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Wie man mit Spannungen in der Kirche im Geist des Evangeliums umgehen sollte. Pastorale Erwägungen.

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27.04.95 11:26 SPANN.DOC pmz

Paul M.Zulehner

Wie man mit Spannungen in der Kirche im Geist des Evangeliums umgehen sollte.

Pastorale Erwägungen.

Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte:

Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. (Lk 16,8)

Im profanen Raum von Unternehmen und deren wissenschaftlichen Beratung hat sich viel Wissen um den Umgang mit Konflikten gesammelt. Die christlichen Kirchen können dort sehr wohl in die Schule gehen und für sich lernen. Das aktuelle Beispiel der

konfliktgeladenen österreichischen Kirchensituation macht das sehr deutlich. Die Art, wie die Österreichische Kirchenleitung mit dem wegen sexuellen Mißbrauchs der pädagogischen Autorität durch Kardinal Groer vor zwanzig Jahren in einem kirchlichen Internat umgegangen ist, kann - zumindest in der ersten Phase - als kläglich bezeichnet werden. Man hat

gemauert und den Spieß umgedreht. Der Kardinal zog sich hinter eine Mauer des Schweigens zurück. Seine gutgläubigen Anhänger haben eine zusätzliche Mauer des Gebetes um ihn herum errichtet. Dazu wurden die Anschuldigungen ohne nähere Klärung als infame Diffamierung bezeichnet. Den Medien wurde Kirchenhetze vorgeworfen: Wie einst die Nationalsozialisten wollten sie nunmehr die Kirchenmänner durch den Vorwurf der Homosexualität vernichten. Dabei wurde übersehen, daß es gar nicht in erster Linie um Homosexualität hing.

In jeder anderen Organisation hätte der Amtsträger, in Verantwortung für Amt und

Gemeinschaft sein Amt zumindest für die Zeit der Klärung ruhe lassen müssen. All das ist nicht geschehen. Der Konflikt wurde keiner Bearbeitung zugeführt. Die geforderte

Untersuchungskommission, die über den Umweg eines "Weisenrat" zur bedeutungslosen

"pastoralen Arbeitsgruppe" verniedlicht wurde, ist bis heute nicht zustande gekommen.

Das Bild einer unglaubwürdigen Kirche, welche das eigene Versagen vertuscht und zugleich von anderen Moral verlangt, prägt zur Zeit das Gesicht der verdunkelten österreichischen Kirche. Es ist gewiß keine Krise der Kirche: der Hospizarbeit, der Obdachlosenhäuser, des Religionsunterrichts, der Sorge um Geschiedene, die gegen den Rat der Kirche sich nach reiflicher Prüfung um Überleben zu können entschieden haben, wieder zu heiraten, damit sie nicht in einer immer kühler werdenden Gesellschaft in einer psychischen Obdachlosigkeit umkommen. Kurz: Die Kirche hat es dringend nötig, einen den heutigen berechtigten Ansprüchen der kirchlichen wie der medialen Öffentlichkeit entsprechenden Umgang mit Konflikten zu lernen. Denn "Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes." (Lk 16,8)

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I. Kirchliche Konfliktscheu

Es gibt in der Kirche ein spirituell verbrämtes Einheits- und Harmoniebedürfnis. Das drückt sich bereits in der Sprachregelung aus: man spricht nicht von Konflikten, sondern lediglich von Spannungen. Das führt dazu, daß Konflikte verdrängt und damit unbrauchbar werden: Der Zugewinn, den Konflikte haben können, geht verloren.

1 Harmoniebedürfnis

"In professionellen Organisationen mit starkem konfessionellem oder weltanschaulichem Hintergrund können Schuldgefühle der Konfliktparteien dazu führen, daß das Bestehen von Spannungen geleugnet wird. Damit unterbleiben aber auch die Bemühungen zur Lösung der Probleme1."

Diese Aussage des profunden Konfliktforschers ist begründet. Selbst unsere Tagung spricht in ihrem Programm nicht von Konflikten, sondern stark abgemildert von Spannungen. Aber handeln wir nicht zu Recht so? Stehen wir nicht unter dem Anspruch, Friedensstifter zu sein und die Einheit zu bewahren? «Seht, wie sie einander lieben», heißt es von den ersten Christen. Und hat nicht Jesus selber vor Streit gewarnt: «Vater, Heiliger, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir» (Joh 17,11)?2

2 Kreative Funktionen von Konflikten

Freilich, solche Scheu vor Konflikten, ja geradezu deren spirituelle Verdrängung, hat schwerwiegende Folgen. Sie werden verdrängt, bleiben damit unbearbeitet. So aber schaden sie nicht nur, sondern es gehen auch ihre Vorteile verloren. Konflikte sind nämlich ein Zeichen starker Lebendigkeit. Nur auf Friedhöfen gibt es keine Konflikte mehr, dort herrscht Ruhe, aber es ist die Ruhe des Todes.

Die kreativen "Funktionen" von Konflikten sind vielfältig:

 sie helfen, Probleme aufzuweisen und für sie Lösungen zu finden;

 sie verhindern Stagnation;

 sie regen Interessen an;

 sie führen zu Selbsterkenntnis, Selbstprüfung und Selbsteinschätzung;

 Konflikte sind Anstoß für Veränderungen in Personen und Organisationen; auch die Entwicklung von Normen erfolgt zumeist auf dem Weg von Konflikten;

 schließlich grenzen Konflikte Gruppen voneinander ab und stabilisieren so Identität.

3 Dienst der Versöhnung

Wenn die Kirche sich Konflikten nicht stellt, verliert sie nicht nur Wachstumschancen. Sie behindert dadurch auch einen ihrer wichtigsten Dienste in der Welt, nämlich den Dienst der Versöhnung. An der Konfliktkultur der Kirche könnte sichtbar werden, wie in Würde und Gewaltlosigkeit Konflikte kreativ verarbeitet werden. Die Schweizer Bischöfe haben deshalb zum Bettag 1986 zu Recht gemahnt: "Erst eine kirchliche Gemeinschaft, in der Konflikte nicht verdrängt, sondern offen benannt und fair ausgetragen werden, kann ihr so wichtiges Amt der Versöhnung redlich wahrnehmen."

1 Glasl, F., Konfliktmanagemente. Ein Handbuch für Führungskräfte und Berater, Stuttgart 41994, 291.

2 Zimmermann, L., Für eine kirchliche Streitkultur. Aus dem Schweizer Fastenkalender 1986 zum 27./28.März.

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4 Jesu Konfliktbereitschaft

Eine solche offensive kirchliche Konfliktkultur kann sich nicht zuletzt auf den "vergessenen"

Jesus berufen. Jesus war alles andere als konfliktscheu. Er lebte vielmehr eine ausgeprägte Konfliktkultur:

Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen.

Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit dem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter;

und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. (Mt 10,34)

 Jesus deckt Konflikte auf. Wunde Punkte im Verhalten seiner Mitmenschen, vor allem der Elite, macht er furchtlos sichtbar.

 Jesus überschreitet Schranken. Jede religiöse und soziale Praxis, die Schranken aufrichtet und Menschen voneinander trennt, verurteilt er.

 Jesus gibt aber in allen Konflikten die Würde der Menschen nie preis. Wo der Einzelne durch die Interessen der Gemeinschaft aufgerieben wird, stellt er sich auf seine Seite.

 Jesus duldet bei der Konfliktaustragung keine Gewalt. Gewalt ist für ihn ein untaugliches Mittel, Konflikte zu lösen, sogar dann, wenn sich die Gewalt gegen ihn selber richtet. Das bedeutet aber nicht, daß er sich in Konfliktsituationen machtvoll einbringt

(z.B.Tempelreinigung).3

5 Frühkirchliche Konfliktbereitschaft

Auch in der Zeit nach Jesus ist die Kirche nicht konfliktscheu geworden. Markantes Beispiel:

Der Streit um die Beschneidung: Ob ein Heide zuerst Jude werden muß, um dann Christ werden zu können. Petrus, der erste "Papst" war dieser Meinung. Paulus, der

Heidenapostel, sah darin eine unnötige pastorale Behinderung und zudem eine Gefährdung des innersten Moments christlicher Erlösungslehre, daß die Versöhnung mit Gott nämlich nicht durch die Erfüllung des Gesetzes, sondern aus jener Gnade kommt, die durch Christi Tod und Auferstehung erworben worden ist - gratis also.

Es kamen einige Leute von Judäa herab und lehrten die Brüder:

Wenn ihr euch nicht nach dem Brauch Mose beschneiden laßt, könnt ihn nicht gerettet werden.

Nach großer Aufregung und heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Paulus und Barnabas beschloß man, Paulus und Barnabas einige von ihnen sollten wegen dieser Streitfrage zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen...

Die Apostel und Ältesten traten zusammen, um die Frage zu prüfen.

Als ein heftiger Streit entstand, erhob sich Petrus und sagte zu ihnen...

Darum halte ich es für richtig, den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten aufzubürden...

Da beschlossen die Apostel und Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde...

(Apg 15)

3 AaO.

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Als Kephas aber nach Antiochia gekommen war, bin ich ihm offen entgegengetreten, weil er sich ins Unrecht gesetzt hatte.

Bevor nämlich Leute aus dem Kreis um Jakobus eintrafen, pflegte er zusammen mit den Heiden zu essen.

Nach ihrer Ankunft aber zog er sich von den Heiden zurück und trennte sich von ihnen, weil er die Beschnittenen fürchtete.

Ebenso unaufrichtig verhielten sich die anderen Juden, so daß auch Barnabas durch ihre Heuchelei verführt wurde.

Als ich aber sah, daß sie von der Wahrheit des Evangeliums abwichen, sagte ich zu Kephas in der Gegenwart aller:

Wenn du als Jude nach Art der Heiden und nicht nach Art der Juden lebst, wie kannst du dann die Heiden zwingen, wie Juden zu leben...?

(Gal 2,11-14)

II. Konfliktreichtum

In der gegenwärtigen Kirche gibt es eine große Zahl von Konflikten, die kreativ genutzt werden könnten.

1 Persönliche Konflikte

An Konflikten kann sich die gegenwärtige Kirche nicht beklagen. Wie in allen Organisationen drehen sich solche Konflikte um Beziehungen oder um Sachthemen. Häufig sind beide Momente so miteinander verwoben, daß es oft schwierig ist zu klären, ob ein Konflikt mit den Eigenheiten der Personen oder mit dem Umgestaltung von Organisationen zu tun haben. So kämpfen heute nicht wenige im Namen der Erneuerung gegen entmündigende Autoritäten, repressive Institutionen und unbrauchbar gewordene Normen, betreiben damit aber nichts anderes als die Fortsetzung ihrer Gegenabhängigkeit von der väterlichen Autorität, an der sie sich vielleicht niemals abreiben und von der sie sich deshalb auch nie freimachen konnten.4

Zu den persongebundenen Konflikten gehören auch die Störungen, die durch Menschen verursacht werden, die wegen der Bedrohbarkeit Ihres schwachen Ichs Zuflucht bei starken Autoritäten suchen. Hierher gehören jene, die "Wahrheit" sagen, aber Sicherheit und daher Ordnung meinen. Es ist schwierig, mit dieser Personengruppe Konflikte "sachlich" zu bearbeiten. Daher führt es zu nichts, wenn mit diesen über die Treue zum Papst oder über die Kirche diskutiert wird. Veränderungen lehnen solche Personen ebenso ab wie Einsicht durch Lernen. Wahrheit ist immer vorgegeben und von einer Instanz außerhalb der Person gesichert. Für Eigenverantwortung oder für Gewissen bleibt hier wenig Platz, und die besten Argumente werden keinen schaffen. Wie soll man dann mit diesen Menschen leben und gemeinsam in dem einen Haus der Kirche arbeiten? Oft lohnt es sich, liebevoll miteinander für andere zu arbeiten. Diakonie kann versöhnen. Auch gut inszenierte Rituale und Symbole (einschließlich des rituellen Bekenntnisses des Glaubens) können helfen. Die Grenzen der Aussöhnung aber sind eng gesteckt.

Oftmals wird sich der Friedfertige an die Begebenheit zwischen Abraham und Lot erinnern, wie diese im Buch Genesis aufgeschrieben ist, und sich vom Intoleranten schiedlich-friedlich trennen:

4 Zulehner, P.M., Denz, H., Vom Untertan zum Freiheitskünstler, Wien 1991.

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Auch Lot, der mit Abram gezogen war, besaß Schafe und Ziegen, Rinder und Zelte.

Das Land war aber zu klein, als daß sich beide nebeneinander hätten ansiedeln können;

denn ihr Besitz war zu groß, und so konnten sie sich nicht miteinander niederlassen.

Zwischen den Hirten Abrams und den Hirten Lots kam es zum Streit.

auch siedelten damals noch die Kanaaniter und die Perisiter im Land.

Das sagte Abram zu Lot: Zwischen mir und dir, zwischen meinen und deinen Hirten soll es keinen Streit geben; wir sind doch Brüder.

Liegt nicht das ganze Land vor dir? Trenn dich also von mir!

Wenn du nach links willst, gehe ich nach rechts;

wenn du nach rechts willst, gehe ich nach links.

Lot blickte auf und sah, daß die ganze Jordangegend bewässert war.

Bevor der Herr Sodom und Gomorra vernichtete, war sie bis Zoar hin wie der Garten des Herrn, wie das Land Ägypten.

Da wählte sich Lot die ganze Jordangegend aus.

Lot brach nach Osten auf, und sie trennten sich voneinander.

(Gen 13, 1-11)

Sachkonflikte

Der heute wohl entscheidende Sachkonflikt in der katholischen Kirche ergibt sich auf der Suche nach einer Umgestaltung ihres Verhältnisses zur modernen Welt.5 Der Kern dieses Konflikts, der die katholische Kirche weltweit in Atem hält, ist leicht geschildert:

Nahezu zweihundert Jahre weigerte sich die katholische Kirche, in der modernen Welt "zur Welt zu kommen". Zu eng war sie mit den tragenden Kräften der vergehenden Welt

verbunden, zu groß waren die Privilegien ihr, zu aggressiv die Kritik der neuen Evangeliums mitzuwirken. Also mauerte sie sich ein, wurde zur festen Burg. Alle, die in einem zaghaften lernbereiten Dialog die Brücken herunterlassen wollten, stigmatisierte sie als "Modernisten"

und grenzte sie aus.

Es war die Sternstunde des Zweiten Vatikanischen Konzils, daß sich endlich die Kirche als ganze bereit fand, "zur Welt zu kommen". Deshalb ist ihr zentrales Dokument Gaudium et spes, in dem das Verhältnis der Kirche zur Welt neu gefaßt wurde. Zugeordnet sind die anderen Grunddokumente: über die Kirche, die Laien, das Wort Gottes, die Religionsfreiheit, die Ökumene. Die ersten Jahre nach diesem Pastoralkonzil standen ganz im Zeichen dieser Kirchengeburt hinein in die Welt von heute.

Heute, dreißig Jahre nach diesem Konzil, ist im Zuge der Auswertung der Konzilsfolgen ein tiefer Konflikt ausgebrochen. Statt daß die Kirche zur Welt kam, sei die Welt in die Kirche gekommen: diese Welt aber sei im Grunde böse, gottlos und moralisch verkommen. Die Öffnung des Konzils habe zu einem dramatischen Verfall der Kirche, des Glaubens, der Gottesdienstpraxis, der Moral geführt. Die Bischöfe hätten den Verfall nicht behindert, den die Theologen mutwillig vorangetrieben haben.

Die daraus gezogenen Folgen liegen auf der Hand: eine neue Generation von Bischöfen soll die Theologen in Schach halten und das Volk im Zuge einer grandiosen Neuevangelisierung wiederum zum Glauben führen. Die Öffnung müsse beendet werden. Es sei zu verhindern, daß weiterhin der "Rauch des Satans in die Kirche eindringe" (Paul VI.).

Österreich ist eines der Musterländer für diese kirchenpolitische Option. Und wie in den anderen Ländern, deren kirchliche Lage nach römischer Einschätzung sanierungsbedürftig ist (wie die Schweiz, Holland, Belgien, Lateinamerika) erweist sich die Sanierungsarbeit

5 Zulehner, P.M., Hauer, N., Aufbruch in den Untergang. Das II. Vatikanische Konzil und seine Auswirkungen, Wien 1991.

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immer mehr als Mittel zur Verschärfung der Lage. Kaum je war in diesen Ländern die Kirche so polarisiert wie heute.

Der neue Kirchenkurs hat nämlich auch das Gegenlager zusammengeführt. Ihre

Einschätzung ist gänzlich anders. Nicht die Verwirklichung des Konzils sei die Ursache der gegenwärtigen kritischen Lage der Kirche, sondern daß dieses Konzil lediglich halbherzig durchgeführt worden ist und die Entwicklung der Kirche nicht auf der vom Konzil eröffneten Linie weitergegangen ist. Die Kirche sei immer noch zu weltfremd, nicht zu verweltlicht. Die Sorgen und Nöte der heutigen Zeit seien keineswegs wirklich aufgenommen: die der Armgemachten, der Ausländer, der Frauen, der Homosexuellen, der Geschiedenen, vor allem der vielen Überflüssigen, welche gerade in reichen Gesellschaften produziert werden.

Zu fordern sei daher eine weltoffene Kirche mit menschlichem Antlitz. Eine Kirche, die Gemeinschaft ist. "Kirche sind wir alle", so der Kampfname vieler Protest- und

Aufbruchbewegungen.

Neben diesem pastoralen Grundkonflikt nehmen sich andere Sachkonflikte als zweitrangige Variationen aus, zum Beispiel jener, wie die Kirche mit ihrem notorischen Pfarrermangel fertig werden kann. Oder ob es auch für Verheiratete und Frauen einen Zugang zum Priesteramt geben soll. Der zentrale Konflikt liegt auf der Achse alte Kirche-moderne Welt.

Kalte, statt heiße Konflikte

Besondere Aufmerksamkeit verdienen in der Kirche die sogenannten "kalten Konflikte". Die gegenwärtige Situation der Kirche läßt viele solcher kalter Konflikte vermuten. Es ist notwendig, die kalten in heiße Konflikte eskalierend umzuformen und so bearbeitbar zu machen.

Alle diese Konflikte können - so die Konfliktforschung - eine unterschiedliche Temperatur haben. Von dieser hängt wiederum ab, wie sich der jeweilige Konflikt auf das Leben der Organisation auswirkt und wie es um seine Lösbarkeit bestellt ist. So lassen sich kalte und heiße Konflikte unterscheiden.

Die genauere Abgrenzung dieser zwei Konflikttypen läßt vermuten, daß es zur Zeit in der Kirche viele "kalte Konflikte" gibt.

heiße Konflikte kalte Konflikte

Parteien, die von einem Ideal, einer Vision ergriffen sind, sich ausweiten, etwas erreichen wollen.

Beide Parteien sind überzeugt von der Reinheit ihrer Ziele.

Sie haben starke Führungspersönlichkeiten.

Die Handlungsaktivität ist groß.

Gegner werden tendenziell ausgeschaltet, wenn es anders nicht geht.

Parteien sind geprägt von tiefer Enttäuschung, Desillusionierung, Frustration.

Ideale werden hinterfragt, bis sie nichts mehr wert sind.

Führungsvakuum, das nicht festgestellt wird.

Bewegungstendenz ist erstarrend.

Formale Kontakte, Verhinderungstendenz.

Aus dem Erleben der eigenen Machtlosigkeit werden Allmachtsphantasien projiziert.

Erosionserscheinungen: "es geht auseinander".

Kalte Konflikte sind nur schwer zu bearbeiten. Deshalb besteht eine der wichtigen Aufgaben darin, kalte Konflikte zugänglich und damit bearbeitbar zu machen. Dazu gibt es mehrere

(7)

Wege, einer davon heißt Eskalation des Konflikts, welche präventiv oder kurativ geschehen kann:6

de-eskalierend eskalierend

präventiv Um Kommunikationsproblemen vorzubeugen, werden Informationsspielregeln vereinbart;

Training in Kommunikationsmethoden.

In Anwesenheit des Beraters werden Sorgen, Ängste, Unterstellungen gezielt

angesprochen;

Konfrontationssitzung, um zu vermeiden, daß ein beginnender Konflikt kalt gemacht wird;

kurativ der Konfliktverlauf wird rekonstruiert und geklärt;

Die Konfliktparteien klären ihre unterschiedlichen Perzeptionen des Verhaltens.

Bestehende kalte Konflikte werden durch Rollenspiele dramatisiert, übertrieben;

ein Intressensvertreter ermutigt seine Klienten, sich für ihre Standpunkte stark einzusetzen.

III. Konfliktkultur

Damit grenzen wir bereits an das dritte Teilthema, das heute pastoraltheologisch behandelt werden soll. Es geht davon aus, daß in jedem Konflikt nicht nur kreative Kräfte und Chancen liegen, sondern auch destruktive Momente enthalten sind. Dabei ist die Mischung dieser Kreativen und destruktiven Anteile in einem Konflikt verschiedenartig. Eine stufenartige Typologie von Konflikten läßt sich bilden. Der jeweiligen Stufe angemessen braucht es eine entsprechende Konfliktkultur, welche die Organisation in die Lage setzt, die Chancen zu nützen und die Gefährdungen rechtzeitig zu erkennen und durch Interventionen unter Kontrolle zu halten.

Insofern es in Konflikten auch destruktive Momente gibt, braucht es eine gediegene Konfliktkultur, um die Chancen der Konflikte nicht zu verlieren und die Gemeinschaft vor den destruktiven Anteilen zu schützen.

Dabei sind folgende Aspekte hilfreich:

(a) Im Konfliktverlauf gibt es eine Reihe von Eskalations-Stufen. Diese unterscheiden sich u.a. in folgender Hinsicht: Wie wird (eine mögliche) Lösung angenommen; wer hat die Macht, eine Lösung durchzusetzen; können die Akteure selbst die Lösung finden, oder brauchen sie Unterstützung durch Dritte. Je nach Stufe ist

unterschiedlich zu intervenieren.

(b) Diese Stufen entsprechen grob der Konfliktregel in der Matthäusgemeinde (Mt 18,15-17).

1 Stufen der Konflikt-Eskalation

Je nach der Mischung zwischen kreativen und destruktiven Anteilen lassen sich abgestufte Konflikttypen bilden. Je stärker die destruktiven Anteile sind, um so eher gilt ein Konflikt als eskaliert. Deshalb nennt die Konfliktforschung Stufen der Konflikt-Eskalation.

Diese Stufenskala der Konflikteskalation7 ist den Konflikterfahrungen in der Matthäusgemeinde (Mt 18,15-17) auffallend ähnlich.

6 Glasl, 292.

(8)

"Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht.

Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder

zurückgewonnen."

(Mt 18,15)

"Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit,

denn jede Sache muß durch die Aussage von zwei Zweien entschieden werden."

(Mt 18,16)

"Hört er auch auf die Gemeinde nicht,

dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner."

(Mt 18,17)

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Verhärtung Debatte Taten Images Koalitionen

Gesichts- verlust

Drohstra- tegien

begrenzte Vernich- tungs- schläge

Zersplit- terung

gemeinsa m in den Abgrund Moderation

(Moderator, chairman)

Prozeßbegleitung (Conciliator)

sozio-ther.Prozeßbegleitung Vermittlung

(Mediator)

Schiedsverfahren (Arbiter)

Machteingriff (Machtinstanz)

win-win win-lose lose-lose

<- bei den Parteien ---Durchsetzungsmacht --- beim "Dritten" ->

<- klein --- Abstand zwischen Konfliktparteien --- groß ->

<- bei Konfiktparteien ---- Tätigkeit bei Diagnose und Lösung --- bei "Dritten" ->

Zeit: wenig viel wenig

kurativ präventiv akute Reduktion

kurativ präventiv

akute Reduktion

akute Reduktion

Annahme aus Einsicht

Dritter arbeitet mit Vertrauen und Motivation

a-posteriori Annahme der Ergebnisse

apriori annahme des Verfahrens aposteriori- Annahme der Ergebnisse

keine Akzeptanz, sondern Beugen vor dem Zwang und Gewichit der Macht

1 Kooperative Konfliktbearbeitung

Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht.

Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. (Mt 18,15)

Die ersten drei Stufen der Konflikteskalation heißen Verhärtung, Debatte, Taten. Auf dieser Ebene sind die Konfliktparteien immer noch zuversichtlich, daß sie den Konflikt allein so lösen können, daß niemand verliert. Ein Moderator leistet dabei gute Dienste. Der Abstand der Konfliktparteien ist psychisch noch gering. Die Hilfe durch Dritte ist nicht erforderlich.

7 Glasl, 218, 216, 360, 399-404.

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Für die Bearbeitung von Konflikten, die durch die Beteiligten selbst (noch) lösbar sind; ist die Kenntnis des Verlaufs "kooperativer Konfliktbearbeitung" hilfreich.

Zur Lösung solcher nicht überfordernder Konflikte ist es hilfreich, über "kooperative Konfliktbearbeitung" Bescheid zu wissen. Deshalb sollen die sechs Schritte eines solchen

"Konfliklösungsweges" knapp vorgestellt werden.

[Quelle: Berkel, Konflikttraining, 74]

Erregung kontrollieren

Die erste Reaktion auf einen Konflikt ist zumeist emotional, erst dann kommen die rationalen Überlegungen auf. Die Kunst am Beginn des längeren Weges der kooperativen

Konflikbewältigung besteht darin, aus der angeeigneten Grundhaltung zu einer gemeinsamen Lösung dem Zögern, damit dem Überlegen eine Chance zu geben.

Werden die Überlegungen ausgeschaltet, kommt es zu destruktiver Wut. Ebenso ist es hinderlich, wenn die emotionalen Anteile verdrängt werden.

Laß dich nicht aufregen, so daß du dich ärgerst, denn Ärger steckt in den Ungebildeten. (Koh 7,9)

Wenn der Herrscher gegen dich in Zorn gerät, bewahre die Ruhe;

denn Gelassenheit bewahrt vor großen Fehlern. (Koh 10,4)

Vertrauen bilden

In einem zweiten Schritt gilt es, Vertrauen zu bilden. Ohne dieses kann der Weg der Konfliktbearbeitung oft nicht gemeinsam beschritten werden. Vertrauen ist ein Risiko. Wer vertraut, offenbar etwas von sich selbst und zeigt sich so verletzlich: Vertrauen setzt satte Selbstgewißheit voraus. Je stärker das Ich, desto mehr Fähigkeit zu vertrauen. Ein Moment an der Vertrauensbildung ist es, den anderen zu schonen.

Offen kommunizieren

Bleib fest bei deiner Überzeugung, eindeutig sei deine Rede.

Sei schnell bereit zum Hören, aber bedächtig bei der Antwort.

Nur wenn du imstande bist,

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antworte deinem Mitmenschen, wenn nicht, leg die Hand auf den Mund!

(Sir 5,10)

Der Weise schweigt bis zur rechten Zeit, der Tor aber achtet nicht auf die rechte Zeit.

(Sir 20,7)

Wer setzt eine Wache vor meinen Mund, vor meine Lippen ein kunstvolles Siegel, damit ich durch sie nicht zu Fall komme und meine Zunge mich nicht ins Verderben stürzt?

(Sir 22,27)

Sitzen Streitparteien an einem Tisch, dann läuft die Sache "auf dem Tisch" (siehe D).

Zugleich läuft aber immer einiges auch "unter dem Tisch". Jede Kommunikation ist daher eine Mischung zwischen offen und verschlossen.

Verschlossen

kommuniziert, wer bewertet (loben, kritisieren, vergleichen), kontrolliert (den anderen durch Drohung und Zwang ändern wollen), manipuliert (taktieren, sich nicht in die eigenen Karten schauen lassen), neutral bleibt (den anderen für eigene Ziele objekthaft nützen), sich

überlegen gibt (Macht, Position, Wissen ausspielen) und zu selbstsicher ist (weil die Antwort schon im Vorhinein feststeht).

Offen

hingegen kommuniziert, wer beschreibt (Beobachtungen mitteilen und auf die

Beobachtungen des anderen hören), problemorientiert handelt (nach gemeinsamer Lösung suchen, den anderen ersuchen, daran mitzuwirken), spontan bleibt (und die eigenen Motive und Absichten täuschungsfrei mitteilen), einfühlend ist (die Person des anderen verstehen und respektieren, sie fördern), partnerschaftlich agiert (auf gleichberechtigter Basis

gemeinsam planen und handeln) sowie bereit ist, vorläufig zu urteilen und zu experimentieren.

Zu beachten sind hier auch Situation, Wahrnehmungen, Gefühle und Voreinstellungen:

 Ist der Ort günstig, steht Zeit zur Verfügung, braucht es den Einbezug Dritter?

 Bearbeiten beide Seiten konkret dasselbe Problem?

 Werden sie indirekt (Vorwürfe, Beschuldigungen, nachteilige Aktionen) oder direkt ausgedrückt?

 Ist meine Einstellung kooperativ? Oder neige ich zu einem konkurrierenden

Konfliktaustrag? Will ich den anderen für ein kooperatives Vorgehen gewinnen (dieses hat Vorteile, achtet das Selbstbild und die Selbstachtung des anderen, entschärft den Konflikt durch "Entpersönlichung", indem auf der Beziehungsebene dem anderen Wertschätzung, ja Unentbehrlichkeit bei der Lösung des Problems signalisiert wird).

Problem lösen

Der nächste Schritt auf dem Weg einer kooperativen Konfliktbearbeitung heißt Problem lösen. Es gilt, das anstehende Problem genau zu definieren, Lösungsvarianten (in einem Brainstorming kreativ) zu suchen sowie eine Übereinkunft finden.

Angemessen ist dabei die Haltung unnachgiebiger (es wird unbeugsam gemeinsam nach einer Lösung gesucht) Flexibilität (verschiedene Wege werden ausgedacht und erprobt).

Vereinbarung treffen

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Damit sind die Voraussetzungen getroffen für das Vereinbaren der gefundenen Lösung.

Durch eine solche (schriftliche) Vereinbarung wird die Lösung des Konflikts der persönlichen Willkür entzogen. Sie dient somit der Entlastung, weil sie die Entscheidung jenseits der beteiligten Personen verankert.

Persönlich verarbeiten

So, wie die kooperative Konfliktbearbeitung in der Person beginnt (Wahrnehmung der Wut, Verzögern, um Raum für rationales Bedenken zu schaffen), so kommt sie auch in der Person zum Abschluß. Das Problem stört jetzt nicht mehr.

2 Hilfe durch Dritte

Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muß durch die Aussage von zwei Zweien entschieden werden.

(Mt 18,16)

Manche Konflikte sind durch die Beteiligten allein nicht mehr lösbar. Es braucht dann Unterstützung durch Dritte, die zusammen mit den Beteiligten eine Lösung suchen.

Die Eskalationsstufen vier-sechs (Koalitionen, Gesichtsverlust, Drohstrategien) sind Ausdruck für ein erhöhtes Bedrohungspotential. Die Gefahr, im Konflikt nicht mehr zu gewinnen, sondern zu verlieren, ist beträchtlich und schafft Nervosität, die sich in weiterer Eskalation äußern kann.

In dieser Phase ist die Unterstützung durch Dritte hilfreich: durch einen Versöhner

(conciliator) bei der Prozeßbegleitung; durch jemanden, der zusätzlich zur Prozeßbegleitung auch therapeutische Fähigkeiten besitzt und konfliktproduktive Anteile wahrnehmen und heilen kann, die aus der Person, und nicht aus der Sache kommen.

Dieser Dritte wird den Abstand zwischen den Konfliktparteien etwas vergrößern. Er besitzt, je nach Eskalationsstufe, das Vertrauen beider Parteien zumindest hinsichtlich des

Verfahrens. Die zu dritt gewonnenen Ergebnisse können dann angenommen oder abgelehnt werden.

Die Matthäusgemeinde kennt solche "Dritte". Auch in der Kirche von heute sind sie bekannt und sind zu eigenen Berufsgruppen oder Instanzen geworden. Hierher gehört die

Einrichtung der Gemeindeberatung. Andere Beratungsdienste kommen unterstützend hinzu.

Die Kirche wird diese Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung ausbauen, wenn sie wünscht, daß Konflikte, der Ausgang konstruktiv oder destruktiv sein kann, auf die Wachstumsseite gebracht werden. Solche soziale Unterstützung lohnt sich, weil sie Schaden mindert und bedrohte Wachstumschancen wahrt.

3 Lösung durch Machtträger

Hört er auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.

(Mt 18,17)

Streite nicht mit einem Mächtigen, damit du ihm nicht in die Hände fällst.

Kämpf nicht gegen einen Reichen an, sonst wirft er zu deinem Verderben

sein Geld ins Gewicht.

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(Sir 8,1f)

Wie ein Entmannter, der bei einem Mädchen liegt, ist einer, der mit Gewalt das Recht durchsetzen will.

(Sir 20,4)

In außergewöhnlichen Situationen müssen Konflikte ohne Beteiligung der Betroffenen durch die Leitung der Organisation machtvoll gelöst werden, weil die destruktive Kraft des Konflikts überhand genommen hat.

Wenn auch diese "Dritten" für eine kreative Konfliktlösung nicht mehr ausreichen, bleibt nur noch der Weg übrig, die Lösung Unbetroffenen zu übertragen, die in ihrer

Leitungsverantwortung für das Gemeinwohl der Organisation machtvoll eine Lösung

durchsetzen. Das ist auf den letzten drei Eskalationsstufen (begrenzte Vernichtungsschläge, Zersplitterung, gemeinsam in den Abgrund) der Fall.

Vermittlungsversuche werden dann oftmals keine Chance mehr besitzen. Eher schon Schiedsverfahren, für welche auch die Kirche Schiedsgerichte braucht. Solche wären in der Kirche auszubauen, etwas für Konflikte zwischen pfarrlichen Beratungsgremien und einem Pfarrer, zwischen dem Bischof und einem Theologen, aber auch unter Bischöfen und der römischen Zentrale. Ansätze dazu gibt es im geltenden Kirchenrecht. Sie spielen auch im Kirchenalltag bereits eine wenn auch bescheidene Rolle.

So hat beispielsweise eine Pfarre, dessen Pfarrer einen massiven Konflikt mit dem Bischof hatte, weswegen der Bischof die Wiedereinweihung der renovierten Pfarrkirche verweigern wollte, mit einem "hierarchischen Rekurs" gedroht. Der Bischof kam allein wegen der Möglichkeit eines solchen Verfahrens dem Wunsch nach Wiedereinweihung doch nach.

In der Erzdiözese Wien hat man wiederum die Schiedsgerichte für Konflikte zwischen Pfarrgemeinderäten und Pfarrern abgeschafft mit der dünneisigen Begründung, daß diese auf der nachkonziliaren Diözesansynode 1972 eingerichteten Schiedsgerichte ohnedies nicht beansprucht worden seien.

Hier ist eine Frage unausweichlich: Ist es in der katholischen Kirche nicht so, daß oftmals zentrale Ordnungsmacht kommunikationslos eingesetzt wird, um in Konflikten

Entscheidungen herbeizuführen, ohne die durchaus möglichen Konsultationen mit den Betroffenen zu führen? Dies geschieht etwa bei der Erteilung oder Verweigerung von Lehrbefugnissen an Universitäten, wo der einsamen Entscheidung von Kirchenleitungen nicht einmal Begründungen hinzugefügt werden. Solche organisationsentwicklerisch besehen "überzogenen" Machtinterventionen lösen nicht nur Konflikte, sondern schaffen überflüssige neue.

Schuld und Versöhnung

In all diesen Überlegungen haben wir außer Acht gelassen, daß Konflikte auch etwas mit Schuldigwerden zu tun haben und daß daher die Lösung von Konflikten Versöhnungsarbeit ist. Die besten organisationswissenschaftlichen Kenntnisse über Arten, Verläufe und Lösungsmodelle von Konflikten allein werden daher nicht ausreichen, um die destruktiven Anteile der Konflikte zu kontrollieren und den kreativen Anteilen Wirkmächtigkeit zu verschaffen.

Versöhnung heißt dann: den Anderen in seinem Anderssein das Existenzrecht nicht streitig machen; sich auch für dessen legitime Interessen kümmern, ihn (z.B. "Rom") verstehen lernen, was die Hintergründe und Anliegen sind und warum jemand in einem Konflikt so und

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nicht anders reagiert. Versöhnungsarbeit in Konflikten setzt aber auch das Wahrnehmen der eigenen Ängste und Interessen voraus. Wer nicht auf sich selbst achtet, mißachtet zumeist auch den anderen. Liebe ist daher immer das Wechselspiel zwischen Eigenliebe und Anderenliebe.

Die heilige Schrift kennt diese spirituellen Tiefenschichten von Konflikten. So wird im Matthäusevangelium verlangt, daß man sich mit dem Bruder aussöhnen soll, bevor man zum Opfer schreitet. Konflikte können somit eucharistiebehindert machen.

Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen;

geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann kommt und opfere deine Gabe.

Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner...

(Mt 5,23)

Der Grundton der Bibel nimmt geradezu bedrohliche Formen an; eine Verharmlosung der Konflikte findet also keineswegs statt. Konfliktkultur erweist sich als ein Moment nicht nur des Verhältnisses zum anderen Menschen, sondern darin auch zu Gott selbst. Rache, Jäh- Zorn, Erbarmungslosigkeit, Streitsucht werden gebrandmarkt. Friedfertigkeit inmitten der Konfliktaustragung wird gefordert.

Wer sich rächt, an dem rächt sich der Herr;

dessen Sünden behält er im Gedächtnis.

Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du betest, auch deine Sünden vergeben.

Der Mensch verharrt im Zorn gegen den andern, vom Herrn aber sucht er Heilung zu erlangen?

Mit seinesgleichen hat er kein Erbarmen, aber wegen seiner eigenen Sünden bittet er um Gnade?

Obwohl er nur ein Wesen aus Fleisch ist, verharrt er im Groll, wer wird da seine Sünden vergeben?

Denk an das Ende, laß ab von der Feindschaft, denk an Untergang und Tod,

und bleib den Geboten treu!

Denk an die Gebote, und grolle dem Nächsten nicht, denk an den Bund des Höchsten und verzeih die Schuld!

Bleib fern dem Streit, dann verringerst du die Zahl der Sünden;

denn ein jähzorniger Mensch entfacht Streit.

Ein sündiger Mensch bringt Freunde durcheinander, zwischen friedliche Leute schleudert er Zwietracht.

Je nach dem Brennstoff flammt das Feuer auf, je nach dem Einfluß wächst der Streit.

Je nach der Macht eines Menschen wütet sein Zorn, je nach dem Reichtum steigert er seine Wut.

Ein schneller Funke entzündet das Feuer, ein schneller Streit führt zu Blutvergießen.

(Sir 28,1-11)

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Konfliktliteratur

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Referenzen

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