Berner Fachhochschule Technik und Informatik Christian Renken
Kompetenzgruppenleiter PVOB Jlcoweg 1
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16. Juni 2016
Prüfbericht: Minderleistung bei ReneSola Virtus 255Wp Solarmodulen
Ausgangslage
Die PV-Anlage auf dem Privathaus von Herrn Sandro Bucher wies Minderenergieerträge nach nur 2-jähriger Betriebszeit auf. Die Aufdach-PV-Anlage besteht aus zwei Teilanlagen auf dem Süd- und Nordsteildach mit 30° Neigungswinkel. Der verwendete Solarmodultyp ist ReneSola Virtus 255Wp. Die 5.87kWp Süddachanlage mit 23 Solarmodulen unterteilt in 2 Strings zu je 11 und 12 Solarmodulen wurde im Juni 2012 in Betrieb genommen.
Zwischen Oktober und Dezember 2013 wurde eine weitere 8.42 kWp-Anlage mit 33 Solarmodulen auf dem Norddach installiert. Diese PV-Anlage verfügt über 2 Strings mit je 16 und 17 Solarmodulen. Beide PV-Anlagen verfügen jeweils über einen Kostal Piko 5.5 Wechselrichter.
Bei der neueren Anlage auf dem Norddach wurde nach nur kurzer Betriebszeit eine zu grosse Differenz zwischen den beiden Stringspannungen mit Hilfe des Monitoring-Systems festgestellt. Die Differenz betrug im MPP ca. 100V anstatt der typischerweise ca. 30V. Fünf Module konnten eruiert werden, deren elektrische Spannung eine Differenz zu den
Angaben des Herstellers aufwiesen. Das PVLab hat diese fünf Solarmodule zur Prüfung erhalten.
Der verwendete Solarmodultyp: ReneSola Virtus JC255M-24/Bbv
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Prüfung mit Solarmodul-Flasher
Die fünf Solarmodule wurde mit dem neuen Solarmodul-Flasher des PVlabs geprüft.
Bei einem Modul wurden die Bypassdioden temporär aus der Anschlussdose entfernt und auf Defekte geprüft. Die Prüfung hat ergeben, dass alle Bypassdioden voll funktionsfähig sind. Im Weiteren wurden beim selben Modul die drei Teilstings mit je 20 Siliziumzellen einzeln geflasht. Bei den übrigen vier Modulen wurde ausschliesslich die typische Messungen des gesamten 60-Zellenstings durchgeführt.
Alle Messresultate tabellarisch zusammengefasst:
Strom-Spannungskennlinie des Renesola Virtus JC255M-24/Bbv – Seriennummer:
F3154512092101002, gemessen am 12.5.2016
Die Strom-Spannungskennlinien aller geprüften Module befinden sich im Anhang.
Pmax [W]
Δ Pmax*
[%]
η - Solarmodul [%]
Strom Impp [A]
Δ Impp*
[%]
Spannung Umpp [V]
Δ Umpp*
[%]
Strom Isc [A]
Δ Isc*
[%]
Spannung Uoc [V]
Δ Uoc*
[%]
Herstellerangaben 255.0 15.7 8.43 30.30 8.98 37.40
Seriennummer
F3154512092101002 200.3 -21 12.3 7.58 -10 26.41 -13 9.03 1 37.00 -1
F3154512092101037 145.2 -43 8.9 6.42 -24 22.62 -25 9.02 0 34.98 -6
F3154512092102288 136.5 -46 8.4 6.11 -28 22.34 -26 8.92 -1 34.58 -8
F3154512092301145 203.5 -20 12.5 7.20 -15 28.25 -7 9.01 0 37.14 -1
F3154512092102445 129.5 -49 8.0 5.60 -34 23.13 -24 8.85 -1 34.99 -6
F3154512092102445 S1 37.6 5.11 7.36 8.45 11.54
F3154512092102445 S2 52.1 6.03 8.64 8.91 11.99
F3154512092102445 S3 38.7 5.31 7.28 8.48 11.37
*) Abweichung der Messwerte zu den Hersteller-Spezifikationen
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Prüfung mit IR-Kamera
Auf Grund der Minderleistung der Solarmodule, wurden weitere Prüfungen mit einer IR- Kamera durchgeführt. Die IR-Messungen geben Aufschluss über die leitfähigen und die inaktiven Flächen der Siliziumzellen im Solarmodul.
Zur Durchführung der Messung wurde kurzzeitig eine Rückbestromung von ca. 9 A, dies entspricht dem Kurzschlussstrom des Moduls, vorgenommen. Durch die Rückbestromung erscheinen die leitfähigen Bereiche der Siliziumzellen in einer orange / gelben Farben und die schlecht oder nichtleitende Bereiche in einem blauen / violetten Farbton.
Wärmebild des Renesola Virtus JC255M-24/Bbv – Seriennummer: F3154512092102445 Geflasht: Pmax = 129.5Wp, Messung vom 23.5.2016
Wärmebild des Renesola Virtus JC255M-24/Bbv – Seriennummer: F3154512092301145 Geflasht: Pmax = 203.5Wp, Messung vom 23.5.2016
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Resultate und Bewertung
Alle fünf Solarmodule weisen massive Leistungsverluste in Höhe von 20% – 49 % auf. Die effektiv gemessenen Modulleistungen unterschreiten alle die garantierte Mindestleistung des Herstellers. Sichtbare äussere Schäden konnten an den Solarmodulen nicht festgestellt werden. Die Prüfungen der 6 Bypassdioden des Moduls mit der Seriennummer:
F3154512092102445 waren ebenfalls negativ - Schäden konnten nicht festgestellt werden. Die Anschlussdose wies jedoch Anzeichen von Feuchteeintritt auf, die aber nach Einschätzung keinen Bezug zu der Minderleistung hat.
Die Messungen mit dem Flasher haben ergeben, dass der Kurzschlussstrom ISC und Leerlaufspannung UOC praktisch keine Differenzen zu den Herstellerangaben aufweisen.
Aus dem Grund können vollständige Zellendefekte ausgeschlossen werden.
Im MPP wurden dagegen beim Strom IMPP und bei der Spannung UMPP deutliche
Abminderungen festgestellt. Die Füllfaktoren betragen nur noch 41% - 60%, d.h. unter Last nehmen die Verluste im Halbleitermaterial der Zellen zu.
Die Messungen mit der IR-Kamera zeigen, dass die Leitfähigkeit der einzelnen Siliziumzellen sehr grosse Differenzen aufweist. Am Modul mit der Seriennummer F3154512092102445 sind diese Differenzen besonders gut erkennbar. Die äusseren Strings weisen demnach eine schlechtere Leitfähigkeit auf, als der mittlere String. Die Messungen der drei Teilstrings mit dem Flasher bestätigen die IR-Aufnahmen, da die aussenliegenden Teilstrings nur 37.6 Wp resp. 38.7 Wp liefern und der mittlere Teilstring 52.1 Wp.
Die Prüfungen der ReneSola Virtus JC255M-24/Bbv weisen auf Defekte an den
Siliziumzellen hin. Kontaktierungsprobleme an den Lötstellen der Siliziumzellen und der Anschlussdose und den damit einhergehenden Hotspots, sowie Defekte an den
Bypassdioden können nach den vorliegenden Messergebnissen ausgeschlossen werden.
Eine zusätzliche Prüfung der Solarmodule mit einem El-Messgerät könnte weitere Informationen über den Zustand der Siliziumzellen liefern. So kann geklärt werden, ob Mikrorisse in den Siliziumzellen oder sogar unterbrochene Teilflächen vorhanden sind.
Das PVLab wird sich voraussichtlich noch im 2016 eine solches Gerät anschaffen. Die Fortführung der Prüfungen an den fünf Modulen wäre dann von Seiten der BFH möglich und von Interesse.
Die Resultate werfen weiteren Fragen auf, die am Beispiel dieser PV-Anlage untersucht werden sollten:
1. Sind weitere Module der PV-Anlage von dieser Degradation betroffen oder handelt es sich hierbei um produktionsbedingte Einzelfälle?
2. Waren die betroffenen Module besonderen äusseren Einflussfaktoren ausgesetzt, wie z.B. Teilbeschattungen, Hitze, etc.?
3. Liegt eine Leistungsminderung aufgrund von PID (Potential Induced Degradation) vor? Diese Annahme ist nach neuster Erkenntnis die wahrscheinlichste. Zu klären wäre, ob die Leistungsminderung reversibel wäre.
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Anhang
Strom-Spannungskennlinie des Renesola Virtus JC255M-24/Bbv Seriennummer: F3154512092101002, gemessen am 12.5.2016
Seriennummer: F3154512092101037, gemessen am 12.5.2016
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Seriennummer: F3154512092102288, gemessen am 12.5.2016
Seriennummer: F3154512092301145, gemessen am 12.5.2016
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Seriennummer: F3154512092102445, gemessen am 12.5.2016
Seriennummer: F3154512092102445, gemessen am 12.5.2016, Gesamtleistung des Moduls & Teilleistung von jeweils 20 Siliziumzellen (Teilstring)