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Jan Freiherr von Wendelstadt

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Jan Freiherr von Wendelstadt

*11. Februar 1856 Darmstadt †27. Juli 1909 Schloss Neubeuern

Freiherr Jan von Wendelstadt mit Julie von Wendelstadt und Gästen am Pavillon um 1898

Privatier,

Sohn des Darmstädter Bankiers Victor Wendelstadt; seit 1882 Besitzer v. Schloss Neubeuern am Inn; seit 15. Oktober 1896 verh.

mit Julie Gräfin Degenfeld-Schonburg; Mgl. der Genossenschaft PAN; Kunstsammler; Mgl. des Liebenberg-Kreises u. als enger Freund v. Philipp Fürst zu Eulenburg u. Hertefeld in den Skandal v. 1907/08 verwickelt

Quelle:

Harry Graf Kessler: Das Tagebuch Dritter Band 1897 – 1905 Klett-Cotta Stuttgart 2000, S. 1172

Ex Libris Jan Wendelstadt gestaltet von Joseph Sattler Gästebücher Bd. I, II

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Kindheit und Jugend

Am 11. Februar 1856, morgens halb zwölf, wurde Johann Georg Viktor Wendelstadt in Darmstadt als Sohn des Bankdirektors Theodor Friedrich Wendelstadt (*12. Juni 1820 Hannover †27. Mai 1881) und seiner Frau Alberta Johanna (†11. August 1901 Edinburgh) geboren. Theodor Wendelstadt war seit 1854 in Darmstadt beheimatet und gehörte als Direktor der „Bank für Handel und Industrie" zu den führenden Köpfen der Stadt. So wohnte die Familie im besten Viertel von Darmstadt, der Promenadenstraße 11.

(später Wendelstadtstr. 1) Alberta Johanna Wendelstadt stammte aus einer holländischen Adelsfamilie und hatte auch die entsprechenden Ansprüche an ihre Lebensumstände.

Folgende Dokumente aus den Chronik Dokumenten der Familien Walkart und Idsinga weisen die Hochzeit der Eltern von Jan Wendelstadt in den Niederlanden und den Umzug nach Darmstadt nach. (Übersetzung: Theo van Berkel)

Bekommen von Herr Theodor Friedrich Wendelstadt die Summe von 50 Gulden mbz. der Ehe-Gottesdienst mit Jungfrau Johanna Alberta Walkart in die “Oude Kerk”,

Pastor: Van Idsinga, Emeritus, Willemstad Gegenwart: R. Posthumus Meijers

am 3. August 1854 Amsterdam, August 1854 gez. F.A. Kok Für den Organisten: 10 Gulden

Johanna Alberta Walkart van Idsinga

Es handelt sich um ein Dokument vom 12. Juli 1855 der “Gemeente van Jezus Christus” (Pastor und Ältere) in Amsterdam, worin es heisst das Johanna Alberta Walkart Mitglied von der “Gereformeerde Christelijke Kerk” ist, ohne Einwände, d.h. praktizierend.

Beleg für die Aufnahme von Frau Walkart als Mitglied der Gemeinde in Darmstadt.

Jan Wendelstadt wurde am 15. Mai 1856 in Darmstadt getauft.

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Theodor Wendelstadt mit Kutscher und seinem Sohn Jan (v.l.) ca. 1865 in Darmstadt

Jan von Wendelstadt mit seiner Mutter um 1885 am Schlossbrunnen

Der Erfolg der „Bank für Handel und Industrie" sowie der „Bank für Süddeutschland" und zahlreicher weiterer Unternehmen, in denen sich Theodor Wendelstadt engagierte, gab der Familie die finanziellen Mittel zur Führung eines großbürgerlichen Haushalts.

Jan Wendelstadt wurde von Privatlehrern erzogen und besuchte zeitweise das Internat in Schnepfenthal, eine allgemein anerkannte großbürgerlich-adlige Erziehungsanstalt. Über eine Berufsausbildung ist nichts bekannt. Vielmehr unternahm er größere Reisen, um sein Weltbild zu erweitern und fremde Kulturen kennenzulernen. Die nur im geringen Maße bekannten Lebensumstände deuten auf eine eher adlige Lebenskultur hin. Jan Wendelstadt hat offensichtlich zu keinem Zeitpunkt Interesse an einer dauerhaften

Berufstätigkeit gehabt. Insbesondere scheint hier der Einfluss seiner Mutter spürbar zu sein, die bei ihren Besuchen im Rheinland, gegenüber der großbürgerlichen Familie ihres Mannes als Adlige auftrat.

Bis zum Tode des Vaters am 1. Mai 1881 sind nahezu keine Angaben über das Leben von Jan Wendelstadt erhalten. Bei seinem Tode soll Theodor Wendelstadt „kein namhaftes Vermögen" hinterlassen haben. Der Erfolg der „Bank für Handel und Industrie"

und der „Bank für Süddeutschland" sowie weiterer Investitionen der Familie, der sich sicherlich auch im Vermögen der Familie niederschlug, wurde offensichtlich zur Deckung der Ausgaben des großbürgerlichen Haushaltes benötigt. Kurz nach dem Tod von Theodor Wendelstadt starb die Mutter von Alberta Johanna Wendelstadt und hinterließ ihrer Tochter ein Vermögen von zwei Millionen Gulden. Mit diesem Geld sollte sich Jan Wendelstadt in die adlige Elite des bayerischen Königreichs einkaufen können.

Schon seit 1880 orientierte sich der Sohn der großbürgerlichen Darmstädter Bankiersfamilie zur bayerischen Künstlerszene.

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Jan von Wendelstadt mit seiner Mutter und Gast am Schlossbrunnen

Die Verleihung der Freiherren Würde

1880 hatte Jan Wendelstadt das sog. Heibler-Anwesen in Altenmarkt in der Nähe von Neubeuern am Inn zum Preis von 17.000 Mark erworben. Nach dem Tod des Vaters und mit den ererbten Mitteln der Mutter kaufte Jan Wendelstadt 1882 das Schloss Neubeuern am Inn. Das Landgut Neubeuern umfasste zu diesem Zeitpunkt eine Fläche von 256 Hektar. Der Kaufpreis betrug 665.000 Mark. Nachdem Jan Wendelstadt nun das Königreich Bayern zu seiner Heimat gemacht hatte, erhielt er 1884 die bayerische Staatsangehörigkeit. Das hochherrschaftliche Landgut und seine Kontakte zu bayerischen Adelskreisen ließen in Jan Wendelstadt den Wunsch heranreifen, auch dem bayerischen Adelsstand anzugehören. Hierbei mögen insbesondere die adlige Herkunft seiner Mutter und die allgemeine Tendenz des Großbürgertums, sich in jenen Jahren den adligen Lebensweisen anzupassen, die be- stimmende Rolle gespielt haben.

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Am 31. März 1886 beantragte Jan Wendelstadt die Erhebung in den Freiherrenstand beim bayrischen Innenminister. Dabei sollte gleichermaßen seine Mutter Alberta Johanna, aufgrund ihrer adligen Herkunft, in den Freiherrenstand erhoben werden. Mit dem Erhebungsantrag stiftete Jan Wendelstadt 50.000 Mark für den Ankauf von Kunstwerken und 30.000 Mark für einen

Brückenbaufond in Neubeuern. Gleichzeitig stellte Jan Wendelstadt für den Fall einer "eventuellen Verheiratung" die Errichtung eines Fideikommiss in Aussicht. In der Familienüberlieferung wurde unterstellt, Jan Wendelstadt habe schon zu jenem Zeitpunkt eine Verheiratung mit einer bayerischen Adeligen beabsichtigt, sei jedoch noch nicht standesgemäß gewesen. Dies muss jedoch in den Bereich der Spekulation verwiesen werden.

Die Erkundigungen, die das Bayerische Staatsministerium nachfolgend einholte, zeigten Jan Wendelstadt als unbescholtene Persönlichkeit. Allein ein direkter Verdienst für den bayerischen Staat konnte nicht gefunden werden. So wurde das beabsichtigte Engagement für die Innbrücke bei Neubeuern als Beweis seiner staatstreuen Intention angeführt."

Die bayerische Staatsregierung zögerte jedoch mit einem positiven Bescheid, da die beabsichtigte Erhebung von Alberta

Wendelstadt eine "dem Begriff des Adels widersprechende Anomalie"... sei. Jan Wendelstadt entgegnete jedoch, dass er im Sinne

„der meiner Mutter schuldigen Pietät [es] für unvereinbar halte, einen höheren Rang einzunehmen als sie«." Nach den

Erkundigungen, die das bayrische Innenministeriumeinzog, wollte Jan Wendelstadt den erheblichen Adelstitel für seine Mutter erreichen, da sie ihm die finanziellen Mittel zum Kauf von Schloss Neubeuern zur Verfügung gestellt hatte. Am 01. November 1886 wurde sein Gesuch um Erhebung in den erblichen bayerischen Adel "aus prinzipiellen Gründen“ abgelehnt. So zog Jan Wendelstadt sein Gesuch am 8. Dezember 1886 zurück.

Da Jan Wendelstadt in München enge Freundschaft mit dem Prinzen Ernst von Sachsen-Meiningen geschlossen hatte, richtete Jan Wendelstadt ein gleichgelagertes Gesuch an den Prinzen. Gegenüber der bayerischen Regierung hat er späterhin versucht, deutlich zu machen, dass es sich bei der Erhebung in den Freiherrenstand um einen Wink des Schicksals gehandelt habe:

„Als ich mich zu meinem tiefen Bedauern auf diese Auszeichnung [die Freiherren Würde], für meine Person allein, in Bayern zu verzichten gezwungen sah, als mit der meiner Mutter schuldigen Pietät unvereinbar und ich mich gerade in der unangenehmen Lage sah, meiner Mutter den von ihr nicht erwarteten Ausgang der Angelegenheit mitzuteilen, empfing ich von Seiner Hoheit dem Prinzen Ernst von Sachsen-Meiningen einen sehr freundschaftlichen Brief, worin Seine Hoheit mir die Erfüllung unseres Wunsches in Meiningen in Aussicht stellte. Ich habe den Vorschlag dankbarst angenommen, als den Ausweg aus einer für mich sehr peinlichen Situation.

Am 19. Februar 1887 wurden Jan Wendelstadt und seine Mutter durch Sachsen Meining'sche Verleihung in den erblichen Freiherrenstand erhoben. Auch hier hatte er durch großzügige Spenden nachhelfen müssen. Am 14. Februar 1887 hatte er seinem Bankier in Amsterdam den Auftrag erteilt, insgesamt 80.000 Mark an die Hauptstaatskasse der herzoglichen Regierung in Meiningen zu überweisen, die der Großherzog Georg in seinem Sinne zu "gemeinnützigen Zwecken" verwenden sollte. Gleichzeitig legte er je- doch großen Wert darauf, bezüglich seiner Spende ungenannt zu bleiben. Am 27. Februar 1887 dankte Jan Wendelstadt dem Großherzog im "Gefühl der tiefsten Dankbarkeit für die mir bewiesene Gnade".

Noch zu klären blieb die Frage des Wappens. Mit einigen Modifikationen wurde das von Jan Wendelstadt eingereichte Wappen vom Herzog von Sachsen-Meiningen anerkannt.

Nun glaubte der neue Freiherr, seine Würde auch in Bayern anerkennen lassen zu können. Am 6. März 1887 stellte er den formellen Antrag auf Anerkennung des Adelsstandes durch das Königreich Bayern. Das Außenministerium verweigerte die Zustimmung und drohte Wendelstadt eine Strafe für das Führen des Adelstitels an. Daraufhin folgte eine langanhaltende Auseinandersetzung zwischen der bayerischen und sachsen-meiningenschen Regierung.

Schloss Neubeuern mit Dorf um 1900

Die bayrische Regierung bemühte sich den ablehnenden Bescheid über die Anerkennung der sachsen-meiningenschen Erhebung durch eine Note an den Herzog zu rechtfertigen, um das Gesicht zu wahren. So fand der bayerische Staatsminister Crailsheim am 12. März 1887 gegenüber dem Herzog von Sachsen Meiningen deutliche Worte:

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Jan (4.v.r.) mit mit Gästen im Schlosspark um 1895

"Der Gutsbesitzer Johann Georg Viktor Wendelstadt in Neubeuern, Kgl. Bezirksamt Rosenheim, hat im Laufe des vorigen Jahres die Bitte um allergnädigste Erhebung in den erblichen Freiherrnstand des Königreichs [Bayern] für sich und seine Mutter gestellt.

Wendelstadt und seine Mutter sind bayerische Staatsangehörige. Dafür, dass dieselben noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzen, gaben die diesseitigen Akten keine Anhaltspunkte. Nachdem das Nobilitierungsgesuch in Instruktion genommen und dem Gutsbesitzer Wendelstadt bekannt geworden war, dass der Nobilitierung seiner Mutter Schwierigkeiten entgegen stünden, hat Wendelstadt das Gesuch um Nobilitierung in seiner und seiner Mutter Namen unter der Motivierung zurückgezogen, dass er aus Pietätsrücksichten für seine Mutter nicht wünschen könne, einen höheren Rang als diese einzunehmen. Im Hinblick auf eine in den diesseitigen Akten enthaltene Note des herzoglich sächsischen Staatsministers d.d. Meiningen den 5. Mai 1854 inhaltlich deren die herzogliche Regierung sich vollkommen damit einverstanden erklärt hat, dass selbst gewöhnliche Titelverleihungen an die beiderseitigen Staatsangehörigen nicht ohne vorher erholte Zustimmung des Landesherrn des Beteiligten erfolgen sollen, hat die in Rede stehende Mitteilung an einer an einen bayerischen Staatsangehörigen vollzogene Verleihung des Freiherrentitels hier dieselbe berühren müssen und darf somit das unterfertigte Staatsministerium eine nähere Erklärung des Sachverhaltes ganz ergeben entge- gensehen."

Das bayrische Außenministerium fühlte sich offensichtlich durch das Verhalten von Jan Wendelstadt vorgeführt und wünschte eine Rechtfertigung. Das herzogliche Staatsministerium gab in seinem Schreiben vom 17. März 1887 an, dass Jan Wendelstadt und seine Mutter seit dem 25. Januar des Jahres sachsen-meinigensche Staatsbürger seien und im Adelsdiplom die Verleihung der Frei-

herrnwürde an den eigenen Staatsbürger durchaus deutlich gemacht worden sei. Herzog Georg v. Sachsen-Meiningen fühlte sich jedoch durch den scharfen Ton des bayerischen Außenministeriums besonders betroffen und telegrafierte seinem Außenminister Freiherr v. Giseke am 21. März:

"Ich bitte eine gepfefferte Antwort auf die grobe Note von [Außenminister v.) Crailsheim betreffs Wendelstadt aufzusetzen.

Crailsheim hat erzählt, dass die Note ausgesucht grob sein werde. Übrigens hatte er nicht gewusst, dass W.[endelstadtl Meininger sei, wie mein Sohn constatiert hat u.[ndl war er darüber hintendrein betroffen."

Jan v. Wendelstadt hatte die sachsen-meiningensche Staatsangehörigkeit am 25. Januar 1887 erhalten, so dass sich ein direkter Zusammenhang mit der Nobilitierung erahnen ließ. Trotz der scharten Reaktion der Sachsen-Meininger blieb das bayerische

Außenministerium hart. Indirekt warf man der herzoglichen Regierung Leichtsinnigkeit bei der Verleihung von Adelstiteln vor. Man betrachtete die Verleihung als Verstoß gegen das Reichsgesetz und wählte auch weiterhin einen sehr scharfen Ton.

Jan Wendelstadt durfte den Adelstitel nicht in Bayern führen, da das Außenministerium die Rechtswirksamkeit des Er-

hebungsdiploms in Bayern bestritt. Sämtliche Behörden wurden daraufhin informiert, dass jegliche Nennung des Freiherrntitel im Umgang mit Jan Wendelstadt zu vermeiden sei.

„Sollte Wendelstadt oder dessen Mutter den Versuch machen, sich in Bayern des freiherrlichen Titels zu bedienen, so ist gegen dieselben gemäß § 360 Z. 8 des Strafgesetzbuches strafrechtlich vorzugehen.“

Georg Herzog v. Sachsen-Meiningen versuchte in einem Antwortschreiben an den bayrischen Prinzregenten einen versöhnlichen Ton anzuschlagen:

"Ob die Frau Mama Wendelstadt nobilitiert wurde, ob nicht, konnte für das monarchische Prinzip wohl gleichgültig sein. (...1 Die ganze Angelegenheit eignet sich besser zur Schlichtung auf mündlichem Wege als auf dem der Noten, da man mündlich mehr sagen kann als schriftlich.“

Hinter den Kulissen wurde jedoch dem neuen Freiherrn empfohlen, sich sehr kurzfristig eine Wohnung in Meiningen zu mieten, damit die Argumentation gegenüber Bayern aufrechterhalten werden konnte. Nur wenige Tage später drohte das bayerische

Außenministerium dem Herzog Georg v. Sachsen-Meiningen die Stellvertretung des Herzogtums beim Bundesrat aufzukündigen.

Aus bayerischer Sicht hatte die sachsen-meiningensche Regierung mit der Erhebung von Jan Wendelstadt in den Freiherrnstand

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Staatsrecht gebrochen und konnte daher nicht mehr von der bayerischen Staatsregierung im Bundesrat vertreten werden.

Die diplomatische Verstimmung zwischen den beiden Staaten blieb auch weiterhin erhalten. Beide Seiten bemühten sich zwar das Verhältnis beider Staaten wieder "wie früher" zu gestalten, jedoch wollte keine einen Schritt in der Argumentation zurücktreten.

Zuerst gingen beide Regierungen noch auf Konfrontationskurs. So verweigerte der bayrische Prinzregent dem sachsen-

meiningenschen Prinzregenten Ernst noch im Mai 1887 in München eine Audienz zur Erhebungsfrage v. Wendelstadts. Das Königreich Bayern wollte sich nicht durch das kleine mitteldeutsche Herzogtum unter Druck setzen lassen.

Da keine Klärung herbeigeführt werden konnte, versuchte Jan Wendelstadt wieder das Heft des Handelns in die Hände zu bekommen. Am 24. Mai 1888 beantragte er beim Oberbayerischen Regierungspräsidium die "Entlassung aus dem bayerischen Staatsverbande". Sofort reagierten die Behörden des Landes und sahen von einer weiteren Strafverfolgung für das Führen eines falschen Titels ab, nachdem Jan Wendelstadt kein bayerischer Staatsbürger mehr war.

Die ernsthaften diplomatischen Verwicklungen, die sich aus der Erhebung Jan Wendelstadts in den Freiherrenstand ergaben, endeten mit der Erklärung des Königlichen bayerischen Staatsministeriums vom 18. Juni 1887. Der Herzog v. Sachsen-Meiningen hatte zwar einlenken müssen, jedoch seine Entscheidung nicht revidiert.

Das Verfahren ruhte bis in das Jahr 1891. Am 30. Juli 1891 wurde Jan Wendelstadt wieder bayerischer Staatsbürger. Daraufhin reichte er am 26. August 1891 das sachsen-meiningensche Freiherren-Diplom erneut beim Prinzregenten Luitpold von Bayern mit der Bitte um Anerkennung ein."' In seiner Stellungnahme zu den Anliegen Jan Wendelstadts äußert sich Außenminister v.

Crailsheim, entgegen seiner Haltung wenige Jahre zuvor, sehr positiv über den Antragssteller:

„Der Gutsbesitzer Wendelstadt hat währenddessen [der letzten vier Jahre] nicht aufgehört, öffentlichen und staatlichen Zwecken erhebliche Zuwendungen zu machen und dadurch den Beweis geführt, dass ihm das Inkorrekte seines seinerzeitigen Vorgehens nicht vollständig bewusst gewesen ist und dass er in der Tat von aufrichtigem Hinneigung für Bayern, dessen Staatsangehörigkeit er neuerdings wieder erworben hat, beseelt ist.“

Mit dem 03. September 1891 wurde Jan Freiherr von Wendelstadt in die bayerische Adelsmatrikel aufgenommen. Damit war auch ein jahrelang schwelender staatsrechtlicher Konflikt beigelegt worden. Seine bekannteste Schenkung ist das Bild von Arnold Böcklin „Im Spiel der Wellen“. Arnold Böcklin (1827 - 1901) Im Spiel der Wellen 1883 Öl auf Leinwand, 180,0 x 238,0 cm 1888 als Schenkung aus Privatbesitz (Baron Jan von Wendelstadt) erworben Quelle:

http://www.pinakothek.de/neue-pinakothek/sammlung/kuenstler/kuenstler_inc.php?inc=bild&which=8658

1890 beschrieb der Landschaftsarchitiekt Max Kolb den großartig angelegten Park Schloss Neubeuerns.

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Jan von Wendelstadt war als sehr reisefreudig bekannt und so traf er im April 1992 Harry Graf Kessler, den bedeutendsten Tagebuchschreiber seiner Zeit 1892 in Tokio.

Tokio 22 April 1892. Freitag. Morgens nach Yokohama mit Wendelstadt. Nach der Bank, Geld geholt, Photographieen gekauft, im Grand Hotel gefrühstückt. Nachmittags zurück u Besuche. Abends mit Wendelstadt, Weipert, u dem Direktor der Kunstschule Okakura gegessen.

Tokio. 24 April 1892. Sonntag. Waldthausen bei Wendelstadt u mir im Hotel zum Tiffin. Nachher Gartenfest beim Marquis Kuroda, zu Ehren seiner Mündigkeitserklärung; er empfängt uns am Eingang, ein kleiner, verlegener japanischer Jüngling in Gehrock und Lackschuhen; es scheint unmöglich dass ein Japaner im europäischen Costüm wie ein Grand Seigneur aussehe…

Tokio 25 April 1892.Vormittags in der Ausstellung im Uyeno Park; alte Lacksachen, Cloisonné, Stickereien; die alten

Goldlacksachen sind zum Teil von entzückender Grazie und Eleganz; die Japaner verstehen wie kein andres Volk das Ornament, die Kunst ein Tier eine Pflanze der Form eines Gegenstandes anzupassen u sie doch natürlich u ungezwungen erscheinen zu lassen.

Nachmittags im Theater… Abends Diner auf der englischen Gesandtschaft bei Spring Rice mit Wendelstadt, Herman und dem jungen Fraser; nachher ein Seidenhändler seine Waaren gezeigt, Stickereien, Kimonos, alte Brokate, etc.

Japanische Erinnerungen im August 1892

Gästebücher Bd. II

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Im Januar 1893 verwüstete ein Brand im früheren Palas der Burg große Teile des Ostbaus Schloss Neubeuerns.

Gästebuch Band II

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Ein großer Dank an die Handwerker der Umgebung Neubeuerns. Fotos: Archiv Schloss Neubeuern

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1893 besuchte Jan´s Reisebekanntschaft Harry Graf Kessler Neubeuern:

Neubeuern. 24 Dezember 1893 Früh in München an und nach Rosenheim weiter. Von Rosenheim zu Wagen hierher. Wendelstadt, Frl v. Reck, Frl von Holläufer u der Maler Pepino hier. Schönes Schloss; das Gebirge im Nebel; nur der Inn glänzt aus dem Thal herauf. Nach dem Frühstück kamen Kinder aus Rosenheim und sangen eine Art von Weihnachtsmysterium. Das soll hier zu allen christlichen Festen überall Sitte sein. Daraus versteht man dann Oberammergau etc. Um 6 Bescheerung; nach dem Essen Punsch. Um Mitternacht zur Messe ins Dorf. Vollmond. Von der Schlossterrasse aus ein märchenhafter Blick. Die hellerleuchtete Dorfkirche schimmert wie ein Weihnachtstransparent, von den weissen Nebelmassen, die das übrige Thal erfüllen umrahmt; darüber ragen die beschneiten Berge in das bläuliche Mondlicht empor und am klaren Himmel glänzen die Sterne; dazu Glockengeläute und

Orgelklänge die noch eben hörbar emporschweben.

Quelle: Harry Graf Kessler: Das Tagebuch 1880 - 1937. Klett-Cotta, Stuttgart 2004 ff. Bd 2: 1892-1897. ISBN 3-7681-9812-X S. 233/234

Anton Josef Pepino – Harry Graf Kessler Gästebuch Bd. II – Pepino 1914 mit Julie von Wendelstadt, Marie-Therese Degenfeld (v.l.) und Ottonie Gräfin Degenfeld (re.) im Großen Salon

Gästebücher Bd. II Maler Anton Josef Pepino

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Jan von Wendelstadt träumt von Julie Gästebücher Bd. II und vor dem Ostbau

Mit der Anerkennung der Freiherrenwürde durch das Königreich Bayern stieg Jan v. Wendelstadt nun endgültig in die Kreise des bayerischen und deutschen Adels auf. Damit war auch der Weg geebnet für eine standesgemäße Verheiratung.

Jan von Wendelstadt verlobte sich im August 1895 mit Julie Gräfin von Degenfeld-Schonburg. Die Grafen von Degenfeld- Schonburg entstammten einem alten schweizerischen Adelsgeschlecht, das bis in das 9. und 10. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Im 14. Jahrhundert siedelten Mitglieder der Familie nach Schwaben und Franken über. Am 27. Januar 1625 wurde der

Reichsfreiherrenstand für Christoph Martin I. v. Degenfeld auf Schloss Eybach erneuert. Graf Christoph Martin II. v. Degenfeld beerbte 1733 die jüngste Tochter von Herzog Meinhard v. Schomburg und brachte deren Namen und Wappen in die Familie ein.

Graf Christoph v. Degenfeld-Schomburg (* 1797) heiratete in erster Ehe Charlotte Gräfin v. Dürckheim-Montmartin, mit welcher er zwei Söhne hatte. Während der Erstgeborene Graf Christoph nach Amerika auswanderte, übernahm Graf Alfred das gräfliche Anwesen Schloss Eybach. Er war Kämmerer des Königreichs Württemberg und Major der königlichen Armee. Er heiratete Anna Freiin von Hügel (1833-1915) mit welcher er zusammen die Töchter Julie (1871-1942) und Dora (1877-1969) hatte.

Seit 1891 zählte Jan v. Wendelstadt zu den ersten Kreisen des bayerischen Adels. Nicht nur der Freiherrentitel, sondern auch Schloss Neubeuern zeugten von seinem Anspruch als Adliger. Zu seinem Freundeskreis gehörte Philipp Fürst zu Eulenburg, der seit 1891 als preußischer Gesandter in München residierte. Fürst Eulenburg, der über hervorragende Kontakte zur kaiserlichen Administration in Berlin verfügte, wird in diesem Sinne zusätzlich noch die Ambitionen von Jan v. Wendelstadt verstärkt haben. In diesem Kreis wird Jan v. Wendelstadt seine spätere Frau, Julie v. Degenfeld-Schonburg, kennengelernt haben. Standesgemäß gab Jan v. Wendelstadt im August 1895 seine Verlobung bekannt:

„Jan Freiherr von Wendelstadt auf Neubeuern gibt sich die Ehre seine Verlobung mit Julie Gräfin Degengeld Schonburg, Hofdame Ihrer Majestät der Königin von Württemberg, Tochter des Grafen Alfred Degenfeld Schonburg, k. u. k. Kämmerer und Major i.d.A. und der Gräfin Anna Degenfeld Schonburg, geb. Freiin von Hügel ergebenst anzuzeigen.

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Im Oktober 1895 fand die Hochzeit auf Schloss Eybach statt. Danach wurde das frisch getrraute Paar festlich in Neubeuern empfangen.

Das geschmückte Dorf - Maler Alfred Haushofer Walter Püttner

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Das Brautpaar grüßt vom Westbaubalkon und das geschmückte Dorf

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Ein nachträgliches Hochzeitsgeschenk – Die Heuberghütte in der Mailach

Jan von Wendelstadt gefiel das Jagdgebiet am Heuberg und so kaufte er Ende des 18. Jahrhunderts das letzte freie Stück Land in der Mailach. 1899 war der „Traum auf dem Heuberg“ fertig. Zu Ehren seiner frisch angetrauten Gattin ließ er die Hütte nicht als

bayerische Almhütte sondern zur Erinnerung an die Heimat seiner Frau im württembergischen Stil erreichten (Dachfirst). Zahlreiche Gäste nutzten das Refugium am Heuberg um zu jagen oder einfach nur entspannt die herrliche Natur zu genießen.

Gästebücher Band III – Maler Prof. Max Kleiber

Um 1900 - An der Quelle 3.v.l. Jan von Wendelstadt 5.v.l. seine Frau Julie und ihre Schwester Baronin Dora von Bodenhausen

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Hugo von Hofmannsthal mit seiner Frau Gerty und Gräfin Ottonie von Degenfeld mit ihrem Mann Christoph Martin (genannt der Graf vom Heuberg)

Das inzwischen denkmalgeschützte Haus wir heute wieder vom Schloss Neubeuern genutzt

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Bauliche Veränderungen

Freiherr von Wendelstadt plante um die Jahrhundertwende das Schlossensemble (um 1750 von Max IV von Preysing-

Hohenaschau gebaut) für seine Gäste großzügiger auszustatten. Dafür engagierte er den im Süddeutschen Raum weit bekannten und geschätzten Gabriel von Seidl. Zu diesem Zweck lies er den Mittelbau abreißen und komlett neu höher und prächtiger

wiederaufbauen. Während der Bauzeit bis 1906 zur Fertigstellung wohnten die Eheleute Wendelstadt im zum Schloss gehörenden Landgut Hinterhör in Altenbeuern.

Die Baulücke Mittelbau – Maler Felix von Courten Gästebücher Band III

Modell des neuen Mittelbaus Maler Felix von Courten Gästebuch Band III – Baustelle im Rohbau ca. 1905 mit Hofwirt

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Markt mit Schloss um 1905 vor der Fertigstellung des Mittelbaus

Offizielle Postkarte April 1909 zur Fertigstellung des Mittelbaus (Jan v.W. an Schwager und Schwägerin Bodenhausen)

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Neubeurer Künstlerkreis

Die wirtschaftliche Basis seines Einkommens zog Jan v. Wendelstadt aus der Bewirtschaftung des Landgutes und aus dem Vermögen seiner Mutter, die ebenfalls auf Schloss Neubeuern lebte. Gleichzeitig hatte Jan v. Wendelstadt schon seit Beginn der 1880er Jahre einen Künstlerkreis um sich versammelt, der sich in erster Linie aus Mitgliedern der Familie seiner Frau

zusammensetzte.

Jan von Wendelstadt rechts mit Dora Bodenhausen

darunter Eberhard von Bodenhausen, links davon Julie von Wendelstadt

Zentrale Figur des Künstlerkreises war Eberhard von Bodenhausen-Degener (1868-1918). Der Jurist und Diplomat war seit 1895 einer der geistigen Väter der Kunstzeitschrift „Pan", die bis 1900 die künstlerischen Tendenzen der Zeit aufnahm und formulierte.

Bodenhausen, der schon seit Beginn der 1890er Jahre mit Jan v. Wendelstadt befreundet ist, lernte bei einem Besuch auf Schloss Neubeuern seine spätere Frau Dora, die Schwester von Julie v. Wendelstadt kennen. Eberhard von Bodenhausen wird nach seiner Hochzeit im Jahre 1897 mit seiner Frau zum immer wiederkehrenden Gast auf Schloss Neubeuern. Er entsagt der

Diplomatenlaufbahn und übernimmt eine unternehmerische Funktion bei den Tropon-Werken in Mülheim/Ruhr. Später nahm er ein philosophisches Studium in Heidelberg auf und trat 1906 bei Krupp in Essen als kaufmännischer Leiter ein. Seine Tätigkeit für Krupp führte ihn bis in den Aufsichtsrat des Unternehmens. 1916 schied v. Bodenhausen aus dem Direktorium von Krupp aus und übernahm das Präsidium des Aufsichtsrates der Diskonto-Bank. 1916 und 1917 wurde ihm zudem der Posten des Reichskanzlers in der schwierigen Zeit angeboten, den er jedoch aus gesundheitlichen Gründen ablehnen musste. Eberhard v. Bodenhausen zählte zu den beständigen Mitgliedern des „Neubeuerner Kreises" um Jan v. Wendelstadt. Wahrscheinlich war er sogar die treibende Kraft, die den Kreis dauerhaft stabilisierte.

Eberhard von Bodenhausen führte auch Hugo v. Hofmannsthal (1874-1929) in Neubeuern ein. Der bekannte Schriftsteller war erstmalig am 1. Dezember 1906 auf Neubeuern. Immer wieder verbrachte er Monate auf dem Schloss oder auf dem Hof Hinterhör, der zu den Besitzungen zählte.

1. December 1906. Hugo Hofmannsthal.

„ Harry Graf Kessler

Gästebuch Schloss Neubeuern Band IV 1. Dezember 1906

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Hugo von Hofmannsthal – Ex Libris Bodenhausen – Postkarte 1909 zur Einweihung des Mittelbaus – Familie Bodenhausen

Gut Hinterhör bei Altenbeuern Julie, Jan und Ottonie in Hinterhör

Im Umfeld von Jan v. Wendelstadt übernahmen die Frauen eine sehr zentrale Rolle. Nachdem seine Mutter Alberta v. Wendelstadt am 11. August 1901 auf Schloss Neubeuern starb, nahm seine Frau die erste Stelle ein. Kontakte zu den Verwandten seiner eigenen Familie haben offensichtlich nur in sehr geringem Maße bestanden. Jan v. Wendelstadt pflegte enge Kontakte zu führenden Diplomaten und Politiker des deutschen Kaiserreichs, wie noch darzustellen sein wird, und trat als Mäzen und Schöngeist in der bayerischen Gesellschaft hervor.

Julie v. Wendelstadt pflegte einen engen Kontakt zu ihrer Schwägerin Ottonie Gräfin von Degenfeld-Schonburg (18821970), geb.

von Schwartz, die am 06. Mai 1906 Christoph Martin Graf v. Degenfeld Schonburg, persönlicher Adjutant des kommandierenden Generals, Herzog Albrecht von Württemberg in Kassel, geheiratet hatte. Schon am 30. März 1908 starb Graf Christoph Martin nach langer Krankheit. Kurz zuvor war dem Ehepaar am 14. Januar 1908 eine Tochter Marie Therese geboren worden. Ottonie v.

Degenfeld-Schonburg wohnte seit diesem Zeitpunkt auf dem Hof Hinterhör bei Neubeuern, der zu den Besitzungen des Schlosses zählte und wurde zusammen mit Julie v. Wendelstadt zu den zentralen Personen des Neubeuerner Künstlerkreises auch nach dem Tod von Jan v. Wendelstadt 1908.

Jan v. Wendelstadt und das „persönliche Regiment" Kaiser Wilhelms Il.

Jan v. Wendelstadt hatte schon vor seiner Erhebung in den Freiherrenstand enge Kontakte zu den adligen Kreisen in Deutschland gepflegt. Auch durch Eberhard v. Bodenhausen gelangte er in Kontakt zu den zentralen Personen der kaiserlichen Politik und Diplomatie in Deutschland. Spätestens seit 1891 zählte Jan v. Wendelstadt zum Freundeskreis von Philipp Fürst zu Eulenburg- Hertefeld (1847-1921), einem der

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Philipp Fürst zu Eulenburg (4.v.l.) um 1890 auf Schloss Neubeuern (4.v.l.) Jan Freiherr von Wendelstadt (1.v.l.) Wilhelm Baron von Gloeden (stehend 1.v.r. mit der Mutter von Jan

führenden Diplomaten des Deutschen Reiches und seit 1886 engem persönlichen Freund von Kaiser Wilhelm II. Schon vorher bestand ein freundschaftlicher Kontakt zwischen Fürst Philipp v. Eulenburg und Graf Kuno von Moltke. Spätestens um das Jahr 1880 ist Eulenburg ein zentraler Bestandteil der deutschen Diplomatie und Politik. Mit seinem Einfluss werden Fürst Clodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst und Bernhard von Bülow als Reichskanzler zu den Exponenten des „persönlichen Regiments"

Wilhelms II. 1881 lässt sich Eulenburg von der Botschaft in Paris nach München versetzen und nimmt Kontakt zur künstlerischen Szene in Starnberg und München auf. Im Umfeld von Cosima Wagner und dem Neubeuerner Kreis schreibt Eulenburg nordisch- mystische Dramen, die im Münchener Residenztheater und später in Berlin zur Aufführung kommen. Wie Eberhard v.

Bodenhausen spürt Fürst Eulenburg einen inneren Konflikt zwischen seiner künstlerischen und politisch-unternehmerischen Betätigung.

Kuno Graf von Moltke

Schon in diesen Jahren übernimmt Jan v. Wendelstadt die Funktion eines Mäzens für Philipp zu Eulenburg. Nach seinem Zusammentreffen 1886 mit Kronprinz Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm II., entschied sich Eulenburg allerdings endgültig für die Diplomatie und Politik. Neben Philipp traten auch seine Vettern, August und Botho, in die ersten Ränge der preußischen Politik. Letztgenannter im Frühjahr als preußischer Ministerpräsident und im Sommer als Innenminister des Deutschen Reiches. Im Mai 1894 wurde Eulenburg deutscher Botschafter in Wien. Zusammen mit seinem Freund Bernhard von Bülow prägte Eulenburg das "persönliche Regiment" Kaiser Wilhelms II. in den Jahren vor 1900. Die Kritiker Kaiser Wilhelms II. sahen in Philipp zu Eulenburg eine der zentralen Figuren der preußischen Regierung, ohne das Eulenburg jemals im engen Kreis der Regierungsmit- glieder gewesen war. Nach 1902 kehrte v. Eulenburg wieder in die künstlerischen Kreise, die ihn geprägt hatten, zurück. Der Kontakt zu Jan v. Wendelstadt wurde erneut intensiver. Zusammen mit seinem Freundeskreis, zu welchem sein langjähriger enger Freund, der Reichskanzler Bernhard v. Bülow, und Kaiser Wilhelm II. zählte, veranstaltete er auf seinem Familiensitz Liebenberg Jagden. Jan v. Wendelstadt war auch unter den Gästen.

Die Harden-Affäre und der Tod Jan v. Wendelstadts

Maximilian Harden

Die "Liebenberger Tafelrunde" wurde 1906 von einem schweren Schlag heimgesucht. Der Journalist Maximilian Harden

veröffentlichte in der Zeitschrift „Zukunft" eine Analyse der persönlichen Verflechtungen um die Person des Kaisers und unterstellte dem kaiserlichen Umfeld homoerotische Neigungen. Dies traf die gesamte politische Elite des Deutschen Kaiserreiches. Es setzte eine intensive Suche nach Zeugnissen der homosexuellen Neigungen sämtlicher zur "Liebenberger Tafelrunde" zählenden Personen ein.

Obwohl im Zentrum der Untersuchungen Philipp v. Eulenburg und Graf Kuno v. Moltke standen, wurde auch Jan v. Wendelstadt in die Untersuchungen einbezogen. Als Philipp v. Eulenburg am 08. Mai 1908 in Liebenberg unter Anklage der Homosexualität, eines zu dieser Zeit strafrechtlich zu verfolgenden Tatbestandes, verhaftet wurde, war Jan v. Wendelstadt tief getroffen. Wochen, in denen in aller Öffentlichkeit sämtliche Kontakte mit Philipp v. Eulenburg analysiert wurden, folgten. Der Prozess gegen v. Eulen- burg, der die Prozesstage „verhandlungsunfähig" in der Berliner Charite zubrachte, wurde zu einem „Spießrutenlaufen" für das persönliche und politische Umfeld des Kaisers. Der Prozess gegen Philipp v. Eulenburg wurde am 17. Juli 1908 abgebrochen. Es folgten jedoch weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Beklagten und dem Journalisten Maximilian Harden. Die

„Kronzeugen" von Harden waren zwei Starnberger Fischer, die bezeugten, mit v. Eulenburg intim gewesen zu sein.

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Die Eulenburg Affäre in: Jugend 1907 Nr. 45 li Kuno von Moltke, re Philipp zu Eulenburg

Jan v. Wendelstadt trafen die unterschiedlichen Vorwürfe nur indirekt. Trotzdem war er Ziel der Untersuchungen der Journalisten und der Staatsanwaltschaft. Insbesondere die im Nachlass von Philipp v. Eulenburg vorhandene Schrift „Mein Freund Jan" gab Anlass zu vielerlei Spekulationen. Es ist aufgrund der vorliegenden Quellen nicht festzustellen, ob bei Jan v. Wendelstadt ähnliche homoerotische Neigungen wie bei Philipp v. Eulenburg vorgelegen haben. Auch die Kinderlosigkeit ist kein eindeutiges Zeichen - Philipp v. Eulenburg hatte acht Kinder. Jan v. Wendelstadt hat den Schock des Verdachts und der Untersuchungen nicht verwinden können. Die Öffentlichkeit drang in die, seiner Meinung nach, gesellschaftlich geschlossenen Kreise des Adels ein. Jan v.

Wendelstadt, der alles eingesetzt hatte, um in die adligen Kreise Bayerns aufsteigen zu können, sah seine Welt zusammenbrechen.

Die „Harden-Affäre" zerrte die verschlossenen Strukturen des „persönlichen Regiments" Kaiser Wilhelms II., aber auch die

„Doppelmoral" der adligen Kreise, an die Öffentlichkeit. Große Teile der Bevölkerung erlangten Einblick in politische Entscheidungsprozesse und die persönlichen Verflechtungen der politischen Elite. Es fiel ein demokratischer Schatten auf den autoritären Führungsstil des Kaiserreichs.

Gegenüber Harry Graf Kessler äußerte sich Jan von Wendelstadt zu der Affäre München. 13 November 1907:

Früh Jan Wendelstadt bei mir. Wie immer jetzt, kam die Rede auf den Moltkeprozess. Wendelstadt. „Ich habe Eulenburg seitdem erst einmal gesehen. Aber das Gerede über eine sentimentale Camarilla in Liebenberg ist Unsinn. Man stellt sich das jetzt thatsächlich so vor, als hätten wir alle um den runden Tisch womöglich nackt mit Harfen in den Händen dagesessen. In Wirklichkeit hat es nie eine lustigere, ausgelassenere Jagdgesellschaft gegeben. Von Sentimentalität keine Rede. Und um Politik hat sich Eulenburg, seitdem er von Wien fort ist, gar nicht mehr gekümmert. Um nur ein Beispiel zu nennen, als Schoen nach Petersburg kam, fragte ich ihn: „Na, was sagst du dazu, dass Schoen nach Petersburg gekommen ist?“ Da war er ganz verwundert und sagte: „So, Schoen ist nach

Petersburg gekommen? Davon weiss ich Nichts.“ Allerdings, es mag ja so sein, dass die Katze doch das Mausen nicht lassen kann.

Aber es haben wohl auch andre Gründe mitgespielt. Es bestand ein wahnsinniger Hass gegen Eulenburg. Warum, habe ich nie recht begreifen können. Wie weit das da mit hineingespielt hat, kann ich nicht beurteilen. Dass mit Eulenburg in der andren Beziehung (Paederastie) etwas los war, davon hat man ja schon lange gesprochen.“ Auf den Kaiser ist Wendelstadt ebenso böse wie Richters.

Er meinte: „Mit dem Mann bin ich jetzt auch fertig.“ Eulenburg habe ihm gesagt, dass er, was auch immer kommen möge, dem Kaiser nie mehr dienen werde.

Quelle: Harry Graf Kessler: Das Tagebuch Vierter Band 1906 – 1914 Klett-Cotta Stuttgart 2004, s. 361

Monet Ausstellung in Weimar 1905 mit Neubeuern Besuchern sitzend 2. .l. Gerty von Hofmannsthal, 3.v.l. Helene von Nostitz

stehend v.r. Henry van de Velde, Harry Graf Kessler, Hugo von Hofmannsthal, Alfred von Nostitz-Wallwitz

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Artikel WaS 23.11.2020 – Rosenlieder Eulenburgs

Jan & Phillip am Schloss – Geschenk Phillips seinem treuen Freund Jan

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Arkadien in Neubeuern

Von dem schweren Schlag, den die Verhaftung und der nachfolgende Prozess gegen Philipp v. Eulenburg Jan v. Wendelstadt versetzte, hat er sich nicht wieder erholt. Jan v. Wendelstadt starb am 27. Juli 1909 auf Schloss Neubeuern im Alter von nur 53 Jahren.

Im Fenster Gräfin Ottonie von Degenfeld

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Leichenzug Jan von Wendelstadt Juli 1909

Das Familiengrab in Altenbeuern

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Freiherr Jan von Wendelststadt Gemälde von Franz von Lenbach (heute noch im Schlossbesitz) Der reisefreudige Freiheit träumt von Ägypten Gästebuch Band III Maler Josef Pepino Erinnerungen an Onkel Jan von Marie Therese Miller-Degenfeld

Meine Mutter hat mir oft erzählt, was für ein freundlicher Mann Onkel Jan war und wie sehr er ihr nach dem Tod meines Vaters geholfen hat. Jans Mutter hat einige ihrer seltsamen Gene an Jan weitergegeben. Sie war eine holländische Adelige. Jan hatte ihr ein schönes Zimmer im Schloss einrichten lassen. Sie war aber nicht oft im Schloss, da sie ständig auf Reisen war. Eins ihrer seltsamen Steckenpferde war die Unterschrift berühmter Kriminalisten zu sammeln.

Da Jan viel reiste, hatte er Freunde in der ganzen Welt, die ihn auch in Neubeuern besuchten. Um 1885 besuchten ihn englische Freunde, die auf dem Weg nach Neapel waren, um dort für eine Weltreise an Bord zu gehen. Jan brachte sie von Neubeuern mit der Kutsche nach Kufstein, wo sie den Zug nach Rom erreichen wollten. Auf dem Weg dahin kam ihnen die Idee die Kutsche nach Hause zu schicken und mit ihnen in den Zug zu steigen. Er willigte ein sie bis Innsbruck zu begleiten. In Innsbruck baten ihn seine Freunde erneut sie weiter zu begleiten. Daraufhin buchte Jan auch den Nachtzug nach Rom. Nach einer Woche in Rom reisten sie weiter nach Neapel um das Kreuzfahrtschiff zu erreichen. Für Jan war das Schiff so verlockend, das er eine freie Kabine buchte und seine Freunde auf der Weltreise begleitete. Damals konnte man noch ohne Pass reisen und man konnte mit einer Art Kreditkarte weltweit Geld abheben. Ich hoffe er hatte wenigstens seinen Majordomus in Neubeuern informiert, dass er längere Zeit abwesend sein würde.

Als sie Siam erreichten, wurde mir erzählt, ging Jan zu einer englischen Bank um Geld zu holen. Zu seinem Erstaunen kannte der Bankier seinen Namen und wusste das er ein Schloss in Bayern besaß. So klein ist die Welt.

Die orientalische Kunst in China und Japan begeisterte ihn so sehr, dass er eine regelrechte Einkaufstour machte: Chinesische Bronzen und Japanische Schirme wurden nach Europa verschifft. Durch Onkel Jans Reise bin ich nun glückliche Besitzerin von einigen orientalischen Wertgegenständen, die sich nun auf der Yule Farm in Virginia befinden.

Marie-Therese mit ihrer Tante Julie – mit ihrer Mutter Ottonie – Yule Farm Virginia Quelle:

Marie Therese Miller-Degenfeld: Memoirs of Marie Therese Miller-Degenfeld, An international Life in the Twentith Century, Trafford, Victoria 2005 ISBN 1-4120-9569-7, S. 64-65 Frei übersetzt und ergänzt: Reinhard Käsinger, Schloss Neubeuern Oktober 2007

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Brunnenweihe Juli 1912 Gästebücher Schloss Neubeuern Band V Stiftung von Freifrau Julie von Wendelstadt zur Erinnerung an den großen Gönner von Neubeuern Freiherr Jan von Wendelstadt

Jan v. Wendelstadt und seine Frau Julie blieben in Neubeuern unvergessen. Schon kurz nach seinem Tod stiftete Julie v.

Wendelstadt einen Brunnen auf dem Markt von Neubeuern mit der Inschrift:

„Ihrem steten Wohltäter Jan Freiherr von Wendelstadt, Schlossherr auf Neubeuern, bezeugt für alle Zeiten an dieser, seinem Gedächtnis gewidmeten Stelle liebevolle und dankbare Verehrung die Neubeurer Marktgemeinde."

Text aus:

Georg Berghausen M.A.: Die Geschichte der Familie Wendelstadt, Privatdruck Köln 2000, S. 105-113 Hrsg. Dieter Wendelstadt

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Die Wendelstadt Eiche im Totenwöhr mit Gedenkstein am Weg zum Hochstrasser See

Erlöserkirche 1907

Wendelstadt Gestühl mit Wappen in der evangelischen Erlöserkirche in Rosenheim

https://www.stadtarchiv.de/stadtgeschichte/rosenheim-im-wandel-der-zeit/detailseite/timeline/detail/die-evangelisch-lutherische-erloeserkirche/

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