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Prinz Siddhärtha, der in Luxus aufgewachsene Fürstensohn, verläßt seine Heimatstadt Kapilavastu, um in der Einsamkeit nach höherer Erkenntnis zu streben

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Academic year: 2022

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DER BOGENTRÄGER IN DEN WELTFLUCHT¬

DARSTELLUNGEN DER GANDHARA-RELIEFS

Von Wibke Lobo, Berlin

Von jeher wird der Bogenträger in den Weltflucht-Darstellungen der

Gandhära-Reliefs als Mära gedeutet, der im Buddhismus das Prinzip der

Weltlichkeit verkörpert. Anhand eines detaillierten Vergleiches von textli¬

chen Informationen und bildlichen Vorlagen muß man meines Erachtens

jedoch zu der Erkenntnis kommen, daß es sich bei dieser Gestalt nicht um

Mära, sondern um Gott Sakra handelt. Die Gründe dafür sollen im Folgen¬

den dargelegt werden.

Prinz Siddhärtha, der in Luxus aufgewachsene Fürstensohn, verläßt

seine Heimatstadt Kapilavastu, um in der Einsamkeit nach höherer

Erkenntnis zu streben. Er vollzieht damit den notwendigen Schritt der Los¬

lösung von allem Weltlichen, um seiner Bestimmung gemäß ein Buddha zu

werden. Dieser entscheidende Moment wird im Ahguttara- und Majjhima-

Nikäya des Päli Tripitaka sehr schlicht und undramatisch überliefert,

indem der Buddha selbst seinen Mönchen erzählt, er habe sich die Haare

geschoren, gelbe Gewänder angezogen und sich, obwohl Vater und Mutter

weinten, aus der Heimat in die Heimatlosigkeit begeben. Die buddhisti¬

schen Sanskrit-Werke wie der Vinaya der Mülasarvästivädins, Lalita¬

vistara, Mahävastu und Buddhacarita, haben das Ereignis jedoch zu einem

breiten Legenden-Zyklus, bestehend aus Vor-, Haupt- und Nachepisoden,

anschwellen lassen.

Die bildliche Uberlieferung dieses Legenden-Zyklus fiihren uns am um¬

fangreichsten die Reliefs der Gandhära-Kunst vor Augen. Insgesamt elf

verschiedene Szenen stellen die Ereignisse um die Weltflucht des Prinzen

dar, die uns allerdings nirgends in vollständiger Abfolge auf einem Fries

überliefert sind. Das liegt nicht nur an der Bruchstückhafbigkeit des uns

vorhegenden, in der Regel aus seinem Zusammenhang gerissenen Mate¬

rials, sondem vor allem daran, daß den einzelnen Episoden ganz unter¬

schiedliche Bedeutung innerhalb des Handlungsablaufes beigemessen

wurde, so daß es von einigen Szenen nur ganz wenige, von anderen jedoch

sehr viele Beispiele gibt. Die elf Episoden lassen sich in fünf einleitende,

eine zentrale und fünf nachklingende unterteilen. Die zentrale Episode ist

sowohl der inhaltliche Höhepunkt der Erzählung als auch die am häufig¬

sten dargestellte.

Die erste Episode, die wir dem Weltflucht-Zyklus zurechnen können, ist

die Meditation des Prinzen unter dem Rosenapfelbaum, die während seines

Ausflugs aufs Land stattfindet'. Der Keim der Handlung wird in diesem

' Als Beispiel für eine bildliche Darstellung dieser Episode vgl. H. Inoholt:

Oandhäran Art in Pakistan. New York: Pantheon Books 1957. Fig. 284. Der Prinz,

mit Turban und Schmuck versehen, sitzt unter Baumzweigen. Die Hände bat er in

der Meditationsgeste zusammengelegt. Vorne am Sockel sind verschiedene Figuren

abgebildet, von denen vor allem der Pflüger hinter dem Buckelochsengespann am

rechten Bildrand auffällt. Er ist hier als ikonographisches Merkmal zu verstehen, das auf die Erste Meditation weist.

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Der Bogenträger in den Weltfluchtdarstellungen der Gandhära 431

Augenblick gelegt, denn es wird angedeutet, daß sich der Prinz dem weltli¬

chen Leben entziehen will. Die Begegnung des Prinzen mit dem Alten, dem

Kranken, dem Leichenzug und dem Mönch sind eine Stufe der Entwick¬

lung, deim der Weg, der zu dem angestrebten Ziel, der Weltflucht, fiihrt,

wird in Gestalt des Mönches aufgezeigt^. Das größte Hindernis, den sich

aufdrängenden Weg der Weltentsagung einzuschlagen, stellt das vergnüg¬

liche Leben im Palast dar, denn der Prinz droht über den Annehmlichkei¬

ten seines Lebens sein Ziel aus den Augen zu verlieren'. In allen Darstel¬

lungen dieser Szene fällt auf, wie lebhaft der Prinz an dem vergnügten Trei¬

ben beteiligt ist. Es ist ein sehr menschlicher und sympathischer Zug an

diesen Legenden, daß sie durchaus auch betonen, wie sehr er sein angeneh¬

mes Leben genießt und wie schwer es ihm fallt, alles hinter sich zu lassen.

Ganz und gar aus eigener Kraft schafft er es nicht, die Götter müssen ein¬

greifen. Jetzt setzen die Bemühungen von Brahmä und Sakra ein, das

Erreichen des Zieles sicherzustellen. Sie mahnen den Prinzen, die Welt¬

flucht rücht länger zu verzögern". Dem Prinzen werden endgültig die Augen

geöffnet über die Unbeständigkeiten der weltlichen Freuden, als er nachts

aufwacht und der Anblick der schlafenden Musikantinnen und Tänzerinnen

seinen Widerwillen erregt. Nun ist der Entschluß gereift, die Weltflucht

muß vollzogen werden'. Höhepunkt des ganzen dramatischen Geschehens

ist der Auszug des Prinzen aus Kapilavastu, Sinnbild für die Weltflucht

schlechthin. Der Prinz reitet auf seinem Pferd aus dem Stadttor heraus. Es

wird von zwergenhaften Wesen getragen, damit seine Hufe keinen Lärm

verursachen und die schlafende Stadt seine Flucht nicht bemerkt (Abb. 1).

Nach seiner Flucht übergibt der Prinz sein Pferd und seinen Schmuck dem

^ Vgl. K. Fischer: Gandhäran Sculpture from Kunduz An: AitihusAsieLeXXljS/i:

(1958), S. 231-53, Fig. 3. Dieses Relief aus Kunduz in Afghanistan zeigt ungewöhn¬

licherweise alle vier Begegnungen zusammengedrängt auf einem Bild. Aufder rech¬

ten Seite oben ist der zweispännige Wagen des Prinzen zu sehen. Vor den Pferden steht gebückt ein Alter, zu seinen I^üßen liegt der Kranke halb aufgestützt. Links ist ein Trauerzug mit dem Leichnam aufder Bahre zu erkennen. Im Hintergrund, ober¬

halb des Kranken, erscheint mit einer Almosenschale in der linken Hand der

Mönch.

^ Vgl. H. Ingholt (Anmerk. 1), Fig. 39 A. Der Prinz hat sich auf das Lager

zurückgelehnt. Mit dem linken Arm stützt er sich auf die rechte, jetzt zerstörte Hand, hielt wohl eine Blume. Am Fußende sitzt seine Frau mit einer Blume in der

rechten Hand. Neben dem Paar sind Musikantinnen und Tänzerinnen zu sehen.

" Vgl. R.-Y. Lefebvre d'Argencä.T. Tse: Indian and South-East Asian Stone

Sculptures from the Avery Brundage Collection. Pasadena: Pasadena Art Museum

1969, Fig. 5. Die Szene in dem Bogenfeld zeigt den unter einem Baum in Meditation sitzenden Prinzen. Er ist auch hier mit Turban und Schmuck versehen. Neben ihm stehen links Brahmä und rechts Sakra. Beide haben die Hände in der Verehrungs¬

geste erhoben.

' Vgl. H. Ingholt (Anmerk. 1), Fig. 44. Der Prinz ist von seinem Lager auf¬

gestanden, auf dem seine Frau noch schlafend liegt, der Diener bringt sein Pferd gerade herbei. Während alles schläft, stiehlt er sich heimlich mit seinem Begleiter davon.

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432 W. Lobo

Begleiter Chandaka*. Nun schneidet er sich die Haare mit dem Schwert.

Nur ein einziges mal und sehr undeutlich finden wir diese Szene belegt,

zudem noch auf einem Relief aus Kunduz in Afghanistan, also weitab vom

Kerngebiet der Gandhära-Kunst'. Auch wenn wir damit rechnen, daß die

Auswahl der uns erhaltenen Rehefs ganz zufällig ist, können wir dieser Tat¬

sache doch entnehmen, daß das Schneiden der Haare fiir die Künstler und

damit wohl auch fiir die Gläubigen in Gandhära ein weniger bedeutendes

Ereignis war. Häufiger als das Schneiden der Haare finden wir, wie schon

in Bhärhut und Sänci, die Verehrung des Turbans abgebildet, die auch in

diesen Zusammenhang gehört, weü die Legende berichtet, daß Gott Sakra

den von dem Prinzen nach dem Schneiden hoch in die Luft geworfenen

Haarschopf und den Turban auffängt und in den Trayatrimsa-Himmel

bringt*. Es schließt sich der Kleidertausch an. Dem Bodhisattva wird bei

seiner ersten Rast nach seiner Flucht klar, daß neben Turban und Schmuck

auch seine prinzlichen Gewänder nicht zu dem asketischen Leben passen,

das er nun führen will. Doch er befindet sich im tiefen Wald und außer sei¬

nen Begleitern Chandaka und Vajrapäni ist weit und breit niemand zu

sehen, der ihm helfen könnte. Da erscheint Gott Sakra in Gestalt eines

Jägers und überreicht ihm die benötigten religiösen Gewänder'. So berich¬

tet es die Legende im Vinaya der Mülasarvästivädins und im Lalitavistara.

Auch für diese Szene haben wir nur sehr wenige Belege, so daß wir anneh¬

men können, daß sie von den Gandhära-Künstlern ebenfalls kaum beachtet

' Vgl. H. Ingholt (Anmerk. 1), Fig. 49. In dieser Abschiedsszene aus dem Cen¬

tral Museum Labore kniet das Pferd nieder und leckt die Füße des Prinzen. Zu sei¬

ner Rechten steht Vajrapäni, zu seiner Linken Chandaka, der gerade Schirm, Tur¬

ban und Schmuck in Empfang genommen hat. Hinter dem Pferd ist noch ein Wedel- träger zu sehen.

' Vgl. K. Fischer (Anmerk. 2), Fig. 4 oben. Die verschiedenen Episoden der

Weltflucht sind hier unmittelbar nebeneinander gesetzt, die Szenen nur durch das Mittel der Zuordnung der Personen voneinander getrennt. Gelesen von rechts nach links sind der Auszug, der Abschied, das Schneiden der Haare und der Kleider¬

tausch dargestellt. Der Prinz hat die Arme erhoben. Mit der Rechten faßt er den lan¬

gen Haarschopf, die Linke hält das Schwert.

* Vgl. J. Marshall: The Buddhist Art of Gandhära. Cambridge: 1960 (Memoirs ofthe Department of Archaeology in Pakistan. I.) PI. 39, Fig. 62. Der prächtige Turban liegt auf einem Baldachinthron, hinter dem Wedelträger stehen. Zu beiden Seiten sind Adoranten abgebildet. Im allgemeinen kommt diese Szene nicht so sorg¬

fältig gearbeitet und vollständig vor wie auf diesem Relief aus dem Museum Peshä- war, sondern sie findet sich, meistens in reduzierter Form, vor allem auf Sockeln oder kleineren Friesen.

' Vgl. D. Faccenna: Sculptures from the Sacred Area of Butkara I. Descriptive

Catalogue by M. Taddei. Pt. 3. Roma: 1964, PI. CDLXXIIa. Auf diesem kleinen

Relief aus Butkara im Swät-Tal stehen auf der rechten Bildseite der Prinz, der Tur¬

ban und Schmuck schon abgelegt hat, und Vajrapäni. Von links kommen zwei

Gestalten hinzu mit kurzen, gepanzerten Hemden, wie in der Gandhära-Kunst sowohl Krieger als auch Jäger dargestellt werden. Der erste hat ein größeres Tuch

über dem Arm, das er gerade dem Prinzen reichen will.

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Abb. 2

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Der Bogenträger in den Weltfluchtdarstellungen der Gandhära 433

wurde, obwohl sie vom Inhalt her, dem Ablegen der weltlichen und dem

Anlegen der religiösen Kleidung, doch zumindest im Ahguttara- und Maj¬

jhima-Nikäya als der wesentliche Wendepunkt begriffen wm'de'". Daß das

Empfinden für die Bedeutung dieses Augenblicks dermoch nicht ganz ver¬

loren gegangen ist, soll nun am Beispiel der Gestalt des Bogenschützen in

der zentralen Weltflucht-Szene erläutert werden.

Abb. 1 zeigt ein Relief aus Loriyän Tähgai, das sich nun im Indian

Museum Calcutta befindet' '. Der reitende Prinz, mit Turban und Schmuck

versehen, hat die rechte Hand grüßend erhoben, die liiüie liegt am Zügel.

Über ihn wird ein Schirm gehalten, und zum Zeichen seiner religiösen

Würde als Bodhisattva, d.h. als dem Wesen, das ein Buddha werden wird,

ist er mit einem Nimbus ausgezeichnet. Das Pferd wird von zwergeiüiaften

Wesen getragen, damit seine Hufe keinen Lärm verursachen und die schla¬

fende Stadt die Flucht nicht bemerkt. In der Begleitung des Prinzen befin¬

den sich eine Reihe von Personen, von denen wir eirüge identifizieren kön¬

nen. Der Schirmträger wird allgemein als der persönliche Diener des Prin¬

zen, Chandaka, bezeichnet. Über ihm ist der Schutzgeist Vajrapäni mit sei¬

nem vajra in der Hand zu erkennen. Die weibliche Gestalt in der Mitte der

oberen Reihe, die ihre Hände in der Verehrungsgeste zusammengelegt hat,

ist die Stadtgöttin von Kapilavastu, ausgevriesen durch ihre Mauerkrone -

hier leider sehr undeutlich - und durch die Türme auf den Schultem. Am

linken Reliefrand steht unten der Gott Brahmä in einer für ihn typischen

Haltung mit leicht geneigtem Kopf und den in der Verehmngsgeste erhobe¬

nen Händen. Auch er ist als ein göttliches Wesen mit einem Nimbus ver¬

sehen. Direkt vor dem Pferd nun steht eine mämüiche Gestalt, die mit der

linken Hand einen Bogen hält und die rechte mit der Handirmenfiäche nach

außen - hier zwar beschädigt, doch so zu rekonstruieren - an die Hüfte

gelegt hat. Der Bogenträger ist mit Turban und Schmuck versehen und hat

das übliche indische Gewand an, bestehend aus einer dhoti und einem

schalartigen Obergewand, das lässig über die linke Schulter geworfen ist

und die rechte Oberkörperhälfte frei läßt. Abb. 2 ist ein weiteres Beispiel

eines interessanten, vollständigen Reliefs der gleichen Szene. Es befindet

sich im Museum of Fine Arts Boston'^. Der Reiter ist jetzt frontal abgebil¬

det, der Schirmträger steht rechts neben dem Pferd. Am rechten Bildrand

Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle auch noch die Rückkehr Chan- dakas nach Kapilavastu als die 5. nachklingende Episode dieses Zyklus genannt werden. Eine Abbildung findet sich bei H. Ingholt (Anmerk. l),Fig. 51. Chandaka hat den Schirm über die Schulter gelegt, das Pferd führt er am Zügel. Sie treten von links kommend durch ein Tor hindurch. Bemerkenswert ist hierbei die Richtung.

Alle Auszugs-Reliefs bewegen sich von rechts nach links und deuten damit das Hin¬

aus an. Bei den Rückkehr-Reliefs dagegen ist die Richtung immer umgekehrt, von links nach rechts, also eindeutig als Hinein gemeint.

" N. G. Majitmdar: A Ouide to the Sculptures in the Indian Museum. Pt. II The Graeco-Buddhist School of Gandhära. Delhi: 1937, PI. Villa.

'^ P. Pal: Two Buddhist Reliefs from India. In: Archives of Asian Art XXI (1967- 68), p. 63-66, Fig. 1.

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434 W. Lobo

lehnt sich die Stadtgöttin auf eine halbhohe Säule und hat die Beine

gekreuzt, eine Pose, die für sie charakteristisch ist. In der oberen Reihe

sind Kriegerfiguren mit Helmen, Rüstung und Waffen dargestellt. Sie

waren vom Fürsten Suddhodana, dem Vater des Prinzen Siddhärtha,

beauftragt worden, die Stadttore zu bewachen. Zwischen ihnen befindet

sich der lockenköpfige Vajrapäni. Am linken Reliefrand steht Brahmä, hier

jedoch ohne Nimbus. Zur Rechten des Bodhisattva, unmittelbar neben dem

Pferd, haben wir wieder den Bogenträger. Auch hier ist er mit Turban,

Schmuck und indischer Kleidung versehen, doch hat er sich das schalar¬

tige Obergewand um die Hüften geschlungen und vorne so geknotet, daß

beide Enden in Falten herabhängen. Mit der linken Hand umfaßt er seinen

Bogen, der rechte Arm ist ausgestreckt und hält einen Pfeil, dessen Spitze

den Boden berührt. Sehr häufig hat der Bogenträger jedoch die rechte

Hand wegweisend ausgestreckt, wie auf Abb. 3, einem Relief aus dem Vic¬

toria and Albert Museum in London". Dies ist eine ganz typische Geste für

ihn, die auch auf Abb. 4 zu sehen ist, wenn hier auch die Hand ein wenig

unglücklich auf den Rand gerutscht ist, weil innerhalb des Bildes kein Platz

blieb. Dieses Relief aus dem Central Museum Labore''' ist aber vor allem

wichtig, weil der Bogenträger hier mit einem Nimbus versehen ist. Das

kommt nicht sehr häufig vor", ist aber ein für seine Identifizierung sehr

wesentliches Detail. Auf Abb. 5, einem Relief aus Takht-i-Bähi, das sich im

Museum Peshäwar befindet", liegt eine weitere Variante des Bogenträgers

vor. Wie immer, wenn der Bodhisattva frontal abgebildet ist, steht er

rechts von ihm, direkt neben dem Pferd. Mit der linken Hand hält er den an

die Schulter gelegten Bogen, der rechte, etwas ausgestreckte Arm weist

nach unten und faßt Pfeil und Köcher. Interessant an dieser Abbildung ist

aber seine Kleidung. Uber der übhchen indischen dhoti trägt er ein knielan¬

ges, gepanzertes Gewand. Gepanzert deshalb, weil es offenbar durch das

Aufnähen von dicken Flicken oder anderen verstärkenden Materialteilen,

z. B. Leder, oder durch das Aufeinandersteppen mehrerer Stoffschichten zu

einer Schutzkleidung gemacht worden ist, wie sie Krieger oder auch Jäger

benötigen. Was er auf dem Kopf trägt, ist nicht deutlich zu erkennen, aber

wichtig ist, daß er auch hier mit einem Nimbus versehen ist, genauso wie

der reitende Bodhisattva in der Mitte und Gott Brahmä am rechten Rand

des Büdes. Ebenfalls in ein gepanzertes Gewand gekleidet ist der Bogen¬

träger auf Abb. 6, einem Bruchstück aus dem Central Museum Labore".

" H. Ch. Ackermann: Narrative Stone Reliefs from Gandhära in the Victoria and

Albert Museum in London. Rome: 1975, PI. XVb.

'^ A. Foucher: LArt Greco-Bouddhique du Gandhära. 3 Bde. Paris: Leroux

1905-51. Tome I, 1905, Fig. 181b.

Außer den beiden hier gezeigten Beispielen sind mir noch zwei weitere

bekannt, deren Bilder im ISMEO Rom in der Kartei „Museo Esterno Gandhära"

Nr. 1126 und Nr. 1220 vorliegen. Es handelt sich bei beiden um Stücke vom Kunst¬

markt in Pakistan.

" Archaeological Survey of India. Annual Report of the Director-General of Archaeology in India 1919-20. Calcutta: 1922. PI. XXIVa.

" H. Ingholt (Anmerk. 1), Fig. 47.

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Der Bogenträger in den Weltfluchtdarstellungen der Gandhära 435

Daß es sich hier tun den Rest eines Weltflucht-Rehefs handeln muß, ist

deutlich zu erkennen an den Pferdebeinen, die von einem zwergenhaften

menschlichen Wesen auf die Schultern genommen sind. Das Pferd, das ge¬

tragen wird, damit es keinen Lärm verursacht, ist ein Motiv, das auf den

Reliefs der Gandhära-Kunst nur in dieser Szene vorkommt. Aber auch der

Bogenträger ist ganz auf diese Szene beschränkt. Darstellungen von

Jägern mit Pfeil und Bogen in anderen Zusammenhängen oder auch von

Kriegerfiguren, die ebenfalls auf den Weltflucht-Reliefs erscheinen köimen

(vgl. Abb.2), sind in ihrer Art so anders, daß sie sich immer eindeutig von

dem Bogenträger unterscheiden lassen. So ist auch er ein ikonographi¬

sches Charakteristikum für diese Szene. Er erscheint auf fast allen Welt¬

flucht-Reliefs. Einen Eindruck von der Häufigkeit seines Auftretens gibt

die Tatsache, daß von 25 vollständig erhaltenen Reliefs nur drei ihn nicht

aufweisen. Seine Stellung innerhalb des Bildes ist festgelegt. Er befindet

sich unmittelbar vor dem Pferd bei den Darstellungen, die den Bodhisattva im Profil zeigen, was die Mehrzahl ist, oder zur Rechten des frontal abgebil¬

deten, weniger häufig vorkommenden Bodhisattva, d.Ji. jedesmal vom

Betrachter aus gesehen auf der linken Bildseite. Wie aus den vorgelegten

Bildern ersichtlich, wird der Bogenträger sehr vielfältig dargestellt. Mei¬

stens ist er nach indischer Weise gekleidet mit Turban, schalartigem Ober¬

gewand und einer dhoti. Aber oft trägt er auch ein gepanzertes Wams oder

ein knielanges, gepanzertes Kleid, unter dem eine dhoti oder auch Stiefel

hervorschauen. Trotz des unterschiedlichen Aussehens bleibt seine Identi¬

tät stets durch seine festgelegte Stellung innerhalb des Bildes, durch sei¬

nen Bogen und durch seine wegweisende Geste erhalten, die auch dann

unmißverständlich wegweisend ist, wenn die rechte Hand Köcher oder

Pfeil faßt.

Dieser Bogenträger wird, wie anfangs erwähnt, regelmäßig als Mära

bezeichnet, oft mit dem Zusatz der Böse oder sogar der Teufel, eine Inter¬

pretation, die zu sehr von abendländisch-christlicher Denkweise geprägt

ist. Mära ist nicht böse, sondern vertritt die Belange der Welt mit ihren

Freuden und ihrer Vergänglichkeit. In diesem Sinne ist er der genaue

Gegenpart des Buddha.

Foucher'* begründet die Deutung des Bogenträgers als Mära, die bis¬

her meines Wissens nicht angezweifelt wurde, folgendermaßen:

1. Die Nidänakathä" erzählt, wde Mära während des Auszugs aus Kapi¬

lavastu an den Prinzen herantritt und ihm die Weltherrschaft anbietet.

Dazu ist zu sagen, daß die Nidänakathä - abgesehen von ceylonesischen

Quellen und der burmesischen Lebenslegende (übersetzt von Bigandet),

die der Nidänakathä fast wörtlich folgen - der einzige Text ist, der Mära in

diesem Zusammenhang überhaupt erwähnt, daß aber gerade dieser Text

am wenigsten als Vorlage fiir die Gandhära-Reliefs gelten kann.

" A. Foucher (Anmerk. 14), p. 356-57.

" J. Dutoit (Übers.): Jätakam. Das Buch der Erzählungen aus früheren Existen¬

zen Buddhas. Bd. 7 Nidänakathä. München: 1921, S. 114-15.

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436 W. Lobo

2. Das Buddhacarita^", so Foucher, schildert Mära als Liebesgott mit

Blumenbogen.

Hierzu muß geklärt werden, daß er so nicht in der Weltflucht-Szene, son¬

dem in der Versuchungs-Szene kurz vor der Erleuchtung beschrieben wird.

3. Der Bogenträger wird, so wiedemm Foucher, auf den Weltflucht-

Reliefs manchmal mit einem gepanzerten Kleidungsstück abgebildet, wie

es Mära auch vielfach in der Versuchungs-Szene vor der Erleuchtung trägt.

Bei diesem Punkt muß jedoch berichtigt werden, daß Mära dann immer

ein Schwert hat, niemals jedoch Pfeil und Bogen und daß er ebenfalls sehr

oft in der normalen indischen Kleidung auftritt, das gepanzerte Gewand

also ganz und gar nicht als ein Identifiziemngsmerkmal herangezogen wer¬

den kann. Dazu kommt die Beobachtung, daß in der Gandhära-Kunst Pfeil

und Bogen in der Regel nicht als Kampfwaffe, sondern als Jagdwaffe auf¬

tritt.

Zwei Bilder der Versuchungs-Szene vor der Erleuchtung sollen dies ver¬

anschauhchen. Abb. 7 zeigt ein Relief, das sich jetzt in der Freer-Gallery,

Washington, befindet^'. Hier ist Mära indisch gekleidet. Er steht, wie mei¬

stens auf diesen Reliefs, sowohl rechts als auch links neben dem Sockel des

Buddha und zeigt damit zwei verschiedene Phasen des Handlungsablaufes.

Rechts will er sein Schwert zum Angriff ziehen. Sein Sohn jedoch versucht,

ihn zurückzuhalten. Links hat er das Schwert wieder eingesteckt, hat den

Kampf schon fast aufgegeben, die Hand aber noch drohend erhoben. Auf

diesem Bild ist zufällig noch eine dritte Phase des Handlungsablaufs darge¬

stellt, nämlich wie er, hier am äußersten linken Rand, unter einem Baum

sitzt und darüber nachgrübelt, auf welche Weise er doch noch erreichen

könnte, die Erleuchtung zu verhindern. Auf dem zweiten Bild, Abb. 8, aus

dem Museum für Völkerkunde in Leiden^^ trägt Mära das gepanzerte

Gewand. Rechts ist er gerade im Begriff, auf den Buddha loszustürmen,

wird aber von seinem Sohn beschwichtigt. Links hat er die Arme resignie¬

rend sinken lassen, sein Sohn hält ihn von hinten umfaßt.

Der Deutung des Bogenträgers als Mära liegt also eine Vermischung von

Einzelheiten aus verschiedenen Texten und Zusammenhängen zugmnde:

Sein Vorhandensein nach der Nidänakathä, einem Text, der für die

Gandhära-Kunst nicht maßgeblich ist. Seine Sehildemng als Liebesgott

mit Pfeil und Bogen nach dem Buddhacarita und sein gepanzertes Klei¬

dungsstück nach einigen Versuchungs-Reliefs. Die hieraus gewonnene

Identifiziemng kann nicht überzeugend sein. Es ist notwendig, für die In¬

terpretation einer Szene nicht nur die spezielle Episode eines Textes her¬

anzuziehen, sondern den relevanten Abschnitt insgesamt. Für die Interpre¬

tation der Weltflucht-Szene heißt dies, daß der gesamte Zyklus zu berück¬

sichtigen ist. Es ergibt sich nämlich, daß die Merkmale der einzelnen Epi-

Canto XIII, 2-7.

^' A. Lippe: The Freer Indian Sculptures. Washington: 1970 (Smithonian Institu¬

tion Freer Gallery of Art Oriental Studies. 8.), Fig. 11.

" Het Leven van Buddha in de Kunst. Rijksmuseum voor Volkeiüiunde Leiden.

Leiden: 1956, PI. XXV oben.

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Der Bogenträger in den Weltfluchtdarstellungen der Gandhära 437

soden ineinander verschachtelt auftreten, was besonders anhand des

Bogenträgers deutlich wird. Daß er Mära nicht sein kann, haben die

genannten Beispiele sicherlich einleuchtend gezeigt. Daß er niemand

anders als der Gott Sakra ist, läßt sich durch mehrere Fakten beweisen.

Der Lalitavistara, ein für die Gandhära-Kunst maßgeblicher Text, sagt,

daß bei dem Auszug des Prinzen aus Kapilavastu Sakra ihm die Stadttore

öffne und den Weg weise^'. Dies drückt sich deutlich in der Geste des

Bogenträgers vor dem Pferd aus. Sowohl Gestik als auch Haltung belegen

seine Helferfunktion, lassen jedoch nie ein Hindern oder Zurückhalten

erkennen. Der Nimbus, der gelegentlich auftritt, zeigt, daß hier ein Gott

dargestellt ist. Mära ist meines Wissens in der Gandhära-Kunst nie mit

einem Nimbus versehen. Den Bogen und manchmal auch die gepanzerte

Kleidung trägt Sakra, weU er sich, ebenfalls gemäß dem Lalitavistara, in

der späteren Episode des Kleidertausches in einen Jäger verwandelt, um

dem Bodhisattva die religiösen Gewänder zu bringen.

So läßt sich an seiner Gestalt erkennen, daß der Kleidertausch, d.h. der

Wechsel vom weltlich zum religiös orientierten Menschen, in reduzierter

und damit verschlüsselter Form in die zentrale Weltflucht-Szene auf¬

genommen worden ist.

" Le Laiita Vistara. Trad, par P. E. Foucaux. Paris: Leroux 1884 (Annales du Mus6e Guimet. 6.), p. 179, 194.

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ZUORDNUNGSFRAGEN BEI KOTA-MALEREIEN

Von Joachim Bautze, Berhn

Zuordnungsfragen der Malereien von Kota betreffen naturgemäß auch

die Malereien von Bundi, da bis 1625 diese beiden Staaten einen Staat bil¬

deten, von dem Bundi die Hauptstadt war. Das älteste erhaltene Doku¬

ment des Bundikalam, bzw. der Malschule von Bundi, ist eine 1591 in Chu-

nar bei Benares entstandene Ragamala'. Bermerkenswert ist diese Raga¬

mala in dreierlei Hinsicht: 1. ist sie die älteste datierte Ragamala im Hoch¬

format, 2. die älteste benennbare räjputische Ragamala und 3. wurden 30

ihrer Kompositionen zum Leitmotiv für die meisten 36er Ragamalas Raja-

sthans. Von einer länglichen Skizze abgesehen, die Rao Ratan von Bundi in

Prozession darstellt (ca. 1625)^, ist bisher kein Zeugnis vom Bundikalam

gefunden worden, das vor 1650 datiert werden könnte. Auffällig ist ferner,

daß es keine Miniaturmalereien gibt „auf denen die (Bundi-)Herkunft deut¬

lich verzeichnet ist"'. Die heute noch erhaltenen Wandmalereien in den

Palästen, Havelis und Brunnen Bundis belegen die Maltätigkeit von ca.

1720 bis 1850. Die ältesten Wandmalereien im Bundikalam befinden sich

jedoch außerhalb Bundis, und zwar in Toda Rai Singh (etwa 65 km nördlich

von Bundi), Indergarh (etwa 60 km nordöstlich von Bundi) und Karwar

(etwa 6 km westlich von Indergarh)". Einige indische Kunsthistoriker,

unter ihnen Stella Kramrisch, Pramod Chandra und Anna-Libera

Dallapiccola bezeichneten die Miniaturen der Malschule von Bundi als

die schönsten rajputischen Malereien überhaupt'.

Es gibt einige Kunsthistoriker, die auf einer strikten Trennung der Mal¬

schule von Bundi einerseits und der Malschule von Kota andererseits

bestehen. Wie erwähnt waren Bundi und Kota zwei Städte eines gemeinsa¬

men Staates, dem Staate der Haras. Der Hara-Clan bildet einen Unterclan

des bekannteren Clans der Chauhans. Auf kaiserlichen Befehl erhielt 1625

Madho Singh, der jüngere Sohn Rao Ratans, den südlich des Chambalflus-

' R. Skelton: Shaykh Phül and the Origins of Bundi Painting. In: Chhavi -2, Banaras 1981, pp. 123-129.

^ S. C. Welch: Indian Drawings and Painted Sketches. New York 1976, pp. 82- 83, Abb. 40. Die dem Bundikalam zugeschriebene Miniatur „Episode from a hunt", zuletzt abgebildet inM. C. Beach: Rajput Painting at Bundi and Kota. Kscoxib, 1974,

fig. 8 (= S. C. Welch/M. C. Beach: Gods Thrones and Peacocks. New York 1965,

no. 11 = S. C. Welch: (Review of) Bundi Painting hy P. Chandra. In: Ars Orientalis Vol. 5, 1963, pp. 293-295, fig. 1) ist unidentifiziert und muß nicht zwingend im Bundikalam entstanden sein.

' D. Barrett/B. Gray: Indische Malerei. Genf 1963, p. 140.

" Vergl. Abb. 1, Wandmalerei im Palast von Toda Rai Singh (Detail) , etwa 1660- 1680.

' Vergl. hierzu die entsprechenden Äußerungen in S. Kramrisch: The Art of

India. New York 1965^, p. 50; P. Chandra: Four Bundi Paintings - A Portfolio. In:

The Times of India Annual 1961; A. L. Dahmen-Dallapiccola: Indische Miniatu¬

ren - Malerei der Rajput Staaten. Baden-Baden 1976, p. 78.

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