsiden in Bagdäd
gleich zu tun, sich Erzeugnisse eines derartig berühmten
Handwerks beschafft hätten. Auch dürfte es schwer sein, in
der Bagdädware einen anderen Werkstoff wahrscheinlich zu
machen; denn in der Aufzählung (§ 4) sind Gegenstände ver¬
wandten Materials stets zusammengefaßt, alle waren in
unzählbarer Menge vorhanden, und glasierte Irdenware war
zu der Zeit sowohl ein Gegenstand riesigen Bedarfs als auch
des größten Luxus. Es ist allerdings unwahrscheinlich, daß
die Bagdädware gerade durch einen Lüsterdekor vor oder
neben den einheimischen Erzeugnissen begehrenswert wurde,
worauf die Funde in Samarra zu deuten scheinen"); denn
sonst hätte der Bericht diesen Umstand vermerkt, vor allem,
da gerade vorher ein golddurchzogenes Minä aufgeführt ist.
Der Vorzug der Bagdädware dürfte auf anderem Gebiete zu
suchen sein, etwa dem der Formgebung oder der besonderen
Musterung. Zu erwähnen ist schließlich, daß außer den drei
besprochenen Minä-Arten in dem ganzen Bericht kein Gegen¬
stand erwähnt wird, der füglich als glasierte Irdenware ge¬
deutet werden könnte, deren völliges Fehlen immerhin sehr
auffallend wäre.
Das zweite Mal begegnet Minä mitten zwischen einer
Reihe von Bergkristallgefäßen, und zwar als ein Stoff, aus
dem flache Schalen bestanden (§ 6). Die Nachbarschaft von
Bergkristallgefäßen legt nahe, bei diesem Minä an einen
glasigen, dem Bergkristall gleichenden Schmelzfluß zu denken,
1) H.Ritter, J. Rubka, F. Sarre und R. Windeelich, a.a.O.,
S. .99, 4ß und ,59.
2) M. S. Dimand, a. a. O., S. 152: „Sarre (vgl.;Anm. 2, S. 366) accords the honor to the potters of Mesopotamia. The question is still debatable, but for the present at least, Sarre's theory of the Mesopotamian origin of lustre is the most plausible."
K. RöDBR, Das Minä im Bericht über die Schätze der Fatimiden. 369
der weder Edelmetall noch einen irdenen Scherben zum
Träger hatte, sondern gediegen und mehr oder weniger durch¬
sichtig war. Solche Schmelzware ist bereits treffend mit ,, Glas¬
paste" bezeichnet worden*). Der ziemlich hohe Preis von bis
zu hundert Dinaren das Stück, den diese Gefäße erzielten,
gestattet auf eine gewisse Kostbarkeit oder Seltenheit dieser
Stücke zu schließen. Vielleicht handelt es sich sogar um das
gläserne Geschirr, dessen Farbenspiel Näsir-i Husrau be¬
wunderte, das Ja auch ein Erzeugnis der Schmelzkunst ge¬
wesen sein muß; doch ist hier daran zu erinnern, daß der
Bericht neben Mlnä auch Minä-Glas (§ 22, 34) erwähnt, daß
also im vorliegenden Fall die Durchsichtigkeit der Minä-
Schalen (§ 6) nicht mit Sicherheit erschlossen werden kann,
sondern nur durch ihre Erwähnung im Zusammenhang mit
Bergkristallgefäßen zu vermuten ist.
Eindeutig als emailgeschmücktes Gold sind die Platten
zu erkennen (§ 9), die bereits zum Anlaß genommen wurden,
im Gegensatz zu ihnen das golddurchzogene Minä mit gold-
lüstrierter glasierter Irdenware zu identifizieren.
Die im Nachlaß der 'Abda (§ 15) enthaltenen „1300 Stück
Minä von Silber, das gebrannt war", versagen sich indessen
solcher Deutung, weil ein Schmelz aus gebranntem Silber
keinen Glasfluß liefert und dem Texte nicht zu entnehmen
ist, daß es sich hier um emailgeschmücktes silbernes Gerät
handelt. Dahingegen ist ein Schmelzfluß aus gebranntem
Silber ohne Bedenken als ein Stück geschmolzenen Silbers
anzusprechen; denn das Silber wird im Feuer oder durch
Erhitzung nicht verwandelt, sondern nur geschmolzen, es sei
denn, daß besondere Zusätze gemacht werden, deren aber
hier keine Erwähnung geschieht. Ein durch Brand gewonnenes
Schmelzstück aus Silber ist als Silberbarren sehr wohl in
einem fürstlichen Nachlaß vorstellbar. Diese Auffassung wird
durch die Angabe gestützt, daß von diesem Minä 1300 Stück
vorhanden waren, die sämtlich das gleiche Gewicht von aus¬
gerechnet 10000 Dirhem besaßen, was nach unserem Maß
1) G. J. Lamm, a. a. O., Bd. I, S. 511, Z. 22 v. u.
370 K. Rödeb, Das Mina im Bericht über die Schätze der Fatimiden.
über 30 kg für das Stück bedeutet. Eine solche Anzahl Silber¬
barren von diesem Gewicht ist nicht widersinnig. Es handelt
sich hier anscheinend um einen in gleich schwere Barren ge¬
gossenen, also ungemünzten Silberschatz.
Danach erscheint Mlnä als Stoff, aus dem 28 Platten be¬
standen (§ 21), die gegen Ende des 10. Jahrhunderts aus
Byzanz nach Kairo gelangt waren. Dieses Minä wird als mit
Gold durchzogen beschrieben, jedoch von dem eingangs (§ 4)
erwähnten, als goldlüstrierte glasierte Irdenware ermittelten
golddurchzogenen Minä dadurch unterschieden, daß hier (§21)
das Gold als ku'üb-förmig beschrieben wird, worunter ich
keine Würfel verstehe, sondern etwas, das eine irgendwie
erhabene Goldarbeit, vielleicht eine Granulation, darstellt.
Die hohe Bewertung der Platten läßt vermuten, daß das
Minä in diesem Falle nicht nur von irgendwelchem Gold¬
schmuck überzogen war, sondern seinerseits wiederum Gold
zum Träger hatte, da selbst die reichste Vergoldung und
seltenste Arbeit kaum einen Preis von 3000 Dinaren für das
Stück erzielt hätte, wenn die Platten im wesentlichen aus
Schmelzfluß oder gar aus glasierter Irdenware bestanden
hätten. Aus dem Text läßt sich sonst kein Anhalt für eine
nähere Bestimmung gewinnen, die vielleicht eine Überprüfung
des Denkmälerbestandes bringen könnte.
In dem Minä-Glas (§ 22, 34) dürfte endlich mit Sicherheit
transluzides Email zu erkennen sein, da der Zusatz ,,Glas"
wohl zur Verdeutlichung der Durchsichtigkeit dieses Minä im
Gegensatz zu anderem dienen soll. In dem einen Fall bildet
es den Schmuck von Eisenspiegeln, im anderen Fall den eines
goldenen Pfaus. Im ersten Falle wird das Minä-Glas neben
Porzellan genannt, das in solcher Verwendung bisher un¬
bekannt ist. Vielleicht handelt es sich hier bei dem sini-ge-
nannten Stoff um einen opaken weißen Schmelz, der wie
Porzellan aussieht und dessen Verwendung neben durch¬
sichtigem Email nicht auffällig ist. Auch bei dem Minä-Glas
wird zwischen einem einfachen und einem golddurchzogenen
unterschieden. Aus letzterem bestand das Gefieder des gol¬
denen Pfaus. Da das Pfauengefieder wegen seiner Buntheit
K. RöDKB, Das Minä im Bericht über die Schätze der Fatimiden. 371
berühmt ist, kann hier sinngemäß das Gold nicht eine Be¬
malung oder gar einen Überzug bedeuten, der die Farben
verdeckt hätte, sondern ist nur auf die Goldstege zu beziehen,
die die einzelnen bunten Schmelzen trennend durchziehen,
aber in ihrem Aussehen sich nicht wesentlich von einem fein
gezeichneten Golddekor auf Schmelz unterscheiden. Erst
dieses golddurchzogene Schmelzglas ist also mit einer Zellen-
schmelzarbeit auf Gold zu identifizieren, während bisher auch
das golddurchzogene Minä (§ 4) als solche verstanden wurde.
Die Betrachtung, die sich bewußt und notgedrungen auf
eine knappe Auswertung der im vorliegenden Bericht ent¬
haltenen Angaben über das Minä beschränkt, zeigt, daß hier
zum mindesten mit Minä die verschiedensten Erzeugnisse der
Schmelzkunst bezeichnet werden, sei es ein irgendwie ge¬
arteter selbständiger Schmelzfluß, aus dem Schalen zu formen
waren (Glaspaste, § 6), sei es die Glasur irdener Gefäße (§ 4),
sei es ein Email auf Gold (§9, 21 (?)), sei es Schmelzglas, das
mit oder ohne Zellen ein Metall überzieht (§ 22, 34) oder sei
es gar ein im Feuer geschmolzenes Metall (§ 15). Die Berück¬
sichtigung eines größeren Materials, die jetzt nicht möglich
ist, wird dieses Ergebnis in größere Beziehungen setzen und
dadurch berichtigen; doch dürfte bereits der vorliegende
Bericht zeigen, daß Minä mit Schmelz, Schmelzware oder
Schmelzstück geschickter und treffender zu übersetzen ist
als mit Schmelzfluß oder Glasfluß, da diese Bezeichnung die
Mannigfaltigkeit der Bedeutungen von Minä unnötig be¬
schränkt und das Verständnis einengt. Erst die Umstände,
unter denen Minä erwähnt ist, gestatten von Fall zu Fall
den Schluß, um welchen Schmelz es sich handeln kann.
Zeitacbrift d. D.U.a. Neue Folge Bd. ZIV (Bd. 89) 25
Die Keilschrifttexte von Ras samra
und das Alte Testament.
Von A. Jirku.
Über die sensationellen Ausgrabungen in dem syrischen
Küstenorte Ras Samra sowie über die dabei zutage geförderten
Texte in einer bisher noch unbekannten, eigenartigen Keil¬
schrift und über deren Entzifferung ist schon verschiedentlich
berichtet worden*). Es war von vornherein klar, daß diese
Erschließung einer kana'anäischen Kulturstätte aus dem
15.—13. Jahrhundert v. Chr., mit einer umfassenden Lite¬
ratur in einer eigenen Schrift geschrieben, auch für die
Wissenschaft vom Alten Testament von größter Bedeutung
werden würde, sowohl in archäologisch-historischer wie in
religionsgeschichtlicher Beziehung; und es soll im folgenden
der Versuch gemacht werden, sachlich geordnet das Material
vorzulegen, das uns die neugefundenen Texte von Ras äamra
zur Erläuterung des Alten Testamentes bieten.
Obwohl die philologische Bedeutung der Texte von Ras
äamra hier nicht zur Debatte steht, muß doch im Hinblick
1) Vgl. die Ausgrabungsberichte von C. Schaeffer in Syria X, 285 ff., XII, Iff., XIII, Iff., XIV, 94ff., XV, 105ff., XVI, 177ff. H. Bauer,
Die Entzifferung der Keilschrifttafeln von Ras Shamra, 1930; der¬
selbe: Ein kana'anäisches Alphabet in Keilschrift (ZDMG. 1930, NF.
Bd. 9, S. 251ff.); derselbe: Die Götter von Ras Shamra (ZATW., NF. 10, S. 83). I. Cantineau, La langue de Ras shamra (Syria 13, S. 164ff.).
E. Dhorme, Premifere traduction des textes pheniciens de Ras Shamra (RB. 1931, S. 32fL); derselbe: La lettre d'Ewir-shar (Syria 15, S. 395f.).
R. Dussaud, Brfeves remarques sur les tablettes de Ras Shamra (Syria 12, S. 67fL). I. Friedrich, Ras Schamra, 1933 (Alter Orient). Montgomery,
Ras Shamra Notes I.-IV. (JAOS. 1933ff.). Ch. Virolleaud, Le de-
chiffrement des tablettes alphabetiques de Ras-Shamra (Syria 12,
S. 15 ff.) sowie seine Übersetzungen der publizierten Texte in Sy-
ria XII ff. — Erst beim Lesen der Korrektur dieses Aufsatzes er¬
hielt ich Kenntnis von H. Bauer, Die Gottheiten von Ras Schamra
(ZATW. 1935. S. 54 fL). J. W. Jack, The Ras Shamra Tablets.
Edinburg. 1935.