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Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln: Aktuelle Entwick- lungen und Anforderungen an Informationstechnologien

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Academic year: 2021

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Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln: Aktuelle Entwick- lungen und Anforderungen an Informationstechnologien

Ludwig Theuvsen, Thorsten Hollmann-Hespos Georg-August-Universität Göttingen

Institut für Agrarökonomie Platz der Göttingen Sieben 5

37073 Göttingen Theuvsen@uni-goettingen.de

thollma@uni-goettingen.de

Abstract: Im Bereich der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln sind verschiede- ne Strategien erkennbar, die unterschiedliche Anforderungen an die IT stellen.

Während Unternehmen, die lediglich die Erfüllung der gesetzlichen Normen errei- chen wollen, nur mit geringem zusätzlichem Aufwand rechnen müssen, sehen sich Unternehmen, welche die Daten zur Risikominderung oder zur Erreichung eines Differenzierungsvorteils nutzen, mit deutlich höheren Anforderungen konfrontiert.

1 Einleitung

Im Bereich der Rückverfolgbarkeit (RV) von Lebensmitteln wenden die Unternehmen unterschiedliche Strategien an. So versuchen einige, lediglich die gesetzlich geforderten Mindeststandards einzuhalten. Andere Unternehmen nutzen die RV-Systeme im Rahmen des betrieblichen Risikomanagements oder zur Generierung von Differenzierungsvortei- len. Um die unterschiedlichen Zielsetzungen im Bereich der RV realisieren zu können, müssen IT-Systeme implementiert werden, die den Ansprüchen der jeweiligen Unter- nehmen und der von ihnen verfolgten RV-Strategien gerecht werden. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, welche unterschiedlichen Motivationen den Bemühungen der Unter- nehmen im Bereich der RV zu Grunde liegen. Darauf aufbauend werden die Anforde- rungen an die Informationstechnologien entwickelt und dargestellt.

2 Rückverfolgbarkeitsstrategien und IT-Anforderungen

Jedes IT-System soll einige allgemeine Anforderungen erfüllen, z.B. die Erfassung der Daten mit möglichst geringem Aufwand, die Vernetzung der Systeme, die Schaffung einheitlicher Standards, die Mehrfachnutzung der eingegebenen Daten und die Vermei- dung von Redundanzen [BH02]. Diese Forderungen gelten auch für RV-Systeme. Auf- schlussreicher ist die Fragestellung, welche spezifischen Anforderungen sich aus den unterschiedlichen RV-Strategien ergeben. Einen Überblick über die unterschiedlichen Strategien und die daraus folgenden Anforderungen an die IT gibt Abbildung 1.

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Gesetzliche Vorschriften („Pflicht“)

Weitergehende Aktivitäten („Kür“) Stufenübergreifende Rückverfolgbarkeit

mit Chargentrennung

Stufenübergreifende Rückverfolgbarkeit

mit Chargentrennung im Bedarfsfall Stufenübergreifende Rückverfolgbarkeit ohne Chargentrennung

„one step up – one step down“

Strategie des Unternehmens 178/2002 GVO Risikomin- derung

Differenzie- rung Spezielle Anforderungen an die IT

keine Verknüpfung entlang der Supply Chain Datenarchievierung und -auswertung (Bedarfsfall) Beeinflusst durch situative Bedingungen

der jeweiligen Supply Chain, z.B.:

- Produkteigenschaften - Struktur der Supply Chain - Grad der vertikalen Integration

- Technische Machbarkeitsgrenzen Kommunika-

tion Abbildung 1: Rückverfolgbarkeitsstrategien der Unternehmen und Anforderungen an die IT

2.1 Rückverfolgbarkeit im Rahmen der Lebensmittelbasisverordnung 178/2002 Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 wird in Zukunft den rechtlichen Rahmen für die Lebensmittelsicherheit in der Union bilden. Die RV wird in Art. 18 dieser Verordnung geregelt, der zum 1.1.2005 rechtliche Gültigkeit erlangt. Während Art. 18 Abs. 1 ledig- lich eine generelle Verpflichtung zur Sicherstellung der RV enthält, ergeben sich unmit- telbar anwendbare Bestimmungen aus den Absätzen 2 und 3. Demnach müssen die Le- bensmittel- und Futtermittelunternehmer in der Lage sein, ihre Lieferanten und Abneh- mer zu identifizieren und über ein geordnetes Wareneingangs- und -ausgangssystem die Nachvollziehbarkeit des Warenflusses zu gewährleisten. Dabei bezieht sich die geforder- te Dokumentation lediglich auf den jeweiligen direkten Lieferanten und den Abnehmer („one step up - one step down“) [BLL03]. Des weiteren richten die Unternehmen nach Art. 18 „Systeme und Verfahren“ ein. Diese allgemeine Formulierung wird in der Ver- ordnung nicht weiter präzisiert. Es müssen daher nicht zwangsläufig elektronische Ver- fahren zur Datenverarbeitung eingerichtet werden; auch papiergebundene Verfahren sind möglich. Somit resultieren aus der Umsetzung der EU Verordnung 178/2002 keine spe- zifischen Anforderungen an die Informationstechnologien in Unternehmen. Eine IT- Unterstützung kann aber aufgrund allgemeiner Effizienzüberlegungen zweckmäßig sein.

2.2 Rückverfolgbarkeit gentechnisch veränderter Organismen

Mit den Verordnungen (EG) 1829/2003 und 1830/2003 gibt die EU den rechtlichen Rahmen für die Kennzeichnung und RV gentechnisch veränderter Lebens- und Futter- mittel vor. Ziel dieser Regelungen ist es u.a., durch die Schaffung eines Rahmens von nachhaltigen Untersuchungs- und Kontrollmöglichkeiten die Auswirkungen auf die

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Umwelt und die Gesundheit der Verbraucher zu überwachen und ggf. Maßnahmen zur Risikovermeidung bis hin zum Rückruf der Produkte zu ermöglichen bzw. zu vereinfa- chen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden detaillierte Vorgaben zur Kennzeichnung der GVO gemacht.

Aus Sicht der RV gehen die Anforderungen im Bereich der GVO geringfügig über die- jenigen der Lebensmittelbasisverordnung hinaus. So müssen die Unternehmen Informa- tionen von ihren Lieferanten erhalten, inwieweit GVO verwendet wurden, und eine ent- sprechende Kennzeichnung der Produkte vornehmen. Ferner müssen die nachgelagerten Stufen informiert werden, so dass diese wiederum die Produkte entsprechend kennzeich- nen können. Die Kennzeichnungsvorschriften für GVO münden somit letztlich in eine stufenübergreifende RV ohne Chargentrennung. Eine Trennung einzelner Chargen ist nur notwendig, wenn GVO-haltige und GVO-freie Produkte gleichzeitig hergestellt bzw.

vertrieben werden. Wie die Informationsweitergabe im Einzelnen erfolgt, bleibt den Unternehmen überlassen; eine IT-Unterstützung ist nicht vorgeschrieben [Ho03].

2.3 Rückverfolgbarkeit als Instrument zur Risikoreduktion im Bedarfsfall Die zunehmende Zahl von Warenrückrufen veranlasst viele Unternehmer, verstärkte Bemühungen zur Reduzierung dieses Risikos anzustellen. Warenrückrufe ziehen eine Reihe von Problemen nach sich, die von kurzfristigen Umsatzeinbußen bis hin zu massi- ven Imageschäden reichen. Ein funktionierendes RV-System kann einen entscheidenden Beitrag zu einem möglichst effizienten Warenrückruf leisten und dadurch zum Schutz des Unternehmens, der Verbraucher und „betroffener Dritter“ in der Supply Chain bei- tragen. Entscheidend für eine möglichst effiziente Durchführung von Rückrufaktionen ist eine schnelle Abwicklung und eine möglichst kleine zurückzurufende Charge. Eine wesentliche Risikominderung setzt daher im Bedarfsfall eine stufenübergreifende RV mit Chargentrennung voraus. Dies schließt anspruchslosere RV-Konzepte (Verzicht auf Chargentrennung; „one step up – one step down“) zwangsläufig ein [BLL01].

Eine RV mit Chargentrennung zur Risikominderung setzt Systeme voraus, die die Erfas- sung und Archivierung der erforderlichen Daten gewährleisten, eine Reduzierung der erfassten Daten auf die tatsächlich benötigte Datenmenge erlauben und es somit den Mitarbeitern ermöglichen, im Bedarfsfall schnell die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Zusätzlich ist eine Verknüpfung der Systeme aller Beteiligten der Supply Chain notwendig, um eine zeitnahe Rückrufaktion ausführen zu können.

2.4 Rückverfolgbarkeit zur Generierung von Differenzierungsvorteilen

Außer zur Risikominimierung nutzen einige Unternehmen die Informationen zur RV, um einen Differenzierungsvorteil am Markt zu erreichen (z.B. Wiesenhof, Wiltmann, Eifelähre). Die Lebensmittelskandale der nahen Vergangenheit führten zu einem Ver- trauensverlust in Teilen der Bevölkerung. Vielfach wird die Qualität und Sicherheit der Lebensmittel in Frage gestellt. Insbesondere Vertrauenseigenschaften, die vom Verbrau- cher selbst am Produkt nicht mehr festgestellt werden können, sind hierbei von Bedeu- tung. Von Seiten des Lebensmitteleinzelhandels und Teilen der Verbraucher steigt daher die Nachfrage nach Lebensmitteln, die entsprechende Sicherheits- und Qualitätsmerkma-

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le aufweisen. Durch ein RV-System sind die Unternehmen in der Lage, Herkunftsanga- ben und ggf. weitere Informationen zu kommunizieren und dadurch den Anforderungen der Nachfrager zu entsprechen. Ohne jederzeitige stufenübergreifende RV mit Chargen- trennung ist dieser Differenzierungsvorteil nicht zu realisieren.

Die Anforderungen an die IT gehen in diesem Fall insofern über die Notwendigkeiten im Bereich des Risikomanagements hinaus, als dass nunmehr die Informationen permanent ausgewertet und an den Lebensmitteleinzelhandel bzw. den Endverbraucher kommuni- ziert werden müssen. Eine Verknüpfung der IT-Systeme innerhalb der Wertschöpfungs- kette ist unumgänglich, da nur die durchgängige Kennzeichnung bis zum Erzeuger einen wahrgenommenen Mehrnutzen beim Verbraucher erzielen kann [Sp04].

3 Einflussgrößen auf die Strategie-IT-Beziehung

Im vorangegangenen Abschnitt wurden die speziellen Anforderungen an IT-Systeme, die sich aus alternativen RV-Strategien ergeben, skizziert. Wie eng der Zusammenhang zwischen einer bestimmten RV-Strategie und der Ausgestaltung der IT ist, hängt von einigen moderierenden Variablen ab. Zu diesen zählen u.a. die Produkteigenschaften (z.B. Größe von Teilstücken in Schlacht- und Zerlegebetrieben), Struktur der jeweiligen Supply Chain (insb. Anzahl der Stufen, Anzahl der Beteiligten auf den einzelnen Stufen, Häufigkeit der Transaktionen), Grad der vertikalen Integration sowie technische Grenzen (z.B. Vermischung von Getreide bei der Erfassung) [Th03]. Insofern müssen allgemeine Aussagen zu den Anforderungen an IT-Systeme, die sich aus der jeweiligen RV-Strate- gie ergeben, durch einzelfallspezifische Überlegungen ergänzt werden.

Literaturverzeichnis

[BLL01] Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (2001): Leitfaden Rückverfolgbarkeit - Die Organisation der Rückverfolgbarkeit von Produkten in der Lebensmittelkette. Bonn.

[BLL02] Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (2003): Stellung- nahme zu den rechtlichen Vorgaben im Hinblick auf das Gebot der Rückver- folgbarkeit in Artikel 18 der Verordnung (EG) 178/2002. Bonn.

[BO02] Bodmer, U.; Horvárth, L. [2002]: „Gläserne Produktion“ von Fleisch unter Berücksichtigung von Informationstechnologien. In: Zeitschrift für Agrarin- formatik. Heft 4/2002, S. 54-59.

[Ho03] Holm-Müller, K. [2003]: Neue Entwicklungen in der Debatte um gentech- nisch veränderte Pflanzen. In: Agrarwirtschaft. Heft 4/2004, S. 153-156.

[Sp04] Springob, K. [2004]: Tracking & Tracing - Von der Strategie zur Praxis.

Centrale für Coorganisation (CCG), Köln.

[Th03] Theuvsen, L. [2003]: Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln – Herausforde- rungen und Lösungsansätze aus organisatorischer Sicht. In: Berichte über Landwirtschaft. Band 81 (4), Dezember 2003. S. 555-581.

Referenzen

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