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Bericht und Meinung DER KOMMENTAR
Abteilungen ohne
Ärzte
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Albert Burger hat der Bundesre- gierung Vorwürfe darüber ge- macht, daß seit der Vorlage des Berichtes der Psychiatrie-En- quete-Kommission noch nichts geschehen sei – nicht einmal die angekündigte Stellungnahme der Bundesregierung zum Enquete- Bericht sei fertiggestellt, der Bun- destag hat noch keine Gelegenheit bekommen, darüber zu diskutie- ren. Burger fordert, daß wenig- stens diejenigen Maßnahmen, die schnell getroffen werden könnten, auch sofort in Angriff genommen werden, und er verlangt deshalb, daß im Rahmen der jetzt in fast allen Bundesländern in Gang be- findlichen umfassenden Änderun- gen im Bereich des Krankenhaus- wesens – Stichwort: Bettenberg! – der Gedanke der Psychiatrie-En- quete, daß Psychiatrische Abtei- lungen an den Allgemeinen Kran- kenhäusern eingerichtet werden sollen, sofort verwirklicht werden muß und, wie er meint, kann. Mit der Realisierung dieser Forde- rung, schreibt Burger, wäre das Spezialfach wieder in die Medizin integriert und der Patient vom Stigma befreit, einmal in der „An- stalt" gewesen zu sein; der Bet- tenberg fände eine sinnvolle Ver- wendung. In der Tat: Die Länder wären gut beraten, wenn sie, Bur- gers Anregung folgend, bei allen Neugestaltungsmaßnahmen im Krankenhauswesen auch das Ziel der Integration der Psychiatrie in das allgemeine Krankenhauswe- sen im Auge behalten. Nur ist es damit und mit Vorwürfen von der Oppositionsbank allein leider nicht getan. Immerhin hat die En- quete-Kommission auch eine gan- ze Anzahl von Zahlen darüber mit- geteilt, wie der Bedarf und Fehlbe- darf an Personal in der psychiatri- schen Versorgung gedeckt wer- den kann – und gerade hier liegt das große Problem: Die bisherige
Organisation der psychiatrischen Versorgung, zentriert auf die gro- ßen Anstalten, hatte den Nachteil – unter vielen anderen –, daß zuwe- nig Weiterbildungsplätze für Psychiater zur Verfügung standen und daß diese Weiterbildungsplät- ze auch allzuwenig attraktiv wa- ren. Die Psychiatrischen Abteilun- gen an Allgemeinkrankenhäusern werden jedoch einen großen Be- darf an weitergebildeten und aner- kannten Psychiatern haben – es ist ja wenig sinnvoll, ein Stockwerk in einem Krankenhaus als Psychiatri- sche Abteilung auszuweisen und dann dort keinen Chef- und Ober- arzt zu haben. Der Enquete-Be- richt sagt, daß der Bedarf an Ärz- ten wohl in absehbarer Zeit ge- deckt werden kann, wenn sechs bis acht Prozent der alljährlich ausgesprochenen Anerkennungen für Gebietsärzte Psychiater betref- fen. Die absehbare Zeit hier aber
—BLÜTENLESE
Freundschaft!
Freundschaft!
Rußlands tatkräftige Hilfe für Adis Abeba könnte (auch) ge- schichtliche Motive haben:
Schon am Hofe Peters des Großen gab es einen Äthio- pier; er gehörte zu der Ahnen- reihe Puschkins. Das Zaren- reich leistete dem christlichen Kaiser Menelik Beistand, der 1896 bei Adua die Italiener be- siegte. Kaiser Haile Selassie, der „Löwe von Juda", wurde 1959 in Moskau mit außerge- wöhnlichem Pomp gefeiert. Er kehrte mit einem Riesenkredit heim. Die jahrhundertealte Freundschaft mit dem nicht arabischen Reich hat sich nun wieder bewährt.
Böse Zuhgen behaupten übri- gens, daß die „Gastarbeiter"
Moskaus, die Kubaner, auch bereit wären, über Rhodesien nach Pretoria zu reiten. Durrak
ist: zehn Jahre! Es wäre sicherlich verhängnisvoll für die Weiterent- wicklung der psychiatrischen Ver- sorgung, wenn auf dem baulichen und organisatorischen Gebiet nun Einri,;htungen geschaffen und da- mit Hoffnungen erweckt werden, die dann personell nicht erfüllt werden können – wenn dann Ärzte fehlen, wird die Schuld wieder der Ärzteschaft zugeschoben. bt
Zur Kasse gebeten
Die „Zweite Verordnung zur Ände- rung der Bundespflegesatzverord- nung (2. PflÄndV) vom 8. März 1978" ist so kurz wie die erste. Im Bundesgesetzblatt I vom 11. März 1978 veröffentlicht, soll sie der ge- setzlichen Krankenversicherung Mehrausgaben von jährlich rund 40 Millionen DM aufbürden. Da- durch sollen die gestiegenen Ko- sten für „Instandhaltung und In- standsetzung" der Krankenhäuser wenigstens zum Teil gedeckt werden.
Für die Erhaltung des Kranken- hauses wird der Patient und Versi- cherte zur Kasse gebeten. In den Jahren 1974 und 1975 hatte er je Pflegetag etwa 1,30 bis 3,15 DM dafür über den allgemeinen Pfle- gesatz zu bezahlen. Im Jahr 1978 werden die Pflegesätze für diesen Zweck etwa 1,65 bis 4 DM enthal- ten, gestaffelt nach Krankenhaus- alter, Bettenzahl und Bettennut- zung.
Daß die lineare Erhöhung der In- standhaltungs- und Instandset- zungspauschalen um 12 Prozent- 1976 waren es noch 13 Prozent – der tatsächlichen Kostensteige- rung entspricht, nimmt eigentlich niemand an. Warum sollten die Kosten eines älteren Krankenhau- ses mit 700 Betten zum gleichen Prozentsatz steigen wie die eines neuen mit 100 Betten? Schließlich haben größere Krankenhäuser er- fahrungsgemäß eine erheblich aufwendigere Medizin-Technik als
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 19 vom 11. Mai 1978 1123
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kleinere. Und bei älteren Kranken- häusern gibt es mehr zu „reparie- ren" als bei neuen.
Wie die Kosten in Wirklichkeit ge- stiegen sind, soll nunmehr unter- sucht werden. Auf die Ergebnisse eines entsprechenden For- schungsauftrages kann die Bun- desregierung aber nicht mehr war- ten. Bundespflegesatzverordnung und Krankenhausfinanzierungs- gesetz haben ihr die Hände ge- bunden: Spätestens alle zwei Jah- re muß die Bemessungsgrundlage für die pauschale Abgeltung der Instandhaltungs- und Instandset- zungskosten neu festgesetzt wer- den. Und zwei Jahre sind schon wieder vorüber. RL
Ausgehen
Das neueste Modewort deutscher Politiker ist die Formel: „Ich gehe davon aus, daß ...". Wenn man diese Formel einmal genau unter- sucht, dann heißt das: Zwar weiß ich nicht ganz genau, wie es wirk- lich ist, aber weil ich für meine Argumentation oder für meine Po- litik ja irgendeinen festen Punkt haben muß, auf den ich mich stüt- ze, unterstelle ich zunächst ein- mal, es wäre so. Wenn also einer sagt, er gehe von etwas aus, so kann man daraus schließen, daß er sich nicht sicher ist.
Auch Dr. med. Fritz Cremer, Vor- sitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesund- heitswesen (ASG), geht von etwas aus. Cremer hat erklärt, die ASG gehe davon aus, daß der Bundes- tagsabgeordnete Udo Fiebig nicht die Legitimation hatte, für die SPD oder ihre Bundestagsfraktion zu sprechen, als er am 12. März 1978 in Loccum das SPD-Gesundheits- programm „getrost zu den Akten"
legte (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 12/1978, Seite 673). Wir können also getrost davon ausgehen, daß der bayerische Landtagsabgeord- nete Cremer nicht genau weiß, was sich in der Bundestagsfrak- tion der SPD abspielt. Immerhin
hat Fiebig zum einen in Loccum mit keinem Wort seine Erklärun- gen etwa auf „persönliche Auffas- sungen" reduziert, zweitens hat er ganz betont seine Übereinstim- mung mit seinem Fraktionsvorsit- zenden Herbert Wehner hervorge- hoben. Im übrigen hat Wehner, der als fleißiger und korrekter Arbeiter berühmt und sogar berüchtigt ist, am ASG-Kongreß in Bremen, auf dem die integrierten SPD-Systeme festgeschrieben wurden, auch selbst teilgenommen — er schießt also nicht aus dem Nebel, wenn er jetzt dagegen agieren sollte. Und wer bei diesem Kongreß dabei war, der weiß, daß Wehner aus sei- ner Abneigung gegen das System- theoretisieren keinen Hehl ge- macht hat. Später hat sogar einer der Mitverfasser des Programmes, ASG-Vorstandsmitglied und DGB- Vertreter bei dieser Organisation, Wolfgang Mudra, das Programm lediglich als „Diskussionsange- bot" bezeichnet (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 3/1978, Seite 100).
Jetzt aber hat Cremer erneut be- tont: Es bleibe dabei, daß der Par- teitag über die Gesundheitspolitik der SPD entscheidet (basta!), und daß das Programm nicht zu den Akten gelegt, sondern realisiert werden müsse (basta!). Wir sind solch großen Worten gegenüber bescheiden: Wir gehen davon aus, daß Gesetze im Parlament ge- macht werden, und daß die vom Volk gewählten Abgeordneten ein- zeln und in ihren Fraktionen nach eigenem Wissen und Gewissen entscheiden, was sie für richtig und politisch für durchsetzbar hal- ten. Insoweit also war das State- ment des Bundestagsabgeordne- ten Udo Fiebig eben ein parlamen- tarisches Ereignis, das für die Be- wertung sozialdemokratischer Ge- sundheitspolitik seine Bedeutung hat. Welche, wird sich wohl mit einiger Sicherheit erst im Laufe der Zeit herausstellen — wobei man übrigens nicht nur davon ausge- hen, sondern sogar als sicher un- terstellen kann, daß Bundestags- abgeordnete auch etwas von Wah- len verstehen... bt
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
SCHLESWIG-HOLSTEIN
Männer sollen zur
„Früherkennung" gehen
Der Zweite Vorsitzende der Kas- senärztlichen Vereinigung Schles- wig-Holstein, Dr. Rudolf Gahr- mann, hat den Männern dringend zu vermehrter Inanspruchnahme der Krebs-Früherkennungsunter- suchungen geraten. Dr. Gahrmann widersprach damit der von Profes- sor Julius Hackethal wiederholt geäußerten These, der Prostata- krebs habe, sofern es sich um Her- de von geringerer Aktivität hande- le, bei Berücksichtigung des Le- bensalters kaum noch Bedeutung für den Mann. Dr. Gahrmann be- zeichnete dies als eine unzulässi- ge Verharmlosung des Problems.
Erst nach einer eingehenden Un- tersuchung könne man entschei- den, ob eine Behandlung durchzu- führen sei und welche Therapie angewendet werden müsse. Das Ablehnen der Früherkennungsun- tersuchung hieße, „den Kopf nach Art des Vogel Strauß in den Sand zu stecken."
Die Allgemeine Ortskrankenkasse Lübeck hat als erste Krankenkasse in Schleswig-Holstein mit Wirkung vom 1. April die Altersgrenze für
Früherkennungsuntersuchungen bei Männern und Frauen aufgeho- ben. KV-SH
NORDRHEIN-WESTFALEN
Köln: Weniger Betten für Kinder?
Die Kinderklinik der Kölner Univer- sität soll um ein Drittel verkleinert werden. Das nordrhein-westfäli- sche Wissenschaftsministerium hält statt der gegenwärtig 181 für die allgemeine Kinderheilkunde zur Verfügung stehenden Betten künftig bereits 110 für „ausrei- chend". Dies ergibt sich aus der Antwort auf eine kleine Anfrage des Kölner CDU-Abgeordneten Ottmar Pohl.
1124 Heft 19 vom 11. Mai 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT