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Bemessungsgrundlage für Gewerbesteuer

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FG München, Urteil v. 14.09.2017 – 13 K 3144/15 Titel:

Bemessungsgrundlage für Gewerbesteuer Normenketten:

HGB § 29

AO § 12, § 157 Abs. 1 S. 2, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 184 Abs. 3, § 190 GewStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 35b

FGO § 105 Abs. 3 Schlagwort:

Gewerbesteuermessbescheid Fundstellen:

EFG 2019, 1610 LSK 2017, 156401 BeckRS 2017, 156401  

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

I.

1

Die Beteiligten streiten wegen der Änderung der Angabe der hebeberechtigten Gemeinde beim Erlass von Gewerbesteuermessbetrags-Änderungsbescheiden für die Jahre 2004 bis 2011.

2

Die Klägerin X wurde am 3. April 2002 im Handelsregister eingetragen. Als Kommanditistin wurde EF mit einer Einlage von 5.000 € angegeben, als Komplementärin die Y-GmbH. Die Y-GmbH ist als Vertreterin der Gesellschaft bestimmt. Zur Eintragung im Handelsregister (HR) wurde als Firmensitz „S im Landkreis XY“, nach dem für 2002 gültigen § 29 HGB angegeben. Im Zuge der Neuregelungen durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts vom 23. Oktober 2008 und des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25. Mai 2008 wurde von Amts wegen am 21. November 2011 als Geschäftsanschrift „X- str. in S“ eingetragen. Der Gegenstand des Unternehmens ist im Handelsregister nicht ausgewiesen. In den Jahresabschlussberichten wird als Geschäftsgegenstand die „Recherche von Finanzdienstleistungen und Finanzdienstleistungsverträgen“ genannt.

3

Als Geschäftsführer der Y-GmbH war nach Eintrag im HR EM bestellt. Geschäftszweck der Komplementärin war, nach Eintrag im HR, die Beteiligung an anderen Unternehmen, Übernahme der persönlichen Haftung für andere Unternehmen, Erbringung von Geschäftsführungsmaßnahmen. Auch für die Komplementärin wurde als Firmensitz zunächst „S im Landkreis XY“ und mit Eintragung vom 21. Oktober 2010 als Geschäftsanschrift „X-str. in S“ angegeben. Im Zuge dieser Eintragung wurde auch der Gegenstand des Unternehmens erweitert. Mit Eintragung vom 20. Januar 2015 wurde die Firmierung der Komplementärin in

„EM GmbH“ geändert und der Unternehmensgegenstand erweitert.

4

Bei der Adresse „X-str. in S“ handelt es sich um ein Grundstück mit freistehendem Wohnhaus in

unmittelbarer Ufernähe zu einem See, welches der Geschäftsführer der Komplementärin -EMursprünglich zu Alleineigentum erworben hatte und mit notariellem Vertrag 1999 an seine Ehefrau EF, versehen mit Rückfallklauseln, einem Zustimmungsvorbehalt zu Veräußerungsgeschäften und ab 2007 unter Einräumung einer Belastungsvollmacht für sich, übertragen hatte.

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Unter der Adresse S waren im HR, neben den bereits genannten X und Y-GmbH, auch vier weitere Firmen gemeldet, darunter die EM-AG.

6

Die Klägerin wurde in den Streitjahren beim Finanzamt unter der Steuernummer XYZ veranlagt.

7

Unter der genannten Steuernummer waren in den Streitjahren 2004 bis 2011 gegenüber der Klägerin zunächst Gewerbesteuermessbescheide ergangen unter Nennung der Gemeinde S als hebeberechtigt.

8

Aus verschiedenen Gründen hatten sich Zweifel am tatsächlichen Bestehen eines Betriebssitzes unter der Adresse in S ergeben. In der Folge wurde seitens des Finanzamts ab 1. Februar 2012 eine

Fahndungsprüfung zunächst hinsichtlich der EM-AG begonnen.

9

Der hinsichtlich dieser Fahndungsprüfung erstellte Bericht kommt unter Berücksichtigung im Einzelnen aufgelisteter Beweisanzeichen zu dem Ergebnis, dass ein Geschäftsbetrieb in S nicht stattgefunden habe.

10

Mit Schreiben vom 19. September 2011 wurde EM, als dem Geschäftsführer der die Geschäfte führenden Komplementärin, die Erweiterung der Fahndungsprüfung auch hinsichtlich der X und der Y-GmbH mitgeteilt und diese im Zeitraum 20. September 2011 bis 20. Oktober 2011 durchgeführt. Die getroffenen

Feststellungen wurden hinsichtlich der X im Ermittlungsbericht vom 17. Dezember 2012 zusammengefasst.

11

Die Fahndungsprüfung war danach zu der Auffassung gelangt, dass in den Streitjahren 2004 bis 2011 bei sämtlichen Firmen, bei denen EM geschäftsführend tätig war, der Sitz des Betriebes in S nur angegeben worden sei, um eine Besteuerung mit dem Gewerbesteuerhebesatz der Gemeinde S (290%) zu erwirken, welcher um 200% unter demjenigen der Stadt M lag (490%). Tatsächlich sei jedoch der gesamte

Geschäftsbetrieb - auch der X - bis zum Jahreswechsel 2009/2010 in Räumlichkeiten in M erfolgt. Zum Jahreswechsel 2009/2010 sei dann der Standort in M aufgegeben worden und ein Umzug sämtlicher Firmen nach P erfolgt. Die Gemeinde P hat einen Hebesatz 260%.

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In einem Schreiben des Finanzamts vom 23. Oktober 2013 an die Prozessbevollmächtigte Sozietät wurde zu dem ins Feld geführten Einwand Stellung genommen, die Bestimmung des Firmensitzes für die EM-AG könne nicht mit Rückschlüssen auf die Bestimmung des Firmensitzes hinsichtlich anderer Firmen, in denen EM geschäftsführend tätig gewesen sei, verbunden werden. Unter Bezugnahme auf Schaubilder wurde ausgeführt, welche Verflechtungen sich zwischen den Firmen unter Berücksichtigung der jeweils erklärten Umsätze ergäben und, dass sämtliche Firmen letztlich dem Ziel gedient hätten, Anlagefonds mit Leben zu erfüllen.

13

Den hierzu getroffenen Feststellungen folgend, erließ der Beklagte (das Finanzamt)

Gewerbesteuermessbetrags-Änderungsbescheide unter dem Datum 16. Mai 2013 unter Benennung der Stadt M als hebeberechtigte Gemeinde und ab 2010 der Gemeinde P.

14

Die mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen berücksichtigend, erließ die Stadt M am 25. September 2013 einen zusammengefassten Gewerbesteuerbescheid für die Jahre 2004 bis 2009 nebst Zinsen.

15

Die Gemeinde P erließ jeweils am 6. Juni 2013 einen Bescheid über Gewerbesteuer 2010 und 2011 sowie Zinsbescheide.

16

Mit Einspruch vom 13. Juni 2013 wandte sich die Klägerin, vertreten durch die Sozietät S gegen die geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheide vom 16. Mai 2013. Als Geschäftsführer der Komplementärin hatte EM die Sozietät S zur Vornahme aller Prozesshandlungen für das

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Verwaltungsverfahren und ein sich gegebenenfalls anschließendes Gerichtsverfahren bevollmächtigt. Die Vollmacht wurde mit einer Empfangsvollmacht für den Schriftverkehr verbunden. Als Geschäftsadresse der X und der Y-GmbH wurde die X-str. in S genannt.

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Der Einspruch wurde mit Schreiben vom 13. Juni 2013, beim Finanzamt am 21. Juni 2013 eingegangen, ausführlich materiell begründet. In Abweichung zur Auffassung des Finanzamts wurde erklärt, dass Geschäftsadresse der X durchgängig die Adresse S, X-str. gewesen sei. Dazu wurde ausgeführt, seit Gründung am 3. April 2002 sei Sitz der Gesellschaft bis „heute“ (13. Juni 2013) S. Insbesondere sei keine Verlegung nach P erfolgt. Weder die X, noch deren geschäftsführende Komplementärin würden dort einen Briefkasten oder ein Firmenschild unterhalten. Der Vorstand der EM-AG bestätigte mit Schreiben vom 29.

April 2013, dass die X ihren Geschäftssitz in den Büroräumen in P „nicht bezogen habe“.

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Die Änderungsbescheide vom 16. Mai 2013 seien in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise ergangen, soweit eine Änderung hinsichtlich der hebeberechtigten Gemeinde erfolgt sei.

19

Die für die Jahre 2004 bis 2007 herangezogene Änderungsvorschrift des § 35b GewStG räume nur eine Anpassung an geänderte Grundlagenbescheide ein. Da die geänderten Feststellungsbescheide für die Jahre 2004 bis 2007 eine Feststellung zur hebeberechtigten Gemeinde nicht träfen, könne unter Berufung auf § 35b GewStG die hebeberechtigte Gemeinde nicht als Folgeänderung im Sinne des § 35b GewStG vorgenommen werden.

20

Was die Änderung der Bescheide 2008, 2009 und 2011 anbelange, sei diese ebenfalls rechtswidrig, weil durch die Steuerfahndung zum einen keine „neuen“ Tatsachen und daneben auch nicht solche Tatsachen festgestellt worden seien, die eine Änderung nach Maßgabe des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zuließen.

21

Für 2010 hätten im Rahmen des Vorbehalts zwar Änderungen erfolgen können, aber nur solche, welche die Steuerfestsetzung betroffen hätten, nicht jedoch die nachrichtliche Mitteilung der Hebeberechtigung.

22

Auch wenn die Änderung der Angabe der Hebeberechtigung nur nachrichtlich erfolgt sei, sei die Klägerin dadurch beschwert. Im Streitfall habe die nachrichtliche Mitteilung Grundlagenfunktion, weil kein

Zuteilungsverfahren aufgrund Fristablaufs erfolgen werde. Die Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO über die Hebeberechtigung wirke sich daher in bindender Weise aus.

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Eine bindende und somit beschwerende Auswirkung ergebe sich auch daraus, dass der, nach Ansicht der Klägerin, hebeberechtigten Gemeinde S die Minderungen der Messbeträge 2006 und 2007 nicht mitgeteilt worden seien. Auch sei eine Anpassung der Gewerbesteuervorauszahlungen durch die Gemeinde S ab 2010 nicht erfolgt. Es handle sich um diejenigen Jahre, in denen die Gemeinde P als hebeberechtigt bezeichnet worden sei.

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Eine Beschwer sei auch darin zu sehen, dass es sich bei dem Zuteilungsverfahren nach § 190 AO um ein ausschließliches Antragsverfahren handle. Die Einleitung eines Verfahrens könne nur auf Antrag eines Beteiligten erfolgen und nicht von Amts wegen. Eine Mitteilung über eine, nach Ansicht der

Finanzverwaltung, geänderte Hebeberechtigung sei daher nicht außerhalb eines Zuteilungsverfahrens ohne Antrag durch eine formlose Mitteilung möglich und verletze das Steuergeheimnis.

25

Der Klägerin sei nicht bekannt, dass die Gemeinde P einen Zuteilungsantrag gestellt habe. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für das Finanzamt Gemeinden auf eine vermeintliche Hebeberechtigung

hinzuweisen. Eine Hebeberechtigung sei von den Gemeinden selbst zu prüfen. Eine einfachnachrichtliche Mitteilung habe zur Folge, dass die Jahresfrist des § 189 Satz 3 AO umgangen werde und sei daher rechtswidrig. Ein Zuteilungsverfahren könne nicht nachfolgen, was sich beschwerend auf die Klägerin auswirke.

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Hinzukomme, dass von der Gemeinde S keine Gewerbesteuererstattungen erfolgt seien, so dass sich auch eine betragsmäßige Beschwer ergebe.

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Sinngemäß vertritt die Klägerin, neben ihren materiellen Einwänden, die Auffassung, dass der Angabe der Adresse im Zusammenhang mit der Klägerin nicht mit „X-str. in S“ formelle Bedeutung zukomme, als sie ein die Identität der Klägerin qualifizierendes Merkmal darstelle.

28

Mit Schreiben vom 16. Juni 2015, eingegangen beim Finanzamt am 18. Juni 2015, erklärte die Sozietät S gegenüber dem Finanzamt, es werde die Empfangsvollmacht für die Klägerin widerrufen, wobei ausgeführt wurde, es habe auch zuvor nur für die Klägerin mit der Adresse X-str. in S eine Vertretungsvollmacht bestanden, nicht jedoch für die Klägerin mit der Adresse in P.

29

Mit Einspruchsentscheidungen vom 16. November 2015 wies das Finanzamt die Einsprüche unter Angabe der StNr. XYZ, Nennung der Klägerin mit X in P zurück und übersandte sie an die prozessbevollmächtigte Sozietät.

30

Mit Schreiben vom 20. November 2015 wies die Prozessbevollmächtigte daraufhin, dass mit Schreiben vom 16. Juni 2015 ihre Empfangsvollmacht für die X mit der Adresse X-str. in S widerrufen worden sei und sie die X mit der Adresse in P nicht vertrete.

31

Das Finanzamt übermittelte die Einspruchsentscheidungen daraufhin unter dem Datum 14. Dezember 2015 auch der Komplementärin und nutzte dabei die im Handelsregister für diese als Geschäftssitz angegebene Adresse in S.

32

Am 11. Dezember 2015 erhob die Klägerin die streitgegenständliche Klage wegen der

Gewerbesteuermessbetragsänderungsbescheide 2004 bis 2011, jeweils vom 16. Mai 2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 16. November 2015.

33

Vorgelegt wurde dazu eine Vollmacht, erteilt von EM als Geschäftsführer der Komplementärin der X welcher die Sozietät zur Vornahme aller das Gerichtsverfahren betreffenden Verwaltungsakte ermächtigte,

verbunden mit einer Empfangsvollmacht für den Schriftverkehr. Mit Klageerhebung vorgelegt wurden ebenso die Änderungsbescheide vom jeweils 16. Mai 2013, sowie die Einspruchsentscheidungen vom 16.

November 2015.

34

Am 14. Januar 2016 erhob die Klägerin erneut Klage wegen der

Gewerbesteuermessbetragsänderungsbescheide 2004 bis 2011, jeweils vom 16. Mai 2013, nun in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015. Die unter dem Aktenzeichen 13 K 185/16 geführte Klage wurde mit Beschluss des Senats vom 7. August 2017 zur streitgegenständlichen Klage zur

Vermeidung einer doppelten Rechtshängigkeit hinzuverbunden.

35

Zur Begründung ihrer Klage im Hinblick auf die Einspruchsentscheidung vom 16. November 2015 trägt die Klägerin vor, deren Erhebung sei aus Sicherheitsgründen im Hinblick auf einen erzeugten Rechtsschein erfolgt, obwohl angesichts der Inhaltsadressierung von einer unwirksamen Bekanntgabe ausgegangen werde. Auch gegen die Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2015 sei Klage erhoben worden, weil das Verhältnis der Einspruchsentscheidungen zueinander nicht zuverlässig einzuschätzen sei. Dabei erklärte die Klägerin auf S. 11 der in Sachen 13 K 185/16 mit Schriftsatz vom 29. Februar 2016 erfolgten Klagebegründung, dass die Einspruchsentscheidung vom 16. November 2016 an die Klägerin weitergeleitet worden sei.

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Weil die Klägerin eingewandt habe, sie unterhalte in P keine Geschäftsräume und habe dort auch keine geschäftliche Oberleitung, der Beklagte dies aber nicht akzeptiere und weiterhin an die X in P adressiere, sei davon auszugehen, der Beklagte meine nicht die Klägerin, sondern eine andere in P ansässige Firma X.

Auch nachdem die Klägerin das Finanzamt aufgefordert habe zu erklären, ob das Finanzamt die X in S meine, sei keine Klarstellung erfolgt, sondern weiterhin die Adresse in P genutzt worden. Damit richte der Beklagte seine Bescheide an ein nicht existierendes Steuersubjekt, da eine X in P nicht existiere. Der Beklagte habe sich nicht bemüht, eine unzweifelhafte Adresse zu ermitteln, sondern sei bestrebt, den Sitz der Klägerin in P anzusiedeln. Es sei daher nicht die X in S gemeint, sondern eine X in P gewollt.

37

Nach § 125 Abs. 5 AO, § 41 Abs. 1 AO bestünde ein Feststellungsinteresse an der Nichtigkeit der Bescheide, da diese aus Sicht der Klägerin wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam seien. Wegen der weiteren Einzelheiten zu einer Verwechselbarkeit und zur Bedeutung der Adresse im Streitfall wird auf die Ausführungen in den Akten verwiesen. Die Klägerin vertritt, unter Verweis auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, wonach die Steuermessbescheide hinsichtlich der sachlichen und persönlichen Steuerpflicht des Steuerobjekts Bindungswirkung entfalteten, die Ansicht, dass für den Fall, dass man nicht von einer Nichtigkeit der Bescheide wegen Benennung eines nichtexistierenden Steuerobjekts ausgehe, zumindest deren Rechtswidrigkeit festzustellen sei, weil die Unterhaltung eines Gewebebetriebes in P verbindlich festgestellt werde.

38

Ergänzend zum Einspruchsverfahren trägt die Klägerin vor, sie gehe wegen der Nutzung der Adresse in P durch das Finanzamt von einem Adressierungsfehler aus. Sie meint, durch die Bestätigung des Vorstands der EM-AG mit Schreiben vom 29. April 2013 und das Besichtigungsprotokoll der Steuerfahndung vom 20.

Januar 2011 sei erwiesen, dass die Klägerin in P nicht ansässig sei.

39

Sowohl die Stadt M mit Schreiben vom 8. August.2013, wie auch die Klägerin mit Schreiben vom 21.

November 2013 hätten an den Beklagten einen Zuteilungsantrag nach § 190 AO gerichtet. Im Verfahren wegen der Aufhebung der ergangenen Zuteilungsbescheide sei erneut die Adressierung in P gerügt worden. Gleichwohl lasse der Beklagte von einer Adressierung an X in P nicht ab. Nachdem zunächst mit Bescheiden vom 25. November 2013 entschieden worden sei, die Gewerbesteuermessbeträge für 2004 bis 2009 der Stadt M und für 2010 bis 2011 der Gemeinde P zuzuweisen, seien diese Bescheide mit Bescheid vom 29. Mai 2015 wieder aufgehoben worden, weil die formellen Voraussetzungen einer Zuteilung

innerhalb der Jahresfrist des §§ 190 Satz 2 AO, § 189 Satz 3 AO nicht vorgelegen hatten. Eine Klärung der Gewerbesteuerberechtigung im Rahmen eines Zuteilungsverfahrens sei für die Streitjahre daher

ausgeschlossen.

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Außerhalb eines Zerlegungs- und Zuteilungsverfahrens gebe es keine Rechtsgrundlage einer neuen Gemeinde Gewerbesteuermessbeträge gem. § 184 Abs. 3 AO zu übermitteln. Dies schon deshalb, weil - wie im Streitfall - die alte Gemeinde S vom Wegfall ihrer Hebeberechtigung nichts erfahre. Nur im

Zuteilungsverfahren seien alle bisherigen oder künftigen Steuerberechtigten Beteiligte. Hinzukomme, dass die Art der erfolgten Mitteilung die Zuteilungssperre des § 189 Satz 3 AO umgehe, welche vorsehe, dass nach Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuermessbescheides eine Zuteilung unterbliebe.

Auch dies führe zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Bescheide.

41

Mangels Zerlegungsverfahren verbliebe im Streitfall eine doppelte Steuergläubigerschaft gegen die sich die Klägerin nicht wehren könne. Dies verstoße gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.

42

Von einer Nichtigkeit der Bescheide sei auch deshalb auszugehen, weil diese im Sinne des § 125 Abs. 1 AO an einem besonders schweren Fehler litten und dies unter verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei. Für Einkommensteuerbescheide gegenüber demselben Adressaten sei entschieden, dass von der Nichtigkeit eines späteren Bescheides auszugehen sei, wenn dessen

Verhältnis zum früheren Bescheid nicht klargestellt sei. Ein solcher schwerwiegender Mangel liege auch im Streitfall vor, da im Zuge der Änderung der Benennung der hebeberechtigten Gemeinde das Verhältnis zum vorausgegangenen Bescheid nicht wirksam geregelt sei.

(6)

Hilfsweise bestehe ein Feststellungsinteresse der Klägerin daran, die Rechtswidrigkeit der Änderung der nachrichtlichen Hebeberechtigung durch den Beklagten feststellen zu lassen.

44

Über die Streitjahre hinausgehend, gebe der Beklagte weiterhin die Gemeinde P als hebeberechtigte Gemeinde an, dies unter Abweichung von der Steuererklärung der Klägerin. So sei die Klägerin gezwungen gewesen, wie in den Jahren 2012 und 2013, Widerspruch gegen die Gewerbesteuerbescheide einzulegen, wobei sich die Gemeinde P auf die Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO berufe. Andererseits erstatte die Gemeinde S die für die Jahre 2012 und 2013 geleisteten Vorauszahlungen nicht, da insoweit eine Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO fehle.

45

Das Feststellungsinteresse bestehe im Hinblick auf eine künftige Beseitigung des nach Ansicht der Klägerin rechtswidrigen Verhaltens für die Zukunft, angesichts der gegebenen Wiederholungsgefahr.

46

Ein weiteres Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Klägerin beabsichtige, Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung einzufordern. Da die Prozessbevollmächtigte auf Stundensatzbasis tätig sei, sei in jedem Fall eine Schadensersatzforderung in der Höhe zu gewärtigen, in der das Honorar der Prozessbevollmächtigten einen möglichen Kostenerstattungsanspruch überschreite.

47

Für den Unterliegensfall werde die Zulassung der Revision beantragt. Es sei höchstrichterlich nicht geklärt, ob die nachrichtliche Mitteilung über eine Hebeberechtigung außerhalb des Zuteilungsverfahrens geändert werden könne. Ebenso wenig sei geklärt, in welchem Verhältnis die nachrichtliche Mitteilung der

Hebeberechtigung im Hinblick auf § 184 Abs. 3 AO und die hierdurch implizierte Steuergläubigerschaft einer Gemeinde stehe, wenn kein Zueilungsverfahren nachfolge.

48

Es bestehe auch eine Rechtsschutzlücke zwischen Finanzgerichts- und Verwaltungsgerichtsverfahren. Von den Finanzgerichten würde der Angabe der Hebeberechtigung keine Bindungswirkung zuerkannt,

andererseits hielten die Verwaltungsgerichte eine im Messbescheid genannte Gemeinde für verpflichtet, einen Gewerbesteuerbescheid zu erlassen.

49

Selbst, wenn die Gewerbesteuerbescheide mit dem Einwand der fehlenden Hebeberechtigung erfolgreich angefochten würden, fehlte es an einer Ermächtigung gem. § 184 Abs. 3 AO den Messbetrag an die tatsächlich hebeberechtigte Gemeinde, die nicht im Gewerbesteuermessbescheid genannt sei, mitzuteilen.

50

Mit Schriftsatz vom 9. August 2017 ergänzt die Klägerin ihre Ausführungen zur materiellen Berechtigung der Annahme eines Ortes der Geschäftsleitung, welcher aus ihrer Sicht eindeutig in S liege. Auf die

Ausführungen hierzu in diesem Schriftsatz wird vollumfänglich verwiesen.

51

Die Klägerin beantragt,

die Änderungsbescheide über die Gewerbesteuermessbeträge 2004 bis 2011, jeweils vom 16. Mai 2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen (2004 bis 2009 und 2011; sowie gesondert 2010), jeweils vom 16.

November 2015, respektive 14. Dezember 2015 aufzuheben (Antrag 1);

hilfsweise die Nichtigkeit respektive Unwirksamkeit der Änderungsbescheide über die Gewerbesteuermessbeträge 2004 bis 2011, jeweils vom 16. Mai 2013, in Gestalt der

Einspruchsentscheidungen vom 16. November 2015, respektive 14. Dezember 2015 jeweils (2004 bis 2009 und 2011) festzustellen (Antrag 2);

hilfsweise unter Änderung der Änderungsbescheide über die Gewerbesteuermessbeträge 2004 bis 2009, jeweils vom 16. Mai 2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2015, respektive 14.

Dezember 2015 als hebeberechtigte Gemeinde die Gemeinde S zu bezeichnen und unter Änderung der Änderungsbescheide über die Gewerbesteuermessbeträge 2010 und 2011, jeweils vom 16. Mai 2013, in

(7)

Gestalt der Einspruchsentscheidungen, jeweils vom 16. November 2015, respektive 14. Dezember 2015 als hebeberechtigte Gemeinde die Gemeinde S zu bezeichnen (Antrag 3);

hilfsweise festzustellen, dass die Änderung der Bezeichnung der hebeberechtigten Gemeinde in den Änderungsbescheiden über die Gewerbesteuermessbeträge 2004 bis 2011, jeweils vom 16. Mai 2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen (2004 bis 2009 und 2011; sowie gesondert 2010), jeweils vom 16.

November 2015, respektive 14. Dezember 2015 rechtswidrig ist (Antrag 4).

hilfsweise die Revision zuzulassen.

52

Dies zur Klärung der Frage einer Änderung der Hebeberechtigung ohne nachfolgendes Zuteilungs- und Zerlegungsverfahren, respektive zur Herbeiführung einheitlicher Rechtsgrundsätze zur Hebeberechtigung außerhalb eines Zerlegungs- oder Zuteilungsverfahrens.

53

Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt, die Klage abzuweisen.

54

Er verweist auf die Ausführungen in den inhaltsgleichen Einspruchsentscheidungen. Hinsichtlich des Jahres 2010 hielt er den Einspruch für zulässig jedoch nicht begründet. Die Angabe der hebeberechtigten

Gemeinde erfolge lediglich zu Informationszwecken und entfalte keine Bindungswirkung für die Gemeinde.

55

Hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2009 und 2011 hielt das Finanzamt die Einsprüche für unzulässig. Es treffe zwar zu, dass die genannten Änderungsvorschriften nicht einschlägig seien. Aus der nachrichtlichen Information über die hebeberechtigte Gemeinde ergebe sich jedoch keine Beschwer. Die Angabe der hebeberechtigten Gemeinde entfalte keine Bindungswirkung, so dass sich hieraus keine Beschwer ableiten ließe. Soweit hinsichtlich des Jahres 2004 eine Änderung zu Gunsten der Klägerin erfolgt sei, schließe § 351 Abs. 1 AO eine Anfechtung aus, weil die Festsetzung im Übrigen bestandskräftig gewesen sei.

56

Zu dem Einwand, der Klägerin sei nicht erklärt worden, weshalb die Adresse in P verwendet werde, werde auf die eigene Sachverhaltsschilderung der Klägerin zur Entstehung der Streitigkeiten verwiesen, daneben auf erläuternde Schreiben des Finanzamts vom 8. Mai 2015 und 10. Dezember 2015, sowie auf die Ausführungen im Steuerfahndungsbericht. Wie sich aus dem Briefkuvert, mit welchem das Schreiben des Finanzamts vom 29. Juni 2015 zurückgesandt wurde, erschließe, habe die Post das Schreiben an die X unter der Adresse in P zugestellt. Der Vermerk „zurück, falsche Zustellung“ sei offensichtlich erst nach Erhalt des Schreibens erfolgt.

57

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO -, sowie auf das Protokoll über die mündliche

Verhandlung vom 14. September 2017 verwiesen.

II.

58

Die Klage hat keinen Erfolg.

59

1. Die Klage ist zulässig (Antrag 1 und 2), soweit mit ihr eine Entscheidung darüber angestrebt wird, ob die in Streit stehenden Bescheide wegen eines Bekanntgabemangels oder aus anderen Gründen nichtig sind, sie erweist sich insoweit jedoch als unbegründet.

60

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - ist die Angabe des Inhaltsadressaten ein konstituierender Bestandteil eines jeden Verwaltungsaktes. Ist der Inhaltsadressat nicht genügend bestimmt (§ 119 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO -), so leidet der Verwaltungsakt an einem besonders

schwerwiegenden Fehler, der zur Unwirksamkeit führt.

(8)

Zur Beseitigung des Rechtsscheins kann der Verwaltungsakt mit der Anfechtungsklage angegriffen und ausdrücklich aufgehoben werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. August 1999 - IV R 34/98 -, BFH/NV 2001, 409, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 16. September 2004 - VII B 20/04 -, juris, BFH/NV 2005, 231).

62

Aber auch mit einer Feststellungsklage kann die Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes wegen einer fehlerhaften Bekanntgabe und damit das Vorliegen eines Nichtaktes geltend gemacht werden (BFH- Beschluss vom 1. Juli 1987 II B 204/86, BFH/NV 1988, 50; BFH/NV 2005, 231). Eine auf die Beseitigung des Rechtsscheins der ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes gerichtete

Feststellungsklage ist gegenüber einer auf das gleiche Rechtsschutzziel gerichteten Anfechtungsklage auch nicht subsidiär. Denn bei einer Klage, welche die Feststellung der fehlenden Wirksamkeit eines

Verwaltungsaktes aufgrund eines Bekanntgabemangels zum Gegenstand hat, handelt es sich um eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Unter Rechtsschutzgesichtspunkten unterscheidet sich der Fall nicht wesentlich vom Fall der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes. Die

Gleichartigkeit beider Fallgestaltungen führt dazu, dass die Feststellungsklage wahlweise neben der Anfechtungsklage gegeben ist (BFH-Beschluss vom 25. Februar 1999 - IV R 36/98 -, BFH/NV 1999, 1117, und BFH-Urteil vom 17. September 1992 - V R 17/86 -, BFH/NV 1995, 279).

63

Vorstehendes berücksichtigend kann die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich der Nichtigkeitsfeststellung zulässigerweise als Anfechtungsklage (Antrag 1) oder im Wege einer Feststellungsklage (Antrag 2)

verfolgen.

64

b) Die in Streit stehenden Bescheide erweisen sich als hinreichend bestimmt, was den Inhaltsadressaten angeht. Sie wurden der Klägerin, ebenso wie die Einspruchsentscheidung vom 16. November 2015, wirksam bekanntgegeben. Die Klage ist insoweit unbegründet. Aus der erneuten Bekanntgabe am 14.

Dezember 2016 ergeben sich keine besonderen Rechtswirkungen, die entsprechende Bekanntgabe wirkte lediglich wiederholend.

65

aa) Ein Verwaltungsakt leidet an einem schweren und offenkundigen Mangel und ist deshalb gemäß § 125 Abs. 1 AO i.V.m. § 119 AO nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was, von wem verlangt wird.

66

Konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes ist daher die Angabe des Inhaltsadressaten, d.h.

desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (BFH-Urteile vom 13. Oktober 2005 -IV R 55/04-, BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404, unter I.1.; vom 23. Oktober 2014 - V R 11/12 -, BFHE 247, 471, BStBl II 2015, 973). Im Falle eines Steuerbescheides ist insoweit nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO u.a. die Angabe des Steuerschuldners als Inhaltsadressaten des Bescheides erforderlich. Dabei reicht es jedoch aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II 2006, 287, unter II.1.b, und vom 15. April 2010 IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606, unter II.3.c aa). Bei einem Gewerbesteuermessbescheid ist Inhaltsadressat der Steuerschuldner (BFH, Urteil vom 15. April 2010 IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606).

67

Ist die Bezeichnung des Inhaltsadressaten nicht eindeutig falsch, sondern mehrdeutig, ist zunächst zu versuchen, durch Auslegung zu klären, wer Inhaltsadressat des Steuerverwaltungsaktes ist (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - IV R 91/05 -, BFH/NV 2008, 1289). Der Inhaltsadressat muss nicht zwingend für einen Dritten aus dem Bescheid selbst oder aus beigefügten Unterlagen erkennbar sein; entscheidend ist, ob der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II 2006, 287, unter II.1.b der Gründe, vom 15. April 2010 IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606).

68

(9)

Ist ein Verwaltungsakt wirksam bekannt gegeben worden, kommt es für alle Folgefragen einschließlich des Beginns der Einspruchsfrist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheids an (vgl. BFH, Beschluss vom 21. Februar 2013 - II B 113/12 -, juris).

69

Hat das Finanzamt wegen bestehender Zweifel am Zugang eines Steuerbescheids einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt bekannt gegeben oder eine Bescheidkopie übermittelt, kommt dem nur dann Bedeutung zu, wenn die Bekanntgabe zuvor nicht wirksam gewesen war (BFH-Urteile vom 9. Dezember 2009 X R 54/06, BFHE 228, 111, BStBl II 2010, 732, unter II.1.b aa, und vom 14. November 2012 II R 14/11, BFH/NV 2013, 693; BFH, Beschluss vom 21. Februar 2013 - II B 113/12 -, juris). Auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen oder dessen Bevollmächtigten von der Wirksamkeit der Bekanntgabe des ursprünglichen Steuerbescheids kommt es nicht an.

70

bb) Im Streitfall lässt sich der Inhaltsadressat für die Klägerin hinreichend sicher und zweifelsfrei durch Auslegung ermitteln.

71

Materiell streitig ist zwischen den Beteiligten letztlich allein, ob die Betriebsstätte der Klägerin im Sinne des

§ 12 AO in den Streitjahren an der Adresse in S zu verorten ist oder für die Streitjahre 2004 bis 2009 in M und für die Streitjahre 2010 und 2011 in P.

72

Für stehende Gewerbebetriebe legt § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) als hebeberechtigte Gemeinde diejenige fest, in der eine Betriebsstätte zur Ausübung des Gewerbes unterhalten wird (sog. gebietsgebundene Steuer; vgl. BFH, Beschluss vom 29. Juni 2015 - III S 12/15 - BFH/NV 2015, 1421). Folge der Verortung der Betriebsstätte ist daher die materielle Entscheidung dazu, wer sich gem. § 4 GewStG als hebeberechtigte Gemeinde qualifiziert. Soweit sich weitere Streitpunkte im Streitfall ergeben, erweisen sich diese als Folge des materiellen Streites über die Verortung der

Betriebsstätte der Klägerin.

73

Der jeweiligen Benennung der Adresse im Zusammenhang mit der Klägerin kommt daher aus Sicht sowohl der Klägerin, wie auch aus Sicht des Finanzamts für den Streitfall offensichtlich keine die Identität der Klägerin berührende Bedeutung zu, sondern sie erweist sich auf beiden Seiten als Ausdruck der jeweils vertretenen materiellen Rechtsauffassung zur Verortung der nach Maßgabe des § 4 GewStG relevanten Betriebsstätte Insoweit kann sich die Klägerin, in Anbetracht der materiellen Streitmaterie und unter Berücksichtigung der genannten Steuernummer der Einsicht nicht verschließen, dass die Nennung der in P auf Seiten des Finanzamts allein Ausdruck der materiellen Rechtsansicht des Finanzamts zu dem sich für die Klägerin ab 2010 abzeichnenden Ort der Betriebsstätte ist und nicht als identitätsunterscheidendes Merkmal gemeint ist. Die Nämlichkeit der Klägerin als Inhaltsadressat der in Streit stehenden Bescheide liegt angesichts der materiellen Streitmaterie auf der Hand. Eine Verwechslungsgefahr ist ganz

offensichtlich ausgeschlossen.

74

cc) Auch die Einspruchsentscheidungen vom 16. November 2015 erweisen sich als der Klägerin wirksam bekanntgegeben.

75

Zwar hat die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 16. Juni 2015, eingegangen beim Finanzamt am 18. Juni 2015, dem Finanzamt mitgeteilt, dass die Empfangsvollmacht für sie seitens der Klägerin

widerrufen worden sei, wobei die steuerliche Vertretungsvollmacht Bestand haben solle. Ermessensgerecht wäre daher primär die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an die Klägerin direkt gewesen.

76

Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall, angesichts des ausschließlichen Auftretens und der allumfassenden Interessenwahrnehmung für die Klägerin durch die Prozessbevollmächtigte im Weiteren, bei gleichzeitigem Fehlen einer persönlichen Erklärung der Klägerin über den Widerruf der

Empfangsvollmacht, eine Bekanntgabe an die Prozessbevollmächtigte als im Rahmen des Bestehens einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht Bestand haben könnte.

(10)

Jedenfalls ist ein möglicher Bekanntgabefehler an die Prozessbevollmächtigte dadurch geheilt worden, dass die Einspruchsentscheidungen tatsächlich an die Klägerin weitergeleitet worden sind, so dass diese von deren Inhalt Kenntnis nehmen konnte. Die tatsächliche Weiterleitung wird von der Klägerin auch ausdrücklich eingeräumt. Der Sinn und Zweck der Bekanntgabe, dass der Betroffene vom Inhalt einer Verwaltungsentscheidung Kenntnis nehmen kann, ist für den Streitfall daher erfüllt (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 29/02, BFH/NV 2003, 1397, m.w.N; BFH, Beschluss vom 26. Juni 2009 - III B 16/07 -, juris; vom 21. Februar 2013 - II B 113/12 -, juris).

Fristenprobleme ergeben, sich angesichts der Erhebung der Klage innerhalb eines Monats (11. Dezember 2015) seit deren Erlass (16. November 2015) nicht, so dass eine Feststellung dazu, wann die Klägerin die Einspruchsentscheidung genau erhalten hat, unterbleiben kann.

78

Auf die erneute Bekanntgabe der Einspruchsentscheidungen am 14. Dezember 2015 kommt es im Weiteren nicht an.

79

c) Eine Nichtigkeit der in Streit stehenden Bescheide ergibt sich auch nicht aus anderen Gründen.

80

Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

81

Von einem schwerwiegenden Fehler kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine rechtliche

Sachbehandlung objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 1. September 2008 - IV B 4/08 -, BFH/NV 2009, 35, m.w.N; vom 16. August 2011 - III B 155/10 -, BFH/NV 2012, 48).

82

Ein solcher Fehler ist für den Streitfall nicht erkennbar.

83

aa) Durch die Benennung von Änderungsvorschriften im Rahmen des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide unter Verweis auf den Prüfungsbericht vom 17. Dezember 2012 ist hinreichend deutlich, dass die in Streit stehenden Bescheide in der Folge der Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung ergangen sind und in welchem Verhältnis sie zu den vorhergehenden Gewerbesteuermessbetragsbescheiden - nach der Rechtsauffassung der erlassenden Behörde - stehen. Ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist, ist eine Frage der Rechtmäßigkeit und nicht der Nichtigkeit. Ein Nichtigkeitsgrund vermag sich hieraus für den Streitfall nicht zu erschließen.

84

bb) Ebenso wenig lässt sich aus sonstigen Gründen von einem schwerwiegenden Fehler ausgehen, der zur Nichtigkeit der in Streit stehenden Bescheide führen könnte.

85

Angesichts der Fülle der von der Fahndungsprüfung zusammengetragenen Beweisanzeichen - es wird insofern auf die Ausführungen unter Ziff. XYZ des Fahndungsberichtes wegen EM-AG verwiesen - stellt sich der Schluss des Finanzamts, dass die Nennung der Gemeinde S in den ursprünglichen Bescheiden

unzutreffend war als naheliegend und legitim dar, nachdem die Beweisanzeichen gegen eine aktive Geschäftstätigkeit jedweder Firmen und damit auch der X in S sprechen. Nach Aktenlage führten weder sachfremde Erwägungen, noch objektiv feststellbare Willkürlichkeiten zur Änderung der Rechtsansicht des Finanzamts hinsichtlich des Firmensitzes der X.

86

2. Soweit die Klägerin die Aufhebung (Antrag 1) der in Streit stehenden Bescheide wegen rechtsfehlerhafter Benennung der Gemeinden M und P begehrt, ist die Klage ebenfalls nicht begründet.

87

(11)

Einwände gegen die in den Bescheiden festgestellten Steuermessbeträge werden von der Klägerin nicht geltend gemacht. Da - soweit festgesetzt - nur eine Minderung des Steuermessbetrages erfolgte, fehlte es insoweit auch an einer Beschwer.

88

Das Begehren der Klägerin ist darauf gerichtet, entweder durch Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide oder durch Änderung der Bezeichnung der hebeberechtigten Gemeinde in den

streitgegenständlichen Bescheiden, bereits im Verfahren der Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung eine Mitteilung der Gewerbesteuermessbeträge allein an die Gemeinde S durchzusetzen.

89

a) Die Benennung einer hebeberechtigten Gemeinde als nachrichtliche Mitteilung ist dem „Verfahren“ und nicht den materiell bindenden Feststellungen der Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung zuzuschreiben, da eine materiell verbindliche Entscheidung über die hebeberechtigte Gemeinde von der entsprechenden Benennung nicht ausgeht.

90

aa) Den Finanzbehörden obliegt allein die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages als Manifestation der Bestimmungsbefugnis zur persönlichen und sachlichen Gewerbesteuerpflicht gem. § 184 Abs. 1 Satz 2 AO (vgl. § 14 Abs. 1 GewStG, § 184 Abs. 1 Satz 1 AO; BFH, Urteil vom 21. Juli 1999 - I R 111/98 - BFH/NV 2000, 346).

91

Diese Festsetzung ist der steuerberechtigten Gemeinde als bindende Grundlage (vgl. § 171 Abs. 10 AO) mitzuteilen, damit diese ihrer Verpflichtung nachkommen kann, unter Anwendung ihres Hebesatzes die Gewerbesteuer zu errechnen (vgl. § 16 GewStG) und hiernach den Gewerbesteuerbescheid als

Folgebescheid zu erlassen (vgl. § 184 Abs. 3 AO; BFH, Beschluss vom 4. Oktober 1996 I B 54/96, BFHE 181, 265, BStBl II 1997, 136, m.w.N.). Bindungswirkung im Sinne des § 351 Abs. 2 AO vermag dabei nur die Festsetzung der Gewebesteuermessbeträge zu entfalten, nicht jedoch die Benennung der

hebeberechtigten Gemeinde.

92

Unter Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Urteil des BFH vom 19. November 2003 - I R 88/02 -, BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751, bestätigt durch Beschluss vom 9. Januar 2013 - IV B 64/11 - BFH/NV 2013, 512 erweist es sich als höchstrichterlich geklärt, dass die Frage der Verortung der

Geschäftsleitungsbetriebsstätte nicht im Verfahren gegen den Gewerbesteuermessbescheid verbindlich zu klären ist.

93

Die Bestimmung des Steuergläubigers als der hebeberechtigten Gemeinde ist als materiellrechtliche Voraussetzung von der Gemeinde beim Erlass des Gewerbesteuerbescheids eigenständig zu prüfen (vgl.

BFH in BFH/NV 2013, 512) und kann nur in einem gegen den Gewerbesteuerbescheid gerichteten

Rechtsbehelfsverfahren geklärt werden, sofern sie nicht Gegenstand eines Zuteilungsbescheids nach § 190 AO oder eines Zerlegungsbescheids nach § 185 AO ist (vgl. BFH in BFH/NV 2013, 512).

94

bb) Dies berücksichtigend ist die nachrichtliche Mitteilung über die hebeberechtigte Gemeinde im Verfahren der Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung den das „Verfahren“ regelnden Entscheidungen zuzuordnen, da eine materielle Entscheidung mit verbindlichem Charakter nicht getroffen wird. Eine materielle

Fehlerbeseitigung hinsichtlich der Benennung der hebeberechtigten Gemeinde seitens des Finanzamts ist daher durch die Bestimmung des § 127 AO begrenzt (so im Ergebnis auch BFH/NV 2013, 512).

95

b) Nach § 127 AO kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

96

(12)

Bescheide nicht ausgegangen werden. Das Gebot der Beachtung von Nichtigkeitsgründen garantiert für den Fall des Gewerbesteuermessbetragsverfahrens, dass die Unbeachtlichkeit von Fehlern bei der

nachrichtlichen Benennung der hebeberechtigten Gemeinde dort ihre Grenze findet, wo sich die Benennung als willkürlich und nicht von Sachgründen getragen darstellt. Hiervon ist, wie unter Ziff. II. 1 c) der

Urteilsgründe ausgeführt, für den Streitfall nicht auszugehen. Ein Anspruch auf Aufhebung im Hinblick auf Nichtigkeitsgründe ergibt sich für den Streitfall nicht.

97

bb) Ebenso wenig ergibt sich ein Aufhebungsanspruch aus der Möglichkeit einer anderen Sachentscheidung.

98

Hinsichtlich der möglicherweise „anderen Entscheidung in der Sache“ im Sinn des § 127 AO ist, nach Sinn und Zweck der Bestimmung, allein auf die jeweilige Entscheidung abzustellen, die im Wege der in Streit stehenden Verwaltungsentscheidung verbindlich geregelt werden kann. Im Falle eines

Gewerbesteuermessbescheides betrifft dies im Hinblick auf die Regelungsbefugnisse des Finanzamts gegenüber der Klägerin allein deren grundsätzliche Gewerbesteuerpflicht und die Höhe der für sie in den einzelnen Jahren festzustellenden Steuermessbeträge. Für die verbindliche Feststellung der

hebeberechtigten Gemeinde kommt der Finanzbehörde keine verbindliche Entscheidungsbefugnis zu, so dass es auf die Rechtmäßigkeit einer hierzu möglichen anderen Entscheidung nicht ankommen kann, da das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin auf verbindliche Feststellung der richtigen hebeberechtigten Gemeinde durch Änderung der nachrichtlichen Mitteilung im Rahmen des Steuermessbetragsverfahrens nicht befriedigt werden könnte.

99

cc) Etwas Anderes vermag auch nicht deshalb zu gelten, weil für den Fall, dass Streit darüber besteht, welchem Steuerberechtigten der Steuermessbetrag in voller Höhe zusteht, ein Zuteilungsverfahren gem. § 190 AO im Rahmen der Abgabenordnung vorgehalten wird.

100

(1) In der Literatur (vgl. von Wedelstädt in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1.

Aufl. 1995, 131. Lieferung, § 127 AO Ziff. 12.1) werden, wie sinngemäß auch von Seiten der Klägerin eingewandt, Zweifel daran geäußert, ob § 127 AO im Gewerbesteuermessbetragsverfahren zur Anwendung kommen kann, wenn es zu einem Zuteilungsverfahren des Gewerbesteuermessbetrages im Sinne des § 190 Satz 1 AO nicht kommen kann, weil die gem. § 190 Satz 2 AO in Verbindung mit § 189 Satz 3 AO zu beachtende Jahresfrist nach Unanfechtbarkeit der Bescheide dies verhinderte. Begründet wird dies damit, dass von der Benennung der hebeberechtigten Gemeinde eine faktische Bindungswirkung ausgehe, weil sich die entsprechend benannte Gemeinde als verpflichtet betrachte, einen Gewerbesteuerbescheid als Folgebescheid zu erlassen.

101

(2) Derartige Bedenken vermag der erkennende Senat nicht zu teilen. Entsprechendes könnte nur dann gelten, wenn das Zuteilungsverfahren im Sinne des § 190 Satz 1 AO die einzige Möglichkeit für die Klägerin darstellte, eine einheitliche Entscheidung darüber herbeizuführen, welche Gemeinde für die Streitjahre als hebeberechtigt zu qualifizieren ist. Eine derartige Einschränkung des Rechtsschutzes lässt sich jedoch nicht feststellen.

102

(2.1) So kann sich die Klägerin gegen die erfolgten Gewerbesteuerfestsetzungen der Stadt M und der Gemeinde P mit dem Einwand der fehlenden Hebeberechtigung im Widerspruchs- und anschließendem Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten wenden. Erweist sich der materielle Einwand der Klägerin als zutreffend, werden die Gewerbesteuerbescheide der Stadt M und der Gemeinde P aufgehoben, es verbleibt die, seitens der Klägerin, als zutreffend erachtete Gewerbesteuerfestsetzung durch die Gemeinde.

103

Erweist sich der Einwand der Klägerin als unzutreffend, kann sie unter Berufung auf § 174 Abs. 1 Satz 1 AO für die betroffenen Streitjahre eine Aufhebung der Gewerbesteuerbescheide durch die Gemeinde S

erwirken. Auf die Realsteuern, zu denen nach § 3 Abs. 2 AO die Gewerbesteuer zählt, sind nach § 1 Abs. 2

(13)

Nr. 4 AO die Vorschriften der Abgabenordnung über die Durchführung der Besteuerung anzuwenden.

Anwendung findet daher auch die Vorschrift des § 174 Abs. 1 AO über die Verfahrensweise bei

widerstreitenden Steuerfestsetzungen, wenn ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zu Lasten eines Steuerpflichtigen berücksichtigt wurde. Erweist sich daher die Gewerbesteuerfestsetzung durch die Stadt M und die Gemeinde P als zutreffend, kann die Klägerin durch Antrag gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO die Aufhebung der Gewerbesteuerfestsetzung für die Streitjahre gegenüber der Gemeinde S beanspruchen.

104

Der Verbleib einer doppelten Belastung der Klägerin mit Gewerbesteuer in den Streitjahren qualifiziert sich daher, unter Berücksichtigung des zu erlangenden Rechtsschutzes, als ausgeschlossen.

105

(2.2.) Durch den Vorhalt eines Zuteilungsverfahrens und die damit verbundene Jahresfrist des § 190 Satz 2 AO i.V.m. § 189 Satz 3 AO werden nicht die gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 und 7 AO auf Gewerbesteuerbescheide anwendbaren Vorschriften über die Festsetzungsverjährung und das Straf- und Bußgeldverfahren außer Kraft gesetzt.

106

Führen unzutreffende Angaben eines Steuerpflichtigen dazu, dass der Ort der Betriebsstätte unzutreffend angenommen und einer nicht hebeberechtigten Gemeinde die Besteuerungsgrundlagen mitgeteilt worden sind, vermag dies nicht dazu zu führen, dass die zutreffend hebeberechtigte Gemeinde ihren Anspruch auf Erhebung der Gewerbesteuer verliert. Als tatsächlich Berechtigte kann sie diesen in den Grenzen, welche allein die Festsetzungsverjährung des §§ 3 Abs. 2 Nr. 4, 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AO bis zu 10 Jahre ausdehnt, weiterhin geltend machen. Hierzu stehen ihr die in §§ 184 Abs. 3 AO und § 31 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Mitteilungs- und Informationspflichten zur Verfügung.

107

Die Möglichkeit der zügigen Klärung einer Hebeberechtigung im Wege eines Zuteilungsverfahrens betrifft ersichtlich nur den Fall, dass den Beteiligten die Unsicherheiten über eine zutreffende Hebeberechtigung bekannt sind und im Interesse aller eine rechtlich bindende Feststellung angestrebt wird.

108

Ein gesetzgeberischer Zweck durch Vorhalt des Zuteilungsverfahrens und der damit verbundenen kurzen Jahresfrist ein Verfahren vorzuhalten, welches verhinderte, dass im Falle unzutreffender Angaben durch den Steuerschuldner eine hebeberechtigte Gemeinde ihr Heberecht durchzusetzen vermag, lässt sich nicht erkennen.

109

Die für einen derartigen Fall gegebenenfalls vorübergehend eintretende doppelte Gewerbesteuerbelastung ist - gegebenenfalls - Folge der unzutreffenden Angaben des Steuerpflichtigen und wäre durch zutreffende Angaben oder, im Falle von Zweifeln, durch frühzeitige Offenlegung eines zweifelhaften Sachverhalts und Antrag auf Durchführung eines Zuteilungsverfahrens auf Anstoß des Steuerpflichtigen zu vermeiden.

110

c) Zwar sind die in den Änderungsbescheiden benannten Änderungsvorschriften nicht geeignet, als Rechtsgrundlage für die Änderung einer nachrichtlichen Mitteilung über die hebeberechtigte Gemeinde zu dienen, gleichwohl erweist sich die geänderte Benennung in den streitgegenständlichen Bescheiden durch die Mitteilungspflicht der Finanzbehörden gegenüber den hebeberechtigten Gemeinden gem. §§ 184 Abs.

3, 31 Abs. 1 Satz 1 AO als rechtmäßig und geboten.

111

aa) Gem. § 31 Abs. 1 AO sind die Finanzbehörden verpflichtet, Steuermessbeträge an Körperschaften des öffentlichen Rechts (die Gemeinden und Städte) zur Festsetzung von solchen Abgaben mitzuteilen, die an diese Steuermessbeträge anknüpfen. Neben der genannten allgemeinen Amtshilfeverpflichtung des § 31 Abs. 1 Satz 1 AO legt § 184 Abs. 3 AO fest, dass die Finanzbehörden den Inhalt des Steuermessbescheids den Gemeinden mitteilen, denen die Steuerfestsetzung (der Erlass des Realsteuerbescheids) obliegt.

112

(14)

Gewerbesteuergläubigerschaft der Gemeinde S zu Tage gefördert haben, war die Finanzbehörde gem. §§

31 Abs. 1 Satz 1, 184 Abs. 3 AO gehalten, den sich als steuerberechtigt empfehlenden Gemeinden P und der Stadt M die Steuermessbeträge mitzuteilen. Da ein bestimmtes Verfahren hierfür nicht vorgesehen ist, vermag die Mitteilung auch im Wege einer wiederholenden Benennung der Besteuerungsgrundlagen zum Steuermessbetrag erfolgen, unter Berücksichtigung der sich, nach neuer Sachlage, als hebeberechtigt empfehlenden Gemeinde.

113

bb) Im Übrigen hat die Änderung der Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages entweder zu einer Begünstigung der Klägerin geführt (Jahre 2004, 2006, 2007) oder keine Veränderung bewirkt. Insofern fehlt es an der Beschwer für ein Aufhebungsbegehren.

114

3. Hinsichtlich des Antrages auf Änderung der nachrichtlichen Mitteilung der jeweils hebeberechtigten Gemeinde in den Änderungsbescheiden in „Gemeinde S“ (Antrag 3) hält der erkennende Senat die Klage für zulässig aber nicht begründet.

115

a) Da von der Entscheidung der Finanzbehörde, welche Gemeinde sie für hebeberechtigt erachtet, eine Indizwirkung ausgeht, die bewirkt, dass sich die benannte Gemeinde für hebeberechtigt hält (so auch Klein/Ratschow AO 13. Aufl. § 184 Rz. 19), hat die Benennung der genannten Gemeinde rechtsstaatlichen Grundsätzen zu genügen. Der Steuerschuldner kann hinsichtlich des Mitteilungsverfahrens daher ein subjektives Recht dahingehend beanspruchen, als sich die Auswahl der entsprechenden Gemeinde als sachgerecht zu erweisen hat. Eine willkürliche, auf sachfremden Erwägungen beruhende Benennung ist geeignet eine Beschwer herbeizuführen, als der Betroffene veranlasst ist, sich hiergegen zu wehren, um Mehrfachforderungen auszuschließen.

116

b) Die Klage ist insoweit jedoch nicht begründet, da ein Änderungsanspruch nicht besteht.

117

aa) Wie bereits ausgeführt, teilen die Finanzbehörden gem. § 184 Abs. 3 AO den Inhalt des Steuermessbescheids den Gemeinden mit, denen die Steuerfestsetzung (der Erlass des Realsteuerbescheids) obliegt.

118

Zu den im Sinne des § 351 Abs. 2 AO (gem. § 3 Abs. 2 AO, § 1 Abs. 2 Nr. 6. AO anwendbar für die Gewerbesteuerfestsetzung) aufgrund der Mitteilung bindenden Feststellungen des

Gewerbesteuermessbetragsbescheides für die Gewerbesteuer zählt, wie bereits ausgeführt, nicht die Feststellung, welcher Gemeinde die Hebeberechtigung im Sinne des § 4 Abs. 1 GewStG letztlich zukommt.

Auch das von der Klägerin genannte Urteil des BFH vom 21. Juli 1999 - I R 111/98 - BFH/NV 2000, 346 besagt nichts Anderes, als es nur auf die Verpflichtung der Gemeinde hinweist, den bindenden

Feststellungen des Gewerbesteuermessbetragsbescheides Folge zu leisten. Eine Bindungswirkung vermag von der mittels nachrichtlicher Mitteilung geäußerten Rechtsauffassung des Finanzamts zur

hebeberechtigten Gemeinde nicht auszugehen, weil es insoweit an einer originären Regelungsermächtigung der Finanzbehörde im Rahmen des § 184 Abs. 1 Satz 1 AO fehlt.

119

Da die Mitteilungspflicht des § 184 Abs. 3 AO nicht mit einer Letztentscheidungsbefugnis der Finanzbehörden zur Festlegung der hebeberechtigten Gemeinde korrespondiert, erweist sich die

Wahrnehmung der Mitteilungspflicht im Sinne des § 184 Abs. 3 AO solange und soweit als rechtmäßig, als die Benennung der hebeberechtigten Gemeinde nicht objektiv willkürlich erscheint, nicht auf sachfremden Erwägungen beruht oder unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar ist und die der Finanzbehörde bekannten Umstände die Entscheidung hinsichtlich der Benennung der Hebeberechtigung tragen.

120

Angesichts der Fülle von Beweisanzeichen die auf eine fehlende Geschäftstätigkeit in den Streitjahren in S hinweisen, erweist sich die Benennung der Stadt M und der Gemeinde P als hebeberechtigte Gemeinden in den streitgegenständlichen Bescheiden weder als willkürlich, noch als auf sachfremden Erwägungen

(15)

beruhend. Die vorliegenden Beweisanzeichen tragen die Entscheidung der Finanzbehörde, so dass eine Änderung nicht zwingend und daher nicht durchsetzbar ist.

121

bb) Hinzukommt, dass § 31 Abs. 1 Satz 1 AO den Finanzbehörden eine Informationspflicht zur Mitteilung des Gewerbesteuermessbetrages an die Gemeinden auferlegt, um diesen die Wahrnehmung ihres Besteuerungsrechtes hinsichtlich der Gewerbesteuer zu ermöglichen.

122

Dies berücksichtigend könnte eine Änderungsverpflichtung allenfalls dann angenommen werden, wenn offensichtlich nur eine bestimmte Gemeinde die Kriterien erfüllte, die eine Hebeberechtigung nach sich ziehen.

123

Dies trifft auf den Streitfall nicht zu, da die seitens der Steuerfahndung ermittelten Beweisanzeichen eine Hebeberechtigung der Stadt M und der Gemeinde P für die Streitjahre tragen. Da über die

Hebeberechtigung verbindlich erst im Verfahren der Gewerbesteuer entschieden werden kann, war der Beklagte gehalten, den betroffenen Gemeinden die Steuermessbeträge mitzuteilen, um diesen zu ermöglichen, ihr gegebenenfalls bestehendes Besteuerungsrecht wahrzunehmen.

124

4. Der als Antrag 4 bezeichnete Feststellungsantrag erweist sich als unzulässig, da die Sachurteilsvoraussetzung des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO insoweit nicht vorliegt.

125

Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO kann eine begehrte Feststellung nicht getroffen werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

126

Die Klägerin kann ihr Rechtsschutzbedürfnis auf verbindliche Feststellung der hebeberechtigten Gemeinde durch Geltendmachung eines entsprechenden Anfechtungsbegehrens im Rahmen des

Gewerbesteuerfestsetzungsverfahrens durchsetzen. Dem entsprechenden Antrag fehlt daher die Sachentscheidungsvoraussetzung.

127

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO 128

6. Anlass für die Zulassung der Revision ergibt sich unter Berücksichtigung der gesetzlichen

Voraussetzungen, insbesondere des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO nicht. Die Klärung der Frage, in welchem Verfahren die Hebeberechtigung einer Gemeinde festzustellen ist, und der Umstand, dass

Grenzfragen unter Berücksichtigung des § 127 AO zu lösen sind, erweist sich, ebenso wie die Rechtsfragen zur Nichtigkeit von Bescheiden, als nachhaltig höchstrichterlich geklärt. Die Klärung der Hebeberechtigung in einem Zuteilungsverfahren wurde vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht und stellt offensichtlich nur eine besondere Möglichkeit der Klärungsmöglichkeit dar.

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