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„Muss ich erst schreien, bis was passiert?“ Das

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Q-rage

Muss ich erst schreien , bis was passiert? Editorial • Kinder und Jugendliche sind politisch. Sie wollen Verantwortung übernehmen. In der Schule, der Jugendeinrichtung, aber auch im Stadtteil oder der Kommune.

Q-rage ist die Zeitung von „Schule ohne Rassismus –S chule mit Courage“ .S ie ist eine Plattform von und für Jugendliche, die sich im Bereich der Menschenrechtsarbeit engagieren. 16 SchülerInnen im Alter von 15 bis 20 Jahren erstellten diese Ausgabe in

drei Wochenendseminaren seit Mitte September. Sie kommen aus Berlin, Pirna, Waldendorf (Sachsen), Oranienburg, Chemnitz, Bremen, Schleusingen, Hennigsdorf und Rastede.

„Muss ich erst schreien, bis was passiert?“ Das

ist der Slogan, unter dem Chemnitzer Jugendliche um die Einrichtung eines Jugendparlaments kämpfen. Ein Weckruf für eine alternde Gesellschaft, die vielerorts vergessen hat, dass die Ungeduld der Jugend Motor gesellschaftlicher Entwicklung ist. Die Redaktionsgruppe hat dieses Motto zum Titel der diesjährigen Ausgabe von

Q-rage gewählt.

Die Zeitung des größten Schulnetzwerks in Deutschland

www.schule-ohne-rassismus.org Ausgabe • 2

30. November 2006

Klassenkampf

in Waldenburg SEITE 2 Wer hat Angst

vorm bösen Mullah SEITE 4

Jugendarbeit im

Hosentaschenformat SEITE 6 Die vergessenen

Holocaust-Opfer SEITE 10

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2 • Q-rage 30. November 2006

Berlin • Seit dem8. Mai 2006 ist die Dathe-Schule in Berlin-Friedrichshain eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Ihr Pate istHertha BSC. Am 21. Oktober beteiligte sich Hertha an der Antirassismuswoche der Fuß- ball-Bundesliga. Zwei Schüler der Da- the-Schule wurden von ihrem Paten Hertha BSC zum Spiel gegenBorussia Mönchengladbach eingeladen, um in der Halbzeitpause im Mittelkreis des Spielfelds ein Interview über ihre Akti- vitäten als Schülerinnen und Schüler gegen

Rassismuszugeben.DieserAuf- tritt wurde auf die Stadionleinwand übertragen und so von mehr als 43.000 Zuschauerinnen und Zuschau- ern verfolgt.

Neonazis attackier en SchülerInnen des Eur ogymnasiums .R as sismus oder ein Au sd ruck so zialer Spannungen?

Wie kann eine gemeinsame

Erinnerungskultur im Einwanderungsland

Deutschland aussehen? Die Fr

age ist offen. „Erinnern, Gedenken, Verantwortung –

Gedenkkultur in der Einwanderungsgesellschaft“ lautet deshalb ein Projekt, das die Bundeskoordination von „Schule ohne Rassismus“ derzeit durchführt. FOTO: METIN YILMAZ

Klassenkampf in W aldenburg

Erinnerung an Brandanschlag

SOR-SMC und Hertha BSC

AmMontag,den30.Oktober2006 wurdeauseinerharmlosenFe- rienende-Partyimsächsischen StädtchenStollbergeinAlbtraum fürdieFeiernden.GegenelfUhr amAbendwurdedieFeiervonei- nerGruppeGlatzenüberfallen. DieNazisbrachendieTüraufund schlugenwahllosaufdiezehnfei- erndenMädchenundJungenein. VorbeilaufendePassantenzeig- teneinetypischdeutscheReak- tion:Ichsehenichts,ichhöre nichtsundichsagenichts.Nurein RentnerzeigteZivilcourageund riefdiePolizei. ZweiJugendlicheimAltervon15 und16JahrenwurdenmitVerlet- zungeninsKrankenhauseingelie- fert.DieÜberfallenenwarenalle SchülerdesEurogymnasiumsim nahegelegenenWaldenburg. EswarnichtdasersteMal,dass SchülerdieserSchulevonRechts- extremenangegriffenwurden.So auchunserRedaktionsmitglied GregorS.(18). Q-rage:Gregor,wiefühltsich dasan,wennmanvonNazisange- griffen wird? GregorS.:Natürlichhatman Angst.Manweißjanicht,wasnun kommt,wiemanreagierensoll. DubesuchstdasEurogymnasi- uminWaldenburg.Dasisteinein- ternationaleSchule.Gabesda schonmalvergleichbareSchwie- rigkeiten?

Ja.2001wurdeunsereSchulevon einemTruppNazisheimgesucht. Was ist passiert? Sieversuchten,unserInternatzu stürmen.Beiunssindjavieleaus- ländischeSchüler,siekommen ausChina,Vietnam,Spanienoder Ungarn.DieNaziswolltenunszei- gen,dassdieseLeuteinihrenAu- gennichtsinWaldenburgzusu- chenhaben. WiehatdieStadtaufdenVorfall reagiert? Wie die Schule? Siereagiertengeschockt,aberver- schwiegen. HabensieumdengutenRuf der Stadt gefürchtet? DieStadthattevorwiegendAngst, dassbeiAktionengegendieRech- tennurnochmehrkommen.Aber ichpersönlichfindedasfalsch. UnsereSchulesprichtsichseit JahrenfürToleranzundgegen Rechtsextremismusaus.Aber wennetwasKonkretespassiert, dannklemmensiedenSchwanz einundlaufenweg. Waswäreeineangemessene ReaktionaufdieÜbergriffeseit 2001 bis heute? Manmüssteganzoffensivindie Öffentlichkeitgehen.Wirmüssen zeigen,dasswirzuunserem Schulversprechenwirklichstehen undesnichtnuraufdemPapier steht. WielautetdasSchulverspre- chen?

WirnennenunsSchuleohneGe- waltundmitToleranz. Seit2004seitihreine„Schule ohneRassismus–SchulemitCou- rage“.HatdasmehrMummund EntschiedenheitindieSchulege- bracht? Ja.DieengagiertenSchülerhaben sichinihrerMeinungbestätigtge- fühlt,weilderTitel„Schuleohne Rassismus–SchulemitCourage“ nachaußengetragenwird.Esgab einenriesigenMedienrummel umdieTitelverleihung.Sebastian KrumbiegelvondenPrinzenist unserPate.UndderSenderViva hatdasGanzeaufgezeichnet.Das legtdieMesslattehöher. Könnensichdievietnamesi- schen,chinesischenundanderen ausländischenSchülerInnenun- befangeninderStadtbeziehungs- weise im Umland bewegen? Ja,aufjedenFall. Dasheißt,dieAngriffeder RechtsextremenaufSchülerInnen desEurogymnasiumshabenweni- gereinenrassistischenHinter- grund.SeitihrZiel,weilihrver- meintlich sozial privilegiert seid? Ja.DerNeidfaktorspielteinegro- ßeRolle. Wie äußert sich der Neid? DurchalltäglichePöbeleienwie „Scheiß-Bonzenkinder“undÄu- ßerungenwie„Ihrhalteteuch wohlfürwasBesseres?“oder „WiedersoeinAssivomEurogym- nasium“. Undunterscheidetihreuchvon diesenJugendlichentatsächlich so stark? ImGrundegenommennein,das sindgenausojungeMenschenwie wir.DerUnterschied:Unswird vonunserenElterneineinihren AugenbessereSchulbildunger- möglicht. WeileureElternwohlhabender sindalsdieElternderRechtsextre- men? Ja,sicherlich.DieElternderKin- der,dieÄrgermachen,sindmeist arbeitslos.Einigevonihnenarbei- teninderStadtundimUmland alsEin-Euro-Kräfte.Sieputzen, sammelnLaub.Ichdenke,ihre KinderhabendasGefühl,dassdie Stadtsieausbeutet.Natürlich sindnichtalleJugendlichender Stadtso,einigeschaffenden Sprung,siestudierenundbewei- sen,dassesauchandersgeht. DochdieseFällesinddieAusnah- me. UndwasarbeitendieElternder SchülerInnendesEurogymnasi- ums Waldenburg? SiesindSelbstständige,Beamte, Angestellte.SiesindindenAugen deranderenalsowohlhabende Bonzen,dassauchunsereEltern hartdafürarbeiten,sehendieJu- gendlichennicht,odersiewollen esnichtsehen. GibtesauchSchülerInnenaus Arbeiterfamilien? Ja,dennesgehtanunsereSchule nichtumdasEinkommenderEl- tern,sondernumdieLeistungder SchülerInnen. KennstduFälle,indenenKin- derausArbeiterfamiliengehän- seltwerden,weilsienichtdierich- tigen,dieangesagtenKlamotten tragen?

Nein,dasgibtesanunsererSchu- lenicht.UnsereSchulordnung schließtauchdieseArtvonDiskri- minierungaus.Wennentspre- chendeBemerkungenfallensoll- ten,werdensiesanktioniert.Zum BeispieldurcheinElterngespräch oderauchVerweise. WiewürdestdudieSpannun- genzwischeneuchunddenrech- tenJugendlichenbezeichnen?Als FormvonKlassenkampfoder Form von Kulturkampf? Esspieltvonbeidemetwashinein. AberdaszentraleProblemistdie sozialeZugehörigkeit. WelcheMöglichkeitensiehst du,dieseSpannungeninWalden- burg abzubauen? Ichdenke,esisteineauswegslose Situation,denndiegroßeUnter- nehmengehenindenWesten. DergrößteArbeitgeberbeiunsist Volkswagen.Früherwurden BandarbeitermitMittelschulab- schlusseingestellt,heutesindes jungeMenschen,dieeinenAbi- tur-Notenschnittvon1,5haben. Undwasmachendiemit Haupt-oderMittelschulab- schluss? EntwedersiefindeneinAusbil- dungsunternehmen,odersiege- henindenWesten,odersiesitzen arbeitsloszuHause. WosiehstdudeineZukunft?Im OstenoderimWestenderRepu- blik? InBerlinoderHamburg. Undwaswirdausdemschönen Waldenburg? Eswirdweiterhinbekanntsein durchdieAusnahmeschuleEuro- gymnasium,aberdieSituation aufdemArbeitsmarktwirdsich hiernichtmehrändern.

Schule ohne Rassismus muss sein, we ildie Deuts chen eigen tlich ein ausländer freundliches Vo lk sind und Ra ss isten deshalb die Ro te Kar te se hen so llen. Wir sind ein freies ,o ffenes und bun tes Land, Au sländer sind gleichbe- re ch tigte Mitglieder uns er er Ge- se lls chaf t; sie haben ein Re ch ta uf die Ac ht ung ihr er Wü rd eu nd ihr er grundlegenden Mens chenr ech te . In uns er em Staat gilt deshalb: null To ler an zf ür Has su nd In tole- ra nz . Pe ter Müller

(CDU), MinisterpräsidentdesSaarlands; seitdem25.6.2005Pateder GesamtschuleTürkismühle,Saarland

Schwandorf • Am27. Juni 2006 wird das berufliche Schulzentrum Oskar- von-Miller im bayrischen Schwandorf von ihrem Paten, dem Liedermacher Hans Söllner, als „Schule ohne Rassis- mus – Schule mit Courage“ ausge- zeichnet.DieStadthatinderjüngeren deutschen Geschichte traurige Schlag- zeilen geschrieben. In einem Brief an dieBundeskoordinationschreibendie SchülersprecherinHasretAtasundder Projektkoordinator Günter Kohl: „In derNachtvom16.aufden17.Dezem- ber1988steckteder19-jährigeAuszu- bildendeJosefSaller,einstadtbekann- ter Neonazi, aus fremdenfeindlichen und rassistischen Gründen in der Schwandorfer Innenstadt ein Haus in

Die alte T öpf ers tadt W aldenbur g liegt im Landkr eis Chemnitz er Land an der Z wick auer Mulde . Die Stadt zählt 4.500 Ein wo hner , 500 w eniger , als noch v or zw an zig Jahr en. Bes onderheit v on Wa ldenbur g is t das Eur opäis che G ymnasium, eine Schule in fr eier T rägers chaf t. Die SchülerInnen ko mmen aus China, Vie tnam, den USA , Ungarn, Spanien und natürlich Deuts chland. Seit 2 004 is t das Eur opäis che G ymnasium „ Schule ohne R as sismus – Schule mit C our age “. Mehr z u der Schule un ter:

www.eurogymnasium-waldenburg.de

Brand, in dem vorwiegend Türken wohnten. Durch den Brandanschlag verloren vier Menschen ihr Leben – drei Türken und ein Deutscher. Der Auszubildende war zu jener Zeit Schü- ler an unserer Schule. Seit dem da- maligen schrecklichen Ereignis ver- suchen bei uns Lehrerinnen und Leh- rer, ihren Schülerinnen und Schülern das menschenverachtende Potenzial einer Weltanschauung vor Augen zu führen, die keine Achtung vor der Würde des anderen besitzt und auch vor gemeinen Mord nicht zurück- schreckt.SeiteinigenJahrengeschieht diesinFormvonProjekten,indieviele

Schülerinnen und Schüler eingebun- den sind.“

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Punkt 1 der Selbstverpflichtung einer SOR-SMC-Schule: „Ich werde mich dafür einsetzen, dass es zu einer zentralen Aufgabe meiner Schule wird, nachhaltige und langfristige Projekte, Aktivitäten und Initiativen zu entwickeln, um Diskriminierungen, insbesonder

e Rassismus, zu überwinden.“ FOTO: METIN YILMAZ Chemnitz,Zentralhaltestelle. DreiSchüler,vierStudentenund 17RentnerbesteigendenBus RichtungYorkgebiet.DieFahrt wirdzurZeitreise.NachjederHal- testellewerdendiePassagiereäl- ter.KurzvordemChemnitzer StadteilYorkgebietistauchder letzteJugendlicheausgestiegen. AnderEndhaltestellesitzennur nochRentnerimBus. Chemnitzverliertmehrund mehrJugendliche.Sobaldsichdie Gelegenheitbietet,kehrenviele vonihnenderStadtdenRücken. 20ProzentseinerEinwohnerhat Chemnitzindenletzten15Jahren verloren.„DieStadtisttot“,singt dieChemnitzerBandMeniak. Niemand widerspricht. EinDrittelderChemnitzerist über60Jahrealt.Jugendlichezwi- schen15und25sindMangelware. Nochistesnichtso,dassmansich persönlichkenntundperHand- schlagbegrüßt.Aberdieknapp 30.000Jugendlichensindgegen- überden80.000Älterenklarinder Minderheit.„WirwollenmehrBe- achtung“,sagtesicheineGruppe

15-bis27-Jähriger,„wirmüssen zeigen, das es auch uns gibt.“ SeitüberneunMonatenringen deswegendie20Aktivenumdie EinrichtungeinesJugendparla- ments.WennesumSchulschlie- ßungundJugendclubsgeht,dann wollensiemitbestimmen–und zwarrichtig.ÜberdasJugendpar- lamentsollendieIdeender„Ju- Pas“,derjungenAbgeordneten,in denStadtrateingebrachtwerden. DieechtenAbgeordnetenmüss- tensichdannmitdiesenAnträgen auseinandersetzen. DasJugendparlament,alsge- wählteVertretungderChemnitzer Jugendlichen,kannaucheineAn-

Jungabgeordnete mischen „Stadt der Alten“ auf Jugendliche kämpf en in Chemnitz um eine ech te Jugendv er tret ung im Stadtr at. Sie w ollen miten ts cheiden – be vo r ihr e 250 .0 00-Ein wo hner -S tadt v öllig v er gr eis t

laufstellefürdieStadträtesein. „WennesumSchulschließung geht,werdenallemöglichenEx- pertenbefragt–nurdieSchüler nicht“,kritisiertTinaKreller(17) vonderGründungsinitiative.Mit demJugendparlamentbekämen sie eine eigene Stimme. ÜberdaskünftigeJugendparla- mentinChemnitzwurdeüberMo- natehinwegvieldiskutiert.Pas- siertistwenig–wasabernichtan denJugendlichenliegt.DieChem- nitzerVerwaltungstehtdemPro- jektablehnendgegenüber.Dort istmansichbereitsvordemStart sicher:„SolcheProjektestehen undfallenmitaktivenLeuten.

WennmanJugendlicheindie Pflichtnimmt,verebbtderWille zurMitarbeitoftschnell“–denkt jedenfallsHolgerPethke,Jugend- amtsleiter in Chemnitz. Ererinnertsichdabeianden Kinder-undJugendbeirat,der einstinChemnitzexistierte.Den BeirathattenSchülerzusammen mitderStadtvorfünfJahrenins Lebengerufen,umJugendlichean derStadtpolitikzubeteiligen.Er existiert noch – auf dem Papier. RonnyWinkler,Exmitglieddes Jugendbeirats:„AmAnfanghat derBeiratdurchauseinigeErfolge errungen.Allerdingshaterzuwe- nigUnterstützungbeiderBear- beitungdervielenBeschlussvor- lagenerhalten.InderFolgelang- weiltensichdieJugendlichen,und dieAktivitätenschliefenein.“Ähn- lichsiehtdasAndreasBochmann, RathaussprecherinChemnitz: „DurchzustarkformalisierteBetei- ligungwurdendieJugendlichen damalsüberfordert.Beieinerzu- künftigenZusammenarbeitsollte das vermieden werden.“ ImGegensatzzuBochmann glaubtdieVerwaltungnichtan eineWiederbelebung.DasJugend- amthatmitdenJugendlichenganz anderePläne.Stattverbindlicher MitarbeitsollesnachihremWillen nurberatendeZuarbeitgeben. AmtsleiterPethkestelltsichdasso vor:„IhrstelltmireineListemit20 JugendlichenausJugendclubszu- sammen,diesichfürdenStatus ‚fachkundigerEinwohner‘interes- sieren.“Vierdavonwerdendann bei Bedarf um Rat gefragt. WasPethkewill:DerStadtratbe- stimmt,werindenAusschüssenals VertretungderJugendlichensitzen soll.DieGründungsinitiativeJu- gendparlamentmeintedagegen:

„DashatnichtsmitDemokratiezu tun–undschongarnichtmitei- nemJugendparlament.“Sielehn- ten dankend ab. NachdemFloppmitderChem- nitzerVerwaltungsuchendieJu- gendlichenneueBündnispartner unterdenParteiendesStadtrats. Zurzeitverhandelnsiemitderneu- gewähltenOberbürgermeisterin BarbaraLudwig(SPD).Immerhin sprachsiesichschonimWahl- kampffüreinJugendparlament aus:„IchunterstützedieIdeeeines Jugendparlaments.Voraussetzung füreinJugendparlamentistaber nicht,dassdieVerwaltungoderdie Oberbürgermeisterindaswill,son- derndieJugendlichenmüssenes wollen.“ BarbaraLudwighatinzwischen bekräftigt:DasWahlversprechen wirdumgesetzt,eswirdeinJu- gendforumbeimStadtparlament Chemnitzeingerichtet.„Endlich gehtesvoran“,freutsichGrün- dungsinitiativenmitgliedTina Kreller.AS www.jupa-chemnitz .de

Bremen schafft’s, Chemnitz schlaff

Jugendparlament: Schluss mit Hinhalten! we ilwir alles daf ür tun müs se n, das sF re mden fe indlichk eit bei uns ke ine Chanc eh at. Das Pr ojekt ist das bes te Beispiel daf ür ,d as sT ole- ra nz und Re spekt vo re inander erns tg enommen wir d. Beate Me rk

(CSU), JustizministerininBayern;seitdem 24.3.2006PatinderStaatlichen BerufsschuleNeu-Ulm,Bayern

Ich unterstütze Schule ohne Rassismus,

Seit über neun Monaten kämpfen Jugendliche in Chemnitz um ein Jugendparla- ment.Vergeblich.VerantwortlichdafüristeineVerwaltung,dieimmerneuebüro- kratische Hürden aufbaut. Neun Monate – für Jugendliche ist das eine verdammt langeZeit.MankannJugendliche,diebereitsind,sichfürihreStadtzuengagieren, nicht monatelang hinhalten. Sie müssen Veränderungen und Entwicklungen se- hen, sonst verlieren viele die Geduld. Nicht die Jugendlichen müssen sich umstellen, sondern Verwaltung und Politik. Wir Jugendlichen werden in ein paar Jahren diese Demokratie übernehmen. Wie sollen wir sie leben und gestalten, wenn wir nie die Gelegenheit bekommen ha- ben, sie auszuprobieren? Sollen wir die verschiedenen politischen Systeme – da- mals und heute – nur stur einpauken? Funktioniert so die Demokratie? Politiker jammern über die Politikverdrossenheit. Gleichzeitig aber ignorieren sie dieJugendlichen,diewirklichetwasbewegenwollen.SiemüssenJugendlicheals mündige Bürger wahrnehmen und sie in politische Entscheidungsprozesse einbe- ziehen. Chemnitz wird zum Altenheim. Ein Jugendparlament könnte die Stadt für jungeMenschenwiedereinwenigerattraktivermachen.Gewinnerwärenbeide– Jung und Alt.AS „Stadt ohne Rassismus“. Was bisher geschah: Im Oktober 2004 startete in Chemnitz undBremendasProjekt„UnsereStadt ohne Rassismus“. SchülerInnen aus den beteiligten SOR-SMC-Schulen in beiden Städten erarbeiteten bis An- fang 2006 eine Nichtdiskriminierungs- agenda, die die Politiker darauf ver- pflichten sollte, in ihrer Stadt gegen jede Form von Diskriminierung enga- giert vorzugehen. Ziel des Projekts war:70 Prozent aller Abgeordneten des städtischen Parlaments unter- schreiben diese Agenda. Im Gegenzug überreichen die SchülerInnen den Ver- tretern der Stadt den Titel„Unsere Stadt ohne Rassismus – Unsere Stadt mit Courage“. In Bremen unterschrieben im Januar 2006 alle84 Abgeordneten der Bür- gerschaft die Agenda. Sie verpflichte- ten sich damit, ab 2006 jährlich einen „Tag der Jugend“ auszurichten, um über die Aktivitäten der rechtsextre- men Szene in Bremen zu informieren. Am11. Mai 2006 überreichten die SchülerInnendemPräsidentenderBür-

gerschaft,Christian Weber, in einem feierlichen Akt die Plakette„Bremen gegen Rassismus – Bremen mit Cou- rage“,dieheuteinderBremerBürger- schaft hängt. Am 29. September fand erstmals der „Tag der Jugend“ statt. In Chemnitz haben die Vertreter aller demokratischer Parteien unterschrie- ben – bis auf die CDU. Am 7. März er- klärte dieCDU-Stadtratsfraktion in ei- nemoffenenBriefandieJugendlichen: „Obgleich womöglich einige Defizite noch zu beheben sein werden, ist der Kampf gegen Diskriminierung in Chemnitz dank der tatkräftigen Mithil- fe aller Chemnitzerinnen und Chemnit- zerbereitsumfänglichgelungen.Einer gesonderten Antidiskriminierungser- klärungbedarfesdahernachÜberzeu- gung derCDU nicht.“ Auf Grund der harten Linie derCDU wurde der Stadt Chemnitz von den SchülerInnennichtderTitel„Chemnitz ohneRassismus–ChemnitzmitCoura- ge“ verlieren. Denn statt der ange- strebten70 Prozent haben nur 64,8 ProzentderAbgeordnetenunterschrie- ben.AS

Ta tor t Schule Chemnitz • Die Z ahl r ech ts ex tremer Str af taten an Sachs ens Schulen is t deutlich ges tiegen. Re gis trier ten die Ermittler 20 04 noch 100 Delikte aus dem Ber eich „politis ch motivier te Kriminalität re ch ts“ ,s ow ar en es im ve rg angenen Jahr ber eits 151. Sch we rpunkt der re ch ts ex tremen Str af taten an Schulen is t Chemnitz. Hier hätten Ermittler in den v er gangenen Jahr en 2 8 re ch ts ex treme Delikte r egis trier t, ge fo lgt v on Dr es den (21) und L eip zig (17). Dies geh t aus einer aktuellen An tw or t v on Sachs ens Innenminis ter Albr ech t Buttolo (CDU) auf eine An frage der Link spar tei herv or .

30. November 2006 Q-rage • 3

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4 • Q-rage 30. November 2006

„WirsinddasVolk!“,schalltesseit nunmehreinemhalbenJahr durchdenBerlinerStadtteilPan- kow-Heinersdorf.Esisteinviel- stimmigerChor.Erhörtwerden möchtenNazisundRassistenal- lerCouleur,BürgerInnen,Politi- kervonCDUundNPD;sieallewol- lendenBaueinerMoscheever- hindern. DasgeplanteGotteshaus schweißtdiebesorgtenAnwohner zusammen;siehabensichzuei- ner„InteressengemeinschaftPan- kower-HeinersdorferBürger“zu- sammengetan,derIPAHB.Ihr Ziel:DieMoscheesollnichthier- her. Als

dasVorhabenderAhma- diyya-GemeindeimAprildiesen Jahresbekanntwurde,fandsich schnelleineziemlichungeordne- teundaufgebrachteMenschen- menge,dieoffenrassistischüber denIslamundMigrantInnenher- zogen.„Wennichdiesearabi- schenGesichtersehe,istmirdoch allesklar“,hießesda.Oder:„Die wollenwirhiernicht.FahrenSie dochmalnachNeuköllnoder Wedding.“DielokaleBürgeriniti- ativehatdenüberbordendenRas- sismusinbürgerlicheKanälege- leitet. DieIPHABgreiftdieThemen auf,dieseitdenAnschlägendes 11.Septemberallgemeingegen denIslaminsFeldgeführtwer- den.EsgehtumdieUnterdrü- ckungderFrau,dieAblehnung vonSchwulenundLesbenoder denislamischenAntisemitismus. AberdievermeintlicheAufklärung derBürgerinitiativebleibteinsei- tignegativundklammertdie Ahmadiyya-Gemeindeselbstaus. Dassdie1889inIndieninsLeben gerufeneGemeindeselbstZiel- scheibefundamentalistischer Mullahsist,hatimWeltbildder Pankower keinen Platz.

Aktions einheit zwis chen Bür gern und Neonazis

Dabeiistesegal,obmenschunter demDeckmantelderDemokratie seineVorurteileauslebt,oderob eroffenrassistischist.Rassismus istundbleibtRassismus.Das Grundproblemdaranist,dassder vermeintlichcouragierteBürger- protestsichzivilerFormennurbe- dient,umAnschlussfähigkeitan

We r hat Angst vorm bösen Mullah? Der Bau einer Mos chee in ihr em bes chaulichen Stadtteil s tör t viele Ein wo hner im Nor dos ten Berlins . Sie machen mobil gegen Muslime

rassistischeDenkweisenrechts- extremerOrganisationenzuver- tuschen.Trotzdemsinddiesein Heinersdorfputzmunter. AnallenHeinersdorferAuf- märschennahmeinbreitesSpek- trumrechtsextremerOrganisatio- nenausBerlinundUmgebung teil:DieParteiRechtsstaatliche Offensive,die„Republikaner“, derMärkischeHeimatschutzund dieDVU,Kameradschaften,na- türlichdieNPDundeineVielzahl andererneonazistischerAktivis- tInnen.Offiziellversuchtsichdie IPAHBgegen„extremistische Kräfte“abzugrenzen.Aberinder RealitätderDemossinddieArgu- mentederBürgerinitiativeund dieTransparentederRechten ziemlichähnlich.„KeineKreuz- bergerVerhältnisse“forderndie Rechten,AngstvorÜberfrem- dunghabeneinigeAktivistender IPAHB.PolitischVerfolgte,Terro- risten,MuslimeundMigranten- kidslandenunterschiedslosinei- nemTopf.SiewerdenmitTerror, Gewalt,Kriminalitätoder„Sozial- schmarotzertum“inVerbindung gebracht.GrundlagederDiffa- mierungsindjedochnurgefühlte soziale,politischeoderreligiöse Animositäten. UndauchdieCDUsurftgern einbisschenaufderProtestwelle mit.FriedbertPflüger(CDU),der BerlingernalsBürgermeisterre- gierthätte,sprachsichimWahl- kampfgegendenBauderMo- scheeinPankowaus.DieAhma- diyya-Gemeindehabeeinen„mis- sionarischenundfragwürdigen Charakter“,lästertePflüger.Und ließsichauchnichtvonPartei- freundenwieKarlHennigbeein- drucken.DerVorsitzenderdes CDU-OrtsverbandsSchönhauser AlleerietseinemBürgermeister- kandidatenPflüger:„Wirsollten endlichdamitaufhören,Muslime immeralsFremdezubetrachten.“

Islam – Die CDU is t sich s elbs t nich t grün

ProblemezwischenGegnernund GegnernderGegnerdesMoschee- bausbleibenauchnichtaus.Als imAugustlokaleAntifa-Gruppen aufgrundderrassistischenStim- mungsmachezueinerDemoin Heinersdorfmobilisierten,berief dieCDUeineaußerordentliche SitzungdesBezirksparlaments ein.DerAbgeordneteDieterMi- chehlmeintebeidieserGelegen- heit:„LinkeStrukturenunterwan- derndieDemokratie.“Und:„Ju- gendlichenehmenSchadenvon Linken.“DieHeinersdorferBür- gerwurdenaufdieserSitzungzu LeidtragendeneinerKampagne vonMedien,Antifaundlinken Parteienstilisiert.DieCDUver- langte,sichvoneinem„Gewalt- aufruf“der„AntifaWeißensee“zu distanzieren.SteindesAnstoßes wareinDemonstrationsaufruf,in demstand:„Heinersdorfüber- fremden!“Manchestießensich aneinerIllustration,dieeinen aufgehängtenGartenzwergunter derÜberschrift:„Denrassisti- schenMobstoppen“zeigt. UmeinbisschenLichtindas Tohubabowuzubringen,müsste dieZivilgesellschaftaktiviertwer- den.Dochdazubenötigtesmehr Projektewie„SchuleohneRassis- mus–SchulemitCourage“.Wir müssenjetztmitantirassistischen undtolerantenInhalteninterve- nieren,damitwirdieLeutestär- ken,dieaufdiesenMainstream keinen Bock haben.TM

Punkt 2 der Selbstverpflichtung einer SOR-SMC- Schule: „Wenn an meiner Schule Gewalt, diskriminierende Äußerungen oder

Haltungen aus

geübt werden, wende ich mich dagegen und setze

mich dafür ein, dass wir gemeins

am Wege finden, zukünftig einander zu achten.“ FOTO: METIN YILMAZ

Q-rage:HerrStadtkewitz,warum sindSiealsCDU-ChefinBerlin- PankowgegendieMoschee,die hiergebautwerdensoll? RenéStadtkewitz:HierindenBer- linerStadtteilenPankowundHei- nersdorflebenkeineMitglieder derAhmadiyya.Esgabüberhaupt keineEntwicklungdiesermuslimi- schenGemeinde.Dennochsoll plötzlicheinganzesGemeindezen- trumentstehen.Ichfindedasauf- gesetzt.Dasistnichtnatürlich.Ein GotteshausistimmerdasZentrum einerGemeinde,diezuvorgewach- senseinmuss.Diesisthieralles nichtgeschehen,deshalbkönnen dieHeinersdorferBürgerdies nichtakzeptieren. WaswollenSiemitIhremProtest erreichen? DieBevölkerungfühltsichüber- rannt.Ichdenke,dassesganzan- dereMöglichkeitengegebenhätte. Abersowieesgelaufenist,wun- dertesmichnicht,dassdieMen- schendagegensind.Heuteweiß ich,dassdieAhmadiyyadasüber- allinDeutschlandsomachen.Da kannmannachSchlüchternfah- ren,dakannmannachHannover odernachHamburgfahren.Im- merwiedersuchensiesichStand- orte,inGebietenindenenihreMit- gliedergarnichtleben,dienahean einerAutobahnliegen–undüber- allgibtesdiegleichenReaktionen. WieerklärenSiesich,dasssoviele Moscheegegnersichoftrassistisch äußern? Ichweiß,dasssichbeidenDe- monstrationenauchimmerwieder einpaarschwarzeSchafedarunter- mischen,diedagarnichthingehö- ren.IchhabevielmitderBürger- initiativezutun.DieserVereinist nichtrassistisch,dieMitglieder desVereinshabensichvonAnfang ansehrintensivmitdenAussagen derAhmadiyyabeschäftigt.Sie werdenstaunen,wiegutsieinfor- miertsind. BeidenDemosderInitiativePan- kowerBürgerfallenaberimmerwie- derrassistischeÄußerungen.

Siewissenvielleichtselbst,dassdie AhmadiyyavoneinemDeutschenge- führtwird.WiewillmaneinemDeut- schengegenüberrassistischsein? UndSiewissen,dasssichlängst auchdieNPDandenProtestderbra- venBürgerdrangehängthat.Dienutzt dasausfürbraunePropaganda. NPDoder„Republikaner“habenge- schrieben,mansolledieKircheim DorflassenunddieMoscheeinIstan- bul.Dasheißt,diehabennichtmal begriffen,dassdieAhmadiyyaeine BewegungausPakistanundIndien ist.Ichbetone,dasswirunsvonde- nenklardistanzieren. Wiekommtesdann,dassSieCDU- Pressemitteilungenidentischmitde- nenderBürgerinitiativeversenden? Machenwirdas? Ja,undSieunterstützendieInititati- veauchbeiDemos. DieBürgerhabeneinRechtzude- monstrieren.Demonstrationensind einlegitimesMittel,seineMeinung zumAusdruckzubringen.Dasneh- mendieBürgerfürsichinAnspruch, undwirunterstützensiedabei. IstdasnichteinWiderspruchzurRe- ligionsfreiheitundzudenGrund-und MenschenrechtenwiederReligions- freiheit,einfachnurgegendieMoschee zusein? Nein.Esistjanichtso,dassirgendje- mandaufdenGedankenkommt,zu sagen,wirerlaubenderAhmadiyya nicht,ihreReligionauszuüben.Wir wollennurinallerRuheüberdieFra- gediskutieren,obsiefürihrBauvor- habenwirklichdenklügstenStandort gewählthaben.Diesistdochkeine FragederReligionsfreiheit. Siesagen,IhreParteihabeinderMo- scheefragenichtsmitdenRechtsextre- menzutun.IhrehemaligerSchatz- meisterBerndLasinskymarschierte aberaufdenDemosderNPDinderers- tenReihemit. Sofort,alswirdavonerfahrenhaben, wurdemitihmeinGesprächgeführt. ErwarnochamselbenAbendkein MitgliedderParteimehr.Wirwollen nichtsmitderNPDzutunhaben,und diesesPrinzipsetzenwirauchkonse- quentum.INTERVIEW:LT

„Das ist nich t natürlich“ Re né Stadtk ew itz, CDU Berlin-P ank ow , z ur Mo sc hee we ildas Pr ojekt eine stark eP lattf orm fü rK inder und Jugendliche ist, die sich mit dies em Thema aus ei- nanders et ze nu nd sich aktiv gegen alle Fo rmen vo n Diskriminierung engagier en. Thomas Sc haaf ,

CheftrainervonWerderBremen; seitdem2.3.2006PatedesSchulverbundsLesum,Bremen

Ich unterstütze Schule ohne Rassismus,

Q-rage:HerrKraatz,warumsindSie gegendieGegnerderMoschee? MatthiasKraatz:IchbinfürdieAnsied- lungeinerMoscheeinBerlin-Pankow. DieGegnersindmirrelativegal. WelcheRollespieltdieCDUindiesem Konflikt? EinesehrübleRolle,einesehrkonser- vativeundfastschonnationalistische. HarteWorte. Ja,aberichsehedassonegativ,weildie UniondieBevölkerungquasiinihren Urängstenaufstachelt.DiePankower sindsozialineinerkompliziertenLa- ge.IhrArbeitsumfeld,ihresozialen Kontaktewurdeninnerhalbweniger Jahreumgekrempelt.Dannkommt plötzlichsoeinekulturelleHerausfor- derungdurchdenZuzugeinermusli- mischenGemeinde.UnddieCDUhat nichtsBessereszutun,alsinüblerMa- nierdieÄngstederLeuteanzuheizen, anstattüberdieGemeindeaufzuklä- ren,diehiereineMoscheeerrichten will.DassindkeineTerroristen,son- derneinefriedlicheGemeinde,dieein- fachnurihrRechtaufreligiöseSelbst- bestimmungwahrnehmenmöchte. WaskannmangegendieHetzetun? Wirmüssenversuchen,dieaufgeklärte Bürgergesellschaftzuaktivieren. VielleichthandelndiePankowerauch inspiriertdurchdierepressiveMigrati- onspolitikoderdemDeutschlandhype? EsgibtsicherlichLeute,denenes schlechtgehtunddiedasGefühlha- ben,siemüsstendenplakativenFeind- bildernanhängen,dieNPD,CDUund eineBürgerinitiativeverbreiten.Aber voneinemDeutschlandhypezureden, istfalsch.DassindeherVerunsicherte undÄngstlichealsBerauschte. InwieweitspiegeltderKonfliktinPan- kowundHeinersdorfeingesellschaftli- chesKlimawider? DirektvorOrt,dawodieMoscheeent- stehensoll,hatdieRechteihreWahler- gebnissesignifikantverbessernkön- nen,ichmeinedasSpektrumvonder CDUüber„Republikaner“biszurNPD. SchoneinenKilometerweiter,alsoin wirklichkonservativenGegenden,hat dasingarkeinerWeisedurchgeschla- gen.DasistalsoeinsehrkleinerRaum. VoneinemrassistischenKlimazure- den,findeichüberzogen. KannderProtestdenBauderMo- scheeinPankowstoppen? Ichfinde,dieMoscheemussunbe- dingtgebautwerden.DerRechtsstaat musssichdurchsetzengegendie dumpfenRessentiments,diege- schürtwerden.WenndieMoschee nichtgebautwürde,wäredaseinPrä- zedenzfall.MancheLeutewürdenin ihremGlaubenbestärkt,dassman fremdeReligionenunterdrücken kann–eineschwereNiederlagefür dieDemokratie.INTERVIEW:TM

„Die CDU hetzt“ Der Grüne Matthias Kr aatz über die Mos cheegegner

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Q-rage • 5

GröpelingenisteinStadtteilim HerzenBremens.Esistschonlan- geher,dassdieWerft„AGWeser“ dierund35.000Menschendes Stadtteilsernährte.Heutegilt GröpelingenalssozialerBrenn- punkt.DieArbeitslosenquoteist mit28Prozentdreimalsohoch wieimBundesdurchschnitt.Und wennmanernstnimmt,wasviele Bremersoerzählen,liegtderge- fühlteAusländeranteilinGröpe- lingenbei60Prozent.Tatsächlich sindesabernur23,5Prozent.Vie- levonihnenkommenursprüng- lichausderTürkeiundsindMus- lime. DieGläubigenunterihnenbe- suchendieFatih-Moscheeinder Stapelfeldtstraße.DieMoschee, diePlatzfür1.300Gläubigebietet, istvonweitemsichtbar.27,5Me-

terragtdasMinarettindenHim- mel,dreimalamTagruftderMu- ezzin zum Gebet.

„Die T ürk en hier sind eh nur auf Str es s aus“

Nichtalleempfindenwiedie54- jährigeHausfrauUrsula,die meint:„IchfindeMoscheenall- gemeinwunderschön,undmit MuslimenhabichauchkeinePro- bleme.“ Der15-jährigeGymnasiastJan- niszumBeispielfindetkaumein gutesWort,wenndieSpracheauf dieMuslimeimStadtteilkommt: „Ichfindeesdoof,dasseshier eineMoscheegibt,weildieinder TürkeieinenTeufeltunwürden unddaeineKircheaufstellen. UndvondenBesuchernbrauch ichjanichtreden.Dasindbe- stimmtanständigeMenschenbei, dieArbeithabenundnettsind, aberdiemeisten,findeich,sollten liebewiederzurückinihreigenes Landgehen.Denn90Prozentder TürkensindehnuraufStress aus.“ AufStressaussindvorallemdie Neonazis.DierechtsextremeNPD hatfürden4.Novembereinen MarschdurchGröpelingenorga- nisiert,vorbeiamjüdischenAlten- heimundderFatih-Moschee.Ihre Absichtensindklar.Siewollen denUnmutvonJugendlichenwie JannisfürihreZieleinstrumenta- lisieren.OdervonRentnernwie Peter(71),derklagt:Ichwohnedi- rekthinterderMoschee,es kommtoftvor,dassessehrlaut wird.UnddiekleinenTürkenben- gelmachenoftmeinenschönen Vorgartenkaputt,deswegenmag ichdieMoscheeauchnichtso wirklich.Außerdemmachtmich dieserMannaufdemTurmneben derMoscheeziemlichwahnsin- nig,wennderdreimaltäglichlaut irgendwas ruft.“ DieFatih-Moscheeistnichtun- umstritten.Manchebehaupten, sieseieinTreffpunktradikaler Muslime,dasieengmitderum- strittenenOrganisation„Islami- scheGemeinschaftMilliGörüs“ verbundenist,dievomVerfas- sungsschutzbeobachtetwird.Al- lerdingskonntemanbisheutewe- derdenMoscheebesuchernnoch denMoscheebetreiberninBre- menetwasUngesetzlichesnach- weisen.SoisteskeinWunder, dass„Ungläubige“wiederAbitu- rientGökhan(19)meinen:„Ich finde,dassdieMoscheecoolist. IchselbstbinzwarMuslim,gehe abernichtzumBetenhin.DieLeu- te,diedortzumBetenhingehen, sind fast alle nett.“

„W ir alle w ollen die NPD hier nich t haben“

GenausodenkendiemeistenGrö- pelinger.Deshalbsindam4.No- vembervielevonihnenzurGegen- kundgebunggekommen.Mehr als7.000vonihnenhabenden100 RechtsextremendenWegver- sperrtundklargemacht:„Wirwol- leneuchhiernichthaben.“Sieha- bensichanderStadtbibliothekin derLindenhofstraßegetroffen, umzuverhindern,dassdieNPD anderFatih-Moscheevorbeizieht.

UnterdenGegendemonstran- tenwarenvieleAnwohner,Jugend- liche,Familien,Migranten,der DGBundSchülerausSOR-SMC- Schulen.Dasisterfreulich,aber nichtalleJugendlichendenkenso. ImVorfeldkündigtenvielean,sie wolltenamliebstenbeiderNPD mitmarschieren,dasiemitderen Haltungeinverstandenseien.In denGesprächenistspürbar,dass vieleJugendlichemehrProbleme mitTürkenundMuslimenhaben alsErwachsene.Schlimmdaran ist,dasssieoftentwederselbsttür- kischeVorfahrenhabenodertürki- sche,alsomuslimischeFreunde. EsgibtsogareinpaarTürkenim Stadtteil,diesagen,sieseien rechtsextremistischundwollen, dassalleTürkenwiederinihrLand gehen sollen.AM

Schülerin mit 88-T-Shirt Schüler geben Contra

Über zwei Drittel der Aktiven bei Schule ohne Rassismus sind weiblich. Warum? Viele Teilnehmerinnen auf dem Bundestreffen 2006 in Bremen meinten: „Mädchen engagieren sichmehr,weilsievon Natur aus nicht einfach wegschauen können und größeres Interesse haben, die Welt zu verändern“. FOTO: METIN YILMAZ

Bremen •Gül (15) kam vor kurzem aus der Türkei nach Bremen und ist nun in Katis Klasse. Beide haben sich angefreundet. In ihrer Klasse sind zwei Jungs, Tom und Kai, die sie im- merwiederärgern,weilsienochnicht gut Deutsch kann. Darüber regt sich Kati auf. Eines Tages hatte Gül einen Pulli an, auf den die Zahl 88 aufge- drucktist.Siewusstenicht,dassdiese Zahlenkombination für Neonazis „Heil Hitler“ bedeutet. Tom und Fred sind begeistert auf Gül zugegangen und haben zu ihr gesagt, dass sie es total toll fänden, wie gut sie sich

schonangepassthabe.Darüberfreute sich Gül. An dem Tag kam Kati zwei Stunden später zum Unterricht. Gül lief gleich zu ihr und erzählte ganz stolz, dass sie zwei neue Freunde ha- be. Kati hat sich darüber aufgeregt undGülersteinmalerklärt,wasesmit der88 auf sich hat. Gül war so aufge- bracht und wollte sich sofort mit den Jungs schlagen. Kati konnte sie beru- higen und hat den Vorfall einem Leh- rer gemeldet. Die Jungs bekamen eine Konferenz und mussten sich ent- schuldigen. Seitdem sind die beiden nicht mehr auffällig geworden.AM Um sich gegen Propaganda von „Pro Köln“ zu wehren, werden Gymnasiasten aktiv. Köln•InderThusneldastraßeinKöln- Deutz wurde gestern gefeiert. Das dortige Gymnasium erhielt in einem feierlichenAktdenTitel„Schuleohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR-SMC). Auslöser des antirassisti- schenEngagementsderSchülerInnen war im April diesen Jahres ein Flug- blatt der rechtsextremen sogenann- tenBürgerbewegung„ProKöln“.Das Pamphlet wurde auch vor dem Ein- gang des Deutzer Gymnasiums ver- teilt. Unter der Überschrift„Deutsch- land ist geil“ wurde darin mehr oder weniger offen über braune Inhalte schwadroniert. Gegen diese Provoka- tion wollten einige SchülerInnen et- was unternehmen. Eines ihrer Projekte wird ein Straßen- theater sein, erzählt der Schülerspre-

cher und Mitinitiator Lars R. Vier Schü- ler,diesichalsNeonazisausstaffieren, werdeneinenMitschüler,deraufgrund seines Aussehens als Jugendlicher mit Migrationshintergrundzuerkennenist, durch belebte Deutzer Straßen jagen. Dieses Theater soll BürgerInnen zum Eingreifen animieren. Außerdem haben sich SchülerInnen der Oberstufe zusammengefunden, um Unterrichtsmaterialien zu erstel- len.KindgerechtsolldenunterenKlas- senvermitteltwerden,wasRassismus ist. Bislang, so Lars R., werde dieses Thema erst ab der 10. Klasse behan- delt. PatederAktionenistniemandGeringe- resalsderBundesliga-Zweitligist1.FC Köln. Schülersprecher Lars R. will so SchülerInnen ansprechen, die für das Thema Antirassismus nicht so aufge- schlossen sind. Quelle: taz-nrw vom 28. September 2006

we ilsich Schülerinnen und Schüler bei dies em Pr ojekt se lbs tständig und en- gagier tg egen jede Fo rm des Ra ss is- mus und der Fr emden fe indlichk eit we nden; we ilsie auf dies eW eis ev er- mitteln und vo rleben, das ss ie sich nich ta bw enden, we ghör en, zu sc hau- en oder billigend in Kauf nehmen, we nn ander ea uf Grund ihr er Herk un ft oder Haltung Opf er vo nG ew alt we r- den, und we ilsie so lernen und erle- ben, co ur agier tu nd auch demokr a- tis ch zu handeln. Doris Ahnen

(SPD), MinisterinfürBildung,FrauenundJugendin RheinlandPfalz;seitdem8.11.2002Patin desGymnasiumsamRömerkastell,Alzey, Rheinland-Pfalz

Schule ohne Rassismus muss sein, Muslime in Gröpelingen – gefährliche Nachbarn? Eine Mos chee in Br emen polarisier t die Be vö lkerung. Als die NPD demons trier t, s tellen sich ihr tr otz dem taus ende v on Bür gerInnen und viele SchülerInnen in den W eg

FOTO: T.W.KLEIN PHOTOGRAPHY

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AnihremGymnasiumistsieeine sagenumwobeneFrau.Niemand kannsagen,wiealtsieist.Obihr Haare,dieorangerotleuchten, wirklichechtsind.Warumman imGesprächstetsanihrenAugen hängenbleibt.Mansagtander Schule,dassnochnieeinesihrer Stückegeflopptwäre. HeidrunBaumgardtsitztam RandderBühne.Sieträgteine KunstlederjackemitSchlangen- print.VorihrläufteineGruppe jungerMenschendurchdieAula, undallefolgenihrenRegieanwei- sungen.DieSchülerhörenHeid- runzu.NurhierheißtHeidrunso. AußerhalbderBühneistsiewieje- deranderePädagoge.Dawirdsie gesiezt.EineRespektspersonam Runge-GymnasiumsindemStädt- chenOranienburg,unweitvon Berlin.MitvierJahrensahdieklei- neHeidrunihrerstesStück, sprangaufundschrie.DerKasper sollteverbranntwerden.Daswar fürsiezuschrecklich.Aberseit diesemErlebnisinteressiertsie sich für Dramatik. „DasTheatermachtindenLeu- tenwasfrei“,unddasistes,was siesosehrdaranfasziniert.Heid- runBaumgardtwurde1946in Weimargeboren.IhreElternzo- gennachBerlin,alssiesechswar. 1965AbituranderRunge-Schule undspätereinLehrerstudiumfür DeutschundEnglisch.Alsim BrandenburgerLehrplanDarstel- lendesSpielauftaucht,gibtman ihranderRunge-Schuleeinen Kurs.VieleStücke,diesieinsze- niert,habenetwasPolitisches. HeidrunBaumgardtsagt,dasläge daran,dassdieSchülersichdas aussuchen.Abersiezögertnie, das dann sofort zu unterstützen.

Pr ov ok an tes Un wis se n

VergangenesJahrführteeine Gruppe„FurchtundElenddes drittenReiches“vonBertolt Brechtauf.DasStückbestehtaus Szenen,dievollkommenverschie- deneSituationenwährendderNa- zizeitzeigen.Vorgeschlagenhat esdamalseinSchüler.Studenten derHumboldt-Universitäthatten kurzzuvoreinAntisemitismusse- minaramRunge-Gymnasiumge- halten.Dasspornteeinigeder Schülerdazuan,ihrevermeintli- cheUnwissenheitüberdieNazi- zeitbesondersprovokantheraus- zustellen.HeidrunBaumgardt sah,dassmandiesenSchülern nichtmiterhobenemZeigefinger undGrundgesetzunterArmkom- menkonnte. Alsonahmsiesichmiteinem KursdiesesJahrgangsBrechts „FurchtundElend“vor.DieSicht- weiseaufdieZeitdesNationalso-

Aus grauen Mäusen Charaktere machen Heidrun Baumgar dt istL ehr erin, aber ke ine normale .S ie un terrich te tD ars tellendes Spiel. Mit ihr en Stück en bezieh ts ie Jugendliche ein, die den Ze ige finger satt haben

zialismushatsichinderGruppe währendderZeit,alssiedasStück einstudierten,starkgeändert. Klar,jederkenntdieZahlderer- mordetenJuden.Aberwiesichdie Judengefühlthabenkönnten,das wurdedenSchülernerstklar,als sieesselbstaufderBühnespielen mussten.SiespürtendieAngst. UndsiespürtendieSchamder Menschen,diesichnichtgetraut haben, ihre Meinung zu sagen. StehtdieFraumitderLederja- ckevorderBühne,sprichtsiemit einemeinwandfreienHoch- deutschzuihrenSchülern.Jedes WortwirdgroßmitdemMund unddennachgemaltenAugen- braueninseineeigeneRichtung geformt.SievermitteltdenEin- druck,mankönnenurdenrichti- genWeggehen–wennmanihr nurfolgt.AberihreSchülerlieben sienichtnur.Manchmal,wennet- wasschiefgeht,Requisitenfeh- len,wenndieProbenätzend,die Szenenschlechtsind,dannsind aufjedenFallalleanderendaran schuld–nurnichtHeidrunBaum- gardt.SieisteinetolleLehrerin. AberihreSchülersagen,sietäte so,alskönnesiegarkeineFehler machen. Dieeinenbezeichnensieals Ökotante,dieanderensagen,sie seitot,wiederumanderebehaup- ten,siekontaktiereAußerirdi- sche.EsgehtumAnne,dieHaupt- figuraus„AngriffeaufAnne“.Ei- nesderStücke,indenenHeidrun BaumgardtRegiegeführthat.Das PrinzipdesStücksvonMarcRa- venhillist,dassverschiedene GruppenvonMenschensichüber Anneunterhalten.Anneselbst aberkommtnieaufdieBühne. DieZuschauererspürensichAn- ne,indemsievonSchauplatzzu SchauplatzinderSchulelaufen. JedermusssichseineigenesBild über diese Anne machen.

Die sich mitziehen las se n

RavenhillsdramaturgischerKniff istzugleichdieMethode,die HeidrunBaumgardtaufihre Schüleranwendet.Wersindsie selbst?Wasmachensieinder Gruppe?WiewirktderEinzelne aufdieGruppe?Die60-Jährige schätztamTheater,dassesdas einzigeFachist,indemmannur mitTeamworkzueinemResultat kommenkann.Ersteinmalinih- remLeben,erzähltdieRunge-Re- gisseurin,istsiemiteinemStück nichtzumZielgekommen.Zuvie- leSchüler,sagtsie,hättensichauf dieanderenverlassen.AmEnde warderAbstandzwischenden Kreativenunddenen,diesichnur mitziehenließen,zugroß. EinStückzumachen,dasistfür HeidrunBaumgardteinoffener Prozess.DieGruppehatzwarei- nengemeinsamenWeg.Aberder istnachallenSeitenoffen,undes kommtaufjedenEinzelnenan. Nichtseltenistesso,dassSchüler, dieinanderenFächernstillsind undnieetwassagen,aufderBüh- neplötzlicheineriesigePräsenz entwickeln.„AusgrauenMäusen großePersönlichkeitenmachen“, nennt Heidrun das. TheatermachtdieMenschen frei.Erstenslernensie,ihrenKör- perkennenundlieben.Zweitens istfürdasTheaterauchdieKreati- vitätunglaublichwichtig.Nurwer Ideenhatundmerkt,dassergar nichtsoverbohrtist,wieerdenkt, kannderGruppemitaufdemWeg zumZielhelfen.DieGruppeals Element,alsodieGeborgenheitin derGruppe,istfürdeneinzelnen Spielerwahrscheinlichmitdas Wichtigste,willerseinSelbstbe- wusstsein auf der Bühne üben.

Theater im Knas t

MiteinerKlasseistHeidrun BaumgardtmalinsGefängnisge- gangen.EinSchülerwarderSohn einesWachmannsineinerJustiz- vollzugsanstalt.ErbatdieGrup- pe,docheinmalfürGefangenezu spielen.DieSchülerübten„Jagd- szenenausNiederbayern“ein.In demStückgehtesumeinenHo- mosexuellen,derineinemklei- nenDorfinNiederbayernlebt. Niemandhörtihmzu,bisaufeine alsHureverschrieneFrau.Mitder ZeitentwickeltsichblankerHass gegendiebeiden. ZunächstwarenalleSchülerbe- geistert.DochderGanginden Knastführtesieineineandere Welt.SiemusstenanderPforteal- lesabgeben,keineinzigerCent durfteinihrenTaschenbleiben. Siewurdendurchvergitterteund verschlosseneTürendurchge- schleust.Dannstandensiemitten unterdenganzenAutoknackern, Betrügern,MördernoderVerge- waltigern.DieSchülerhattenwei- cheKnie,abersiespieltendie „Jagdszenen“.DieHäftlingewa- renhellaufbegeistert.Siewaren dabei,wennjemandgetötetwur- de,undglücklich,wennsichzwei fanden.NachderVorstellungkam einerderGefangenenzuHeidrun Baumgardt.Ersagte:„Daswarja besserals‚GuteZeiten,schlechte Zeiten‘ im Fernsehen.“ NächstesJahrwirdHeidrun BaumgardtnachSchottlandge- hen.AlsPensionärin.Dortwohnt einMann,densieschonseitfast 40Jahrenkennt.Jetzthabensie geheiratet.Siesagt,dassihrdie ArbeitmitdenSchülernfehlen wird. Und das Theater.HM

Benedikt empfängt SOR-Schule

Friedrichsthal •SchülerInnen derEdith-Stein-Schule in Friedrichsthal, Saarland, reisten auf Einladung desVatikans am 11. Oktober nach Rom zu einer Audienz beimPapstBenedikt.AnlasswardieSegnungeinerStatuevonEdithStein,derNa- menspatronin der Schule. Die„Schule ohne Rassismus“-Arbeitsgruppe hat in die- sem Jahr einen Informationsflyer zu der „katholischen Jüdin“Edith Stein erstellt, die von den Nationalsozialisten inAuschwitz ermordet wurde.

Preis für Kumpelschule

„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR-SMC) ist ein ProjektfüralleAltersstufenundalle Schulformen. Derzeit (Stand: 30. November) haben sich in Deutschland 311 Schulen den Titel erarbeitet. Unter den SOR-SMC- Schulen befinden sich 12 Grundschulen, 8 Förderschulen, 97 Haupt- und Realschulen, 56 Gesamtschulen, 113 Gymnasien und 19 Berufsbildende Schulen. FOTO: METIN YILMAZ

Was ist das? Theater der Unterdrückten we ilger ade in Deuts chland To - ler an zu nd Zivilc our age die Grundpf eiler uns er er Ges ells chaf t se in müs se n. Michael Pr ee tz ,

HerthaBSC, LeiterLizenzspielerabteilung; seitdem4.10.2001Pateder Conrad-GrundschuleinBerlin

Schule ohne Rassismus muss sein,

Ein dunkelhäutiger Mann und eine äl- tere Frau stehen an einer roten Am- pel. Nach kurzem Zögern geht der Schwarze über die Straße. Die Dame ruft empört: „Man geht nicht bei Rot über die Straße! Wir sind doch nicht imUrwald!BeiunsgibtesVerkehrsre- geln!“ – Solche Szenen spielen sich nicht nur manchmal auf den Straßen ab. Das „Theater der Unterdrückten“ inszeniert sie, um den Alltagsrassis- mus zum Thema zu machen. Der Brasilianer Augusto Boal entwi- ckelte diese Theaterform im Wider- standgegendielateinamerikanischen Diktaturen. Sein Motto ist: „Schluss mit dem Theater, das die Realität nur interpretiert; es ist an der Zeit, sie zu verändern.“HeutehatdieseFormvon Theater eine andere Funktion. Es soll helfen, gesellschaftliche und zwi- schenmenschlicheProblemezulösen. Sie ermutigt dazu, aktiv gegen Rassis- musvorzugehen,umimAlltaginähn- lichenSituationenCouragezuzeigen. Beim Theater der Unterdrückten wer- den dem Publikum real erlebte Sze- nen vorgespielt, die auch vom Publi-

kum vorgeschlagen werden können. Die Szenen haben einen rassistischen oder diskriminierenden Charakter, in denen es immer einen Unterdrücker und einen Unterdrückten gibt. Jeder Zuschauer kann während des Spiels

„Stopp!“ rufen – und das Ende der Szene verändern, indem er die Rolle des Unterdrückten einnimmt. Der Zu- schauer wird so aus seiner passiven Konsumentenrolle herausgeholt und zum Aktivisten der Handlung. Eine Szene kann mehrmals verändert wer- den, um verschiedene Lösungswege zu finden. Zum Schluss werden die verschiedenen Ansätze besprochen und geprüft, ob sie auch in der Reali- tät anzuwenden sind. Es gibt inzwischen viele antirassisti- sche Theaterprojekte. Zum einen als pädagogisches Training für zukünfti- ges Handeln. Zum andere1n wird oft auchdasnormaleTheaterpraktiziert, das zur Unterhaltung dient. Auch Un- terhaltungstheater kann Rassismus zurSprachebringen.Esdientdannda- zu, die Menschen zum Nachdenken anzuregen.RO Duisburg •Die Hauptschule„Lange Straße“ aus Duisburg ist eine „Schule ohneRassismus“.UndsieistGewinne- rin des bundesweiten Schulwettbe- werbs „Mach mit! Verantwortung le- ben“ vonbuddY E.V. (zu Deutsch: Kumpel) und der Vodafone-Stiftung Deutschland. Doris Schröder-Köpf, die Schirmherrin des Projekts, überreichte

im3.Februar2006denmit5.000Euro dotiertenPreis.Spiegel-Onlineschreibt dazu: „Von wegen gesellschaftliche Reste-Rampe – die sozialste Lehran- staltDeutschlandsisteineHauptschule im Ruhrgebiet. Ihr Erfolgsrezept: Alle Schüler müssen sich an einfachste Grundregeln des menschlichen Mitein- anders halten.“

6 • Q-rage 30. November 2006

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SimonPasserinihatteimDezem- berletztenJahreseineIdee.Der17- JährigestarteteeinenAufruf:„Port- rätierteureStadt.Oranienburgfür Jugendliche;wasgibtesda,was sehtihr,wassehtihrnicht.Schreibt irgendetwasauf.“Esstandinder Zeitung,undSimonhängteesin seinerSchuleaus.ImLaufevon zweiMonatenkamnichts.Keine Einsendung,keinBrief. AuchPierreSchwering,derin WittstockgeboreneMannmitden langen,perfektgekämmtenHaa- ren,fehltderKontakt.Ersiehtdas abernichtsoeng.SchweringistJu- gendkoordinatorderkleinenStadt. Ermeint,dassdieJugendlichen schonkommen,wennsiewollen, unddannkannmanjaauch„viel- leicht’neSchienefahren,dassman auchzusammenarbeitet“.Sagter. Aber„wollen“heißthiernichtwar- ten,bismansichirgendwannein- klinkenkann.IndenSchulensind dieAushängerar,undinderLokal- zeitungstehteherseltenetwasüber dieDinge,diejungeMenschentun können. ManmussschonzumAmtge- hen,umInformationenzufinden. AufdemGangzumBürodesJu- gendkoordinatorsfindetmangelbe Zettel.Schweringnenntsie„Notzet- tel“. AufihnenfindetmaneineAuflis- tungderJugendclubsindenOrts- teilenOranienburgs.Derletzte machtunterderWocheum20.30 Uhrzu,derinMalzhatnurDiens- tagauf,undganzuntenstehteine Anmerkung,diebesagt,dassam Samstag,amSonntagundanFeier- tagenalleEinrichtungengeschlos- senseien.Warumistjaganzklar: AbachtsinddieKinderzuHause unddiePolizeihatFeierabend.Na ja,undamWochenendesindwir sowiesoinBerlinoderaufdemRei- terhof.PierreSchweringsagtdazu: „Etisnichschlimmeralsinande- ren Gemeinden.“

BaldwillSchweringdiesenZet- teldurcheinigeInformationener- gänzenundineinHosentaschen- formatbringen,sodassjederOra- nienburgerdieInformationen, wannersichwoaufhaltenkann, immerdabeihat.Oderwenndie Polizeimalwiederwelcheaufder Straßeaufgreift,sollendieden Flyerbekommen,damitsiedann beimnächstenMalwissen,wosie hinsollen.Hauptsache,esist nicht nach acht.

Bie te tu ns wa sa n–d ann machen wir auch mit

AlldassindAuswirkungeneines FehlersimSystem.DerInformati- onsaustauschistnichtgegeben. DieErwachsenendenken,Ju- gendarbeitmussschongewollt sein,sonstmachenwirnichts. UnddieJugendlichendenken, bietetunswasan,dannmachen wirauchgernmit. DieGemüterüberkreuzensich, undesentstehteinaltesKommu- nikationsproblem:dasAneinan- der vorbeireden. DasFlyer-im-Hosentaschen- format-Projektliegtabernochin weiterFerne.Vorhersollerst einmaldieneueSkaterbahn

Jugendarbeit im Hosentaschenformat Or anienbur g: Die Jugendlichen und ihr Ko or dinator pas se ni rg endwie nich tz usammen. Spur ensuche im Le ben einer Stadt ,w oJ ugendclubs um ach tz um Ende ko mmen

zumWintereröffnetwerden. WenndieJugendlichenskaten wollen,dannkommendieda schon hin. EinesdergrößtenProbleme Schweringsist,dassihmkein GeldzurVerfügungsteht.Erhat keinBudget.Deswegenwiller jetztdurchsRathausgehenund dortsammeln.Erbräuchtenäm- lichGeld,wollteeralldieProjek- teverwirklichen,diefürdieZu- kunftgeplantsind.ZumWelt- Aids-Tagam1.Dezemberzum Beispielwerdenzusammenmit einpaarJugendlichenroteSchlei- fengebasteltundinderStadtver- teilt.EsistgenaueineSchulein diesesProjektinvolviert,und EndeNovemberhingamschwar- zenBretteinmitHandgeschrie- benerZettelaus:Jetztgehtdas Schleifenbasteln richtig los. DanngabesnocheineAus- schreibungzumThema„Die Schuleraucht“.„Niewasvonge- hört“,warderKommentarvieler Schüler. Andersherumgehtesaber auch.JugendlichehabenimJuli nacheinergroßenSchlägereiei- nenBriefandieStadtverordne- tengeschrieben.Sieseienver- zweifeltundwollenHilfe.Sieha- benauchihreeigeneHilfeange- botenundkonkreteVorschläge gemacht,wiedieSituationver- bessert werden könnte. MehrPolizeischutzmüsseher undeinOrt,andemsichJugendli- chetreffenkönnen.Eskamein GesprächmitmanchenFraktions- vorsitzenden,demJugendkoordi- nator,BürgermeisterHans-Joach- imLaesicke(SPD)unddemPoli- zeichefheraus.NacheinerStunde RedenentstandeinBild,wonach diePolizeijaschonimmeran Brennpunktenwäreundumeins istjaauchmalSchlussmitDienst. DieGruppehataufgegeben.Ver- ändert wurde nichts. Ganzsubjektivbetrachtet,sind der„China-Mann“amBahnhof unddieRussenindenGhettosdie einzigenAusländerhier.DerAn- teilvonJugendlichen,diesichzur rechtenSzenezählenoderengmit Rechtenbefreundetsindundalle Ausländerscheißefinden,scheint dagegendengrößtenAnteilunse- rerEinwohnerauszumachen.Da istzumBeispielderTyp,denman schonvonweitemalsPunker- kennt.ErträgtAnarchie-Shirts undwillsichnichtfotografieren lassen,weildieFaschosdieBilder indieFingerkriegenkönnten.Auf seinerJeanssteht:People=Shit. Einer seiner, wie er selbst sagt, bestenKumpelsisteinRechter, deramBahnhofsteht,besoffen Fahrräderanpinkelt.Erhebtden rechtenArmundruftdabei „DeutschlanddenDeutschen“. DerPunksagtdazunur,dasssie sichnichtüberPolitikunterhal- ten.Ansonstenseierganzokay. SieverbringenvielFreizeitmitein- ander.DerFaschoistfertigmit demBundund,genauwieder Punk, arbeitssuchend.

Sch we ring: Arbeits- losigk eit is t ein Pr oblem

FragtmanPierreSchwering,wieer dieJugendlicheninOranienburg beschreibenwürde,antworteter, dasserArbeitslosigkeitalseingro- ßesProblemsieht.AuchDrogen- konsumundSozialhilfestatus scheinenhiereinegroßeRollezu spielen.DarausfolgenPerspektiv- losigkeit,Rumhängerdaseinund Frustration.DieMotivationzu Neuemfehlt,dieMenschenhaben traurigeGesichterundmit17Jah- renschonKinder.DieJugendli- chentreffensichbeidenen,die PlatzimHaushaben.Manchmal fahrensienachBerlin.Dasheißt dann:insGesundbrunnen-Center zumShoppen.

EsgibtvonderStadtausein Projekt,beidemJugendlichebis 25Jahre,ohneArbeitundmitab- geschlossenerBerufsausbildung ausderWohnunggeholtundin einederJugendeinrichtungen,die nurvonVereinenwiedemDRK oderderevangelisch-methodisti- scheKirchegeleitetsind,gelockt werdensollen.Siesollenlernen, aufeigenenFüßenzustehen,Mo- tivationzufindenundvielleicht sogareineberuflichePerspektive. Bisherhabensichdreigemeldet. FürdenJugendkoordinatorliegt dasdaran,dassderStaatauch dazuanimiert,dassdieseLeutezu Hausebleiben.„Diedenkensich: ‚Warumsollteichrausgehenund arbeiten,wennichdochzuHause sitzenkannunddasgleicheGeld kriege?‘“Aber:„Etisnichschlim- meralsinanderenGemeinden,“ tröstet sich Schwering. Simonguckteinbisschenver- zweifelt,wennerdieGeschichte mitdemAufruferzählt.SeinNach- hilfelehrerhatteihmbeidemPro- jektgeholfen.DasskeineAntwort kam,lagfürihndaran,dasssich keinerdafürinteressierthat.Si- monhattezwareineIdee,aberwie sooftindiesemSystemwurdesie nichtumgesetztundwegenman- gelnden Interesses abgesagt.HM

Nix „Frontstadt“!

Schleusingen •Anfang des Jahres 2005 hatte das„Aktionsbüro Thürin- gen“, eine Gruppe junger Rechtsextre- misten, die beschauliche thüringische Kleinstadt Schleusingen zur „Front- stadt“ erklärt. Dies lassen sich die Ein- wohnerInnenjedochnichtgefallen.Sie haben sich zusammengetan und ein Bürgerbündnis gegründet. An den Schleusinger Schulen entstehen Pro-

jektgruppen und Aktionen für ein tole- rantesMiteinander.Seitdem11.Okto- ber 2006 ist das traditionsreicheHen- nebergische Gymnasium in Schleusin- gennunoffizielleine„SchuleohneRas- sismus – Schule mit Courage“. Die rechtsextremen Aktivitäten in Schleu- singensindseitetlichenMonatenstark zurückgegangen – sicher auch, weil sichdieZivilgesellschaftderStadtnicht mehr alles gefallen lässt.

Stoppt Schmierer

Hennigsdorf • „Das ist nicht der Weg“,riefSchulleiterinSybilleKutsch- ke-Stange ihren Schülern zu. Zuvor waren rechte Schmierereien auf dem gesamten Schulgelände derAlbert- Schweitzer-Schule in Hennigsdorf festgestellt worden. Viele Schüler ver- urteilten das. Schulsprecher Marco K. ausder10astocktedieStimme,alser sagte:„Ichwarerschrocken.“DerTitel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sei doch keine leere, nichts- sagende Worthülse. „Das bedeutet uns etwas“, sagt der Schulsprecher. Auch Nathan, Sebastian, Christopher sowie Christian gingen mit den Schmierfinken hart ins Gericht. „Die sinddochbekloppt,unsalleskaputtzu machen“, formulierte der Siebtkläss- ler Christian. Inforiot, 25. August 2006

Was ist das? Oranienburg

Oranienburg liegt im Landkreis Oberhavel nördlich von Berlin. Dort leben etwa 41.000 Einwohner. Diese werden von Hans-Joachim Laesicke (SPD), dem Bürger- meister, regiert. In der Stadtverordnetenversammlung gibt es36 Sitze, die meis- ten sind Linksparteimitglieder (11). NPD-Abgeordnete gibt es keine. In Oranien- burggibtesmehrereGrundschulen,zweiGesamtschulenundzweiGymnasien.Ei- nesdavon,dasRunge-Gymnasium,isteine„SchuleohneRassismus–Schulemit Courage“. Ebenfalls wichtig ist die Gedenkstätte desKZ Sachsenhausen in der Nähe des Stadtzentrums.HM

we ilman gegen die Pe st des Ra s- sismus nur bei den Kindern und Jugendlichen wirk sam vo rg ehen ka nn. Bei den Erw achs enen iste s meis tz us pät. Aber Kindern kö n- nen wir noch eine We lt ohne Has s und Ge wa lt näher bringen. Ko nstan tin We ck er ,

Sänger undLiedermacher; seit20.1.2005PatedesFriedrich-List- GymnasiumsinGemünden,Bayern

Ich unterstütze Schule ohne Rassismus,

30. November 2006 Q-rage • 7

Die Auseinandersetzung mit dem Islamismus ist relativ jung. EntsprechendfehltesanSicherheitin der Bewertung. Viele fragen sich: Was genau ist Islamismus? Was der Islam? Die Bundeskoordination entwickelte deshalb umfangreiche Materialien und ein Konzept für die Lehrerfortbildung. FOTO: METIN YILMAZ

Handbuch Sekundarstufe

EinHandbuchfürSchülerInnen•LehrerInnen•

MultiplikatorInnen Das

HandbuchbeschäftigtsichmitDiskriminie- rung aufgrund: •der Herkunft •körperlicher Merkmale •sexueller Orientierung •des Geschlechts •religiöser Orientierung hr könnt das Handbuch bestellen unter: schule@aktioncourage.org

Foto: Thomas Karsten

(8)

Die Deutschstunde – Ein Protokoll

JungeSchwuleundLesbensind häufigZielscheibevonBeleidigun- gen,MobbingundGewalt.Viele homosexuelleJugendlicheziehen sichdeshalbzurückundwerdenzu Außenseitern.DieSelbstmordrate dieserJugendlichenistzehnmal höheralsbeiihrenheterosexuel- lenAltersgenossen.Daranändert auchnichts,dasseinigeGroßstäd- tevonschwulenBürgermeistern regiertwerden. IndiesemSommerstartetedie Bundeskoordinationvon„Schule ohneRassismus–SchulemitCou- rage“dieKampagne„Christopher StreetDay2006“.Ausgestattetmit 10.000Informationsflyernzogder BerlinerSchülerAlexFreier(19) überChristopherStreetDays,um dasProjekt„SchuleohneRassis- mus–SchulemitCourage“unter jungenSchwulenundLesbenzu promoten.SeineStationen:War- schau,Rostock,Berlin,Köln, Hamburg und München. Warschau,10.Juni2006:Ichfahre mitmehrals500BerlinerSchwu- lenundLesbennachWarschau, umdieschwul-lesbischeSzenein Polenzuunterstützen.ImVorjahr wurdedieCSD-Demonstrationvon PolizeiundNeonazisangegriffen.

IndiesemJahrgehtesfürunsin WarschauumdieVerteidigungder Menschenrechte.Derpolnische FamilienministerfordertedieÖf- fentlichkeitimVorfeldderDe- monstrationauf,die„Perversen“ mitdemKnüppelaußerLandeszu treiben. DasWetteristgroßartig,und trotzdernervösenAnspannung istdieStimmungzunächstgut. Wirsindmehrals10.000De- monstranten!AuseinemFenster winktunseinealteDamemitRo- senzu.AufeinemanderenBal- konstehenzweiFrauennebenei- nander.Sierutschenimmernä- herzusammenundhaltennun auch Händchen. KurzvorEndederDemonstra- tionhabeicheinungutesGefühl. DieStimmungschlägtum.Viele bewaffnetePolizistenlaufen durchdenDemonstrationszug. AmRandeverprügeltdiedeut- scheAntifaeinenGegendemonst- ranten.ElfiScho-Antwerpes,die BürgermeisterinvonKöln,be- kommteinEiandenKopf.Ich nehmesieindenArmundtröste sie.WirhabenAngstundversu- chendieAuffälligstenvonunsin einTaxizusetzenundinSicher- heit zu bringen.

Eine Schande für die gesamte Männerwelt? Tr otz s ch wuler Bür germeis ter in Hambur g und Berlin nimm t Homophobie z u. F ür SOR -S MC Grund genug, in dies em Sommer eine In fo rmations off ensiv e z u s tar ten

Rostock,1.Juli2006:Gemeinsam mitKirstinFussan,Bundesvorsit- zendederSchwusos,undihrer FraufahreichvollgroßerErwar- tungenRichtungOstsee.DasMot- todesRostockerCSDslautet:„Ho- mosexuellundakzeptiert“.Die LandtagswahlenMecklenburg- VorpommernsstehenvorderTür, undalleWeltbefürchtet,dassdie NPDindenLandtageinzieht.Ich hoffeaufeinepolitischeDemonst- ration,diesichklargegendie Rechtsextremenpositioniert.Am SchlussdesTagesbinichent- täuscht.KeinesderProjektegeht auchnurmiteinemWortaufdie NazisundderenpolitischeInhalte ein.DasmachtmirAngst,undich schauemitUnbehagenaufden17. September,denTagderLandtags- wahlen. Berlin,15.Juli2006:Esistnoch mitteninderNacht,aberichmuss schonraus.Bevorichmichaufden WegnachKölnmache,treffeich michmitLeeundVenice,zweiak- tivenSchülerinnen,ummitihnen denStandvon„SchuleohneRas- sismus“aufdemMotzstraßenfest inBerlin,demgrößtenundpoli- tischstenschwul-lesbischenStra- ßenfestinDeutschland,aufzubau- en.EsinteressierensichvieleMen- schenfürdieArbeitvon„Schule ohneRassismus“.Anschließend macheichmichaufdenWegnach Köln. Köln,15.und16.Juli2006:Am Abenddes15.Julitreffeichmich zunächstmitdemModeratorGe- orgUeckerimEx-Corner.ImVer- lauftreffeichmeinenaltenBe- kannten,dengrünenBundestags- abgeordnetenVolkerBeck,derdie Arbeitvon„SchuleohneRassis- mus“schonseitJahrenunter- stützt. Sonntag,16.Juli2006:Ineiner StundegehtdieDemonstration mitdemTitel„100%NRW–nur mituns!“los.Ichschließemich derFußtruppederSPDanundbe- ginnemeineFlyerzuverteilen. NachDreiviertelderStreckesind schon4.000Flyerverteilt. Esistkurzvorfünf,undich mussmichbeeilen.GeorgUecker nimmtmichmitindenBacksta- ge-Bereich,damitichneuePaten für„SchuleohneRassismus– SchulemitCourage“ansprechen kann.IchtreffevieleBekannte wieder.UnteranderenBürger- meisterinElfiScho-Antwerpes.Sie freutsich,michwiederzutreffen, undverspricht,dasAnliegenvon SOR-SMCmitgemeinsamenPro- jekten zu unterstützen. Berlin,22.Juli2006:DerTagist mit35Gradderwärmstedesgan- zenJahres.IchmussdenJobdes Wagenführersübernehmen,da- mitniemandunterdenWagenge- rät.TrotzdieserschwierigenArbeit verteileichweiterhinFlyer,diemir gernabgenommenwerden.Ich habedasGefühl,dassichumkip- pe,undglaubeichhabeeinenSon- nenstich.Wassollichnunma- chen?MichindieEckesetzenund aufgeben?Ichmacheweiterund haltetatsächlichbiszumSchluss durch. Hamburg,5.August2006:Ichbin gespannt,wasderTagbringt,denn dieVorbereitungenimVorfeldwa- renenorm.DasWetterspieltnicht mit:DickeWolkensindamHim- mel.DieDemonstrationläuftsehr gut,undichhabedieMöglichkeit vieleSOR-Flyerzuverteilen. IchstelledenAbgeordnetender BürgerschaftLutzKretschmar undFaridMüller„Schuleohne Rassismus“vor,undsieverspre- chenbeide,sichfürdasProjekt einzusetzen.AuchderBundes- tagsabgeordneteJohannesKahrs sichertmirseineUnterstützung zu. München,12.August2006:Pro- blem:Ichhabeschonlangekeine Flyermehrundmuss1.000Kopien machen.DieFahrtvonBerlinnach Münchendauertewig.AmRathaus stehtbereitsderChristopher- Street-Day-Wagen. Ichhabemirseltensolchwüste Beschimpfungenanhörenmüs- senwieinderBayernmetropole München.EinPassantmeint:Es seijaschonschlimm,dassdieses AusländerpackinDeutschland wohne.DassjetztschonPerverse undAusländerBündnissebilde- tenundfüreinandereinstehen würden,dasseidochwohldie Höhe. EinandererMannbeschimpfte michundsagt,ichseieineSchan- defürdiegesamteMännerwelt. UndvorallemfürmeineMutter. Erwolltediesesvoneinerälteren Damebestätigthören.Diese schautemichan,lächelteundsag- te,siewärestolz,einenjungen MannwiemichihrenSohnnen- nen zu dürfen.AF

Wir sind ja alle sooo tolerant. Oder? Wenn dein Nachbar rechtsradikale Parolen verbreitet, was machst du? Bleibst du cool und sagst: Ich bin für dieFreiheitderMeinungunddieFrei- heit der Rede? Die 10. Klasse eines Gymnasiums in Bremen wollte es ge- nau wissen: Im Deutschunterricht wurde an Fallbeispielen diskutiert, wo für jeden persönlich die Grenzen der Toleranz liegen. Auf einem Ar- beitszettel stand: „Moritz, 16, ist ho- mosexuell.ErgehtHändchenhaltend mit seinem Freund Anton durch die Stadt. Die beiden küssen sich in aller Öffentlichkeit.“ Nachdem alle ihre Zettel durchgelesen hatten, begann eine sehr kontroverse Diskussion: Fatma: Ich finde, dass Schwule gern schwul sein können, aber sie sollen mich in Ruhe lassen! Mark:Du tust ja gerade so, als wären das Monster. Ömer:EssindvielleichtkeineMonster, aber ekelhaft ist es schon. Ich würde niemals schwul werden. Mark:Aber das kannst du doch nicht bestimmen,dasistetwasganzNorma- les. Ömer:Doch, das ist voll widerlich. Männerdiesichküssensindabnormal. Außerdem erlaubt meine Religion das gar nicht! Mark: Ich finde, dass es ganz normal ist,wennzweiMenschen–egalobho- mosexuell oder heterosexuell – sich küssen. Peter:Frau und Frau ist ja auch geil, aber zwei Männer ist voll iihhh… Annika:Warum findest du das wider- lich, wenn zwei Männer sich küssen, und findest es wiederum geil, wenn zwei Frauen sich küssen? Peter:Ja, das ist einfach nur geil!! Moritz:Genau, find ich auch!! Ein Gelächter geht durch die Klasse. Annika:Ihrseidbescheuert,ihrhabtes echt nicht verstanden! Ihr seht Frauen sowieso nur als Lustobjekte.

Moritz: Stimmt. Annika:Ja, aber ihr würdet niemals ei- nen anderen Jungen umarmen, oder? Peter:Nee, das ist voll schwul! Annika:Wer sagt, dass es schwul ist, wenn zwei Männer sich umarmen. Mark:Ich weiß gar nicht, was die bei- den haben, das ist doch was ganz Nor- males. Moritz: Du bist auch voll die Schwuch- tel. LacheninderKlasse–DieLehrerin,Frau Meier,schickteinenwarnendenBlickin die Runde. Ömer:In der ganzen Türkei gibt es kei- nen einzigen Schwulen! DietürkischenSchülerstimmenvollein. Ömer: Und es ist voll gegen unsere Eh- re, schwul zu sein! Frau Meier: Wer gibt euch diese Ehre? Fatma: Gott gibt uns diese Ehre. Anna:Wer hat dir das denn erzählt? Fatma: Meine Eltern. Martina: Nichts gegen Schwule, aber ichfindeesnichtgut,wenndiesichauf der Straße küssen. Wenn kleine Kin- dern das sehen, nachher schauen die sich das noch ab. Mark: Du tust so, als könnten die sich daanstecken.Homosexualitätistdoch keine Krankheit! Ömer:Aberdasistvollunnatürlich,die Naturhatdasnichtvorgesehen.Eswa- ren damals ja auch nicht Adam und Adam, sondern Adam und Eva. Esgongt,alleSchülerwollenaufstehen. Frau Meier: Stopp, ich finde einige eu- rerMeinungennichtsotoll,aberwenn noch jemand etwas dazu sagen möch- te, dann bitte jetzt.

Ein eindeutiges Nein und Nööö geht durch die Klasse. Frau Meier:Okay, dann könnt ihr jetzt gehen.AM

8 • Q-rage 30. November 2006

DemNetzwerkvonSOR-SMCsind45 Hauptschulen angeschlossen. Sie beweisen, dass es möglich ist, auch an einer Hauptschule ein posi- tives Klima zu erzeugen, wenn LehrerInnen und SchülerInnen gemeinsam an einem Schulklima des Vertrauens arbeiten. FOTO: METIN YILMAZ

Themenheft: RELIGION

DasThemenheftzeigt,wiediefünfWeltreligio- nenHinduismus,Buddhismus,Judentum,Chri- stentumundIslammalselbstdiskriminierende HaltungenvertretenundAndersgläubigeverfol- gen,malihreeigenenAnhängerwegenihres Glaubens verfolgt werden. WiekanneinfriedlichesMiteinandervonMen- schenverschiedenerReligionengemeinsammit Atheisten gestaltet werden? Ihr könnt das Heft bestellen unter: schule@aktioncourage.org

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