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Der Franken als Ausdruck der Stärke | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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FRANKENSTÄRKE

6 Die Volkswirtschaft  11 / 2017

Insgesamt scheint die Schweizer Volkswirt- schaft überraschend gut durch diese Periode gekommen zu sein. Den aktuellsten Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zufolge wuchs das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) seit 2010 im Durchschnitt um rund 1,7 Prozent pro Jahr – wobei die Wachstumsrate auch im Jahr 2012 noch 1 Prozent betrug. Zumindest im Ver- gleich mit den damals äusserst pessimistischen Konjunkturprognosen überrascht diese Ent- wicklung.

Strukturberichterstattung des Seco

Klar ist: Die Entwicklung auf aggregierter Ebe- ne verdeckt die spezifischen Entwicklungen in den einzelnen Unternehmen, Branchen und Re- gionen. Diese reagieren je nach Exponiertheit gegenüber dem Wechselkurs unterschiedlich, wie sechs Studien im Rahmen der Strukturbe- richterstattung des Seco zeigen.1 Grundsätz- lich kann dabei zwischen drei potenziellen Wirkungskanälen einer Währungsaufwertung unterschieden werden.

Erstens führt eine Aufwertung zu einem Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit im Ausland. Zweitens steigt auch die Importkon- kurrenz für Schweizer Produzenten auf dem Binnenmarkt. Und drittens führt die Aufwer- tung zu einer Vergünstigung von Vorleistungen und Investitionsgütern, welche in der Schweiz verarbeitet oder genutzt werden.

Wie stark nun ein Unternehmen, eine Bran- che oder eine Region von einer Aufwertung des Frankens betroffen sind, hängt damit zusam- men, wie sie gegenüber diesen drei Kanälen aus- gesetzt ist. So leidet beispielsweise die Touris- musbranche relativ stark unter der Aufwertung, da sie einerseits eine hohe Exponiertheit gegen- über ausländischer Konkurrenz durch Tou- rismusdestinationen in den Nachbarländern

E

ine starke Währung ist nichts Neues für die Schweiz. Wer nach 1973 geboren wur- de, kennt nichts anderes als einen stetig stärker werdenden Franken. Seit dem Ende des Bretton- Woods-System hat sich der inflationsbereinigte Aussenwert des Frankens um die Hälfte erhöht (siehe Abbildung 1). Dies ist generell ein positives Zeichen, denn eine nachhaltig starke Währung fällt nicht einfach so vom Himmel: Temporäre Schwankungen können zwar von kurzfristigen Kapitalflüssen getrieben sein. Stetig und nach- haltig aufwerten kann sich jedoch nur die Wäh- rung einer im internationalen Vergleich erfolg- reichen Volkswirtschaft. Davon profitiert auch die Bevölkerung: In den letzten 45 Jahren hat sich insbesondere die Kaufkraft – und dadurch der Wohlstand – wesentlich erhöht.

Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medail- le. So drückt die Aufwertung konstant auf die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unterneh- men, welche auf den internationalen Märkten mit einer immer günstiger werdenden Konkur- renz konfrontiert sind. Insbesondere die Auf- wertung ab Anfang 2010 bis zur Einführung des Mindestkurses um nominal fast 25 Prozent so- wie nach der Aufhebung des Mindestkurses um 10 Prozent stellten die Schweiz als stark ver- netzte und exportlastige Volkswirtschaft vor grosse Herausforderungen.

Der Franken als Ausdruck der Stärke

Ein sich aufwertender Franken widerspiegelt die Stärke der Schweizer Volkswirtschaft.

Der damit verbundene Strukturwandel ist jedoch schmerzhaft – besonders wenn der Kursanstieg abrupt ist.  Simon Jäggi, Timothey Nussbaumer

Abstract  Der reale Frankenkurs ist seit den Siebzigerjahren stetig gestie- gen. Diese Aufwertung ist ein Abbild der Stärke der Volkswirtschaft und hat die Kaufkraft der Bevölkerung stark erhöht. Für viele Schweizer Unterneh- men stellt die starke Währung allerdings eine Herausforderung dar. Dies gilt im Besonderen für die Aufwertungsphasen nach der Weltwirtschaftskrise.

Sechs Studien der Strukturberichterstattung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) haben die Auswirkungen untersucht. Die zentralen Fra- gen lauten: Wieso waren die Schweizer Exporte so robust? Führte die Auf- wertung zu höherer Exportqualität oder einer Konzentration der Exporte?

Was waren die Auswirkungen auf die Beschäftigung? Und wie beeinflusste die Aufwertung die Investitionen und die F&E-Tätigkeit der Firmen?

1 Die Studien sind Thema des aktuellen Schwer- punkts der «Volkswirt- schaft». Sie sind unter Seco.admin.ch abruf- bar.

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FOKUS

SNB

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FRANKENSTÄRKE

8 Die Volkswirtschaft  11 / 2017

aufweist und andererseits kaum von ausländi- schen Vorleistungen profitieren kann.

Diese unterschiedliche Betroffenheit der Unternehmen schlägt sich sowohl in der Ex- port- und der Beschäftigungsentwicklung als auch in den Investitionen oder den Aufwen- dungen für Forschung und Entwicklung (F&E) nieder. Die Grundfrage der aktuellen Struktur- berichterstattung lautet deshalb, inwiefern die anhaltende Frankenaufwertung die strukturel- len Veränderungen in der Schweizer Wirtschaft miterklärt und inwiefern die Aufwertungspha- sen 2010/2011 und nach der Aufhebung des Mindestkurses im Januar 2015 den Struktur- wandel beschleunigten.

Hat die Frankenaufwertung beispielswei- se zur Konzentrationstendenz in den Warenex- porten beigetragen? Seit der Jahrtausendwende haben Exporte aus der chemisch-pharmazeu- tischen Industrie stark zugelegt: Betrug ihr Exportanteil im Jahr 2000 noch 28 Prozent, kletterte er bis 2016 auf 45 Prozent (siehe Ab- bildung 2). Im gleichen Zeitraum nahm der An- teil der Maschinen, Apparate und Elektronik um fast 15 Prozentpunkte ab. Diese Verschiebung in der Exportstruktur könnte darauf zurück- zuführen sein, dass Pharmazeutika gegenüber einer Aufwertung schwächer exponiert waren als Maschinen, Apparate und Elektronik.

Auch eine Spezialisierung auf Exporte ho- her Qualität könnte durch die Aufwertung ver- ursacht sein. Neben einer natürlichen Absiche-

rung von Wechselkursschwankungen durch einen hohen Anteil an Vorleistungen kann eine Erhöhung der Exportqualität oder eine Ver- schiebung hin zu qualitativ hochwertigen Pro- dukten mit wenig preissensitiven Kunden zu- dem eine weitere Erklärung sein, wieso sich die Exporte trotz der Aufwertungstendenzen des Frankens langfristig als ausserordentlich wider- standsfähig erwiesen haben.

Robuster Arbeitsmarkt

Von besonderem Interesse ist die Auswirkung auf die Beschäftigung: Konnte der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit durch die Vorteile auf- grund günstigerer Vorleistungen kompensiert werden? Dies legt die Beschäftigungsentwick- lung bis 2015 zumindest nahe. Die starke Ab- schwächung des Beschäftigungswachstums nach der Aufhebung des Mindestkurses im Ja- nuar 2015 könnte hingegen darauf hindeuten, dass eine solche Kompensation bei schockarti- gen Aufwertungsphasen schwieriger ist.

Für das langfristige Wachstumspotenzial der Wirtschaft sind zudem die Investitionen der Unternehmen und ihre Forschungs- und Ent- wicklungstätigkeiten zentral. Hier ist die Re- aktion eines Unternehmens auf eine Franken- aufwertung von vornherein nicht eindeutig festzulegen. Einerseits könnte erwartet werden, dass Unternehmen bei einer Aufwertung und damit einhergehenden Margenverlusten und Abb. 1: Wechselkursindex des Frankens (1973–2017)

SNB / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

175 Index 2000, Q4 = 100

1975

1973 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 150

125

100

75

50

25

   Wechselkursindex (nominal)           Wechselkursindex (real)

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  11 / 2017 9 Abb. 2: Exporte der Schweiz nach Waren-

gruppen (2000 und 2016)

Simon Jäggi

Dr. rer. oec., Leiter Ressort Wachstum und Wettbe- werbspolitik, Staatsse- kretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

Timothey Nussbaumer Wissenschaftlicher Mit- arbeiter, Ressort Wachs- tum und Wettbewerbs- politik, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern   Produkte der chemisch-pharmazeutischen Industrie     

  Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie   Maschinen, Apparate, Elektronik        Metalle        Land- und forstwirtschaftliche Produkte, Fischerei       Übrige

GERUNDETE WERTE, AUSSENHANDELSSTATISTIK DER EZV (WARENEXPORTE OHNE GOLD) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

45%

22%

15%

9%

6%

4%

2016 28%

16%

29%

14%

9%

3%

2000

getrübten Wachstumsaussichten ihre Investi- tionen reduzieren oder ins Ausland verlagern.

Anderseits ist auch vorstellbar, dass Unterneh- men auf eine Aufwertung gerade mit stärkeren F&E-Aktivitäten und Massnahmen zur Kosten- senkung reagieren, um die Margenverluste wie- der wettzumachen.

Huhn oder Ei?

Wie eingangs erwähnt, ist die Frankenaufwer- tung selbst immer auch ein Abbild des Erfolgs und der Stärke der Volkswirtschaft. Was nun Ursache und was Wirkung ist – also ob nun die Frankenaufwertung zu höherer Export qualität

führte oder der Erfolg der Volkswirtschaft auf- grund der hohen Exportqualität in einer Auf- wertung des Frankens resultierte –, bleibt letzt- endlich schwer zu eruieren. Schliesslich ist daran zu erinnern, dass die Aufwertung des Frankens nicht der einzige langfristige Trend ist, welcher den Strukturwandel beeinflusst.

Für eine Identifikation des Aufwertungseffekts sind daher auch den Auswirkungen des techno- logischen Wandels oder der Globalisierung an- gemessen Rechnung zu tragen.

Somit gilt: Wenn die Volkswirtschaft weiter- hin besser abschneidet als das Ausland, würde langfristig gesehen eine Abwertung des Fran- kens überraschen. Der Fokus der Wirtschafts- politik sollte daher darauf liegen, die struktu- rellen Veränderungen der Volkswirtschaft nicht allzu stark zu behindern, damit diese mit zu- kunftsfähigen Strukturen nachhaltig erfolg- reich sein kann.

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