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Qualitätssicherung und -entwicklung der hochschulischen Aus- und Weiterbildung in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften*

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Qualitätssicherung und -entwicklung der

hochschulischen Aus- und Weiterbildung in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften*

Quality assurance and development of higher education in medicine and health sciences

• Jürgen von Troschke1

Zusammenfassung:

Qualitätssicherung hat in der Medizin eine lange Tradition, die insbesondere ihrem besonderen gesellschaftlichen Auftrag geschuldet ist. Die Medizinischen Fakultäten in Deutschland haben sich schon relativ früh mit Fragen der Hochschuldidaktik befasst, Ansätze zur Qualitätssicherung in der Lehre entwickelt und Reformkonzepte erprobt. Im Kontext der Umsetzung der erst im Jahr 2002 von Gesetzgeber vorgegebenen Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) und der aktuellen Strukturverän- derungen an den Universitätskliniken ist die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den neuen BA/MA-Studienkonzepten gering. Aufbauend auf einer kritischen Analyse der vorliegenden Daten und (Akkreditierungs)-Erfahrungen werden erfolg- versprechende Ansätze zur Qualitätsverbesserung von Studiengängen in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften aufgezeigt.

Schlüsselwörter: Medizinstudium, Qualitätssicherung der Lehre, Bologna-Prozess, Akkreditierung, Studienreform Abstract:

Quality management has a strong tradition in medicine because of its special responsibility to society. In Germany, medical schools began addressing issues of didactics at a relatively early date, developing new approaches to quality assurance in teaching and concepts for reforming medical education. However, due to the licensing regulations for doctors (Approbati- onsordnung für Ärzte, ÄAppO), which took effect in 2002, and the current structural changes in university clinics and hospitals, the new B.A. and M.A. study programmes have been met with little interest. Potentially successful approaches for improving the quality of study programmes in medicine and health care that are based on a critical analysis of data and (accreditation) experience will be discussed in this article.

Keywords: Medical education, quality assurance in teaching, Bologna process, accreditation, study reform

Einleitung

Beginnen wir mit einem Zitat: "Das wissenschaftliche Studium an unseren Hochschulen baut heute auf unzureichenden Voraus- setzungen auf und führt vielfach zu unzureichenden Erfolgen. Es wird weithin in einer Weise betrieben, die weder die Anforderun- gen an die Ausbildung des Studenten erfüllt, noch den Aufgaben und Leistungsansprüchen der Hochschule selbst gerecht wird.“

Das Zitat stammt aus einem Gutachten einer Kommission des VDS mit der zeitlich und inhaltlich gesehen die hochschuldidakti- sche Diskussion in Deutschland begann. Das Erscheinungsjahr war 1962, das Jahr in dem ich mein Medizinstudium begonnen habe. Die Entwicklung der Hochschuldidaktik war in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts außerordentlich dynamisch und führte dazu, dass im Januar 1970 in Hamburg der Arbeitskreis für Hochschuldidaktik in Zusammenarbeit mit dem hochschuldi- daktischen Ausschuss der Bundesassistenten-Konferenz und dem Hochschulinformationssystem (HIS) eine Tagung durchführte und anschließend veröffentlicht, in der es um Organisationsmodelle für eine Institutionalisierung der Hochschuldidaktik in Deutschland ging [6]. Insgesamt 12 Modelle wurden diskutiert, u.a. das eines Zentralinstitutes. Allgemeine Leitsätze wurden veröffentlicht, nach denen die Hochschuldidaktik eine Aufgabe ist, die sich nach wis- senschaftlichen Prinzipien richtet und Wissenschaft selbst zum

Gegenstand hat [4]. In diesem Band findet sich auch ein Beitrag von Hannes Kapuste, dessen, mit Mitteln der Volkswagenstiftung unterstütztes Institut für Ausbildungsforschung in München we- sentlich zur Einführung von Multiple-Choice-Prüfungen im Medi- zinstudium beigetragen hat. Eine Grundlage dafür war die von ihm durchgeführte Befragung von Medizinstudenten "Interviews in Ixburg“, an der ich als Interviewer beteiligt war. Nach meinem Staatsexamen begann ich meine Karriere als Medizinsoziologe an der Reformuniversität Ulm; damals eines der Zentren medizindi- daktischer Diskussionen in Deutschland. An der A.-L.-Universität in Freiburg haben wir dann schon in den siebziger Jahren begon- nen, alle Lehrveranstaltungen zu evaluieren und neue Unterrichts- formen einzuführen. Im Rückblick kann ich feststellen, dass hochschuldidaktische Fragestellungen mein Berufsleben begleitet haben.

Aussagen

Derzeit sind für die Medizinischen Fakultäten andere Probleme vorrangig

Wir alle wissen: auch die beste Botschaft hat - wenn sie zum falschen Zeitpunkt kommt - keine Chance ernst genommen zu werden. Das gilt für die Qualitätssicherung ebenso wie für die

1Universität Freiburg, Abteilung für Medizinische Soziologie, Freiburg, Deutschland

Kommentar/HyptheseHumanmedizin

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Gesundheit, von der gesagt wird, dass sie den höchsten aller Werte in unserer Gesellschaft repräsentiert. Dazu gibt es eine gute Karikatur. Sie zeigt eine Gruppe junger Menschen in der Pause auf dem Schulhof. Eine Sprechblase visualisiert die Antwort eines der Schüler an den Betrachter des Bildes. Der Schüler sagt: "Ich habe Zoff mit meinem Vater, mein Taschengeld reicht nicht, meine Freundin hat mich verlassen und ich habe gerade eine 5 in Mathe gekriegt und dann kommen Sie mit Ihren Ratschlägen zu Gesundheitsförderung und das noch in der Pause!“ Vergleichbar könnte man für eine Gruppe von Klinikprofessoren in der Pause auf einer Konferenz zur Einführung der DRG's formulieren: "Wir wissen nicht, wie wir die gestiegenen Ärztegehälter finanzieren sollen, ich muss dringend Drittmittel einwerben und meine Impact- faktoren erhöhen, der Studiendekan fordert die Einhaltung der Lehrdeputate und die Umsetzung der neuen Approbationsordnung, die Ergebnisse der Lehrevaluation durch die Studenten sind unbe- friedigend, die Assistenten wollen lieber forschen als lehren und dann kommen Sie mit Ihren Ratschlägen zur Umsetzung des Bo- logna-Prozesses im Medizinstudium!“ Der Zeitpunkt zur Diskus- sion weitergehender Maßnahmen zur Qualitätssicherung und - entwicklung im Medizinstudium ist derzeit ungünstig.

Qualitätssicherung hat Tradition in der ärztlichen Profession

Hinzu kommt, dass die ärztliche Profession - wie keine andere - auf eine lange Tradition erfolgreicher Maßnahmen zur Qualitäts- entwicklung zurückblicken kann. Schon frühzeitig bestand ein staatliches Interesse an der Regelung der ärztlichen Berufsaus- übung. Richtungsweisend für die Entwicklung der Medizin in Europa wurden die Bemühungen einer Ärztegruppe auf der grie- chischen Insel Kos, die sich u.a. durch die Aufstellung einer eigen- ständigen Berufsethik von den anderen Gesundheitsberufen abzu- grenzen suchte. Die Medizingeschichte lässt sich auch als Prozess der Profilierung und zunehmenden Autonomie des Arztberufes beschreiben. Schon in den ersten Universitäten in Europa gab es Medizinische Fakultäten. Im Kontext der Entwicklung der natur- wissenschaftlichen Medizin gelang es den Ärzten im 19. Jahrhun- dert, ein staatliches Monopol zur Diagnose und Therapie von Krankheiten durchzusetzen und die Grundlagen für eine eigenstän- dige gesetzlich geregelte Ausbildung und Approbation zu legen.

So verwundert es nicht, dass der amerikanische Soziologe Talcott Parsons sich bei der Beschreibung der Professionen in der moder- nen Gesellschaft am Beispiel Arztberufes orientierte.

Die Bemühungen zur Qualitätssicherung im Medizinstudium in den letzten 40 Jahren können, im Vergleich zu anderen hochschu- lischen Berufsausbildungen, als vorbildlich bewertet werden.

In dem 1913 gegründetenMedizinischen Fakultätentagwerden insbesondere seit 1995 fakultätsübergreifende Fragen der Umset- zung der Approbationsordnung diskutiert.

Die staatlicheAusbildungsordnungwurde seit 1970 im Kontext ausführlicher Reformdiskussionen neunmal novelliert.

Die mit derneuen Ausbildungsordnung von 1970 gestärkten psychosozialen Fächerin der Medizin haben sich von Anfang an um die Qualitätssicherung in der Lehre durch die Erarbeitung und Veröffentlichung vonLehrzielensowie die Einrichtung von fä- cherübergreifenden Arbeitsgruppen zurLehrevaluationbemüht.

So hat z.B. eine Arbeitsgruppe Psychosoziales Curriculum im Sommersemester 1995 einen von der Havard Medical School ad- aptierten Fragebogen für den Unterricht in Allgemeinmedizin und den psychosozialen Fächern in einer Studie evaluiert, an der sich 56 Hochschullehrer und 1250 Medizinstudierende beteiligt hatten [11], [12].

In einem staatlichenInstitut für Medizinische und Pharmazeu- tische Prüfungsfragen(IMPP) arbeiten fachkundige Sachverstän- dige an der Erstellung und Aktualisierung von Gegenstandskatalo- gen sowie der kontinuierlichen Entwicklung von Multiple-Choice- Fragen für die bundesweit einheitlich durchgeführten medizini- schen Staatsexamen.

Schon 1985 wurde von der Robert-Bosch-Stiftung ein Arbeitskreis Medizinerausbildung (sog.Murrhardter Kreis) gefördert, der 1989 eine richtungsweisende, intensiv diskutierte Stellungnahme über "künftige Anforderungen an den Arzt, Konsequenzen für die Ausbildung und Wege zur Reform“) vorlegte [10]. Diese Stellung- nahme wurde 1995 grundlegend überarbeitet und hat die Überle- gungen zur Reform der ärztlichen Ausbildung wesentlich beein- flusst.

Die im Jahr 2002 nach über siebenjähriger Diskussion vom Gesetz- geber beschlosseneÄrztliche Approbationsordnungbeschreibt erstmals ausführlich das zu erreichende Ausbildungsziel und die dazu verpflichtend vorgeschriebene Lehrveranstaltungen und Prüfungen. Danach ist das "Ziel der ärztlichen Ausbildung ... der wissenschaftlich und praktisch in der Medizin ausgebildete Arzt“.

Nach der Beschreibung des Grundlagenwissens der für ärztliches Handeln erforderlichen allgemeinen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten und weiteren Grundkenntnissen und Grundlagen wird festgestellt: "Die Ausbildung soll auch Gesichtspunkte ärztlicher Qualitätssicherung beinhalten ...“ Die im Bundesgesetzblatt veröf- fentlichte Verordnung legt fest: "Die Universität vermittelt eine Ausbildung, die den genannten Zielen entspricht und die es den Studierenden ermöglicht, die dazu erforderlichen Kenntnisse, Fä- higkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, die in den in dieser Ver- ordnung vorgesehenen Prüfungen gefordert werden“ [1] (BGBL, S. 2406). Darüber hinaus ist im §1 festgelegt: "Das Erreichen dieser Ziele muss von der Universität regelmäßig und systematisch bewertet werden.“

Die Qualität der ärztlichen Ausbildung wird in mehrfacher Weise mit gesetzlichen Vorgaben gesichert, durch:

• die Festlegung desZieles der ärztlichen Ausbildungmit einem, im einzelnen geregelten Studium der Medizin von 6 Jahren an einer Universität;

• die Festlegung der von der Universität durchzuführenden Pflichtveranstaltungen;

• die Verpflichtung der Universität zurregelmäßigen Evaluation der Lehrveranstaltungen, bezogen auf ihren Erfolg sowie zur regelmäßigen und systematischen Bewertung desErreichens der in der ärztlichen Approbationsordnung vorgegebenen Ausbildungsziele;

• durchbundeseinheitliche, schriftliche Staatsexamen, dessen Prüfungsfragen von berufenen Sachverständigen aus der Scientific Community festgelegt werden.

Kommentar/HyptheseHumanmedizin

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Damit sind sowohl interne wie externe Maßnahmen der Qualitäts- sicherung vorgegeben. Intern in Bezug auf die Verpflichtung der Medizinischen Fakultät zur Überprüfung der Wirkungen ihrer Lehrleistungen, extern mit der Durchführung einheitlicher, stan- dardisierter, schriftlicher Prüfungen.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen für die Erprobung vonReformstudiengängen, die sich an internatio- nalen Vorbildern orientieren (Privatuniversität Witten-Herdecke, Humboldt-Universität Berlin, LMU München, Universität Heidel- berg).

Neue Unterrichtsformen(wie z.B. problemorientiertes Lernen in Kleingruppen sowie E-Learning-Programme) wurden entwickelt und erprobt.

Eine 1978 gegründeteGesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) (http://www.gesellschaft-medizinische-ausbildung.org) verfolgt als Ziel "die Förderung und Fortentwicklung“ von Lehre und Forschung auf dem Gebiet der medizinischen Ausbildung, insbesondere der ärztlichen Ausbildung (Medizinstudium) sowie der ärztlichen Weiter- und Fortbildung. Hierzu werden regelmäßig Kongresse durchgeführt, eine Internetzeitschrift herausgegeben und aktuelle Fragen der Qualitätsentwicklung in der Lehre erarbei- tet. Derzeit hat die GMA 15 Ausschüsse u.a. "Medizinische Aus- bildung und Bologna-Prozess“, "Prüfungen“, "Studienreformen“,

"Qualitätsmanagement“.

Im Kontext der Einführung von W3-Professuren und der Entwick- lung von Kriterien zur leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM) werden auch die Ergebnisse der an den Medizinischen Fakultäten regelmäßig durchgeführtenLehrevaluationenberück- sichtigt.

In mehreren Bundesländern wurden Angebote zurmedizindidak- tischen Fortbildung von Hochschullehrerngeschaffen. So haben in Baden-Württemberg 4 Universitäten einen Kooperationsvertrag zur Gründung eines Kompetenzwerkes "Lehre in der Medizin“

geschlossen unter Beteiligung der Kompetenzzentren E-Learning (Universität Ulm), Evaluation (Universität Freiburg), Hochschul- didaktik in der Medizin (Universität Tübingen), Praktisches Jahr in der Medizin (Universität Heidelberg) und Prüfungen (Universität Heidelberg). Das Kompetenznetz hat die Aufgabe die Vorausset- zungen zur effektiven Verbesserung von Lehre und Prüfungen in der Medizin zu schaffen und zu gewährleisten sowie die Qualität der Lehre durch die Entwicklung von Leitlinien durch Zertifizie- rung und Einführung von Prüfsiegeln zu sichern.

Seit 2004 gibt es in Deutschland an der Universität Heidelberg ein Studienangebot zum "Master of Medical Education“ (MME-D), der inzwischen mit der 2. Kohorte erfolgreich durchgeführt wird.

Das Gesamt dieser Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -ent- wicklung geht z.T. über die vom Akkreditierungsrat als "wesent- lich" bewerteten Kriterien für die Akkreditierung von Studiengän- gen hinaus.

Schwierigkeiten der Definition von Qualität

Der Anspruch der Qualitätssicherung und Entwicklung wird derzeit in vielen Bereichen unserer Gesellschaft mit hohem Engagement gestellt, wobei festzustellen ist, dass der Begriff Qualität in unter- schiedlicher Weise verstanden und gebraucht wird. Der Amerikaner R.M. Pirsig [8] hat sich in seinem Buch "Zen oder die Kunst ein Motorrad zu warten“ am Beispiel der Rhetorik mit Fragen der Definierbarkeit von Qualität befasst. Dabei unterscheidet er 2 Zugänge vom Verständnis von Qualität. Einen, den er als "klas- sisch“ bezeichnet und der darin besteht, Merkmale und Kriterien zu bestimmen und einen anderen, den er als "romantisch“ bezeich- net, bei dem Qualität ganzheitlich erfasst wird, ohne dass man dafür Begründungen angeben könnte. "Man weiß, was es ist und weiß es doch nicht. Das ist ein Widerspruch an sich. Aber manche Dinge sind nun mal besser als andere, d.h. sie haben mehr Qualität.

Will man aber definieren, was Qualität an sich ist, abgesehen von den Dingen, die sie besitzen, löst sich alles in Wohlgefallen auf.

Es bleibt nichts übrig, worüber man sprechen könnte“ (S. 189).

Diese zweite Qualität sieht er bei Kunstwerken gegeben, deren Qualität von Menschen mit hoher Übereinstimmung eingeschätzt werden kann. Die auf Nachfrage gelieferten Begründungen sind dagegen oft wenig überzeugend und weichen stark voneinander ab. Diese beiden Grundpositionen werden häufig als unvereinbar gegeneinander gestellt. Dabei spricht vieles dafür, dass es sich um 2 Seiten eines Phänomens handelt. Der gute Arzt hat Qualitäten, die man anhand von Kriterien messen kann (z.B. Fehlerquote bei medizinischen Eingriffen) und Qualitäten, die sich einer objekti- vierenden Messung entziehen (z.B. das Gefühl eines Patienten von seinem Arzt angenommen und verstanden zu werden).

Ulrich Teichler [13] hat in einem grundlegenden Beitrag 2006 zur Frage: "Was ist Qualität?“ die Komplexität, der mit diesem Ansatz zur Diskussion gestellten Probleme aufgezeigt. Dementsprechend dient seiner Meinung nach "der Begriff Qualität eher der Verun- klarung als der Klarheitsgewinnung über Kriterien des Guten in Hochschule und Wissenschaft“. Die traditionelle Position wird von ihm mit der Aussage beschrieben: "Qualität ist das, was man nicht definieren kann, aber worüber alle übereinstimmen“ (S. 172), wobei er feststellt: "Das alte, naive Qualitätsverständnis wird zu- gleich entzaubert und immer wieder magisch berufen, weil kein sophistizierter Qualitätskonsens gelingt“ (S. 173).

Bezogen auf die Akzeptanz zur Entwicklung einer Evaluationskul- tur in Forschung und Lehre, sieht Teichler vielfältige Widerstände, die sich u.a. ergeben durch:

• die geringe Akzeptanz vonVielfalt, (d.h. der Differenzierung von Hochschule und Wissenschaft),

• die geringe Akzeptanz vonvertikaler Differenzierung von Hochschulen und Wissenschaft, verbunden mit bewertenden Aussagen als "besser“ oder "schlechter“,

• die geringe Akzeptanz vonhorizontaler Vielfaltim Sinne der Profilbildung von Hochschulen,

• die geringe Akzeptanzungleicher Lehrangeboteim Medizin- studium,

• und schließlich diePrägungvon Qualitätsvorstellungen durch die Forschungsfunktionen der Universitäten, d.h. das Vorstel- lungen von der Qualität in der Forschung §oft auf Lehre und Studium übertragen werden“ (S. 182).

Kommentar/HyptheseHumanmedizin

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In seinen abschließenden Überlegungen stellt er fest, dass es auf dem Weg zu einer Evaluationskultur wichtig ist "eine Ideologie- kritik des vorherrschenden Qualitätsdenkens zu betreiben und ein differenziertes Verstehen von Qualität unter allen Akteuren im Hochschulsystem zu fördern“ (S. 184). Es ist offenkundig, dass wir uns derzeit in einem Prozess befinden, in dem in den unter- schiedlichen Handlungsfeldern ausgehandelt wird, was man unter Qualität verstehen soll, wie man diese messen kann und welche Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung effektiv und effizient ge- nutzt werden können.

Unter Aspekten der Strukturprozess- und Ergebnisqualität lassen sich einige, meines Erachtens in der Diskussion bisher vernachläs- sigte Qualitätskriterien beschreiben (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Qualität im Medizinstudium

Von entscheidender Bedeutung ist nicht nur die Kompetenz und das Engagement der Dozenten, sondern auch die Kompetenz sowie die Studien- und Berufsmotivation der Studierenden. Wie in jeder anderen Organisation auch hängen die Prozess- und Ergebnisqua- lität vor allem davon ab, inwieweit es gelingt, die vorhandenen, positiven Motivationen zu unterstützen und ein positives Studienkli- ma zu generieren, das allen Beteiligten helfen kann, unvermeidbare Frustrationen positiv zu bewältigen.

Grundsätzlich ergeben sich bei der Diskussion von Fragen nach der Qualität Probleme der Messbarkeit. Bei der Beschreibung von Qualitätsanforderungen stellt sich die Frage nach den spezifischen Erwartungen unterschiedlicher Interessengruppen. Die Erwartungen des die Gesellschaft repräsentierenden Gesetzgebers müssen nicht unbedingt übereinstimmen mit den Erwartungen der ärztlichen Berufsverbände, der Professoren an den Medizinischen Fakultäten oder der Medizinstudenten. Sicherlich gibt es ein gemeinsames Vielfaches, bezogen auf die Vermittlung berufsrelevanter Kompe- tenzen. Dessen ungeachtet dominieren in der Praxis häufig Erwar-

tungen, die sich aus den Interessen der jeweiligen Gruppen herlei- ten.

Akkreditierung von Studiengängen für Gesundheits- und Sozialberufe

Ein System zur Qualitätsentwicklung von Hochschulstudiengängen ist die Akkreditierung, die in Deutschland von der zu diesem Zweck eingerichteten Stiftung zur Akkreditierung von Studiengän- gen moderiert wird. Der Akkreditierungsrat erarbeitet und verab- schiedet im Kontext internationaler Diskussionen Qualitätskriterien und macht diese für die von ihm akkreditierten Akkreditierungs- agenturen verbindlich.

Die normativen Rahmenbedingungen für die Entscheidungen der Akkreditierungsagenturen wurden zuletzt am 22.06.2006 festgelegt.

Danach muss die Akkreditierung eines Studienganges ausgespro- chen werden, wenn die Qualitätsanforderungen erfüllt sind. Sie muss versagt werden, wenn wesentliche Qualitätsanforderungen nicht erfüllt sind und soll unter Auflagen ausgesprochen werden, wenn Qualitätsanforderungen unwesentlicher Art nicht erfüllt sind und zu erwarten ist, dass die beantragende Hochschule die Mängel in einer, von der Akkreditierungsagentur zu setzenden Frist von höchstens 18 Monaten behebt.

DasFehlen einer Qualitätsanforderung ist wesentlich, wenn der Mangel von solcher Art ist, dass die Definition, die Regelung, bzw. das Fehlen von Studienzielen, Studienzugang, Curriculum, Lehrorganisation, Lehrgestaltung, Ressourcen oder Prüfung zu erheblichen Nachteilen für Studierende führen. Das Fehlen einer Qualitätsanforderung ist insbesondere in den Fällen unwesentlich, in denen formale Anforderungen nicht erfüllt sind.

Diese Vorgaben legen einerseits den Handlungsrahmen fest, erlau- ben aber andererseits den Agenturen, die jeweils gegebenen, spe- zifischen Bedingungen der zu beurteilenden Studiengänge in an- gemessener Weise zu berücksichtigen.

Bei der AHPGS (Akkreditierungsagentur für Studiengänge im Bereich Heilpädagogik, Pflege, Gesundheit und Soziale Arbeit) geschieht das in einem dreistufigen Qualitätssicherungsverfahren.

Grundlage ist einAkkreditierungsantrag, der von den Hochschu- len nach einer vorgegebenen Gliederung zu erstellen ist. Dieser Antrag wird

1. von der Geschäftsstelle, bezogen auf dieFormalkriterien, geprüft. Sind diese erfüllt, wird

2. eine Gutachterkommission berufen, die eine zweitägige Vor-Ort-Begutachtungdurchführt und abschließend eine Empfehlung abgibt. Als letzte Instanz befasst sich 3. die Akkreditierungskommission der AHPGS mit dem

Antrag und fällt eine Entscheidung, die der Hochschule und dem Akkreditierungsrat mitgeteilt wird.

Aus dem Bereich der Medizin und der Gesundheitswissenschaften wurden von der AHPGS bisher 117 Studiengänge akkreditiert.

Die Studiengangsbezeichnungen spiegeln die Dynamik der Ent- wicklung in den Gesundheitsberufen wieder (siehe Tabelle 2).

Kommentar/HyptheseHumanmedizin

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Tabelle 2: Beispiel für Studiengangsbezeichnungen an Hochschulen in Deutschland, die den Gesundheitswissenschaften zugeordnet werden

können.

Postgraduiertenstudiengänge in den Gesundheitswissenschaften/Public Health

Im Rahmen eines Forschungsprogramms des Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und des Bundesministeriums für Gesundheit wurden von 1992 bis 1999 insgesamt 5 Forschungs- verbünde zum Aufbau von Strukturen zur Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Gesundheitswissenschaften/Public Health mit Bundes- und Landesmitteln gefördert. Dabei wurden insgesamt 8 universitäre postgraduierte Studiengänge mit einer Ausbildungs- kapazität von ca. 300 Studienplätzen aufgebaut. Die zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und die Deutsche Gesell- schaft für Public Health (DGPH) haben sich von Anfang an in der Qualitätssicherung und -entwicklung engagiert; so wurden von Sachverständigengremien Qualitätsstandards für insgesamt 6 Themenbereiche erarbeitet und im Grundlagenstudium einheitlich angewandt. Regelmäßig wurden Verbleibsstudien durchgeführt, deren Ergebnisse zur Adjustierung der Studienprogramme genützt wurden [3]. Im Kontext des Bologna Prozesses sind die Studien- gangverantwortlichen derzeit damit befasst, Akkreditierungen nach den Kriterien des Akkreditierungsrates vorzubereiten.

Die Situation der Studiengänge, die den Gesundheitswissenschaften zugeordnet werden können, ist mit der des Medizinstudiums nur bedingt vergleichbar. In Deutschland können die diesen Studien- gängen zugeordneten Gesundheitsberufe nur auf Erfahrung in ei- nem vergleichsweise kurzen Zeitraum der Professionalisierung und Akademisierung aufbauen. Dementsprechend groß ist der in- novative Charakter und die Verschiedenartigkeit der Studienange- bote zur beruflichen Ausbildung in Bachelor- und konsekutiven Master-Studiengängen sowie in den zumeist berufsbegleitenden MA-Weiterbildungsstudiengängen. Dieser Nachteil konnte z.T.

kompensiert werden durch ein hohes Engagement in der Umset- zung der Bologna-Kriterien bei der Konzeption der neuen Studien- gänge.

Ein Kriterium der Akkreditierung ist, inwieweit die jeweilige Hochschule interne Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -ent- wicklung aufgebaut hat. Dabei zeigt sich, dass der Akkreditierungs- prozess wesentlich dazu beitragen kann, dass die Hochschulen ihre Maßnahmen zur Qualitätssicherung systematisch überprüfen und weiter ausbauen. Allerdings ist festzustellen, dass die Mög- lichkeiten zur systematischen Evaluation bisher nur in Ansätzen genutzt werden. Dies gilt vor allem für Absolventenbefragungen.

Bisher hat keine der 36 Medizinischen Fakultäten in Deutschland ihr Medizinstudium auf Bachelor- und Masterabschlüsse umge- stellt. Auch Ansätze zur Qualitätsverbesserung durch Modularisie- rung, ECTS und Kompetenzprüfungen gibt es bisher nur in Ansät- zen. Dabei lässt sich feststellen, dass ungeachtet der Frage der Hochschulabschlüsse wesentliche Elemente des Bologna-Prozesses für die Verbesserung der ärztlichen Ausbildung genutzt werden könnten.

Strukturelle Barrieren zur

Qualitätsentwicklung der Lehre an Medizinischen Fakultäten

Seit mehr als 20 Jahren wird diskutiert, dass die Organisation der medizinischen Ausbildung an den Medizinischen Fakultäten in Deutschland durch eine Reihe struktureller Barrieren behindert wird (siehe Tabelle 3).

Tabelle 3: Strukturelle Barrieren zur Qualitätsentwicklung der Lehre an Medzinischen Fakultäten

Das professionelle Selbstverständnis der Medizinprofessoren an den Medizinischen Fakultäten ist i.d.R. vorrangig bestimmt durch klinische Kompetenzen und Erfolge in der Behandlung von Pati- enten sowie die darauf bezogen durchgeführten Forschungsarbei- ten. Diese werden durch die Gesellschaft und die Scientific Com- munity mit Statuszuweisungen honoriert. In Relation dazu wird den Aufgaben der Lehre eine nachgeordnete Bedeutung zugewie- sen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass im Kontext der Erfolge der wissenschaftlichen Medizin eine vielfältige Spezialisierung stattgefunden hat, wodurch die Zahl der Fachgebiete kontinuierlich gestiegen ist. Die Fachvertreter erleben sich oft in Konkurrenz zu den anderen Fächern, wodurch eine Kooperation in der Lehre nicht unbedingt gefördert wird. Der aktuelle soziale Wandel in den Strukturen der Universitätskliniken mit der Dominanz betriebswirt- schaftlicher Maximen muss sich ebenfalls negativ auf die Organi- sation der Lehre auswirken.

Die Kapizitätsverordnung (KapVO) schließlich führt dazu, dass die Fakultäten immer wieder Studierende aufnehmen müssen, die sich erfolgreich vor Gericht einen Studienplatz erklagt haben.

Ein besonderes Problem ist die Zentrierung der Lehre auf die Universitätskliniken und Lehrkrankenhäuser mit der weitgehenden Vernachlässigung der ambulanten medizinischen Versorgung, die nur ansatzweise in den Lehrveranstaltungen der Allgemeinmedizin eingebunden wird.

Einlösung des Ausbildungsziels einer Sozialisation für die ärztliche

Berufsausbildung

Zur Beurteilung der Praxisrelevanz des Medizinstudiums liegen nur wenige Befragungen vor. In Zusammenarbeit mit den Landes- ärztekammern hat das Zentrum für Hochschulentwicklung (CHE)

Kommentar/HyptheseHumanmedizin

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die bisher größte bundesweite Befragung von Absolventen der Medizin durchgeführt. Angeschrieben wurden alle Mediziner (ohne Zahnmedizin), die zwischen 1998 und 2003 ihre Approbation erhalten haben. Insgesamt konnten fast 5000 Fragebögen ausge- wertet werden. Die meisten der Befragten standen seit 3 bis 5 Jahren im Berufsleben und arbeiteten in Krankenhäusern. Die im Juni 2004 veröffentlichte Untersuchung ist nicht nur interessant bezogen auf den Vergleich der Beurteilungen der Medizinischen Fakultäten in Deutschland. Zugrunde gelegt wurde eine Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht) (siehe Tabelle 4).

Tabelle 4: Befragung von Absolventen eines Medizinstudiums nach 3 bis 5 Jahren im Berufsleben

Nur 15% der Medizinischen Hochschulabsolventen gaben an durch das Studium "sehr gut“ oder "gut“ auf das Berufsleben vorbereitet zu sein.

Bei der Bewertung des Studiums fällt auf, dass die Organisation und der Ablauf von Prüfungen am besten bewertet werden, mit einem Mittelwert von 2,4. Der Forschungsbezug des Studiums wird mit 3,6 und der Berufs- und Praxisbezug des Studiums am schlechtesten mit 4,2 bewertet. Nach den Erfahrungen der Studie- renden geht es im Medizinstudium offenkundig vor allem um das Bestehen von Prüfungen. Demgegenüber wird der Forschungsbe- zug des Studiums, d.h. der Anspruch der Einheit von Forschung und Lehre, relativ kritisch beurteilt. Der gesetzliche Auftrag der Ausbildung für die ärztliche Berufsausübung erhält die schlechteste Beurteilung, wobei die Medizinischen Fakultäten unterschiedlich bewertet werden.

Vergleicht man die Bewertung der Kompetenzvermittlung im Studium, dann wird die Vermittlung fachlichen Grundlagenwissens mit einem Durchschnittswert von 2,3 relativ gut, die der fächer- übergreifenden Kompetenzvermittlung mit einem Durchschnitts- wert von 3,7 dagegen sehr viel schlechter beurteilt. Der Ausrich- tung des Studiums entsprechend erhält die Vermittlung von For- schungskompetenzen eine Beurteilung von 3,9, die von Kompe- tenzen für praktische ärztliche Tätigkeiten dagegen nur einen Mittelwert von 4,4. Am schlechtesten wird die Vermittlung psy- chosozialer Kompetenzen mit einem Mittelwert von 4,5 bewertet.

Die befragten Absolventen befanden sich seit einigen Jahren in der Berufspraxis und konnten somit beurteilen, ob und wie viel sie im Studium dafür gelernt hatten.

Die Ergebnisse werden grundsätzlich bestätigt durch eine im Jahr 2002 durchgeführte Fragebogenerhebung [7] bei 671 angehenden Ärzten, die an 7 deutschen Universitäten ihr drittes Staatsexamen abgeschlossen hatten und ihr Medizinstudium rückblickend bewer- ten sollten. "Nur ein gutes Drittel der angehenden Ärzte fühlte sich nach dem Abschluss des dritten Staatsexamens gut oder sogar sehr gut auf den klinischen Alltag vorbereitet. Die Befragten kriti-

sieren vor allem die mangelnde Praxisorientierung des Medizinstu- diums. Eklatante Defizite werden vor allem in der Vermittlung praktischer ärztlicher Fähigkeiten und psychosozialer Kompetenzen im Umgang mit dem Patienten gesehen." (siehe Tabelle 5)

Tabelle 5: Vorbereitung auf die Berufstätigkeit durch das Medzinstudium. Ergebnisse einer Befragung von AIP´s im Jahr 2002

[8]

In dem Maße, in dem das Studium der Medizin zu einer hochschu- lischen Berufsausbildung von Ärzten geworden ist, sind auch die Medizinischen Fakultäten gefordert, ihre Lehrangebote am Praxis- bedarf der Gesundheitsversorgung auszurichten. Inwieweit die Umsetzung der neuen ÄAppO zur Verbesserung der Ergebnisse beiträgt, lässt sich erst dann klären, wenn die ersten Jahrgänge ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Studienabbruchquoten als Qualitätsindikatoren

Die Studienabbruchquote wird definiert als Anteil der Studienan- fänger eines Studienjahres, die das Studium beenden, ohne es mit einem Examen in einem Erststudium abzuschließen.

Zur Qualität eines Hochschulstudiums gehört auch die angemesse- ne Beratung und Auswahl von Studienbewerbern sowie deren Betreuung während des Studiums, die als Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss gelten können. Das Hochschulinformati- onssystem HIS hat 2005 eine Studienabbruchstudie veröffentlicht, die die Absolventenjahrgänge 1999 und 2002 für verschiedene Fachgruppen miteinander vergleicht. Dabei konnte eine durch- schnittliche Studienabbruchquote von 25% errechnet werden. In- teressant ist der Vergleich der Absolventenjahrgänge sowie der männlichen und weiblichen Studierenden (siehe Tabelle 6).

Kommentar/HyptheseHumanmedizin

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Tabelle 6: Studienabbruchquoten für deutsche Studierenden an Universitäten nach Fächergruppen und ausgewählten Studienbereichen

in Prozent

Das Medizinstudium hat traditionell die geringsten Studienabbruch- quoten, wofür nach den Recherchen des HIS "Zulassungsbeschrän- kungen, transparente Studienstrukturen, hohe Studienmotivation und klare Berufsvorstellungen“ beitragen [5]. Demgegenüber scheinen sich „die Enttäuschungen im Studium über Studieninhalte, berufliche Möglichkeiten und auch über das eigene Leistungsver- mögen ... in bestimmten Grenzen zu halten“ (S. 20). Auffallend ist eine Steigerung der Studienabbruchquote von 8 auf 11%, die im Kontext der aktuellen Deprofessionalisierungsdiskussion inter- pretiert werden könnte.

Teaching-Points als Maßstab für Lehrleistungen

Ein Minimalkriterium für die Lehrqualität ist die Durchführung von Lehrveranstaltungen durch die Dozenten bzw. deren Realisie- rung des Lehrdeputates. Traditionell werden die Lehrleistungen in Deutschland entsprechend den Lehrverpflichtungsordnungen für Hochschullehrer in Semesterwochenstunden (oder auch Lehr- verpflichtungsstunden) gemessen [15]. Dabei wurde davon ausge- gangen, dass an den Universitäten 28 Semesterwochenstunden und an Fachhochschulen 37 Semesterwochenstunden vorgegeben sind. Der zeitliche Aufwand für die Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen sowie die Durchführung zusätzlicher Lehr- aufgaben wie Prüfungen, Betreuung von Abschlussarbeiten oder Studierendenberatung wurde nicht gemessen.

Im Kontext des Bologna-Prozesses wurde die Input-Orientierung mit Präsenzzeiten in Form von Semesterwochenstunden abgelöst durch eine Output-Orientierung mit der Erfassung der zum Erlernen von Kompetenzen notwendigen studentischen Arbeitszeit (Study Workload), die mit Credit Points (ECTS) gemessen wird. Für die Hochschullehrer ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer Neu- orientierung in der Messung der Lehrleistungen. Orientiert am Modell der von Studenten zu erwerbenden Credit Points hat das Zentrum für Hochschulentwicklung (CHE) im Oktober 2005 ein Konzeptpapier vorgelegt mit dem Vorschlag zur Einführung von Teaching Points als Maßstab für die Lehrleistungen von Dozenten.

Diese neue Maßeinheit soll geeignet sein, individuelle Lehrleistun- gen zu vereinbaren und in ihrer Durchführung zu überprüfen. Bei der Berechnung der Teaching Points sollen neben der Präsenz bei Lehrveranstaltungen auch Vor- und Nachbereitungszeiten, Betreu- ungsleistungen sowie Prüfungen, bezogen auf verschiedene

Lehrformen, Vorlesungen, Seminare, Praxiswochen, Projektarbeit E-Learning etc., berücksichtigt werden.

Wenn auch die Berechnung der Teaching Points im vorliegenden Arbeitspapier des CHE sicherlich einiger Korrekturen bedarf, so ist doch festzustellen, dass eine neue Form der Berechnung der Lehrleistungen von Professoren überfällig ist und geeignet sein könnte zur flexiblen und den jeweiligen Bedürfnissen und Interes- sen entsprechenden Lehrplanung auch an den Medizinischen Fa- kultäten.

Potenziale zur Qualitätsentwicklung im Medizinstudium

Aufbauend auf den vielfältigen Bemühungen zur Reform der ärztlichen Ausbildung und den Erkenntnissen im Kontext des Bologna-Prozesses bieten sich für die Medizinischen Fakultäten im Rahmen der geltenden Approbationsordnung Möglichkeiten zur Qualitätsentwicklung (siehe Tabelle 7).

Tabelle 7: Ansätze zur Qualitätsentwicklung im Medizinstudium

Entwicklungsmöglichkeiten bestehen bezogen auf:

1. die Umstellung von einer Inputorientierung der Lehre (von fachbezogenen Inhalten) zu einerOutcomeorientierung (mit der Förderung kompetenzvermittelnder Lernprozesse);

2. die Umstellung von der Konzeption von Lehrveranstaltun- gen durch Fachvertreter zur studiengangsbezogenen Kon- zeption und fächerübergreifenden Organisation vonModu- len;

3. die Vermittlung von Grundlagenkompetenzen durch die Entwicklung und Anwendung vonStandardmodulenan allen Medizinischen Fakultäten;

4. die Ermöglichung von Schwerpunktsetzungen und Spezia- lisierungen im Medizinstudium durch den Ausbau von Wahl-/Pflichtveranstaltungenund deren Beschreibung in einem Diploma supplement;

Kommentar/HyptheseHumanmedizin

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5. die arbeitsteilige Organisation der Gesundheitsversorgung, die im Medizinstudium alle Möglichkeiten fürgemeinsame Lehrveranstaltungen mit Studenten und Dozenten der anderen Gesundheitsberufe nutzen sollten;

6. die konsequente Anwendungmoderner Unterrichtsformen wie problemorientiertem Lernen (POL) und Blended E- Learning;

7. die Stärkung der Orientierung der Ausbildung an der Praxis der ärztlichen Berufsausübung durch die konsequente Ein- beziehung vonPraxisvertreternmit versorgungsbezogenen Lehrveranstaltungen;

8. jede Medizinische Fakultät sollte einAlumni-Programm organisieren und regelmäßig repräsentative Befragungen bei den Absolventen durchführen;

9. die fakultätsbezogene Umsetzung des Anspruches der Ein- heit von Forschung und Lehre durch dieBeteiligungder Studierenden an denForschungsarbeitender Hochschule;

10. an den Hochschulen solltenEvaluationsordnungen be- schlossen werden, in denen die Maßnahmen zur regelmäßi- gen und systematischen Überprüfung des Erreichens der Ausbildungsziele verbindlich geregelt sind.

Zusammenfassend können wir feststellen, dass wir bei der Quali- tätsentwicklung im Medizinstudium und den Gesundheitswissen- schaften auf einen großen Bestand an Erfahrungen, Reformmodel- len und Konzepten aufbauen können. Trotzdem bleibt noch viel zu tun.

Anmerkung

*Manuskript eines Vortrages auf der Tagung der Hochschulrekto- renkonferenz zum Thema "Medizinerausbildung in Zukunft!? - Chancen und Herausforderungen nationaler und europäischer Entwicklungen in der Hochschulmedizin" am 06./07.10.2006 in Berlin.

Korrespondenzadresse:

• Prof. Dr. med. Jürgen von Troschke, Universität Freiburg, Abteilung für Medizinische Soziologie, Hebelstraße 29, 79104 Freiburg, Deutschland, Tel.: 0761/230-5518, Fax: 0761/230-5516 dkgw@medsoz.uni-freiburg.de

Literatur:

[1] Bundesgesetzblatt. 2002:Teil I, Nr. 44;2405-2435.

[2] Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Das Studium der Medizin.

Eine Fachmonographie aus studentischer Sicht. Schriftenreihe. 1994;Band 118 [3] Dierks ML, Koppelin F. Public Health-Ausbildungsprofile und Berufsperspektiven in Deutschland. Freiburg: DKGW. 2004:Band 14.

[4] Feest J, Kapuste H. Interviews in Ixburg - Medizinstudenten und ihre klinische Ausbildung. München: Urban & Schwarzenberg; 1970.

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[6] Huber L, Walther M. Organisationsmodelle der Hochschuldidaktik. In: Blickpunkt Hochschuldidaktik neu. Hamburg: Arbeitskreis für Hochschuldidaktik; 1970.

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[8] Pirsig RM. Zen oder Kunst ein Motorrad zu warten. Frankfurt/Main: Fischer;

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[10] Robert-Bosch-Stiftung. Das Arztbild der Zukunft. Gerlingen: Bleicher; 1989.

[11] Stößel U, Brähler E, Gostomzy J, Kochen M, von Troschke J, Wildgrube K, Wirsching M. Die Evaluation von Lehrveranstaltungen in den psychsozialen Fächern und der Allgemeinmedizin im Studiengang Humanmedizin - Ergebnisse einer bundesweiten Pilotuntersuchung im Sommersemester 1995. Gesundheitswesen.

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Evaluation der ärztlichen Ausbildung. GMS Z Med Ausbild. 2006;23(2):Doc.37.

[15] Zentrum für Hochschulentwicklung. Teaching Points als Maßstab für die Lehrverpflichtung und Lehrplanung. 2005;Arbeitspapier 69.

Kommentar/HyptheseHumanmedizin

Abbildung

Tabelle 1: Qualität im Medizinstudium
Tabelle 2: Beispiel für Studiengangsbezeichnungen an Hochschulen in Deutschland, die den Gesundheitswissenschaften zugeordnet werden
Tabelle 4: Befragung von Absolventen eines Medizinstudiums nach 3 bis 5 Jahren im Berufsleben
Tabelle 6: Studienabbruchquoten für deutsche Studierenden an Universitäten nach Fächergruppen und ausgewählten Studienbereichen

Referenzen

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