Nach den Funden ün Schatzhaus von Persepohs
Von Walthee Hinz, Göttingen
Nach Band I des Persepohs-Grahungsherichtes, der 1953 erschienen
und in Band 104 dieser Zeitschrift (S. 490—2) besprochen worden ist,
legt Eeich F. Schmidt jetzt in ebenso mustergültiger Weise den zweiten
Band vor. Er enthält überwiegend Funde aus dem von ihm selbst frei¬
gelegten Schatzhaus der Achämeniden, das einstmals mehr als hundert
Räume umfaßte^. Diese Funde waren schon in Band I jeweils in Zusam¬
menhang mit den dort beschriebenen Baulichkeiten erwälmt worden;
im jetzt erschienenen Band II werden die Funde nach Sachgruppen
eingehend behandelt. Die Querverbindung stellt der Index der Field
Numbers (S. 141 —157) her. Den Hauptteil des — wiederum wunderbar
ausgestatteten — zweiten Bandes nehmen die Funde auf der Terrasse
von Persepolis ein (im Text die Seiten 1 bis 114). Daran schließt sich
(S. 117—123) der Bericht über den achämenidischen Friedhof bei der
Persepolis-Quelle. Im Anhang finden sich Analysen verschiedener Sub¬
stanzen (Glas, Blaustein, Metalle, Textilien).
Innerhalb des Hauptteiles nehmen E. F. Schmidts Beschreibung und
Kommentierung der Siegel und Siegelabdrucke großen Raum ein
(S. 4—49); hierauf sei weiter unten näher eingegangen. In dem folgenden
Unterabschnitt ,, Verschiedene beschriftete Objekte" wird unter anderen
ein Gegenstand aus sogenanntem ägyptischem Blaustein veröffentlicht,
mit einer altpersischen, elamischen und babylonischen Inschrift des
Dareios. Ähnliche Funde hatte bereits E. Heezfeld {Altpersische
Inschriften, Berlin 1938, S. 23) bekanntgemacht und als Türknäufe
angesprochen. Nach E. F. Schmidt handle es sich vielmehr um Wand¬
pflöcke (wall pegs). Leider gibt die Inschrift ,, Stift aus Blaustein, am Hofe
des Königs Dareios verfertigt" keinen Aufschluß darüber, wozu ein
solcher altpersischer mayuha (neupersisch mih) denn nun eigentlich
benutzt worden ist.
1 Erich F. ScHmuT: Persepolis II. Contents of the Treasury and other
Discoveries. (The University of Chicago — Oriental Institute Publications.
Volrune LXIX.) Chicago 1957, 2», xx + 166 Seiten, 89 Tafeln, 29 Abbildungen
im Text. — Der vorliegende Beitrag war als Rezension gedacht, wuchs sich
aber zu einem kleinen Aufsatz aus.
Der auf Inschriften erpichte Forscher muß sich in der Hauptsache auf
Band III vertrösten lassen. Immerhin findet er in Band II sowohl die
Fundament-Urkunden des Xerxes als auch dessen berühmte Daiva-
Inschrift in hervorragender Lichtbildwiedergabe, beide ihrem Inhalt
nach bereits bekannt. Von der elamischen Fassung der Daiva-lmchrift
(XPÄ) fehlt auch in Persepolis II ein großes Stück ; dieses wurde inzwi¬
schen erfreulicherweise von dem Kultusbeauftragten der iranischen
Regierung in Persepolis, Herrn 'Ali SÄMi, ans Licht gezogen und G. G.
Cameron bei dessen Iranaufenthalt im Mai 1957 zur Veröffentlichung
überlassen. Dieses neugefundene Reststück enthält kleine Leckerbissen
für Elamologen und Iranisten.
Die nächste, von E. F. Schmidt behandelte Gruppe, nämlich 97 Mörser
und 80 Stößel aus grünem Quarz, alle in einem einzigen Raum des Schatz¬
hauses gefunden, gibt allerlei Rätsel auf. Die meisten Geräte tragen
aramäische Aufschriften, mit Tinte geschrieben. Sie hängen sehr wahr¬
scheinlich insgesamt mit dem Hauma-Kult zusammen, den Zarathustra
so hart verdammt hat. Anscheinend stammen alle Mörser und Stößel erst
aus der Zeit Artaxerxes' I. und Dareios' II. Sollte dies mit dem Verfall
der Zarathustra-Religion imter diesen Herrschern zusammenhängen, den
wir auch sonst in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts antreffen ?
Den Abschluß des Abschnittes ,, Beschriftete Objekte" bildet eine
Bronzetafel mit einer ziemlich langen elamischen Inschrift, offenbar ein
Beutestück aus dem Elam des frühen 6. Jahrhunderts. Ihr Inhalt ist
erst teilweise erschlossen; wenige Sprachen sind eben so schwierig wie
das Elamische.
Auf Seite 66 bis 104 werden die im Schatzhaus gefundenen Skulptmen
und Ziergegenstände abgehandelt — naturgemäß nur Bruchstücke;
Alexanders Soldaten schleppten ja alles Wertvolle fort, ehe sie die Pfalz
in Brand steckten. Besonders die (zeichnerisch ergänzten) Steingefäße
faUen durch die vollendete Schönheit ihrer Formen auf. Es folgen kost¬
bare Reste von Glas-, Metall- und Tongefäßen, von Waffen, Geräten und
Werkzeugen aller Art. Die von E. F. Schmidt (S. 105—107) veröffent¬
lichten Eichgewichte aus Diorit liefern, da sie nicht ganz intakt sind, für
das achämenidische Ä^r^a-Gewicht leider nur Annäherungswerte; es muß
etwa 83 Gramm gewogen haben. Weiter führen die sehr genauen Unter¬
suchungen an dem Hohlmaß eines Parfum-Flacons (S. 108—109), die
für 1 qa einen Wert von ziemlich genau 0,93 Liter ergeben. Der achä¬
menidische „Krug" — eine in den Täfelchen oft genannte Maßeinheit —
faßte somit 9,3 Liter.
*
Für den Historiker besonders aufschlußreich sind die Grabungen
E. F. Schmidts auf dem Gelände eines Friedhofes bei der Persepolis-
Quelle, der im Juni 1939 zufällig angeschnitten worden war, etwa 1 km NNW von der Terrasse. Dieser einzige bisher bekannte, spätachämenidische
Friedhof belehrt uns darüber, daß die alten Perser begraben wurden,
und zwar in verstellbaren Tonsärgen, den Kopf ungefähr nach Norden
ausgerichtet. Damit dürfte erwiesen sein, daß die Perser zur Achä¬
menidenzeit auch als Zarathustrier nicht daran dachten, sich der Sitte
der Leichenaussetzung zu unterwerfen, die (nach Herodot I 140) die
Magier zu praktizieren beliebten. Diese abstoßende Sitte stammt nach
meiner Auffassung von den Magiern schon der vorzarathustrischen Zeit ;
sie koimte im Zoroastrismus der Arsakiden und vor allem der Sasaniden
nur deshalb zur allgemeinen Übung werden, weil die Magier es verstanden
hatten, die Religion Zarathustras auf ihr altes Ritual aufzupfropfen —
und damit zu verfälschen. Denn den Geist dieser Magier scheidet eine
Welt vom Geiste Zarathustras. Man darf E. F. Schmidt zur Erschließung
dieses spätachämenidischen Friedhofes beglückwünschen; sie schafft
beruhigende Klarheit.
*
Die meisten Probleme wirft im hier besprochenen Band der eingangs
erwähnte Abschnitt über Siegel und Siegelabdrucke auf; ihre Lösung
verspricht wichtige Aufschlüsse über die Verwaltung des Achämeniden-
hofes. Ich bin auf diese Siegel schon in meiner Besprechung des Cameron'-
schen Werkes über die Schatzhaustäfelchen (Persepolis Treasury Tablets,
Chicago 1948) in der Zeitschrift für Assyriologie 49 (1950) S. 350—1 kurz
eingegangen. E. F. Schmidt {Persepolis II, S. 13) hat meine Schlu߬
folgerungen nur teilweise übernommen. Ich möchte daher hier erneut,
auf knappem Raum, darauf zurückkommen.
Es besteht Übereinstimmung, als ,, Königssiegel" nur solche Rollsiegel
zu bezeichnen, die nicht nur das Symbol des sieghaften Helden, sondern
auch den Namen des Herrschers tragen. In Persepolis finden sich auf
Täfelchen, die an den Hofschatzmeister (*ganzabara) gerichtet sind und
Geldzahlungen anweisen, nur sechs verschiedene Königssiegel, nämlich
die Nummern 1, 2, 3, 4, 6 und 8, teils den Namen des Dareios, teüs den
des Xerxes tragend. Die Tatsache, daß die Inhaber besagter sechs Siegel
a) ein Königssiegel führen und b) dem Hofschatzmeister Befehle erteilen
durften, legt den Schluß nahe, daß es sich bei ihnen um höchste Würden¬
träger handelte, die dem Hofschatzmeister noch übergeordnet waren.
Ich halte diese Mäimer für die „Großwesire" der Zeit von etwa 495 bis
465 V. Chr. Es handelt sich um folgende Persönlichkeiten :
1. Baradkäma, bis zum 32. Jahr des Dareios (490 v. Chr.) ;
2. *Urvatayant (so nach der einleuchtenden Deutung W. B. Hen-
NlNOs [brieflich] eines Personennamens, der in elamischer Umschrift
als Uratenda oder Rumatenda oder Rateninda erscheint), vom 33. Jahr des Dareios (489) bis etwa ins 1. Jahr des Xerxes (485);
3. Dargäyus, 2. bis 4. Jahr des Xerxes;
4. Artatahma, 4. bis 13. Jahr des Xerxes und später erneut in dessen
19. und 20. Jahr, immer noch den Namen des Dareios auf dem Siegel
führend;
5. Öigavahus, 15. bis 18. Jahr des Xerxes;
6. ArtaOura/Artasyras, letztes Jahr des Xerxes (465).
Sechs Großwesire in einem Zeitraum von rund 30 Jahren sind im
Orient nichts Ungewöhnliches, ja sie erweisen sogar durchaus stabile
Regierungsformen .
Im Jahre 490 v. Chr. wurde ,,Großwesir" Baradkäma (seinen Amts¬
antritt können wir nicht ermitteln, weil das Hofschatzarchiv erst um
eben diese Zeit fertiggestellt und in Betrieb genommen worden ist, wir
also keine Schatztäfelchen aus früherer Zeit besitzen) auf den Posten des
Hofschatzmeisters versetzt. Er durfte jedoch sein bisheriges Dareios-
,, Königssiegel" behalten, bis er im 7. Jahr des Xerxes (479 v. Chr.) auch
dieses Amt abgab. Über das Siegel seines Nachfolgers Barissa sagen die
Täfelchen nichts aus ; doch vermute ich, daß er von Xerxes jenes Königs¬
siegel bekam, das bei E. F. Schmidt die Nummer 5 führt. Dieses Roll¬
siegel halte ich für das Schatzamtssiegel schlechthin. Denn nicht nur
Hofschatzmeister Vahui führte es, als er im 13. Jahr des Xerxes (473
V. Chr.) das Amt von Bariisa übernahm, sondern auch Vahuä's Nach¬
folger *Urvatayant, der „Großwesir" vom Ende der Regierung des
Dareios. Und als im 3. Jahr des Artaxerxes (462/1 v. Chr.) Bariiga aber¬
mals Hofschatzmeister wurde, benutzte er weiterhin besagtes Siegel
Nr. 5.
Ich glaube nicht, daß die Hofschatzmeister Barissa, Vahus und
*Urvatayant neben diesem Dienstsiegel des Hofschatzes noch ein per¬
sönliches Siegel führten, wie E. F. Schmidt (S. 13, Anm. 64) annimmt.
So lange sie im Amt waren, wußte jeder Beamte, daß ihnen das Siegel
Nr. 5 zustand; beim Ausscheiden dürften sie entweder ein neues Amts¬
siegel oder aber auch ein eigenes persönliches Siegel erhalten haben.
Baradkäma allerdings durfte bei seiner Versetzung aus dem Amt des
,, Großwesirs" in das (nicht ganz so hohe) des Hofschatzmeisters sein
Dareios-Königssiegel ausnahmsweise behalten, weil eben auch dem Hof¬
schatzmeister ein Königssiegel zustand. Wir haben aber Grund anzu¬
nehmen, daß nicht viele Amtsträger das Vorrecht eines Königssiegels
genossen. So hatte der bei Hofe sicher höchst einflußreiche Bogenträger
des Dareios, Aspaöina/Aspathines, von dem sowohl Inschriften und
Reliefs als auch Herodot Kunde geben, nm das Siegel Nr. 14 inne, das
8 ZDMG 108/1
lediglich die Verehrung Ahuramazdas versinnbildlicht, ähnlich dem Siegel Nr. 16 des ,, Generals" Bagadäta/Megadates^. Beide Persönlich¬
keiten waren mächtig genug, den Hofschatzmeister anzuweisen, Geld
auszuzahlen, ohne sich auf einen Befehl des Großkönigs berufen zu
müssen —- aber ein Königssiegel durften sie nicht führen. Dasselbe güt
für den Großhofintendanten Farnäka/Pharnaces, dem unter Dareios die
königlichen Herden und Speicher unterstanden, der trotzdem aber nur
ein Siegel mit der aramäischen Aufschrift „Farnäka, Sohn des ArSämaj
Arsatnes" führte^.
Die Schatztäfelchen von Persepolis liefern uns somit, wie ich glaube,
eine vollständige Liste sowohl der ,,Großwesire" als auch der Hofschatz¬
meister aus der Zeit der letzten Regierungsj ahre des Dareios und der
ganzen Herrschaft des Xerxes bis in die Anfänge des Artaxerxes.
In mittelalterlicher Zeit gab es an persischen Königshöfen stets jeweüs
zwei Schatzmeister, einen Ersten und einen Zweiten oder Vize-Schatz¬
meister. Dies scheint schon unter den Achämeniden so gewesen zu sein.
Denn als Baradkäma im 32. Jahr des Dareios vom Großwesirsamt zum
Hofschatz überwechselte, wurde der bisherige Hofschatzmeister Sakka
(Saka?) offenbar Zweiter Schatzmeister. Als solcher beurkundet er (mit
Siegel Nr. 26) noch manche Täfelchen, die zur zweiten Gattung der
Ausgabenbelege (,, memoranda") gehören — im Gegensatz zur ersten
Gattung von Täfelchen, die von außen kommende Zahlungsanweisungen
darstehen (Camekon's letter type tablets). Das Königssiegel des Hofschatzes
durfte jedoch nur der Erste Schatzmeister führen.
*
1 Besagter Megadates scheint den Titel „Oberster, General" geführt zu haben. In den drei Täfelchen, die von ihm ausgehen, steht jeweils vor seinem
Namen pir-ra-tam^-ma, was Camebon (PTT S. 141) als aramäisch blrta mit
der elamischen Lokativ-Postposition -ma (in the fortress) deutet. Es fällt
aber auf, daß von allen Täfelohen-Urhebern einzig Megadates den Hofschatz¬
meister mit einer so fremdartigen Adresse apostrophiert haben sollte. Ich
halte diesen Ausdruck für die elamische Umschrift eines altpersischen
*fratama, dessen Plural fratama in der Behistün-Inschrift (I: 57 und mehr¬
fach) überliefert ist und ,,die Vornehmsten" bezeichnet. Aramäisches birta
wäre elamisch etwa pi-ir-da umschrieben worden. (Korrekturzusatz : Erst
nachträglich sehe ich, daß W. Eilebs bereits 1955 diese Deutung ver¬
öffentlicht hat [ZA 61, S. 225—236]; er übersetzt allerdüigs: „der freie oder edle Herr *Megadates".)
2 Vgl. G. G. Camebon, JNES I, Chicago 1942, S. 214—8, dazu meinen
Beitrag „Zum elamischen Wortschatz" (ZA Bd. 50, S. 237 Anm. 2 sowie
unveröffentlichte Walltäfelohen (Fortification Tablets) aus Persepolis, deren
Abschrift mir G. G. Camebon freundlicherweise zugänglich gemacht hat.
Das Siegel Farnäkas, das verloren gegangen (pitika) und durch ein neues
ersetzt worden war, hat Cameeon bereits in Persepolis Treasury Tablets
S. 53 erwähnt.
Besonderes Kopfzerbrechen bereiten die in und nahe bei dem Archiv
(auf „Zimmer 33" des Schatzhauses) gefundenen Tonetiketten (labels),
insgesamt 199. Der Bestand an Täfelchen betrug 198 heile oder fast heile
Stücke, dazu 548 (oft winzige) Bruchstücke. Es gab also insgesamt wohl
etwas mehr Täfelchen als Etiketten. Was sagen diese labels aus ?
G. G. Cameron (Persepolis Treasury Tablets S. 28) hat gezeigt, daß
die meisten Täfelchen ursprünglich mit einer im Ton steckenden Schnur
versehen waren. Zur Erklärung vermutet er — wie schon E. Herzfeld
in einem Brief an E. F. Schmidt —, die labels köimten einstens den
Verschluß von aramäischen Pergament-Urkunden gebildet haben, die
so mit jeweils entsprechenden Täfelchen zusammengebunden worden
seien. E. F. Schmidt (S. 5) lehnt diese Theorie nicht ab, meint aber, die
meisten Etiketten hätten sich einst an Wertgegenständen im Schatzhaus
befunden. Gegen diese Annahme sprechen jedoch sowohl die leidlich
ähnliche Zahl von Täfelchen und Siegel-Etiketten als auch die überein¬
stimmenden Fundorte (im und nahe beim Archiv).
Nach meiner Überzeugung läßt sich an den Tonetiketten mit ihren —
bis zu sieben — Siegelabdrucken der bürokratische Geschäftsgang bei
den Zahlungen der Hofschatzkammer erkeimen. Alle im Einzelfall zu¬
ständigen Beamten und sicherlich auch der jeweilige Empfänger der
Gelder drückten ihr Siegel auf den noch feuchten Tonklumpen auf, der
an dem Bindfaden des Täfelchens hing. Wenn wir die Träger der ins¬
gesamt 77 verschiedenen Siegelabdrucke (von RoUsiegeln, Petschaften
und Siegelringen herrührend) ermitteln könnten, würden sich die Einzel¬
heiten des Geschäftsganges aus dem Nebel herausschälen, in der er für
uns Heutige gehüllt ist. Aber einiges läßt sich gleichviel aus den Etiketten ablesen.
Da sind einmal die (wenig zahlreichen) Etiketten zu erwähnen, auf
denen sich nur ein einziger Siegelabdruck befindet (oder auch mehrfache
Abdrucke desselben Siegels). Hinter seinem Urheber vermuten wir den
Empfänger des Geldes; der Siegelabdruck wäre somit eine Quittung.
Wo sich zwei Abdrucke vorfinden, dürfte der eine vom Quittierer
stammen, während der andere vermutlich die ,, Paraphe" des Schatz¬
beamten war, der die Summe ausbezahlte, wofür in den Täfelchen die
elamische Formel kurmin ,, durch die Hand des ..." verwendet wird.
Sinngemäß dürfte der Quittierer jene Persönlichkeit sein, die in den
Täfelchen mit der Formel Saramanna ,,dem ... unterstellt" auftreten.
Ferner stellen wir fest, daß eine stattliche Zahl von Etiketten (38 von
insgesamt 199) das Königssiegel Nr. 5 trägt, und zwar in Kombinationen
mit 23 der insgesamt 77 verschiedenen Siegelabdrucke. Wir keimen dieses
Siegel bereits als das Amtssiegel von drei — wenn nicht vier — Hof¬
schatzmeistern des Xerxes und Artaxerxes. Am häufigsten ist dieser
9»
Siegelabdruck mit dem des Siegels Nr. 58 kombiniert (auf 8 Etiketten) ;
der Inhaber von Siegel Nr. 58 dürfte also auch unter den höheren Schatz¬
beamten zu suchen sein.
Es güt mir als wahrscheinlich, daß im allgemeinen nur solche Täfelchen
von höheren Schatzbeamten und gar vom Hofschatzmeister mit Siegel-
Etikett versehen wurden, die Zahlungsanweisungen höheren Orts dar-
steUten (letter type tablets), während bei Ausgabeverfügungen des Schatz¬
amtes (memoranda) das Siegel des Hofschatzmeisters (Nr. 5) auf dem
Täfelchen allein schon genügt haben dürfte. Dies würde auch erklären,
daß das Siegel Nr. 26 des (vermutlichen) Vizeschatzmeisters Sakka zwar
auf memoranda erscheint, kein einziges Mal aber auf labels. Etiketten mit
Abdrucken von einem oder zwei Siegeln dürften nach dieser Überlegung
an memoranda gehangen haben, während Abdrucke von vier, fünf, ja
sieben Siegeln auf Etiketten mit letter type tablets zusammenhingen.
Auffallend ist, daß von den Siegeln der Urheber von Zahlungsanwei¬
sungen (also der letter type tablets) nur ein einziges auch auf Etiketten erscheint, nämlich das Siegel Nr. 8, also das „Königs-Siegel" des ,, Gro߬
wesirs" Artasyras aus dem letzten Regierungsj ahr des Xerxes — und
zwar in fünf Fällen. Sollte sich hier eine Reorganisation des Geschäfts¬
ganges anzeigen, die eine stärkere Einschaltung des Großwesirs be¬
zweckte ? Im persischen Mittelalter konnte der Hofschatzmeister keine
Zahlung ohne Gegenzeichnung des Großwesirs leisten. Diese Einschrän¬
kung der Machtbefugnis des Hofschatzmeisters könnte somit auf Artasy¬
ras und in das Jahr 465 v. Chr. zurückgehen — falls nicht ein ganz
anderer, uns undurchsichtiger Sachverhalt zugrunde liegt.
Es ist klar, daß mit diesen Darlegungen die Probleme nicht aus¬
geschöpft, geschweige gelöst sind, vor die sich die Wissenschaft durch
die Veröffentlichung des zweiten Persepolis-Bandes gestellt sieht. Möchte
der dritte in naher Zukunft folgen ! Doch gereichen schon die beiden jetzt
vorliegenden Monumentalbände ihrem Verfasser wie dem Oriental
Institute der Universität Chicago zu höchster Ehre.
Von Robert Birwä, Düsseldorf
In einem im Jahre 1885 in den Nachrichten der Göttinger Gesellschaft
der Wissenschaften (GGN) veröffentlichten Aufsatz befaßte sich Kiel¬
horn u. a. mit der Textüberlieferung der Astädhyäyi. Im Jahre 1887
erschien ein Aufsatz Kielhorns in Bd. 16 des Indian Antiquary (IA)
unter dem Titel Notes on the Mahäbhäsya No. 6: The text of Pänini's
sütras, as given in the Käsikä-Vrtti, compared with the text known to
Kätyäyana and Patanjali. Dieser Aufsatz deckt sich inhaltlich ungefähr
mit dem aus dem Jahre 1885. In einera (mir unbekaimten) Aufsatz in
Bd. 13 des Journal ofthe United Provinces Historical Society, Lucknow,
aus dem Jahre 1940 handelt K. M. K. Sarma über The text of the Astä¬
dhyäyi. Die Textüberlieferung der pänineischen Regeln ist der Gegen¬
stand eines Aufsatzes von S. K. Mukhopadhyaya in The Indian His¬
torical Quarterly (IHQ), Bd. 20, aus dem Jahre 1944 unter dem Titel
Tibetan translation of Prakriyä-Kaumudi and the mention of Siddhänta-
Kaumudi therein.
Die Herausgeber der Astädhyäyi, Kääikä etc. erwähnen teilweise ab¬
weichende Lesarten für die Sütras. In den einheimischen Kommentaren
werden ebenfalls abweichende Lesarten verzeichnet, die teilweise meines
Wissens nicht in den Mss. erscheinen.
Nachfolgend werden die Variae lectiones für die Adhyäyas IV und V
angegeben, da keine Zusammenstellung existiert, die alle Lesarten um¬
faßt. Die Lesarten wurden auf Grund eines Vergleiches folgender Text¬
ausgaben zusammengestellt :
bö = Pänini's acht Bücher grammatischer Regeln, herausgegeben und
erläutert von Dr. O. Böhtlingk, Bd. 1, Bonn 1839
Bö = Pänini's Grammatik, herausgegeben, übersetzt etc. von 0. Böht¬
lingk, Leipzig 1887
Ni = Astädhyäyisütrapäthah, Bombay, Nirnaya Sägara Press, 1930
Ch = Päiiiniyasiksädisarngrahah, Benares, Chaukhambä Samskrta
Pustakälaya, o. J.
Bh = Word Index to Päriini Sütra Pätha and Parisistas, compiled by
Shridharshastri Pathak and Siddheshvarshastbi Chitrao,
Government Oriental Series, Class C, No. 2, Poona, Bhandarkar
Oriental Research Institute, 1935