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Zur Textgestaltung zweier Buchtitel von 1527 und 1532

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Zur Textgestaltung zweier Buchtitel von 1527 und 1532

Horst H. Figge

1. "Ich rede in Lauten, merke leis"

Zum Titeltext von Ickelsamers Buch vom Lesenlernen

Abb. 1: Titelseite des Leselernbuchs von Valentin Ickelsamer, 1527.

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Das Titelblatt eines Buchs ist gewissermaßen seine Fassade; ihm ist deshalb bei der Herstellung stets besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden. Ein "Schul-Beispiel" dafür findet sich auf der Titelseite eines Buchs zur Lesedidaktik, das Valentin Ickelsamer 1527 veröffentlicht hat (Abb. 1).

Der Text lautet "Die rechte weis aufs kürtzist lesen zu lernen, wie das zum ersten erfunden, vnd aus der rede vermerckt wordẽ ist, sampt einem gesprech zweyer kinder, aus dem wort Gottes.

Valentin 15 Ickelsamer 27".

Max Liedtke schreibt zu den Unterrichtsmethoden Anfang des 16.

Jahrhunderts: "Der [...] Leseunterricht auf der Basis der Buchstabiermethode war umständlich und mühsam. Sein größter Nachteil bestand darin, dass der Schüler die Namen des Buchstaben (z. B. "zet"), nicht aber dessen Lautwert ("z") erlernte [...] Erst Valentin Ickelsamer [...] hat die Schwächen der Buchstabiermethode öffentlich benannt und als neue Leselernmethode die Lautiermethode entwickelt. Diese neue Methode veröffentlichte er erstmals 1527 in Erfurt [...] In seinen Büchern setzt Ickelsamer der Buchstabiermethode die Lautiermethode entgegen, die beim Erstlesekurs nicht von den Buchstabennamen ausgeht, sondern vom Lautwert der Buchstaben."1

Nun muss jemand, der eine neuartige Form des Leseunterrichts einzuführen versucht, selbstverständlich zunächst einmal seine eigene Sprachkompetenz unter Beweis stellen. Die Unebenheiten des Titeltextes können also nicht zufällig entstanden sein, vielmehr muss es besondere, nachvollziehbare Gründe geben, die schwerer gewogen haben als äußere Exaktheit.

Dabei fällt zunächst einmal der Einsatz verschiedener Schriftgrade auf. "Die rech=" ist so groß gesetzt worden, dass die ganze erste Zeile gefüllt ist und nicht einmal Platz für die abgetrennten Buchstaben te bleibt. Die zweite und die dritte Zeile sind dann verhältnismäßig klein gesetzt worden, die folgenden vier noch kleiner. Der Vorname des Autors ist dagegen wieder groß in eine Zeile gesetzt, während der Nachname und links und

1 Max Liedtke 2005: Schule und Bildung in der Reformationszeit, in:

Daniel Hess: Mit Milchbrei und Rute, S. 72-74.

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rechts davon die aufgespaltene Jahreszahl wieder die Größe der zweiten und dritten Zeile haben.

Auffälligkeiten gibt es auch bei der Rechtschreibung. Das Wort kürtzist ist mit I statt mit E geschrieben worden. Am Ende der dritten Zeile fehlt hinter er das Trennungszeichen; im Wort wordẽ ist das N durch eine Tilde angedeutet, obwohl es bei etwas anderer Raumaufteilung genügend Platz gegeben hätte; das Wort zweyer ist mit Y geschrieben, das Wort einem dagegen mit I.

Zum "Letterwechsel": Einen Hinweis auf eine angewendete Art der Textgestaltung enthält der scheinbar gänzlich überflüssige Kringel über dem H der ersten Zeile. Er dürfte nämlich andeuten, dass Buchstaben umgestellt werden sollen. Folgt man diesem Hinweis, dann kann man aus den am Anfang so dominant gesetzten Buchstaben Die rech das Anagramm Ich rede bilden.

Die ebenfalls groß und auffällig in eine Zeile gesetzten Buchstaben Valentin ergeben umgestellt in Lavten.2

Damit ergeben die beiden deutlich vom Rest abgehobenen Zeilen Die rech und Valentin die absolut in den Zusammenhang passende Aussage Ich rede in Lavten. (In lateinischer Tradition gilt V=U.)

Aus dem Nachnamen Ickelsamer lässt sich dann als Ergänzung das Anagramm mercke lais bilden, wobei mercke im Sinn von

"notiere, schreibe auf" verstanden werden kann. Man hat also Ich rede in Lavten mercke lais, das heißt, die Namen der Buchstaben spielen weder beim Sprechen, noch beim Schreiben eine Rolle, weil das Schreiben eine Art von stummem Sprechen ist.

Das Anagramm Ich rede in Lavten, mercke lais wird sogar dadurch bestätigt, dass die Buchstabenfolgen rede und merck auch in der vierten und fünften Zeile des Textes auftauchen (Abb.

2).

Abb. 2: Die Wörter rede und merck in der 4. und 5. Zeile.

2

(4)

In der zweiten und dritten Zeile steht mit Buchstaben mittlerer Größe te weis aufs kürtzist lesen zu lernen, wie das zum er. Dabei weisen der Wortrest te am Anfang und das Fehlen des Trennungszeichens hinter er am Ende darauf hin, dass auch hier ein Anagramm eine Rolle gespielt hat. So lässt sich durch Umstellung der Buchstaben eine Scherzfrage mit Antwort bilden, nämlich Was ist zu reden mer wie leis zu lesen? Kurtz aufsten (Abb. 3a/b). Während des Unterrichts hatten die Schüler zu sitzen auch beim leis lesen; zum reden dagegen, z. B. um eine Frage zu beantworten, mussten sie kurtz aufsten. Der Unterschied zwischen normalem Sprechen und leisem d. h. stummem Lesen bestand also, so gesehen, in nichts anderem als in einer Änderung der Körperhaltung.

=

Abb. 3a/b: Die zweite und dritte Zeile mit Anagramm.

Ein Beleg dafür, dass dieses Anagramm tatsächlich gemeint gewesen ist, kann im Wort kurtzist gesehen werden, bei dem das I anstelle eines E steht, sodass das Wort in kurtz und ist zweigeteilt erscheint. Außerdem kann das Umlautzeichen über dem U sowohl als E (kuertzist), als auch als O (kuortz ist) verstanden werden.

Abb. 4: "ist lesen zum er der rede"

Durch die Abtrennung des Wortteils ist erscheint am Ende der zweiten, dritten und vierten Zeile zudem die Aussage "ist lesen zum er der rede" oder "ist lesen zu mer der rede" (Abb. 4), das heißt, das Lesen ehrt und mehrt die gesprochene Sprache.

Bedeutsamer für die Gestaltung ist aber wohl Folgendes gewesen.

Die ersten drei Zeilen ergeben zusammen mit der letzten klein

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gedruckten Zeile das Anagramm "Die rechte weis aufs kürtzist lesen zu lernen/ wie das zum er dem wort Gottes" (Abb. 5). Das heißt, da das Wort Gottes in der Bibel gegeben ist, sollten alle Christen so bald wie möglich selbst in die Lage kommen, es zu lesen.

Abb. 5: Ausschnitte aus Abb. 1.

Zweite Bedeutungsebenen sind sogar über die graphische Gestaltung einzelner Buchstaben eingebaut worden. So ist das C in der ersten Zeile so gestaltet worden, dass es auch als T gelesen werden kann (Abb. 6a). Der Vergleich des C in Die rech mit dem T in Valentin (Abb. 6b) zeigt die Ähnlichkeit, der Vergleich des C mit dem C in Ickelsamer (Abb. 6c) die Abweichung.

Abb. 6a/b/c: Ausschnitte aus Abb. 1.

Damit steht also in der ersten Zeile auch Die reth, was man nicht versteht, wenn man von den Buchstaben ausgeht. Erst wenn man es lesend offen oder verdeckt ausspricht, versteht man, was gemeint ist. Die Namen der Buchstaben spielen also für das Verständnis eines Textes keine Rolle, wohl aber ihr Lautwert;

eben Valentin = in Lavten.

Zur "Wortrechnung": Der Autor hat eine ganze Reihe von Varianten seines Nachnamens verwendet; für die Version

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Ickelsamer könnten Ergebnisse der Wortrechnung gesprochen haben, denn mit dem (alt)deutschen Rangsystem (Abb. 7) gerechnet, ergeben die beiden Wörter Valentin und Ickelsamer die gleiche Summe 91; und dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass auch der Ausdruck Filius Dei ("Sohn Gottes") die Summe 91 hat.

Der ganze Name Valentin Ickelsamer ist sogar summengleich mit Jesus Christus.3

Abb. 7: Das deutsche Buchstabenzahlensystem

(aus Michael Stifel 1554 "Die Coss Christoffs Rudolffs", Fol. 488).

Rechnet man nun den Titeltext (ohne die Jahreszahl) mit diesem System um, dann erhält man die Summe 1826 = 11x166,4 was nichts Besonderes zu besagen scheint. Da mit dem Wort Gottes in christlicher Tradition aber auch Christus gemeint sein kann, bietet sich an, anstelle der separat gesetzten Passage "dem Wort Gottes"

(mit der Summe 174) das Wort "Christo" (mit der Summe 88) zu setzen. Rechnet man dann noch die Jahreszahl hinzu, dann erhält man für das Ganze die Summe 1826-(21+71+82)+88+1527 = 3267

= 3x33x33.5

Hinzukommt, dass die ersten drei Zeilen (Die rechte weis aufs kürtzist lesen zu lernen, wie das zum er) die Summe 605 = 11x55

3 Filius Dei 73+18 = 91, Jesus Christus 70+112 = 182 = 2x91.

4 Die 19 rechte 57 weis 53 aufs 45 kurtzist 136 lesen 52 zu 43 lernen 64 wie 35 das 23 zum 56 ersten 77 erfunden 83 und 37 aus 39 der 26 rede 31 vermerckt 108 worde 61 ist 46 sampt 65 einem 44 gesprech 78 zweyer 95 kinder 58 aus 39 dem 21 wort 71 Gottes 82 Valentin 91 Ickelsamer 91 = 1826

5 22 (also 2x11) galt als "runde" Zahl, weil 22 der Umfang des archimedischen Normkreises war. Die 3 bzw. 3x3 kann dann als Hinweis auf die Dreieinigkeit gewertet werden.

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haben, sodass der Rest, beginnend mit den sehr klein gesetzten Buchstaben, 3267-605 = 2662 = 11x11x22 ergibt.

Für die seinerzeit noch gültige archimedische Rechnung galt  = 22/7; das heißt, für einen Kreis mit dem Durchmesser 7 galt der Umfang 22. Erst "mit dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts bricht für die Kreisberechnung eine neue [...] Zeit an, in der durch immer genauere Rechnungen die Annäherung an den wahren Wert [...] verschärft wird."6

Nun sind natürlich auch die "schönsten" Summen an sich kein Beweis dafür, dass sie je bekannt gewesen und beachtet worden sind, folgendes bestärkt aber die Vermutung. Rechnet man den Text mit dem adaptierten griechischen Buchstabenzahlensystem um (Abb. 8), dann erhält man einschließlich der Jahreszahl die Summe 11139.7 Wenn man dann die Zeile dem wort Gottes (49+476+878 = 1403) durch Jesu Christo (221+691 = 912) ersetzt, erhält man 11139-1403+912 = 10648 = 22x22x22. Wie gesagt, galt 22 als "runde" Zahl, und dreimal die runde Zahl kann natürlich an die Heilige Dreieinigkeit Gottes erinnern.

A Alpha 1 I Iota 10 R Rho 100 B Beta 2 K Kappa 20 S Sigma 200 C Gamma 3 L Lambda 30 T Tau 300 D Delta 4 M My 40 V Digamma 6 E Epsilon 5 N Ny 50 X Xi 60 F Digamma 6 O Omikron 70 Y Ypsilon 400 G Gamma 3 P Pi 80 Z Zeta 7

H Heta 8 Q Koppa 90

Abb. 8: Das griechische Buchstabenzahlensystem bezogen auf das lateinische Alphabet.

Die erste Zeile ergibt dabei zusammen mit dem Namen, also Die rech + Valentin Ickelsamer (und damit natürlich auch das

6 Johannes Tropfke 1903: Geschichte der Elementar-Mathematik 2. Bd., S.

122.

7 Die 19 rechte 421 weis 221 aufs 213 kurtzist 943 lesen 290 zu 13 lernen 240 wie 21 das 205 zum 53 ersten 660 erfunden 226 und 60 aus 207 der 109 rede 114 vermerckt 579 worde 185 ist 510 sampt 621 einem 110

gesprech 404 zweyer 523 kinder 189 aus 207 dem 49 wort 476 Gottes 878 Valentin 452 Ickelsamer 414 + 1527 = 11139.

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zugehörige Anagramm Ich rede in Lauten mercke lais) 19+116 + 452+414 = 1001 = 11x91. Das ist insofern bemerkenswert, als, wie gesagt, sowohl Valentin, als auch Ickelsamer mit dem deutschen Rangsystem die Summe 91 ergeben.

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2. "Ein rechend Christ"

Zum Titeltext von Michael Stifels Rechenbüchlein

Abb. 9: Titelseite, anonym (Michael Stifel), 1532.

Der evangelische Theologe und Mathematiker Michael Stifel hat im Jahr 1532 anonym sein sogenanntes "RechenBüchlin"

veröffentlicht, in dem er unter anderem von Erfahrungen mit lateinischen Buchstabenzahlen berichtet (Abb. 9).

Der Text des Titelblatts lautet "Ein Rech=en Büchlin vom EndChrist. APOCALYPSIS IN APOCALYPSIM. Wittemberg."

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und obwohl es darin Ein RechenBuchlin heißt, handelt sich nicht um ein Rechenbuch im üblichen Sinn des Wortes, sondern um eine Einführung in die "Wortrechnung", bei der die Buchstaben nach bestimmten Systemen als Zahlen verstanden werden, sodass sich Summen ergeben, die irgendwelche Deutungen zulassen.

So schreibt er zum Jahr, in dem er sein Büchlein herausgebracht hat: "diese wort / Jesus Nazarenus Rex Judaeorum / machen die jarzal dieses gegenwertigen jars 1532". Das ist der Fall, wenn man die passenden Buchstaben als römische Zahlen versteht, also IesVs nazarenVs reX IVDaeorVM (IVVXIVDVM = MDX VVVVII). "Dieweil aber zu solcher rechnung viel buchstaben ledig bleiben / hab ich gedacht auff ein weis / da kein buchstab müssig blieb / sondern ein jeder sein eigne zal mit bringen müste."8

Abb. 10: Das lateinische Buchstabenzahlensystem nach Stifel, Seite A iiij r.

Deshalb stellt er im Rahmen seiner Überlegungen das lateinische Buchstabenzahlensystem als das von ihm so genannte "kleine Alphabet" vor (Abb. 10). Bei der Wahl des Ausdrucks RechenBuchlin (51+66 = 117) hat wohl eine Rolle gespielt, dass er, mit dem "kleinen Alphabet" gerechnet, die gleiche Summe

8 Anonym (Michael Stifel) 1532. Ein Rechenbüchlin vom Endchrist, S. Aiiij.

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ergibt wie der Name Michael Stifel (49+68 = 117). Der ganze Text des Titelblatts ergibt mit diesem Buchstabenzahlensystem gerechnet die Summe 671 = 11x61.9

Ein Beispiel der kuriosen Art von Stifels Überlegungen, bei dem er das Dreieckszahlensystem (Abb. 11) verwendete, ist folgendes:

"Dem allem legt ich nider diesen namen / Martinus luter10 / vnd fand die jarzal seiner gepurt zu gros vmb das / n / Da that ich das n / heraus vñ fand diesen namen / Martius luter [...] Nu ward aber durch solch auslassung des buchstabens n / die jarzal vmb 1 zu klein [...] So du nu fur luter / schreibest lauter / so findet sich die jarzal seiner gepurt gerad vnd eben. Drum so leg / Martius lauter / so findestu 1483. [...] Sihe auch was dieser name fur mysteria jnn sich halt." (Martius ist lateinisch "kriegerisch", und mit lauter ist

"rein, ehrlich" gemeint.)

Was Stifel als "Mysterium" bezeichnet, ist natürlich Ergebnis der gutgläubigen Interpretation manipulativ hervorgehobener Zufälle.

Und wahrscheinlich liegt darin auch der Grund für das allgemeine Verschwinden des Interesses an entsprechenden Textgestaltungen. Wo aber solche "Mysterien" bei der Gestaltung von Texten berücksichtigt worden sind, können sie Rückschlüsse auf die Umstände des Zustandekommens und auf die damit verbundenen Absichten der Autoren ermöglichen.

Zur Zeit des Erscheinens seines Büchleins war Stifel Pfarrer in Lochau (jetzt: Annaburg). Aufgrund seiner Interpretation biblischer Texte, sagte er den Weltuntergang für den 19. Oktober 1533, 8 Uhr voraus. Und da er als Pfarrer seine Gemeinde darauf vorbereitete, hatte das für ihn selbst und für die Gläubigen katastrophale Folgen.

Das im Titel zentral gesetzte Wort Endchrist ist gleichbedeutend mit Antichrist und bezieht sich auf 1. Johannes 2,18, wo es in Luthers Übersetzung heißt: "Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, dass der Widerchrist [= Antichristus] kommt, so sind nun viele Widerchristen geworden; daher erkennen wir, dass die letzte Stunde ist."

9 Ein 27 Rech 33 en 18 Büchlin 66 Vom 46 End 22 Christ 74 = 286 = 11x26; APOCALYPSIS 127 IN 22 APOCALYP 82 = 231 = 11x21; SIM 39 Wittemberg 115 = 154 = 11x14; zusammen 671 = 11x61.

10 Luther mit Minuskel und ohne H.

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Abb. 11: Lateinisches Dreieckszahlensystem, nach Stifel, Seite A v.

Wem Stifel sein Büchlein gewidmet hat, erfährt man aus dem unteren Teil des Titelblattes, wo ein kauernder Löwe anscheinend dabei ist, seinen eigenen Schwanz zu fressen. Darauf bezieht sich der letzte Satz des Büchleins, der lautet: "So wird nu hie angezeigt / das 10 Leones sein solten jm gantzen Bapstumb / vnd vnter dem zehenden / solt die offenbarung geschehen etc."11 Der zehnte Löwe, also Leo X., war 1513-1521 bis zu seinem Tod Papst. "Alles großzügige Mäzenatentum zugunsten von Gelehrten, Dichtern und Künstlern [...] kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Pontifikat Leos einer der verhängnisvollsten der Kirchengeschichte ist."12 Für Stifel also war er ein Zeichen für den Untergang der Welt, wobei auch eine Rolle gespielt haben dürfte, dass Papst Leo X. Martin Luther, einen Förderer Stifels, exkommuniziert hatte.

Nun enthält der Buchtitel eine ganze Reihe von Auffälligkeiten.

Der Text ist in zwei Sprachen verfasst und in vier Schriftgraden gedruckt; die Wörter Rechenbüchlin und Endchrist sind durch Majuskeln in jeweils zwei Wörter zerteilt und die Wörter Rech=en und APOCALYP=SIM sind auf je zwei Zeilen zerteilt;

hinter EndChrist steht statt eines Punktes ein Trennungszeichen;

die lateinischen Zeilen sind in Majuskeln gesetzt, und dabei steht die Silbe SIM separat in einer Zeile.

11 Seite Kiij. xyxy

12 G. Schwaiger 1986 in: Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 6, Sp. 951.

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All das weist auf eingebaute weitere Inhalte hin. So belegen die deutschsprachigen Zeilen, worum es dem Autor gegangen ist, nämlich um Ein Büchlin vom End (Abb. 12).

Abb. 12: Durch Auslassungen entstandener Subttext.

Die erste und die vierte Zeile zeigen, wie er sich selbst gesehen hat, nämlich als Ein RechEnd Christ (Abb. 13), also ein

"rechnender Christ". Und in den vier Zeilen kann man auch lesen, dass es ihm um den Zeitpunkt des Weltuntergangs gegangen ist, denn es handelt sich um ein Rech=en Büchlin vom End (Abb. 14).

Dazu sei dann noch Ein Büchlin Vom Christ genannt (Abb. 15);

denn als Pfarrer musste es ihm schließlich um Christus gehen.

Abb. 13/14/15: Durch Auslassungen entstandene Subttexte.

Nun kann an der ersten, in besonders großen Lettern gedruckten Zeile auffallen, dass sich am Buchstaben C oben und links kleine graphische Abweichungen befinden. Sie führen dazu, dass man das C auch als T lesen kann. Damit lautet die erste Zeile, die wie eine Überschrift über dem Ganzen steht, unterschwellig EinReth, also "Einrede".

Außerdem lässt sich aus Ein Rech die lateinische Aussage Hinc e re ("Von jetzt an aus der Sache selbst") bilden, was zu Stifels

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Überzeugung passt, den wahren Zugang zu biblischen Texten gefunden zu haben.

So meint wohl auch Apocalypsis in Apocalypsim ("Offenbarung in die Offenbarung"), dass das "RechenBüchlin" Licht in die dunklen Andeutungen der Offenbarung des Johannes bringen soll, wobei dann der separat gesetzte Wortteil SIM lateinisch selbstbewusst als "ich sei (es)" verstanden werden kann.

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